Alle Jahre wieder ... der gleiche Stress! - Evelyn Sanders - E-Book + Hörbuch

Alle Jahre wieder ... der gleiche Stress! Hörbuch

Evelyn Sanders

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Beschreibung

Schöne Bescherung! Wer die Familie Sanders kennt, der weiß: Weihnachten ist turbulent und nicht besinnlich! Mit viel Herz, Humor und treffsicherem Blick beschreibt die beliebte Autorin Evelyn Sanders all das, was man so mitmacht, wenn man der Familie ein fröhliches Fest bescheren will - und warum es trotzdem immer wieder schön ist. Vergnügliche Geschichten für die kleinen Ruhepausen rund um die Advents- und Weihnachtszeit - mit vielen Illustrationen von Andrea Döllig.

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Zeit:2 Std. 12 min

Sprecher:Doris Wolters

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Evelyn Sanders

Alle Jahre wieder … der gleiche Stress!

Weihnachtsgeschichten

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Alle Jahre wieder …der gleiche Stress!Noch 117 Tage bis WeihnachtenWeihnachtspostBacke, backe Kuchen …»… den hab ich einfach vergessen!«»Nicht den! Lieber den daneben!«»Haben Sie Schneeflocken?«Noch eine WeihnachtsbaumständergeschichteBauanleitungDie Sache mit dem RingWeihnachten mit LuziferVon Truthahn und anderen Festmahlzeiten
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Alle Jahre wieder …der gleiche Stress!

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Noch 117 Tage bis Weihnachten

Dass das Fest der Tannennadeln jedes Jahr früher beginnt, hat sich inzwischen herumgesprochen, nur haben sich die Initiatoren der vorweihnachtlichen Aktivitäten bis heute nicht auf ein einheitliches Datum einigen können. Das scheint allerdings auch an den geografischen Gegebenheiten zu liegen. In Seebädern zum Beispiel fängt Weihnachten viel später an als im Mittelgebirge, wo man in den Supermärkten unter den jeweiligen Saison-Angeboten selten Schwimmflügelchen und Wasserbälle findet, sondern mehr rustikales Zubehör für Wandertage, also Trinkflaschen, grob gestrickte Kniestrümpfe im Doppelpack und diese niedlichen Metallplättchen für den Knotenstock. Die daneben über Nacht entstandene Lebkuchenpyramide fällt also gar nicht auf, sie könnte im weitesten Sinne sogar als Marschverpflegung für die geplante Tagestour deklariert werden.

Anders ist es natürlich mit Zimtsternen in unmittelbarer Nachbarschaft von Gummienten und Muschelketten. Das passt einfach nicht zusammen, und deshalb fängt Weihnachten auf Sylt oder in Heringsdorf immer etwas später an als im Allgäu. Oder hier bei uns in Baden-Württemberg.

In diesem Jahr hatte es am 29. August begonnen! Ich hatte gerade einen achtstündigen Nachtflug hinter mir, und das mit einem moskitostichgeplagten Holländer neben mir, danach zwei Stunden Fahrt über die notorisch verstopfte A 6 nach Hause, nur um festzustellen, dass zur Begrüßung niemand da war. Kein Blumenstrauß, kein frisch gebrühter Kaffee – dabei hatte ER sich doch ausrechnen können, wann ich ungefähr eintreffen würde! Auf dem Tisch lagen lediglich eine schwärzlich verfärbte Neonröhre und ein Zettel: Schön, dass du wieder da bist. Musste leider weg. Konnte gestern nicht mehr einkaufen, die Läden hatten schon zu. Die Lampe in der Küche ist kaputt. Brot ist auch alle. Tschüss bis heute Abend. R.

Nach mehr als vierzig Jahren Ehe sollte ich mich eigentlich daran gewöhnt haben, dass Rolf nie da ist, wenn man mit ihm rechnet (aber häufig dann, wenn er absolut überflüssig ist!), und eine kurze Inspektion von Kühlschrank und Keller bestätigte es denn auch: Mein Mann hatte sich vorsichtshalber abgesetzt. Vermutlich aus Furcht vor Repressalien! Zwei Zwiebeln mit viel Grün oben dran und eine Hand voll Kartoffeln mit zentimeterlangen Keimen war alles, was ich an Essbarem im Vorratsraum fand, dazu vier leere Pizzapackungen (wieso im Keller???).

Oben im Kühlschrank sah es nicht viel besser aus: Zwei zart violett schimmernde Schinkenscheiben mit gewölbten Rändern, eine Milchpackung, die ihre beste Zeit auch schon hinter sich hatte, und das seit fünf Tagen; nur der Käse sah noch ganz manierlich aus.

Wie war das noch mal mit Karens Methode gewesen, die Genießbarkeit überlagerter Lebensmittel festzustellen? »Wenn du nicht genau weißt, ob das Zeug noch essbar ist, dann leg es auf den Tisch und beobachte es genau«, hatte meine Nachbarin mal aus gegebenem Anlass empfohlen: »Bewegt es sich, dann hau drauf und wirf es weg!«

Der Käse hatte sich nicht bewegt; er landete trotzdem im Abfalleimer zusammen mit dem Schinken, dem Leberwurstzipfel und den zwei Eiern; die waren nämlich schon bei meiner Abreise mindestens eine Woche alt gewesen. Wie hatte Rolf eigentlich überlebt? Nur mit Pizza? Früher hatte er sich wenigstens noch mit Spiegeleiern über Wasser gehalten!

Das Telefon läutete. Steffi war dran. »Die erste Waschmaschine läuft schon! Und wie sieht’s bei dir aus?«

»Die Koffer liegen noch im Auto, dein Vater ist mit unbekanntem Ziel verschwunden, der Kühlschrank ist leer, die Lampe in der Küche kaputt, und vielleicht hat man in der Zwischenzeit auch den Strom abgestellt, das habe ich noch nicht ausprobiert.«

Sie gluckste durch den Hörer. »Wenn Papi das nächste Mal aus seinem Urlaub zurückkommt, dann glänzt du eben auch durch Abwesenheit, statt ihn mit einem Drei-Gänge-Menü zu begrüßen!«

Ich nickte zustimmend, nur konnte sie das nicht sehen. »Natürlich weiß ich, dass ich viel zu gut für ihn bin, doch man muss die Männer nun mal nehmen, wie sie sind!«

»Das schon«, erwiderte meine Tochter, »aber man muss sie ja nicht so lassen …« (Stefanie ist seit mehreren Jahren verheiratet und hat sich ihren Hannes schon ganz gut zurechtgebogen.)

Während ich mein Gepäck aus dem Wagen holte und erst einmal im Flur abstellte, kamen mir wieder die Worte meiner Großmutter in den Sinn, die immer behauptet hatte, Mann und Frau sollten möglichst gleiche Interessen und gleiche Kinderstube haben, während ich argumentierte, dass sich ja gerade die Gegensätze anziehen. Darauf Omi: »Mein liebes Kind, Mann und Frau sein ist Gegensatz genug!«

Sie hatte Recht gehabt! Der Nachkomme eines Eskimos (vermute ich nur, ist amtlich nicht belegt) sollte besser keine Frau heiraten, die sich erst bei Temperaturen von fünfundzwanzig Grad aufwärts an wohl fühlt, italienische Küche liebt und im Urlaub Meer, Strand und Palmen braucht, während er, ebenjener verhinderte Eskimo, auch bei zehn Grad minus bei geöffnetem Fenster schläft, im Winter jedes Zimmer als überheizt bezeichnet, solange das Blumenwasser in der Vase noch nicht gefriert, und das Nonplusultra eines Urlaubs auf den Lofoten findet, wo man täglich nicht nur mit den Einheimischen auf Fischfang gehen, sondern sich auch überwiegend von demselben ernähren kann – zwanzig Tage lang Kabeljau satt!

Notfalls tut es aber auch irgendeine Ecke im westlichen Schottland, wo es schön grün und gar nicht richtig kalt ist, aber wenigstens dreimal täglich regnet.

Als liebende Ehefrau war ich tatsächlich einmal mitgezogen auf solch einen Angelurlaub, nur bis nach Österreich zwar, es war aber trotzdem langweilig gewesen. In den zwei Wochen hatte ich nicht nur die Buddenbrooks durchgelesen, sondern auch noch das halbe Vom Winde verweht – übrigens zum zweiten Mal. Beim ersten Mal war ich gerade sechzehn und frisch verliebt gewesen.

Im darauf folgenden Jahr durfte ich das Reiseziel aussuchen. Wir landeten an der italienischen Riviera, doch nach zwei Tagen Strandleben hatte Rolf genug von Meer, Sand, Sonne und Radau (Fische sind bekanntlich schweigsamer als italienische Bambini), kaufte einen Aquarellblock, einen Farbkasten und ein Sortiment Pinsel, und von da an sahen wir uns häufig erst zum Abendessen. Malen ist übrigens effektiver als Lesen – damals entstand unter anderem mein Lieblingsbild. Es hängt noch immer neben der Eingangstür, wo es jedem Besucher auffällt. Und gelegentlich runter! Deshalb hat es auch schon den dritten Rahmen.

Nachdem wir nun beide unseren guten Willen bewiesen und jeweils einen verkorksten Urlaub hinter uns hatten, kamen wir zu dem Schluss, dass uns neunundvierzig Wochen Eheleben pro Jahr genug festigen sollten, um drei Wochen Singledasein über- und seinen möglichen Versuchungen widerstehen zu können. Künftig würden wir getrennt verreisen.

Dieser Plan erwies sich kurz darauf als rein hypothetisch, denn in die Tat umsetzen konnten wir ihn erst zwei Jahrzehnte später, nachdem fünf Kinder flügge geworden waren.

Es hat aber geklappt! Und es klappt immer noch! War ich anfangs mit Freundin Irene verreist, so sind es jetzt Steffi und Hannes, mit denen ich Kataloge wälze und Klima-Tabellen studiere, bevor wir endlich dorthin starten, wo es ein warmes Meer, Strand und Palmen gibt.

An der liebevollen Gestaltung meiner Rückkehr muss Rolf allerdings noch arbeiten!

 

Bewaffnet mit einem 30 Zentimeter langen Einkaufszettel, auf dem ich von Filtertüten bis zu Klopapier und Marmelade so ziemlich alles notiert hatte, was ein neu gegründeter Haushalt in der Anfangsphase braucht (nur Waschpulver war noch genügend da gewesen, was den Schluss nahe legte, dass der Strohwitwer seine schmutzige Wäsche entweder versteckt oder nur minimale Mengen produziert hatte), fuhr ich in den Supermarkt.

Nun sehen diese Läden ja alle mehr oder weniger gleich aus, weil so genannte Fachleute immer wieder das Kaufverhalten der Kunden beobachten, analysieren und anhand der daraus gewonnenen Erkenntnisse ganz genau wissen, wie die Waren präsentiert werden müssen. Diesen Verkaufspsychologen verdanken wir zum Beispiel, dass der Zucker meist ganz unten steht, weil man ihn sowieso immer wieder braucht und sich deshalb murrend danach bückt, während die kleinen Dosen mit Gänseleberpastete und Trüffelparfait in Augenhöhe aufgereiht sind, wo sie jeder sieht und trotzdem ignoriert; das Zeug ist einfach zu teuer.

Ich hatte mich über Zwieback, Honig und Nudeln schon bis zu den Eiern vorgearbeitet und wollte den Einkaufswagen zum Müsli-Regal schieben, als ich den Gang dorthin zugestellt fand. Ein Rollwagen mit Cornflakes und Reiscrispies stand davor. Irritierend nur die Abweichung von der üblichen Handhabung: Anstatt die Packungen ins Regal zu stellen, nahm der Angestellte sie heraus.

»Sind die etwa alle abgelaufen?« Wenn man seit Jahrzehnten in immer demselben Supermarkt einkauft, kennt man die meisten Mitarbeiter und hat sogar den ehemaligen Azubi im Laufe der Jahre zum Fachverkäufer für Cerealien (oder wie auch immer der für diesen Bereich Verantwortliche heißen mag) aufsteigen sehen. »Was macht ihr denn jetzt mit den ganzen Haferflocken? An die Öko-Hühner verfüttern?«

»Nein, nur umräumen. Hier kommen die Weihnachtsartikel hin!«

»Die – waas???«

Er deutete grinsend zu einem zweiten Rollwagen. »Ist gestern geliefert worden.«

Da stand ich nun sonnengebräunt in halblangen Hosen und kurzärmeligem T-Shirt, starrte auf die übereinander getürmten Packungen mit Lebkuchenherzen, Spekulatius, Dominosteinen, Marzipankartoffeln und anderen weihnachtlichen Kalorienbomben und kam mir vor wie im falschen Film. Nikoläuse waren zwar noch nicht dabei, doch etwas versteckt stapelten sich bereits die Adventskalender, und darauf prangte ganz groß ein Bild vom Weihnachtsmann mit Bart und Bauch.

Das Außenthermometer zeigte übrigens 24,6 Grad plus, und im Autoradio besang jemand die weißen Mühlen von Rhodos, von denen er jetzt Abschied nehmen müsse. Der Urlaub des Sängers ging offenbar auch zu Ende. Vielleicht war’s ja der Nikolaus.

 

Nachzutragen wäre noch, dass ich vergessen hatte, eine neue Neonröhre für die Küche zu besorgen. Also kochte ich später im Schein zweier Teelichte ein Abendsüppchen, von dem mein endlich mit Blumen (!) heimgekehrter Ehemann behauptete, er habe seit Wochen nichts annähernd so Delikates gegessen. Die Verpackung der Tütensuppe hatte ich natürlich verschwinden lassen, und mit frischen Champignons, diversen Kräutlein und etwas Sahne kann man eine ganze Menge zaubern. Als Dessert gab es Dominosteine und auf dem Tisch zwei neue Kerzen.

Noch 117 Tage bis Weihnachten!

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Weihnachtspost

Hast du den Weihnachtsgruß für Hildchen schon fertig?«

»Nein!«, kam die prompte Antwort aus dem Nebenzimmer, »und ich gedenke auch nicht, ihr wieder einen zu schicken. Für den letzten hat sie sich nicht mal bedankt.«

»Hattest du das etwa erwartet?«

Hildchen heißt eigentlich Hildegarde (mit e am Ende) und ist Rolfs Cousine. Nach ihrer Ansicht einst zu Höherem geboren, wurde sie doch nur die Gattin eines Sachbearbeiters der mittleren Besoldungsstufe; immerhin ist er Beamter gewesen, wenn auch ein früh dahingeschiedener. Nach Rolfs Ansicht war sein angeheirateter Cousin an Resignation gestorben – nicht wegen der eintönigen Tätigkeit im Landratsamt, sondern wegen des Vornamens seiner Frau. Hildegarde legte (und legt immer noch) großen Wert auf die deutliche Artikulierung ihres Namens, und sobald ihr Mann sie ›Hildchen‹ oder gar ›Hildekind‹ nannte, pflegte sie ihn mit hochgezogenen Augenbrauen daran zu erinnern, dass ihr Taufname Hildegarde laute und sie auch mit diesem anzureden sei. »Oder sage ich etwa Siggi zu dir?«

»Leider nicht!«, murmelte er in solchen Fällen, denn er hasste seinen eigenen Namen. Zu verdanken hatte er ihn jener Zeit, als ein Mann blond sein und blaue Augen haben musste, um dem damaligen Hirngespinst von der so genannten Herrenrasse zu genügen. Bedauerlicherweise kam das Kind mit einem fast schwarzen Haarschopf auf die Welt, der später in ein unbestimmbares Braun umschlug, während sich seine Augenfarbe irgendwo zwischen Grün und Grau einpendelte. Also musste wenigstens sein Name nordisch klingen, und so wurde aus dem eigentlich vorgesehenen Heinz-Werner ein Sigurd. Mit Nachnamen Pahlke.

Ich mag Frau Pahlke nicht, und Rolf findet auch, dass Cousinen in der Verwandtschaftshierarchie viel weiter unten anzusiedeln seien, als der Stammbaum es vorschreibt. Nach seiner Ansicht sind Cousinen sogar völlig überflüssig. Zum Glück hat er nur die eine.

Ein Zusammentreffen gibt es nur anlässlich großer Familienfeiern, die jedoch immer seltener stattfinden und sich zunehmend auf Beerdigungen reduzieren. Um die kann man sich aber speziell im Winter herumdrücken mit dem Hinweis auf verschneite Autobahnen und die daraus resultierenden chaotischen Verkehrsverhältnisse. Jedenfalls hatte ich Hildegarde schon seit vier Jahren nicht mehr gesehen, während Rolf ihr in Unkenntnis ihrer Anwesenheit direkt in die Arme gelaufen war, als er seine Mutter besuchte. In jenem Jahr bekam er zum ersten Mal einen Weihnachtsgruß mit Barockengel vorne drauf und vielen guten Wünschen zum Christfest von deiner Hildegarde.

Wir schickten eine Karte zurück – ohne Engel, aber mit den Heiligen Drei Königen, die etwas verblüfft in die Krippe schauten; es lagen nämlich Zwillinge drin. Vielleicht würde ihr ja diese Verfremdung der Heiligen Familie missfallen. Hatte es aber nicht, und nach zweimal Weihnachten und dem damit verbundenen Kartentausch setzte ich Hildegarde endgültig auf unsere Bloß-nicht-vergessen-Liste – als Nummer 32.

Nun bin ich kein großer Freund von diesen vorgefertigten Klappkarten, die man als Zehnerpack ab Mitte November in jedem Supermarkt findet; ich kaufe lieber neutrale Kärtchen und bastle die Dekoration selber. Jedenfalls nehme ich mir das immer wieder vor. Ein paar schaffe ich auch, doch dann wiederholt sich jedes Jahr das gleiche Spiel: Ich drücke Rolf den Stapel Karten nebst Adressenliste in die Hand mit dem beiläufigen Hinweis, ich müsse mich von der Plätzchenbackerei über die Tiefkühlgans bis zu der noch vor dem Fest dringend benötigten Heizöllieferung um alles Übrige kümmern, von den Geschenken gar nicht zu reden, und deshalb könne er wenigstens die Weihnachtspost übernehmen; schließlich habe er einstmals diverse Semester in der Kunstakademie abgesessen, während ich in Zeichnen immer eine Vier gehabt hatte.

Rolf verspricht auch regelmäßig Mithilfe und hat am zweiten Advent tatsächlich schon einige Karten mit Bleistiftskizzen versehen, die Feinarbeit wird er in der kommenden Woche erledigen. Macht er auch, doch dabei bleibt es, weil Werbemenschen nämlich besonders in der Vorweihnachtszeit ständig unter Zeitdruck stehen. Behaupten sie und verschwinden mit gehetztem Blick und ein paar Papieren unterm Arm, sobald ihnen die zunehmende Hektik im sonst doch verhältnismäßig ruhigen Haushalt auf die Nerven geht.

Das Thema Weihnachtspost endet schließlich damit, dass ich erst den Winterbasar vom Kindergarten nach selbst gebastelten Karten abgrase (pro Stück 1 Euro) und dann die Adventsausstellung der Gesamtschule, da wird man auch immer fündig.

Die Karten sind zwar noch ein bisschen teurer, sehen aber auch professioneller aus, und außerdem tut man ja ein gutes Werk: Mit den Einnahmen – Kaffee, Kuchen und Glühwein gibt es in der Aula – soll nämlich die von der 6. Klasse geplante Landschulheimwoche auf Rügen finanziert werden.

Im letzten Jahr hatte Cousine Hildegarde zu jenen Glücklichen gehört, die eine von Rolf illustrierte Karte bekam: Ein übergewichtiger Weihnachtsmann hatte breitbeinig in einem Sessel mit Blick zum überladenen Christbaum geruht und genießerisch Schokoladenkekse in sich hineingestopft, die er aus seinem geöffneten Sack herausholte. Daneben hatte ein großer fetter Hund mit Fusselfell geruht. (Hildegardes vierbeinige Nackenrolle war nämlich kurz nach ihrem tief betrauerten Ableben durch »Schnauzi« ersetzt worden, ein etwas größeres Tier unbestimmbarer Rasse, in dem Rolf eine Mischung aus Hängebauchschwein und Angoraziege vermutete.) Sein signiertes Werk hatte der Künstler mit der Unterzeile versehen: »Auch ein Weihnachtsmann braucht mal ’ne Pause!«

So weit – so gut! Weniger gut erschien mir allerdings die frappierende Ähnlichkeit zwischen der Karikatur und Hildegardes bärbeißigen Gesichtszügen. »Musste das sein?«

»Ist mir gut gelungen, nicht wahr?«, hatte sich Rolf gefreut und die Falte am rechten Mundwinkel noch etwas vertieft, »ich habe dabei auch intensiv an meine Cousine gedacht.«

Was sich die Cousine beim Empfang der Karte gedacht hatte, haben wir begreiflicherweise nie erfahren …

Doch zurück zu den vorweihnachtlichen Aktivitäten: Die Karten sind inzwischen geschrieben, es sind sogar ein paar übrig geblieben, aber das schadet nichts, denn erfahrungsgemäß trudeln in den letzten Tagen vor dem Fest häufig Grüße ein von jenen Freunden und Bekannten, die man noch nicht auf der Liste hat. Jedenfalls werde ich es nie mehr schaffen, ohne Briefschulden ins neue Jahr zu gehen.

Spätestens in der letzten Woche vor dem Fest müssen die Karten in den Briefkasten. Die Marken fehlen noch, aber das macht nichts. Rolf will sowieso zur Post wegen des geänderten Firmenlogos, das muss noch heute per Eilboten raus. Wenig später erfährt er, dass sich die Sache erledigt hat, es soll nun doch beim ersten Entwurf bleiben. Als mir die Briefmarken wieder einfallen, hat die Post bereits zu. Morgen aber ganz bestimmt!

Der nächste Tag beginnt mit Schneeschippen. Die halbe Nacht lang hat’s geschneit, und es schneit auch tagsüber weiter. Wir schippen abwechselnd, Bewegung an der frischen Luft ist gesund. Merkwürdig nur, dass das Grundstück jetzt viel größer ist als im Sommer! Der Weg ist auch breiter geworden. Als uns die nicht beschippte Garage einfällt, liegt der Schnee vor der Zufahrt bereits einen halben Meter hoch. Auch egal, zu essen ist genug im Haus, und Brot gibt’s notfalls an der Tanke, die paar hundert Meter kann man zu Fuß gehen …

Offenbar waren andere Schneegeschädigte mit dem gleichen Gedanken schon vor mir dort gewesen, Brot ist alle. Ob’s vielleicht was anderes sein dürfte, Kuchen zum Beispiel? Nusskuchen mit Appenzeller schmeckt aber nicht. Eine Nachbarin kann aushelfen, sie ist allein stehend und braucht nicht so viel Brot. Das merkt man, die Scheiben wellen sich schon etwas am Rand, doch wenn man sie über dem Käse zusammenklappt, merkt man es kaum.

 

Weihnachten ist wieder einen Tag näher gerückt, und die Post stapelt sich immer noch auf dem Schränkchen gleich neben dem Telefon, da liegt sie griffbereit, und man wird dauernd daran erinnert.

Die Garage ist inzwischen frei geschaufelt, aber der Wagen springt nicht an. Warum nicht? Ich tippe auf die Batterie, der einzig plausible Grund, weshalb ein vor 36 Stunden noch völlig intaktes Auto keinen Ton mehr von sich gibt. Rolf meint, die Batterie könne es nicht sein, die sei ja noch relativ neu, erst anderthalb Jahre alt. Na und? Unser neuer Fernseher hatte schon nach sechs Wochen seinen Geist aufgegeben und musste ausgetauscht werden.

Der Kfz-Mechaniker vom Autohaus ist zehn Minuten später da und hat den Defekt sofort gefunden. »Ham Sie mal’n Hammer?«

In der Garage findet sich keiner, aber ein Schraubenschlüssel tut’s auch. Drei gezielte Schläge irgendwo vorne – die aufgeklappte Motorhaube versperrt mir die Sicht – , dann die Anweisung: »Starten Sie mal!« Ich tu’s, und sofort setzt das vertraute Geräusch ein.

»Sie sollten den Anlasser auswechseln lassen!«, sagt der Mann im grünen Overall. »Das kann jetzt ein halbes Jahr lang gut gehen, kann aber auch schon morgen wieder nicht mehr gehen!«

»Aha. Und was ist, wenn’s schon morgen nicht mehr geht?«

»Dann müssen Sie hier draufhauen!« Er zeigt mir die neuralgische Stelle, ich nehme mir vor, sie gleich nachher irgendwie zu kennzeichnen (Nagellack ist in solchen Fällen ganz hilfreich, er geht nicht so schnell ab), aber der Anlasser hält bis nach Neujahr durch, dann wird er durch einen neuen und äußerst preiswerten ersetzt. Hatte ich gedacht. Es war aber nur meine erste Euro-Rechnung gewesen.

An die Post hatte ich natürlich nicht mehr gedacht, die lag immer noch neben dem Telefon, obwohl ich sie doch hatte mitnehmen wollen. Wenigstens hatte ich Briefmarken gekauft.

Bei dem letzten halben Dutzend fehlten noch die Postleitzahlen, hätte ich schon längst heraussuchen müssen! Egal, mache ich gleich nach dem Abendessen, denn morgen ist wirklich letzter Absendetermin.

Und plötzlich waren tatsächlich alle weg. Der Platz neben dem Telefon war wieder frei (und schrie nach einer gründlichen Behandlung mit dem Staublappen), und als ich meinen gegen Abend heimkehrenden Ehemann fragte, ob er die Post mitgenommen habe, nickte er bestätigend.

Halleluja, für dieses Jahr hatte ich’s mal wieder geschafft! Vierundfünfzig Weihnachtsgrüße hatten wir verschickt! Und einundsiebzig erhalten, wie eine spätere Zählung ergab, acht mehr als im letzten Jahr! Von Hildegarde war übrigens keiner darunter gewesen.

 

Nachtrag:

Als im Frühjahr an Rolfs Wagen die Winterreifen gegen die leichtere Sommerkollektion ausgewechselt worden waren und Sohn Sven das erste Viertel seines Gutscheins (4 x Handwäsche nebst kompletter Innenreinigung!) einlösen wollte, räumte er natürlich auch den Kofferraum aus. Neben einer verstaubten Wolldecke und zwei nicht weniger verstaubten Toilettenpapierrollen brachte er noch den von seinem Vater seit langem vermissten Reserveschlüssel mit. »Hat alles unter der Abdeckung gelegen! Das Knäckebrot und die korrodierte Taschenlampe habe ich allerdings gleich entsorgt und die Briefe in den Kasten geworfen.«

»Welche Briefe?«

»Weiß ich doch nicht! Die waren wohl nach hinten gerutscht und sind auch ein bisschen dreckig geworden, aber die Adressen konnte man noch deutlich lesen.«

Mir schwante sofort das Richtige, und Rolf stritt auch gar nichts ab. Er hatte nicht mal ein schlechtes Gewissen. »Jeder darf gelegentlich was vergessen!«

»Ich verstehe bloß nicht, wie man hinterher auch noch so dämlich sein kann!«, trumpfte ich am Schluss meiner Gardinenpredigt auf. »Von deiner Schlamperei hätte doch niemand was mitgekriegt, wenn du die Briefe einfach weggeworfen hättest!«

»Und weshalb hätte ich das tun sollen?«, kam es erstaunt zurück. »In neun Monaten ist doch schon wieder Weihnachten!«

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Backe, backe Kuchen …

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der vorweihnachtlichen Aktivitäten spielt sich in der Küche ab – nämlich die Plätzchenbackerei. In den einschlägigen Geschäften verschwinden jene Kochbücher im Lager, die sich mit Salatrezepten und mediterranen Gemüseaufläufen befassen, um Platz zu schaffen für die druckfrischen Neuerscheinungen. Süßes zum Fest