Abschied von Asien - Bernhard Kellermann - E-Book

Abschied von Asien E-Book

Bernhard Kellermann

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Beschreibung

Mit feinem Gespür für Atmosphäre und historische Entwicklungen beschreibt Bernhard Kellermann seine letzte Reise durch Asien in den 1920er Jahren. Zwischen Peking und Charbin erlebt er ein Land im Umbruch: Auf den Straßen herrscht politische Unruhe, in den Häfen brodelt der Handel, und auf den Schienen rauscht die Zukunft heran. Sein Abschied von Asien ist kein sentimentaler Rückblick, sondern ein scharfer Blick auf Macht, Kolonialismus und kulturellen Wandel – ein literarischer Reisebericht, der die dramatische Zwischenkriegszeit in eindrucksvollen Bildern festhält. Ein faszinierendes Zeitdokument, das Reise, Politik und Geschichte auf besondere Weise verbindet.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bernhard Kellermann

Abschied von Asien

ISBN 978-3-68912-603-2 (E-Book)

Aus: EINE NACHLESE 1906-1951, Verlag Volk und Welt, Berlin 1979. Herausgegeben von H. D. Tschörtner unter Mitarbeit von Georg Wenzel

© 2025 EDITION digital®

Pekrul & Sohn GbR

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Godern

Tel.: 03860-505 788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

Abschied von Asien

Punkt sieben Uhr morgens steht das Auto vor dem Hotel, das uns von Peking nach Tientsin bringen soll, da die Bahnverbindung immer noch unterbrochen ist. Punkt sieben Uhr erscheint im Foyer des Hotels mein Freund Mr. Wee, Weltmann, Philosoph und Gelehrter. Sein Gewand strahlt seidig blau wie der Frühlingshimmel, sein rundes Gesicht glänzt vor Liebenswürdigkeit, guter Laune und Lebensweisheit. Er verneigt sich und schüttelt sich herzlich dabei die eigenen Hände. Er scheute nicht die Mühe, so früh aufzustehen, um mir Lebewohl zu sagen. Ahnt er, wie hoch ich seine Aufmerksamkeit schätze? Er repräsentiert Asien, Asiens Gastfreundschaft, verfeinerte Sitte und Gefühlsreichtum. Als ich Klein-Tibet verließ und nach Leh abritt, begleitete mich mein Freund, der Schulmeister von Leh, zwei Tage lang zu Pferd. Schließlich aber musste geschieden sein. Ich stieg in den Sattel, um den Abschied kurz zu machen. Mein Freund aber weinte mit verhülltem Gesicht an meinem Knie. Das sind die „berechnenden, gefühllosen Asiaten“.

Abfahrt. Eine kleine deutsche Dame begleitet uns. Sie ist in Peking aufgewachsen und spricht vollendet Chinesisch. Sie ist zwölf Jahre alt, und auf ihr beruht im Wesentlichen unsere Hoffnung, dass wir unangefochten nach Tientsin durchkommen. In den letzten Tagen wurden ein dänischer Konsul, ein amerikanischer Journalist und eine englische Gesellschaft ausgeplündert. Gestern sprach ich einen deutschen Herrn, den man bis auf den letzten Fetzen fledderte. Sogar den armen chinesischen Postfahrern nahm man ihre paar Heller ab. Wir führen unser ganzes Gepäck mit uns, die Reisekasse ist gewissermaßen ein wahrer Leckerbissen für Wegelagerer! Im letzten Augenblick stürzt noch mein Rikschaboy ans Auto und überreicht mir einen Korb mit Früchten und einen herrlich glasierten antiken Dachziegel, den er irgendwo für mich gestohlen hat. Die Signaltrompeten der japanischen Truppen lärmen auf dem Glacis.

An der Kontrolle. Man mustert uns. Wir passieren eine Stunde später ein Dorf, eine zusammengefahrene Wagenburg von Ochsenkarren. Ein Soldat streckt uns das Bajonett entgegen. Er trägt eine gestempelte gelbe Armbinde. Südtruppe! Unser kleiner Dolmetsch plappert. Ob die Straße frei sei? Der Soldat aber weiß nichts. Was soll er auch wissen? Er hat kein Telefon. Sie sind eben hier, mehr wissen sie nicht. In der Nacht wurde – da voraus! – noch heftig gefeuert. Das ist wenig erhebend.

Die Sonne klettert in die Höhe, und die Hitze ist unerträglich. Wir fahren in der dicken Staubwolke, die der Wagen in der schlechten Landstraße aufwühlt. Ist es nicht ein Unfug, sich in der Hitze abquälen zu müssen, und dabei hatte China die feierliche Verpflichtung übernommen, für alle Zeiten die Verbindung zwischen Peking und Tientsin unter allen Umständen aufrechtzuerhalten. In der Tat leistete sich das diplomatische Korps das Schildbürgerstückchen, bei der Regierung in Nanking gegen die Verletzung dieser Verpflichtung telegrafischen Einspruch zu erheben – nachdem das gleiche Korps stillschweigend zugesehen hatte, wie die Nordtruppen die letzte Lokomotive und den letzten Waggon abrollten! (Der deutsche Gesandte war so klug, diesen Protest nicht zu unterschreiben!) Natürlich antwortete die Nankinger Regierung nicht einmal auf diese Albernheit. Das diplomatische Korps vollführte in diesen Wochen allerlei Kunststückchen, die man kaum für möglich halten sollte. Als bekannt wurde, dass die neue Regierung beabsichtige, die Hauptstadt Chinas nach Nanking zu verlegen, erhob dieses Korps sofort in der Presse Einspruch. Natürlich gab es im alten Nanking nicht diese herrlichen kühlen Paläste für müde und überanstrengte Diplomaten wie in Peking! Das Korps war offenbar der Meinung, dass das große China für das diplomatische Korps da sei und nicht das diplomatische Korps für China!

Unser Wagen rollt durch das Tor einer kleinen Stadt. Wir halten, um den glühenden Pneus und dem kochenden Motor Erholung zu gönnen. Soldaten und Neugierige umdrängen uns. Ihr kommt aus Peking? Ja, aus Peking. Wie ist es dort? Ruhig. Ruhig, unmöglich! – Und in Tientsin? In Tientsin wurde gestern gekämpft! Ein paar hundert Menschen erschlagen, viele enthauptet. Reizend plappert unser zwölfjähriger Dolmetsch.

Die Luft ist erfüllt mit glühendem Staub. Luftspiegelungen. Seen. Wälder. Gut bekannt aus den persischen Wüsten! Ein Schlagbaum quer über die Straße.

Eine Flagge winkt. Augenblicklich ist das Auto von halbwüchsigen, knabenhaften, etwas zerlumpten Soldaten umzingelt. Ihr Gebaren ist frech und aufdringlich. Sie tragen keine gestempelten gelben Binden, mustern Reisende und Koffer. Unser kleiner Dolmetsch plappert. Wie heißt euer General? Es ist ein General der Südarmee. Also ihr seid Nankingleute? Ja. Und wer seid ihr? Deutsche. Deutsche? Die Halbwüchsigen bieten uns Zigaretten an. Der Schlagbaum steigt in die Höhe. Glückliche Reise! Wir dachten, ihr seid Engländer. Wir lieben sie nicht!

Kontrolle. Kontrolle. Es sind lauter Südtruppen. Endlich erfahren wir von einem Offizier, dass Tientsin in der verflossenen Nacht endgültig in die Hände der Südarmee fiel.

Erleichtert atmend fahren wir in Tientsin ein. Sandsäcke, Barrikaden. Gestern noch hingen an einem Lichtmast der Hauptstraße ein paar Dutzend abgeschlagener Köpfe in einem Netz. Man musste sie abnehmen, da sie die Luft verpesteten. Tschangtschungtschang hat die Stadt um eine halbe Million Dollar gebrandschatzt, andernfalls er nicht „für die Haltung seiner Truppe bürgen könne“. Nun, der General fuhr ab, und ein Teil seiner Truppe fiel über das Chinesenviertel her.

*** Ende der Demo-Version, siehe auch http://www.edition-digital.de/Kellermann/Abschied/ ***

Bernhard Kellermann

Bernhard Friedrich Wilhelm Kellermann (*4. März 1879 in Fürth; †17. Oktober 1951 in Klein Glienicke bei Potsdam) war ein deutscher Schriftsteller, Journalist und Abgeordneter. Sein bekanntestes Werk ist der Roman Der Tunnel (1913), ein internationaler Bestseller, der millionenfach verkauft, in 25 Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt wurde.

Kellermann studierte zunächst an der Technischen Hochschule München, später Germanistik und Malerei. Schon mit seinen frühen Romanen Yester und Li (1904) und Ingeborg (1906) gelang ihm der Durchbruch. Es folgten Reiseberichte aus den USA und Japan, die seine Beobachtungsgabe und literarische Vielfalt unter Beweis stellten.

Der Erste Weltkrieg prägte ihn tief: Als Kriegsberichterstatter veröffentlichte er Reportagen vom Frontgeschehen. Mit seinem gesellschaftskritischen Roman Der 9. November (1920), der den Umbruch am Ende des Krieges thematisiert, zog er sich den Hass der Nationalsozialisten zu – das Buch wurde 1933 verboten und verbrannt, Kellermann aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen.

Nach 1945 engagierte er sich in der jungen DDR stark für kulturelle und politische Fragen. Gemeinsam mit Johannes R. Becher gründete er den Kulturbund, wurde Abgeordneter der Volkskammer und Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Für seinen Roman Totentanz erhielt er 1949 den Nationalpreis der DDR. In Westdeutschland hingegen geriet sein Name durch Boykottaktionen weitgehend in Vergessenheit.

Kellermann war zweimal verheiratet: 1915 mit der US-Amerikanerin Mabel Giberson (†1926) und ab 1939 mit Else „Ellen“ Michaelis, die nach seinem Tod seine Werke herausgab.

Bernhard Kellermann hinterließ ein vielseitiges Werk aus Romanen, Erzählungen, Reisebüchern und Reportagen. Er ruht auf dem Neuen Friedhof in Potsdam.

Inhaltsverzeichnis

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Abschied von Asien

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