Zieh oder stirb, Cowboy! - U.H. Wilken - E-Book

Zieh oder stirb, Cowboy! E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

U. H. Wilken war einer der ganz großen Autoren, die den Western prägten und entscheidend zum Erfolg dieses Genres beitrugen. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. U. H. Wilken ist zugleich einer der bestinformierten Autoren und kennt sich genau in der Historie des Wilden Westens aus. Was er schreibt, lässt sich hautnah belegen. Ein Meister seines Fachs, der mit Leidenschaft und Herzblut die großen Geschichten nachzeichnet, die sich in der Gründerzeit ereigneten. Lee Sharp jagt im Galopp durch die düstere Nacht, vom Unwetter gehetzt. Sein Pferd schwankt, wiehert schrill und reißt den Schädel hoch. Mit harter Hand zieht Lee den Zügel straff, reißt das Tier scharf zur Seite und treibt es in eine Bodenwelle. Schwere, tief hängende Wolken verdunkeln den Himmel. Urplötzlich rast der Sturm heran, presst das Gras flach an den Boden, bricht Bäume, entwurzelt sie. Er fegt über die Prärie, packt den einsamen Reiter mit wilder Gewalt und schlägt ihn um, rast weiter, wird immer höllischer. Lee Sharp zwingt das Pferd zu Boden, wirft sich daneben, ist im Sturmschatten, hört es über sich hinwegfauchen. Unwetter über Kansas! Der Sturm jagt in die weiten flachen Täler hinein und rast auf das Weidecamp der Dayton-Ranch zu. »Haltet die Herde!« Eine schrille Stimme tönt durch die Nacht, wird vom röhrenden Sturm zerfetzt. Dumpf poltern die Hufe der Pferde. Graue Schatten jagen quer durchs Tal. Rinder brüllen und schieben sich wild durcheinander – eine dunkle und brodelnde Masse, die langsam in Bewegung gerät. Harte Cowboys kämpfen um die Herde, jagen umher, brüllen und schießen in den dunklen Himmel hinein. Wild faucht das Feuer im Camp, zucken die Flammen empor, fauchen bei einem Sturmstoß flach über den Boden hinweg und lecken an der im Sturm knatternden Windfangplane empor. Verlassen ist das Camp. Draußen im Tal jagen die Weidereiter umher. Die große Herde dreht sich. Sand peitscht den Männern ins Gesicht.

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U.H. Wilken – 8 –

Zieh oder stirb, Cowboy!

U.H. Wilken

Lee Sharp jagt im Galopp durch die düstere Nacht, vom Unwetter gehetzt. Sein Pferd schwankt, wiehert schrill und reißt den Schädel hoch.

Mit harter Hand zieht Lee den Zügel straff, reißt das Tier scharf zur Seite und treibt es in eine Bodenwelle.

Schwere, tief hängende Wolken verdunkeln den Himmel.

Urplötzlich rast der Sturm heran, presst das Gras flach an den Boden, bricht Bäume, entwurzelt sie.

Er fegt über die Prärie, packt den einsamen Reiter mit wilder Gewalt und schlägt ihn um, rast weiter, wird immer höllischer.

Lee Sharp zwingt das Pferd zu Boden, wirft sich daneben, ist im Sturmschatten, hört es über sich hinwegfauchen.

Unwetter über Kansas!

Der Sturm jagt in die weiten flachen Täler hinein und rast auf das Weidecamp der Dayton-Ranch zu.

»Haltet die Herde!«

Eine schrille Stimme tönt durch die Nacht, wird vom röhrenden Sturm zerfetzt.

Dumpf poltern die Hufe der Pferde. Graue Schatten jagen quer durchs Tal. Rinder brüllen und schieben sich wild durcheinander – eine dunkle und brodelnde Masse, die langsam in Bewegung gerät.

Harte Cowboys kämpfen um die Herde, jagen umher, brüllen und schießen in den dunklen Himmel hinein.

Wild faucht das Feuer im Camp, zucken die Flammen empor, fauchen bei einem Sturmstoß flach über den Boden hinweg und lecken an der im Sturm knatternden Windfangplane empor.

Verlassen ist das Camp.

Draußen im Tal jagen die Weidereiter umher.

Die große Herde dreht sich.

Sand peitscht den Männern ins Gesicht. Flüche ersticken im Sturm.

»Smoky – nach vorn – nach vorn! Du musst …«

Die Worte zerflattern in der düsteren Nacht.

Das Wiehern der Pferde gellt im Tal. Schwefelgelb zuckt es über dem Tal, erhellt für Sekunden das Land, beleuchtet die Szene gespenstisch.

Die Cowboys jagen um die Herde, die ausbrechen will.

Mündungsfeuer flammen auf. Sträucher fliegen zwischen die Rinder. Wie ein Keil jagt der Sturm mitten durch die Herde, umkrallt viele Rinder, schleudert die Tiere zur Seite.

Und dann prasselt es los, gießt in Strömen vom dunklen Himmel.

Der Boden wird weich, er klebt, saugt die Hufe der Pferde an.

Reiter stürzen, Pferde brechen zusammen, überschlagen sich.

Die Herde stampft und brodelt, brüllt und wälzt sich davon, tritt alles nieder.

Kein Schuss kann die Tiere mehr zurücktreiben…

»Zur Seite, Skelly, zur …«

Die Rinder donnern wie eine Lawine durchs Tal. Verzweifelt jagt ein Cowboy zur Seite.

Das Pferd tritt fehl, stürzt – der Mann fliegt in hohem Bogen nach vorn, prallt auf, rollt ein paar Yard, bleibt liegen, starrt nach oben, wo der grelle Blitz über den Himmel zuckt.

Da hält dicht bei ihm ein Reiter, beugt sich tief zu ihm herunter, packt ihn am Arm, zerrt ihn hoch und reitet weiter.

Sie schaffen es gerade noch.

Drei Pferdelängen von ihnen entfernt rast die Herde vorbei und in die Nacht hinaus.

Noch immer blitzen Mündungsfeuer auf.

»Sind die denn verrückt!?«, brüllt der Mann, der seinen Kameraden in Sicherheit gebracht hat. »Sind die …«

Regenwasser ergießt sich ins Tal, spült tiefe Rinnen in den Boden.

»Skelly!«, keucht der andere. »Skelly, ist es schlimm?«

»Schon – gut, in Ordnung, Ames – lass man …«

Schüsse pochen dumpf in der Sturmnacht.

»Verrückt sind sie, verrückt!«, brüllt der Cowboy Ames stockheiser. »Auf was, zum Teufel, schießen die denn!?«

Das Gewitter tobt. Sturm rüttelt an den starken Bäumen am Camp. Regen prasselt sturmgepeitscht ins Tal.

Die Herde ist verschwunden, von der Nacht geschluckt. Die Reiter suchen einander, rufen hohl und laut.

Plötzlich ist der Sturm vorbeigerast. Noch grollt das Gewitter, dröhnt und kracht. Und der Regen rauscht …

»Gerechter!«, keucht Ames. »Gerechter!«

Er beugt sich über Skelly. Der Boy stöhnt. Mit beiden Händen hält er sich den Oberschenkel. Im zuckenden Licht der Blitze sieht Ames, dass das Bein Skellys seltsam verrenkt ist.

»Ich bring‹ dich zum Camp, mein Junge!«, sagt Ames heiser. »Du musst es durchhalten! Komm, leg‹ den Arm um mich!«

Skelly quält sich hoch.

Sie taumeln durch die Regennacht.

Das Camp ist verwüstet. Der Küchenwagen ist vom Sturm umgeworfen worden, aber unter seine Plane ist noch alles in Ordnung.

Reiter kommen aus dem Tal.

Nacheinander reiten sie ins Camp.

»Richtet den Wagen auf, Jungs«, ertönt Clints Stimme. Er ist hier der Boss. Und er packt mit an, als die Männer den Wagen mühsam wieder auf die Räder stellen.

Sie holen zwei Planen hervor und spannen sie am Wagen auf, holen Brennholz aus dem Wagen und machen Feuer.

Wieder trifft ein Reiter ein, völlig durchnässt, verschmutzt, zerschunden. Und er rutscht kraftlos vom Pferd.

Sie spannen einen Seilkorral zwischen die Bäume, um die Pferde hineinzubringen.

Zwei Männer kümmern sich um Skelly. Der Junge stöhnt auf, als sie sein gebrochenes Bein schienen.

»Wo ist Smoky?«, fragt jemand plötzlich.

Niemand antwortet.

»He«, brüllt der Mann, »habt ihr nicht gehört – wo ist Smoky? Habt ihr ihn nicht gesehen, verdammt!?«

Sie stehen am Wagen. Das Feuer flackert. Ihre Gesichter sind eingefallen. Die Augen glühen im Feuerschein. Sie sehen sich an. Smoky ist nicht im Camp…

Clint, der große hagere Campboss, kommt hinterm Wagen hervor, Brennholz im Arm, und wirft es in die Flammen. Funken sprühen hoch. Er blickt umher.

»Wir reiten!«, sagt er rau.

Sie nicken, gehen wortlos davon, reiten wenig später ins Tal und suchen den Kameraden.

Da tönt ein klagender Ruf durch das Rauschen des Regens, ein schwacher und kraftloser Ruf…

Die Reiter verhalten, horchen, starren in die Regennacht hinaus. Über den flachen Hügeln blitzt es grell. Sekundenlang liegt das Tal in einem toten Licht. Zwei dunkle Schatten bewegen sich im Tal.

Die Männer reiten darauf zu, trennen sich.

Wenig später treffen die beiden kleinen Gruppen auf zusammengebrochene Pferde, und aus dem Dunkel kommen zwei Männer humpelnd heran. Sie gehören zur Mannschaft, ihre Abwesenheit ist noch gar nicht aufgefallen. Sie sind zerschunden wie alle anderen, und sie haben sich den Fuß beim Sturz vom Pferd verstaucht. Frenchy hat den rechten Arm gebrochen. Sein Gesicht ist verzerrt. Sie sehen es, als der Blitz über den Himmel jagt.

Die Pferde, die am Boden liegen, schnaufen schwer und klagen. Sie wollen immer wieder hoch, aber sie schaffen es nicht.

Schon glauben die Männer, diese Pferde hätten so klagend gerufen, als Frenchy mit heiserer, krächzender Stimme ruft:

»Smoky liegt da oben! Wir sind bei ihm gewesen. Er ist bewusstlos …«

Clint, der Boss, sieht die grauen Schatten seiner Reiter und atmet tief ein.

»Macht Schluss mit den Pferden!«, sagt er rau.

Dann reitet er auch schon los, und zwei Jungs folgen ihm. Sie stoßen auf Smoky, auf diesen jungen langbeinigen und tapferen Boy, der jetzt bewusstlos im Regen liegt, vom Wasser umspült, das vom Talrand herunterkommt.

Und sie rutschen von den Pferden und beugen sich über den Cowboy. Viel können sie nicht sehen, aber Clint tastet ihn ab und wird plötzlich steif.

»Eine Kugel hat ihn erwischt!«, keucht er. »Verdammt, eine Kugel hat ihn erwischt!«

Im Tal fallen zwei Schüsse.

Die Schüsse erlösen die Pferde von ihren Qualen.

Dumpf verliert sich der Knall im Tal, und es gibt kein Echo.

Reglos hocken sie bei Smoky.

Aus dem Tal kommen die anderen Männer herangeritten, verharren hinter Clint, Steve und Matt.

»Was ist mit ihm?«, fragt jemand dunkel.

Clint kommt langsam hoch, steht steif vor ihnen und sagt bitter:

»Ihr habt auf Smoky geschossen, ihr Narren! Was musstet ihr auch durch die Gegend knallen, he?«

Der Regen rauscht und knattert auf die Stetsons. Die Reiter schweigen bedrückt. Jeff kommt langsam aus dem Tal herangehumpelt. Er hat Clints Worte gehört, und er sagt bissig:

»Yeah, auf mich habt ihr auch geschossen, verdammt! Zwei von euch haben wie die Verrückten herumgeknallt! Ich hab‹ noch geschrien, aber sie haben nicht auf mich gehört! Und die Herde raste weg. Dann war es endlich still!«

Der rothaarige Matt flucht unterdrückt.

»Ich hab‹ geschossen!«, knurrt er rau. »Ich und alle anderen! Wir wollten die Rinder zurücktreiben. O verdammt, ich hab‹ dich nicht gehört, Jeff! Glaubst du etwa, ich hätte sonst auf dich geschossen?«

»Nein«, bellt Jeff, »zum Teufel, nein – du bist doch kein Lump! Wir alle sind keine Lumpen, aber diese blödsinnige Knallerei hat Smoky vom Gaul gestoßen! Jetzt liegt der Junge da und –« Er schluckt hart und presst den Atem hervor.

Clint strafft sich.

»Tragt den Jungen zum Camp«, sagt er, »aber vorsichtig!«

Sie heben Smoky langsam an und tragen ihn behutsam durchs Tal zum Camp. Dort flackert das Feuer, und die hellen Planen schimmern im Feuerschein. Der Küchenwagen dahinter ist gerade noch zu erkennen. Regenfäden, von Windböen zerstoßen, verschleiern die Sicht.

Die Männer sind nass bis auf die Haut, doch keiner von ihnen flucht mehr. Schweigend kommen sie ins Camp.

»Legt ihn in den Wagen«, sagt Clint.

Während sie Smoky auf den Wagen heben, beugt Ames sich über Skelly.

»Gehts wieder, Skelly?«, fragt er rau.

Skelly liegt im Windschatten der schwappenden Plane. Er liegt so dicht am Feuer, dass seine nasse Kleidung durch die Wärme bereits zu dampfen beginnt. Er verzieht das regennasse Gesicht und nickt schwach.

»Ja …«

Ames nickt zurück und erhebt sich dann.

Im Planwagen brennt eine Lampe. Der Schatten des Vormannes bewegt sich vor dem Licht. Clint legt Smokys Wunde frei und sieht sie sich an. Noch immer ist Smoky bewusstlos, liegt wie leblos im schmalen Wagengang und atmet unruhig.

»Du kommst schon durch, mein Junge«, murmelt Clint. Er tupft die Wunde ab. »Du musst durchkommen, Freund, sonst –« Er verstummt, geht ans Wagenende und beugt sich hinaus. »Die Kugel ist noch drin«, sagt er heiser. »Ich brauche ein sauberes Messer. Cash, du hast ein gutes Messer. Halt es übers Feuer…«

»Ja, Clint.«

Kurz darauf reicht Cash dem Vormann das noch glühende Messer. Der Vormann verschwindet hinter der Wagenplane.

Ein Cowboy schient Frenchys gebrochenen rechten Arm.

Der Regen klatscht gegen die Planen. Die Pferde stehen dicht beisammen im Seilkorral. Der Wind jault in den ächzenden Bäumen. Fernab grollt das Unwetter, und Blitze zucken durch die Nacht.

Im Küchenwagen ertönt ein erstickter Aufschrei – dann ist es wieder still. Clint beugt sich hinab…

Die Cowboys warten.

Und der Regen lässt nicht nach.

»Es regnet sich ein«, sagt einer der Jungs dumpf.

Er bekommt keine Antwort.

Da ertönt irgendwo, weitab vom Camp, ein dumpfer Schlag. Der Wind bringt das Geräusch heran.

»War das nicht ein Schuss?«, fragt Ames sofort und sieht die Männer seltsam starr an.

»Hörte sich so an«, nickt der blonde Steve und dreht das Gesicht in den Regen, starrt in die Dunkelheit.

»Das ist das Gewitter«, knurrt Cash.

Sie bleiben stehen.

Clint schiebt den Oberkörper aus dem Wagen.

»Die Kugel ist ›raus«, spricht er ernst und kratzend, »aber es sieht nicht gut aus. Smoky muss zur Ranch. Sein Mädel muss geholt werden.«

Frenchy richtet sich mühsam auf.

»Ich bring‹ ihn hin, Clint«, sagt er. »Bleibt ihr hier. Morgen bin ich zurück.«

Clint sieht ihn forschend an.

»Dein Arm ist gebrochen, Frenchy.«

»Ich hab‹ noch einen anderen Arm, Clint …«

Der Vormann nickt. Frenchy ist der Koch der Weidemannschaft. Er hat den Wagen schon viele Meilen durchs Land gelenkt. Er wird Skelly zur Ranch bringen.

»Well, dann ›rauf, Frenchy. Skelly, du setzt dich zu Smoky und passt auf. Spannt die Pferde vor …«

So geschieht es.

Und schon kann es losgehen.

Frenchy sitzt auf dem Kutschbock, in einen weiten Regenumhang gehüllt, und hat die Zügel der beiden Wagenpferde in den Händen. Sein Arm schmerzt, aber ihm ist nichts anzumerken.

»Kümmert euch um die verschwundene Herde!«, knurrt er nur, und dann fährt er los und in die stockdunkle Nacht hinaus. Die Räder schneiden tief in den aufgeweichten und nassen Boden, und die Wagenpferde keuchen und stampfen.

Clint steht neben dem Feuer und sieht seine Männer an.

»Steve, Matt – ihr reitet los und sucht die Herde. Sie wird irgendwo zwischen den Hügeln ausgelaufen sein. Wenn ihr sie gefunden habt, dann kommt sofort zurück.«

Sie gehen ganz wortlos zu ihren Pferden.

Wenig später reiten sie davon.

Jetzt sind nur noch Clint, Jeff, Ames und Cash im Camp, und das Feuer glüht in der Regennacht…

*

Bitter starrt Lee Sharp auf sein Pferd. Er hat es erschießen müssen; es hat sich beim Sturz das Vorderbein gebrochen. Er steht krumm im strömenden Regen und hält seine Winchester. Wasser läuft über sein Gesicht. Er atmet schwer ein, beugt sich hinab und zerrt sich den schweren Sattel, den er vorher dem Pferd abgenommen hat, über die Schultern.

Dann stapft er los, weiter nach Westen, dem Gewitter nach, und hat Regen und Wind im Rücken. Immer wieder rutscht er aus und fängt sich. Der Sattel ist schwer vom Regenwasser. Die Kleidung klebt ihm am ganzen Körper.

Lee Sharp ist ein großer, breitschultriger Mann in einfacher Weidekleidung. Mit harter Hand hält er den Sattel. Die Steigbügel schlagen ihm in die Knie. In der linken Hand hält er die Winchester 73.

So geht er durch die Nacht, ein Mann, der noch einsamer geworden ist. Und sein Pferd bleibt leblos zurück und mit ihm ein Stück rauer Vergangenheit.

Er geht lange, unbeirrt und voller Kraft. Der Boden ist schlüpfrig, glatt und schwer und klebt in Klumpen an den Stiefeln.

Lee Sharp hat den Blick gesenkt. Als er wieder einmal aufblickt, sieht er ein Feuer in der Nacht.

Es glüht und flackert, und dahinter schimmert es hell wie von einer Plane, die an Stangen befestigt zu sein scheint.

Und er verharrt plötzlich, horcht und hört den dumpfen Hufschlag mehrerer Pferde in der Nacht. Er kann die Reiter nicht sehen, aber es müssen mehrere Reiter sein.

Er geht weiter.

Vor ihm leuchtet das rote Auge des Feuers. Das Licht zieht ihn an. Und er nähert sich dem Camp…

*

Clint nestelt an seiner Jacke und holt sein Rauchzeug hervor. Im Beutel ist es trocken geblieben. Er stopft die Pfeife, zieht ein Stück glühenden Holzes aus dem Feuer und raucht die Pfeife an. Durch das Feuer hindurch sieht er in die ausgemergelten Gesichter seiner Männer.

»Wenn Smoky nicht durchkommen sollte, dann –« Er verstummt. Die Männer starren ins Feuer. Er spricht weiter: »Wenn es so sein soll, dann werden wir trotzdem zusammenbleiben, nicht wahr? Keiner von euch lässt den Boss sitzen, so ist es doch, wie?«

Sie nicken stumm und ziehen die Schultern an.

»Yeah«, murmelt er, »der Boss hat viel Kummer mit seinem Nachbarn. Hartley hasst ihn. Hartley ist ein kläffender Köter, der es nie so weit bringen wird wie der Boss. Der Neid macht ihn krank vor Hass. Yeah, wir wollen John Dayton nicht sitzen lassen, Jungs.«

Sie schweigen, diese harten Burschen, die sich die Schuld an dem Unglück geben, eine Schuld, die sie quälen wird.

Und Vormann Clint weiß das.

»In Smokys Gewehr fehlen drei Schuss«, murmelt er, die Männer beobachtend, »drei Schuss.«

»Aber wir haben ihn zusammengeschossen!«, sagt Cash heiser. »Ich könnte mich verfluchen!«

Die anderen sagen kein Wort, fressen ihren Kummer in sich hinein.

Clint raucht heftiger. Er stochert mit dem Holz im Feuer herum. Funken wirbeln empor.

Plötzlich springt Cash auf und packt sein Gewehr, blickt in die Nacht hinaus.

»Da kommt jemand!«, zischt er. »Hölle, da kommt jemand!«

Sofort sind Clint, Jeff und Ames aufgesprungen und haben den Lichtkreis des Feuers verlassen.

Horchend stehen sie im Dunkeln.

Irgendwo vor ihnen sind schwere Schritte zu hören. Dann wird es still.

Eine raue Stimme ertönt:

»Ich bin Lee Sharp! Ich habe kein Pferd!«

»Komm näher, Fremder!«, ruft Clint hart. »Langsam näher kommen!«

Lee Sharp kommt aus dem Dunkel der Nacht hervor und nähert sich dem Feuer. Sein hartes Gesicht taucht auf – dann ist er im Lichtschein gut zu sehen. Er bleibt stehen und hat den schweren Sattel auf dem Rücken.

»Näher, Fremder!«, sagt Clint scharf.

Wieder setzt Lee Sharp sich in Bewegung, und dann steht er neben dem Feuer, und die Männer kommen aus dem Dunkel und haben die Waffen auf ihn gerichtet.

»Woher kommst du, Fremder?« Der Vormann steht Sharp gegenüber auf der anderen Seite des Feuers. Die Flammen züngeln empor. Ihr unruhiger Schein geistert über die kantigen Gesichter.

»Von Wichita her«, antwortet Lee Sharp ruhig.

»Wo ist dein Pferd, Fremder?«, fragt Clint hartnäckig.

»Ich musste es erschießen, eine Meile von hier entfernt. Es hatte sich das Bein gebrochen.«

Clint starrt ihm noch ein paar Sekunden ins Gesicht, dann nickt er.

»Okay, Sharp. Das ist hier das Dayton-Camp. Die Herde ist uns davongerast. Setz‹ dich!«

Erst jetzt lässt Lee Sharp den Sattel fallen. Die Männer hocken sich ans Feuer. Sie mustern Lee Sharp mit scharfen Blicken.

»Ohne Pferd kommst du nicht weiter, Sharp«, spricht Clint langsam. »Wenn du Arbeit suchst, dann sag‹ es.«

»Schon möglich.« Lee Sharp nimmt den Stetson ab und schlägt das Wasser ab. Sein Blick gleitet umher, findet zurück zum Feuer. Ein Dreifuß steht über dem Feuer, daran hängt ein mit Regenwasser gefüllter Topf. Das Wasser summt.

Cash wirft Kaffee hinein, als es kocht.

»Für einen ordentlichen Mann ist Platz in unserer Crew«, sagt Clint bedächtig. »Zwei von uns sind ausgefallen …«

»Ich will weiter nach Westen«, murmelt Lee Sharp.

Clint verzieht das Gesicht zu einem harten, flüchtigen Lächeln.

»Ohne Pferd?«

Lee Sharp rückt etwas näher ans Feuer und streckt die Hände aus, wärmt sich, während der Regen gegen die Plane klatscht und über den Hügeln die Zickzackblitze zur Erde hinunterjagen, während der Wind faucht und der Donner grollend verklingt. Im Seilkorral stampfen unruhig die gesattelten Pferde.

»Wo liegt die Ranch?«, fragt Lee Sharp dunkel.

»Zehn Meilen von hier.«

Im Tal schreit es.

Die Männer horchen.

Cash richtet sich auf.

»Rinder«, sagt er, packt sein Gewehr und geht zum Seilkorral. Auch Ames erhebt sich und holt sein Pferd. Die beiden reiten wenig später aus dem Lichtkreis des flackernden Feuers.

Sharp blickt nach den Hügeln hin-über, die großen hingeduckten Tieren ähneln.

»Das Unwetter kommt nicht über den Arkansas hinweg«, murmelt er. »Wenn wir Pech haben, kommt es noch zurück. Der Sturm ist vorbei …«

Clint nickt stumm.

Zwei Schüsse krachen im Tal. Nach ein paar Sekunden flammt es dort unten gleich noch zweimal auf.

»Ich kann Sie nicht zur Ranch bringen«, sagt Clint langsam. »Wir haben kein Pferd übrig; wir haben zwei Tiere verloren, und unsere drei Ersatztiere haben sich losgerissen. Morgen werden wir sie suchen. Dann will ich Ihnen ein Pferd geben, damit Sie zur Ranch kommen können. Da fragen Sie den Boss.«

»Yeah.«

»Sie müssen also warten, Sharp. Zwei von uns suchen die Herde. Wir haben die Tiere nicht halten können. Sie werden sicherlich bei Morgengrauen zurück sein.«

»Ich habe Zeit«, sagt Lee Sharp. »Warten wir also.«

Cash und Ames kommen zurückgeritten, und Cash sagt, als sie von den Pferden gestiegen sind:

»Die Rinder lebten noch. Wir mussten sie erschießen, Clint. Sie waren schon halb tot; die anderen haben sie niedergetrampelt.«

Sie bringen die Pferde weg, und dann hocken sie alle wieder am Feuer in der Nacht.

Einsam liegt das regengepeitschte Land unter dem düsteren Himmel. Nicht weit vom Camp entfernt, schießen die Wasser des Arkansas River nach Osten, tritt der Fluss über die Ufer…

*