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"Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe. Die Handlung ist intelligent und wird Sie von Anfang an fesseln. Der Autor hat ausgezeichnete Arbeit geleistet, eine Reihe von gut entwickelten und sehr unterhaltsamen Charakteren zu schaffen. Ich kann die Fortsetzung kaum erwarten." --Buch- und Filmbewertungen, Roberto Mattos (über: Koste es was es wolle) AMTSEID ist Buch #2 in der meistverkauften Luke Stone Serie, die mit KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1, ein kostenloser Download) beginnt! Ein bioaktiver Wirkstoff wird aus einem Hochsicherheitslaboratorium gestohlen. In eine Waffe umgewandelt, könnte er Millionen töten, und es folgt eine verzweifelte staatenweite Jagd, um die Terroristen zu erwischen, bevor es zu spät ist. Luke Stone, der Kopf einer Eliteeinheit des FBI's, dessen eigene Familie noch immer in Gefahr schwebt, hat geschworen sich nicht einzumischen – aber als ihn die neue Präsidentin, die erst vor Kurzem den AMTSEID abgelegt hat, anruft, kann er sich nicht einfach abwenden. Was folgt, ist schockierende Verwüstung, die sich ihren Weg bis hin zur Präsidentin selbst bahnt, wodurch auch ihre eigene Familie in große Gefahr gerät. Ihre Belastbarkeit wird auf eine harte Probe gestellt, als sie ihre neue Rolle antritt und sie überrascht selbst ihre engsten Berater. Rivalisierende Mitglieder des präsidialen Mitarbeiterstabs wollen Luke außer Gefecht setzen und nun, da er auf sich allein gestellt ist und sein Team sich in Gefahr befindet, nimmt er es persönlich. Aber Luke Stone gibt niemals auf, bis entweder er selbst, oder die Terroristen, tot sind. Luke findet schnell heraus, dass das, worauf die Terroristen es abgesehen haben, noch wertvoller – und noch furchterregender – ist, als selbst er es für möglich gehalten hätte. Der Weltuntergang steht kurz bevor und es ist höchst unwahrscheinlich, dass er die Dinge aufhalten kann, die bereits in Bewegung sind. Ein Polit-Thriller mit nonstop Aktion, dramatischen internationalen Schauplätzen, unerwarteten Wendungen und atemberaubender Spannung. AMTSEID ist Buch #2 in der Luke Stone Serie, einer explosiven neuen Serie, die Sie bis tief in die Nacht hinein an sich fesseln wird. Buch #3 in der Luke Stone Serie ist jetzt ebenfalls erhältlich!
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A M T S E I D
(EIN LUKE STONE THRILLER – BUCH 2)
J A C K M A R S
Jack Mars
Jack Mars ist der Autor der meistverkauften LUKE STONE Thriller Serie, welche KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1), AMTSEID (Buch #2) und LAGEZENTRUM (BUCH #3) enthält.
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BÜCHER VON JACK MARS
LUKE STONE SERIE
KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1)
AMTSEID (Buch #2)
INHALTSVERZEICHNIS
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
KAPITEL NEUNUNDDREISSIG
KAPITEL VIERZIG
KAPITEL EINUNDVIERZIG
KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG
KAPITEL DREIUNDVIERZIG
KAPITEL VIERUNDVIERZIG
KAPITEL FÜNFUNDVIERZIG
6. Juni
15:47 Uhr
Dewey Beach, Delaware
Luke Stone zitterte am ganzen Körper. Er schaute auf seine rechte Hand, die Hand, mit der er seine Pistole schoss. Er sah sie auf seinem Oberschenkel zittern. Er konnte es einfach nicht stoppen.
Ihm war schlecht, schlimm genug, um sich zu übergeben. Die Sonne zog nach Westen und das helle Licht machte ihn schwindelig.
In dreizehn Minuten ging es los.
Er saß im Fahrersitz eines schwarzen Mercedes M Klasse Geländewagens und starrte die Straße hinunter zu dem Haus, in dem seine Familie sein könnte. Seine Frau Rebecca und sein Sohn Gunner. In seinem Kopf tauchten immer wieder Bilder von ihnen auf, aber er durfte es nicht erlauben. Sie könnten auch woanders sein. Sie könnten tot sein. Ihre Körper könnten mit schweren Stahlketten an Betonklötze gekettet, tief am Grund von Chesapeake Bay verrotten. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er, wie sich Rebeccas Haar, wie Seegras in der Strömung, im tiefen Wasser hin und her bewegte.
Er schüttelte seinen Kopf, um den Gedanken loszuwerden.
Becca und Gunner waren letzte Nacht entführt worden, von Agenten, die für die Männer arbeiteten, welche die US Regierung gestürzt hatten. Es war ein Staatsstreich gewesen und die Hintermänner hatten Stones Familie als Druckmittel benutzt, um ihn davon abzuhalten, die neue Regierung zu stürzen.
Es hatte nicht funktioniert.
„Hier ist es“, sagte Ed Newsam.
„Wirklich?“, fragte Stone. Er sah seinen Partner im Beifahrersitz an. „Bist du sicher?“
Ed Newsam war groß, dunkelhäutig und muskelbepackt. Er sah aus, wie ein Verteidiger bei der NFL. Nichts an ihm war weich. Er trug einen kurz rasierten Bart und einen Bürstenhaarschnitt. Seine massiven Oberarme waren mit Tätowierungen übersät.
Ed hatte gestern sechs Männer getötet. Er war ins Feuer von Maschinengewehren geraten. Eine schusssichere Weste hatte sein Leben gerettet, aber ein Querschläger hatte sein Becken getroffen. Den Knochen zersplittert. Eds Rollstuhl war im Kofferraum. Weder Ed noch Luke hatten seit zwei Tagen ein Auge zugemacht.
Ed schaute auf den Tablet-Computer in seiner Hand. Er zuckte mit den Achseln.
„Es ist definitiv dieses Haus. Ob sie da drinnen sind oder nicht, weiß ich nicht. Ich nehme an, das finden wir jetzt gleich raus.“
Das Haus war ein altes 3 Zimmer Strandhaus, ein wenig betagt, nur 3 Blöcke vom Atlantischen Ozean entfernt. Die Vorderseite zeigte zu einer Bucht und hatte eine kleine Anlegestelle. Man könnte mit einem 10 Meter Boot direkt dahinter heranfahren, drei Meter über den Steg laufen, ein paar Treppen hinaufgehen und direkt ins Haus gelangen. Am besten in der Nacht.
Die CIA hatte dieses Haus für Jahrzehnte als Unterschlupf genutzt. Im Sommer war Dewey Beach so voll mit Urlaubern und Party-süchtigen Studenten, dass die Geheimagenten Osama bin Laden einschmuggeln könnten, ohne dass es irgendwer merken würde.
„Wenn sie zuschlagen, sollen wir nicht mitmischen“, sagte Ed. „Wir haben nicht mal die Mission. Das weißt du, oder?“
Luke nickte. „Ich weiß.“
Das FBI war die leitende Geheimdienstbehörde für diese Razzia, zusammen mit einem Sondereinsatzkommando der Delaware Staatspolizei, das extra aus Wilmington gekommen war. In der letzten Stunde hatten sie sich heimlich, still und leise in der Nachbarschaft ausgebreitet.
Luke hatte diese Art Ereignisse hunderte Male ablaufen sehen. Der Transporter einer Internetfirma war am anderen Ende des Häuserblockes geparkt. Das musste das FBI sein. Ein Fischerboot lag ungefähr einhundert Meter entfernt in der Bucht vor Anker. Ebenfalls Bundesagenten. In ein paar Minuten, um Punkt 16 Uhr, würde das Boot ganz plötzlich direkt an die Anlegestelle des Unterschlupfs heranfahren.
Im selben Moment würde ein gepanzertes Fahrzeug des Sondereinsatzkommandos die Straße hinunter donnern. Ein weiteres Fahrzeug würde in der nächsten Nebenstraße einen Häuserblock weiter erscheinen, für den Fall, dass irgendwer versuchte, durch den Hinterhof zu entkommen. Sie würden hart und schnell zuschlagen, um keinerlei Spielraum zuzulassen.
Luke und Ed waren nicht eingeladen. Warum sollten sie auch? Die Polizei und Bundesagenten werden die Aktion ganz nach Vorschrift ausführen. Die Vorschriften waren im Gegensatz zu Luke unparteiisch. Es war seine Familie da drin. Wenn er hineingehen würde, würde er seinen Kopf verlieren. Er würde sich selbst, seine Familie, die anderen Agenten und die gesamte Operation riskieren. Er sollte eigentlich nicht mal hier in dieser Straße sein. Er sollte nicht mal in der Nähe sein. Das ist, was die Vorschriften sagten.
Aber Luke kannte die Art Männer in dem Haus. Er kannte sie wahrscheinlich sogar besser als das FBI und das Sondereinsatzkommando. Sie waren verzweifelt. Sie hatten alles gegeben, um die Regierung zu stürzen und ihr Plan war gescheitert. Sie sahen einigen Anklagepunkten entgegen, Verrat, Entführung und Mord. Dreihundert Menschen waren während des versuchten Staatsstreichs umgekommen, Tendenz steigend, den Präsidenten der Vereinigten Staaten eingeschlossen. Das Weiße Haus war zerstört. Es war radioaktiv verseucht. Es konnte Jahre dauern, bevor es wieder aufgebaut würde.
Luke hatte die neue Präsidentin gestern Abend und heute Morgen getroffen. Sie war nicht gnadenvoll gestimmt. Das Gesetz stand geschrieben: Verrat konnte mit dem Tod bestraft werden. Erhängen. Erschießungskommando. Das Land würde vielleicht für eine Weile altmodisch werden und wenn dies geschah, würden Männer, wie die in dem Haus dort, die volle Wucht davon erfahren.
Trotzdem würden sie nicht in Panik verfallen. Sie waren keine gewöhnlichen Kriminellen. Sie waren hoch qualifizierte, gut ausgebildete Männer. Männer die Gefechte erlebt hatten und die entgegen aller Wahrscheinlichkeit gewonnen hatten. Aufgeben war nicht Teil des Vokabulars. Sie waren sehr, sehr klug und es würde schwer sein, sie zu entfernen. Eine nullachtfünfzehn Einsatzkommandorazzia dürfte da nicht reichen.
Sollten Lukes Frau und Kind da drin sein und sollten die Männer in der Lage sein, den ersten Sturm abzuwehren... Luke wollte nicht darüber nachdenken.
Es war keine Option.
„Was wirst du tun?“, fragte Ed.
Luke starrte aus dem Fenster in den blauen Himmel. „Was würdest du an meiner Stelle tun?“
Ed reagierte sofort. „Ich würde so hart wie möglich zuschlagen. Jeden einzelnen von ihnen töten.“
Luke nickte. „Ich auch.“
*
Der Mann war ein Geist.
Er stand in einem der Schlafzimmer im Obergeschoss eines alten Strandhauses und starrte auf seine Gefangenen. Eine Frau und ein kleiner Junge, versteckt in einem fensterlosen Zimmer. Sie saßen nebeneinander in Klappstühlen mit ihren Händen hinter ihren Rücken zusammengebunden, ihre Fußgelenke aneinander gefesselt. Sie trugen schwarze Kapuzen über ihren Köpfen, damit sie nichts sehen konnten. Der Mann hatte auf Knebel im Mund verzichtet, damit die Frau leise mit ihrem Sohn sprechen konnte, um ihn ruhigzuhalten.
„Rebecca“, sagte der Mann. „Es könnte hier in Kürze etwas Aufregung geben. Wenn das passiert, will ich, dass du und Gunner ruhig bleiben. Ihr dürft nicht schreien oder irgendetwas rufen. Solltet ihr es trotzdem tun, werde ich hier hereinkommen müssen, um euch beide zu töten. Habt ihr das verstanden?“
„Ja“, sagte sie.
„Gunner?“
Der Junge machte ein krächzendes Geräusch unter seiner Kapuze.
„Er hat zu viel Angst, um zu sprechen“, sagte die Frau.
„Gut“, sagte der Mann. „Er sollte Angst haben. Er ist ein kluger Junge. Und kluge Jungen tun nichts Dummes, stimmt’s?“
Die Frau antwortete nicht. Der Mann nickte zufrieden.
Einst, hatte der Mann einen Namen gehabt. Dann, im Laufe der Zeit, hatte er zehn Namen gehabt. Inzwischen kümmerten ihn Namen nicht mehr. Wenn notwendig, stellte er sich als „Brown“ vor. Mr. Brown. Er mochte es. Es erinnerte ihn an tote Dinge. Tote Herbstblätter. Trostlose, ausgebrannte Wälder, Monate nachdem ein Feuer alles zerstört hatte.
Brown war fünfundvierzig Jahre alt. Er war groß und immer noch stark. Er war ein Elitesoldat und hielt sich fit. Er hatte gelernt, Schmerz und Erschöpfung auszuhalten, als er vor Jahren die Navy SEAL Schule besucht hatte. Er hatte, an dutzenden Brennpunkten rund um die Welt, gelernt zu töten und nicht selbst getötet zu werden. An der ‚School of the Americas’, der Militärakademie der US Armee, hatte er das Foltern gelernt. Er hatte das Gelernte in Guatemala und El Salvador umgesetzt und später ebenfalls am Luftwaffenstützpunkt Bagram und in Guantanamo Bay.
Brown arbeitete nicht mehr für die CIA. Er wusste nicht, für wen er arbeitete und es war ihm auch egal. Er war ein Freiberufler und wurde Job für Job bezahlt.
Das Geld und es war viel Geld, wurde in bar gezahlt. Sporttaschen voll mit brandneuen Hundert-Dollar-Scheinen warteten auf ihn im Kofferraum einer Limousine am Reagan National Flughafen. Ein lederner Aktenkoffer, mit einer halben Million Dollar in willkürlichen 10er, 20er und 50er Scheinen aus Serien der Jahre 1974 und 1977, erwartete ihn in einem Schließfach eines Fitnessstudios in der Vorstadt von Baltimore. Es waren alte Scheine, die jedoch noch nie benutzt worden waren und sie waren so gut, wie jede andere Auflage aus 2013.
Vor zwei Tagen hatte Brown die Nachricht erhalten, zu diesem Haus zu kommen. Bis er etwas Anderes hörte, war dies sein Haus und es war sein Job, es zu führen. Wenn hier irgendwer auftauchte, war er verantwortlich. Okay. Brown war gut in vielen Dingen und eines davon war, der Boss zu sein.
Gestern Morgen hatte jemand das Weiße Haus in die Luft gejagt. Der Präsident und die Vize-Präsidentin flohen in den Bunker des Notfalleinsatzzentrums in Mount Weather, zusammen mit der Hälfte der zivilen Regierungsmitglieder. Dann, gestern Abend, sprengte jemand Mount Weather in die Luft, mit all denen, die sich noch im Bunker befanden. Wenige Stunden später betrat eine neue Präsidentin die Bühne, die frühere Vize-Präsidentin. Nett.
Es war eine hundertachtzig Grad Wendung, von Liberalen an der Macht zu den Konservativen, und all dies passierte im Laufe nur eines Tages. Natürlich brauchte die Öffentlichkeit einen Sündenbock und die neuen Machthaber zeigten mit ihren Fingern auf den Iran.
Brown wartete, was als Nächstes passieren würde.
Spät in der Nacht legten vier Typen mit einem Motorboot an der Anlegestelle an. Sie brachten die Frau und das Kind. Die Gefangenen gehörten zu jemandem namens Luke Stone. Offensichtlich glaubten die Leute, dass Stone zu einem Problem werden könnte. Heute Morgen wurde es klarer, was für ein riesiges Problem er war.
Als sich der Rauch aufgelöst hatte, war der gesamte Umsturz in wenigen Stunden komplett daneben gegangen. Und Luke Stone stand hoch oben auf den Trümmern.
Brown hatte jedoch immer noch Stones Frau und Kind und hatte keine Ahnung, was er mit ihnen machen sollte. Die Kommunikation war abgebrochen, um es milde auszudrücken. Wahrscheinlich sollte er sie längst getötet und das Haus verlassen haben, stattdessen wartete er auf Anweisungen, die niemals kamen. Jetzt stand da ein Transporter einer Internetfirma vorm Haus und ein unscheinbares Fischerboot lag ungefähr einhundert Meter vom Haus entfernt vor Anker.
Dachten die, er wäre so dumm? Oh Gott. Er konnte sie meilenweit kommen sehen.
Er betrat den Flur. Dort standen zwei Männer. Beide etwa Mitte dreißig, strubbelige Haare und lange Bärte – lebenslange Sondereinsatzkräfte. Brown kannte den Blick in ihren Augen. Es war keine Angst.
Es war Aufregung.
„Was ist das Problem?“, fragte Brown.
„Falls es dir nicht aufgefallen ist, hier knallt es gleich.“
Brown nickte. „Ich weiß.“
„Ich kann nicht in den Knast gehen“, sagte Bart #1.
Bart #2 nickte. „Ich auch nicht.“
Brown stimmte ihnen zu. Selbst vorher, sollte das FBI jemals seine wahre Identität herausfinden, hätte er schon mehrfach lebenslänglich bekommen. Aber jetzt? Vergiss es. Es könnte Monate dauern, bevor sie ihn identifizieren und in der Zwischenzeit würde er mit irgendwelchen billigen Ganoven in einem Dorfgefängnis hocken. Und so wie die Dinge jetzt aussahen, konnte er sich nicht darauf verlassen, dass ein Engel erscheinen und es alles verschwinden lassen würde.
Er fühlte sich trotzdem ruhig. „Das Haus ist stabiler, als es aussieht.“
„Ja, aber man kommt nicht raus“, sagte Bart #1.
Das stimmte wohl.
„Also halten wir sie hin und sehen, ob wir irgendwas verhandeln können. Wir haben Geiseln.“ Brown glaubte es selber nicht, sowie er die Worte gesprochen hatte. Was denn verhandeln, freies Geleit? Freies Geleit, wohin?
„Sie werden nicht mit uns verhandeln“, sagte Bart #1. „Sie belügen uns solange bis ein Scharfschütze freie Schussbahn hat.“
„Okay“, sagte Brown. „Was wollt ihr machen?“
„Kämpfen“, sagte Bart #2. „Und wenn wir zurückgedrängt werden, will ich hier hoch kommen und eine Kugel in die Köpfe unserer Gäste versenken, bevor ich selbst eine einfange.“
Brown nickte. Er war schon in vielen Zwickmühlen gewesen und hatte immer einen Ausweg gefunden. Auch hier könnte es einen Weg nach draußen geben. Das dachte er, aber das sagte er denen doch nicht. Es konnten nur so viele Ratten das sinkende Schiff verlassen.
„Na gut“, sagte er. „Machen wir es so. Jetzt geht auf eure Positionen.“
*
Luke zog seine taktische Weste an. Er fühlte ihr schweres Gewicht. Er schloss den Hüftgürtel, was etwas Gewicht von den Schultern nahm. Seine Cargo Hose war mit leichter Dragon Skin gefüttert, einem kugelsicheren Material. Vor seinen Füßen auf dem Boden lag ein Kampfhelm mit einer nachgerüsteten Gesichtsmaske dran.
Er und Ed standen hinter der offenen Hintertür des Mercedes. Die getönte Scheibe der Hintertür versteckte sie ein wenig vor dem Fenster des Hauses. Ed lehnte sich zur Unterstützung gegen das Auto. Luke zog Eds Rollstuhl heraus, öffnet ihn und stellte ihn auf den Boden.
„Super“, sagte Ed und schüttelte den Kopf. „Ich habe meinen Streitwagen und bin bereit für den Kampf.“ Ihm entschlüpfte ein Seufzer.
„Hier ist der Plan“, sagte Luke. „Du und ich spielen keine Spielchen. Wenn das Sondereinsatzkommando hineingeht, richten sie sicher ihre Waffen auf die Verandatür, die zur Anlegestelle zeigt und machen dann Druck auf die Hintertür des Hauses. Ich glaube nicht, dass es funktionieren wird. Ich vermute, die Hintertür ist aus doppeltem Stahl und wird nicht nachgeben und die Veranda wird ein Sturmfeuer. Das sind Geister da drin und die sichern die Türen nicht? Echt mal. Ich glaube, unsere Jungs werden zurückgedrängt werden. Hoffentlich wird keiner getroffen.“
„Amen“, sagte Ed.
„Ich werde mich nach der ersten Aufregung annähern. Hiermit.“ Luke hob eine Uzi Maschinenpistole aus dem Kofferraum.
„Und hiermit.“ Er zog eine Remington 870 Pumpgun heraus.
Er fühlte das Gewicht beider Waffen. Sie waren schwer. Das Gewicht beruhigte ihn.
„Wenn die Polizisten hinein kommen und das Haus sichern, super. Wenn sie es nicht schaffen hinein zu kommen, haben wir keine Zeit zu verlieren. Die Uzi hat russische Überdruck panzerbrechende Munition. Die sollte durch jegliche Körperpanzer, die die Verbrecher tragen könnten, durchschlagen. Ich habe ein halbes Dutzend voll geladene Magazine für den Fall, dass ich sie brauche. Sollte ich in einen Kampf im Flur verwickelt werden, benutze ich die Pistole. Dann werden Beine, Arme, Hälse und Köpfe zerfetzt.“
„Und wie planst du da rein zu kommen?“, fragte Ed. „Wenn die Polizei nicht drin ist, wie kommst du rein?“
Luke griff in den Geländewagen und zog einen M79 Granatenwerfer heraus. Er sah aus, wie eine große abgesägte Pistole mit einer hölzernen Schulterstütze. Er reichte ihn Ed.
„Du wirst mich reinlassen.“
Ed hielt die Waffe in seinen großen Händen. „Wunderbar.“
Luke griff in den Kofferraum und holte zwei Kisten M406 Granaten heraus. Jede der Kisten hatte 4 Granaten.
„Ich will, dass du dich auf der anderen Seite des Häuserblocks hinter den geparkten Autos platzierst. Kurz bevor ich dort ankomme, reiße mir ein schönes Loch direkt durch die Wand. Die Typen werden sich auf die Türen konzentrieren, sie erwarten, dass die Polizei einen K.O.-Schlag versucht. Aber wir schießen ihnen stattdessen eine Granate direkt in den Schoss.“
„Nett“, sagte Ed.
„Nachdem die Erste getroffen hat, schieße gleich noch eine Zweite hinterher, um sicherzugehen. Dann ducke dich und bring dich in Sicherheit.“
Ed strich mit seiner Hand das Waffenrohr des Granatenwerfers entlang. „Denkst du, es ist sicher, es so zu machen? Ich meine... es sind deine Leute da drin.“
Luke starrte das Haus an. „Ich weiß es nicht. Aber in den meisten mir bekannten Fällen ist das Gefangenenzimmer entweder im Obergeschoss oder im Keller. Wir sind am Strand und der Wasserspiegel ist zu hoch für einen Keller. Also vermute ich, sollten sie da drin sein, sind sie im Obergeschoss, in der Ecke da oben rechts, dort wo kein Fenster ist.“
Er schaute auf seine Uhr. 16:01 Uhr.
Wie gerufen, dröhnte ein blaues gepanzertes Fahrzeug um die Ecke. Luke und Ed sahen es vorbeifahren. Es war ein Lenco BearCat mit Stahlpanzer, Waffenöffnungen, Scheinwerfern und allem drum und dran.
Luke fühlte etwas in seiner Brust kitzeln. Es war Angst. Es war Furcht. Er hatte die letzten vierundzwanzig Stunden damit verbracht, so zu tun, als würde der Fakt, dass Auftragsmörder seine Frau und seinen Sohn in ihrer Gewalt hatten, ihm nichts ausmachen. Aber ab und zu drohten seine wahren Gefühle dazu durchzubrechen. Er unterdrückte sie sofort wieder.
Es gab keinen Platz für Gefühle in diesem Moment.
Er sah zu Ed hinab. Ed saß in seinem Rollstuhl mit seinem Granatenwerfer auf dem Schoss. Eds Gesicht war hart. Seine Augen kalt wie Stahl. Ed war ein Mann, der seine Werte lebte, Luke wusste das. Diese Werte schlossen Loyalität, Ehre, Mut und das Anwenden von überwältigender Gewalt im Namen des Guten und Rechten ein. Ed war kein Monster. Aber in diesem Augenblick könnte er ebenso eins sein.
„Bist du bereit?“, fragte Luke
Eds Gesicht zuckte nicht mal. „Ich wurde bereit geboren, Bleichgesicht. Die Frage ist, bist du bereit?“
Luke lud seine Waffen. Er hob seinen Helm hoch. „Ich bin bereit.“
Er setzte den glatten schwarzen Helm auf seinen Kopf und Ed tat dasselbe mit seinem. Luke zog sein Visier runter. „Funkverbindung an“, sagte er.
„An“, sagte Ed. Es klang, als wäre Ed in Lukes eigenem Kopf. „Ich höre dich laut und deutlich. Lass uns loslegen.“ Ed rollte los, quer über die Straße.
„Ed“, rief Luke ihm nach. „Ich brauche ein großes Loch in der Wand. Groß genug, um durchzugehen.“
Ed hob eine Hand und rollte weiter. Einen Moment später verschwand er hinter einer Reihe geparkter Autos auf der anderen Straßenseite, außerhalb Lukes Sicht.
Luke ließ den Kofferraum offen. Er kauerte dahinter. Er tastete alle seine Waffen ab. Er hatte eine Uzi, ein Gewehr, eine Pistole und zwei Messer, sollte es soweit kommen. Er atmete tief durch und sah hoch zum blauen Himmel. Er und Gott waren nicht gerade gut aufeinander zu sprechen. Es würde helfen, wenn sie sich eines Tages über ein paar Dinge einigen könnten. Wenn Luke Gott jemals gebraucht hatte, dann war es jetzt.
Eine fette, weiße, langsame Wolke schwebte am Horizont.
„Bitte“, sagte Luke zu der Wolke.
Brown stand in dem kleinen Kontrollraum direkt neben der Küche.
Auf dem Tisch hinter ihm lag ein M16 Selbstladegewehr und eine halbautomatische neun-Millimeter Beretta, beide voll geladen. Es gab drei Handgranaten und eine Atemmaske. Er hatte ebenfalls ein schwarzes Motorola Walkie-Talkie.
Eine Reihe von sechs kleinen Überwachungskamerabildschirmen war an der Wand über dem Tisch montiert. Die Bilder waren schwarzweiß. Jeder Bildschirm zeigte Brown eine Echtzeitübertragung von Kameras, die strategisch ums Haus herum platziert waren.
Von hier aus konnte er die äußeren Glasschiebetüren, sowie den oberen Teil der Bootsrampe an der Anlegestelle sehen, die Anlegestelle selbst und das umgebende Gewässer, den Außenbereich hinter der doppelt mit Stahl verstärkten Hintertür des Hauses, den Vorraum hinter dieser Tür, den Flur im Obergeschoss und dessen Fenster zur Straßenseite, und zu guter Letzt das fensterlose Verhörzimmer im Obergeschoss, in welchem Luke Stones Frau und Sohn saßen, leise und an ihre Stühle gefesselt, mit Kapuzen über ihren Köpfen.
Es gab keine Chance für irgendwelche Überraschungen. Mit der Tastatur auf dem Schreibtisch konnte er manuell die Kamera an der Anlagestelle kontrollieren. Er steuerte sie ein klein wenig hoch, bis er das Fischerboot direkt in der Mitte des Bildschirms sehen konnte und zoomte dann rein. An den Dollborden konnte er drei Polizisten in kugelsicheren Westen ausmachen. Sie zogen den Anker hoch. In einer Minute würde das Boot hier hinüberrasen.
Brown wechselte zum Bild der hinteren Veranda. Er drehte die Kamera zur Seite des Hauses und konnte so gerade den Kühlergrill des Internet-Transporters auf der anderen Straßenseite sehen. Es machte nichts. Er hatte einen der Männer am oberen Fenster platziert und der hatte den Transporter in seiner Schusslinie.
Brown seufzte. Er vermutete, es wäre sicher das Richtige, die Polizisten auf ihren Walkie-Talkies zu rufen und ihnen zu sagen, dass es wusste, was sie vorhatten. Er könnte die Frau und den Jungen hinunterbringen und könnte sie direkt hinter die Glasschiebetür stellen. Dann könnte jeder sehen, was er anzubieten hatte.
Anstatt eine Schießerei und ein Blutbad anzufangen, könnte er direkt zu den fruchtlosen Verhandlungen übergehen. So würde er sicher auch ein paar Leben retten.
Er grinste in sich hinein. Aber das würde ja den ganzen Spaß verderben, oder?
Er überprüfte die Ansicht zum Vorraum. Er hatte drei Männer im Untergeschoss. Die zwei Bärte und einen, den er den Australier nannte. Einer der Männer deckte die Stahltür und zwei die Glasschiebetür. Diese Glasschiebetür und die Veranda dahinter waren der Hauptschwachpunkt. Aber es gab keinen Grund, warum die Polizisten überhaupt jemals soweit kommen sollten.
Er griff hinter sich und nahm das Walkie-Talkie in die Hand.
„Mr. Smith?“, sagte er zu dem Mann, der sich hinter dem offenen Fenster im Obergeschoss duckte.
„Mr. Brown?“, kam die sarkastische Antwort. Smith war jung genug, um immer noch zu denken, Decknamen wären lustig. Auf dem kleinen Bildschirm winkte Smith mit der Hand.
„Was macht der Transporter?“
„Der schaukelt und ruckelt. Sieht aus, als feiern die eine Orgie da drin.“
„Okay. Halten Sie die Augen auf. Lassen Sie niemanden... ich wiederhole... niemanden die Veranda erreichen. Sie brauchen nicht zu fragen, Sie sind autorisiert einzugreifen, verstanden?“
„Verstanden“, sagte Smith. „Feuer frei, Baby.“
„Guter Junge“, sagte Brown. „Vielleicht sehen wir uns ja in der Hölle wieder.“
In dem Moment konnte man das Geräusch eines schweren Gefährts hören. Brown duckte sich tief hinunter. Er kroch in die Küche und duckte sich unterm Fenster. Draußen hielt ein gepanzertes Fahrzeug vor dem Haus. Die schwere Hintertür schlug auf und einige große Männer in Schutzkleidung kletterten heraus.
Eine Sekunde verging. Zwei Sekunden. Drei. Acht Männer hatten sich auf der Straße versammelt.
Smith eröffnete das Feuer.
Peng-peng-peng-peng-peng-peng.
Die Kraft der Schüsse ließen die Fußbodendielen vibrieren.
Zwei der Polizisten fielen sofort um. Andere duckten sich zurück ins Auto oder dahinter. Hinter dem Panzerfahrzeug sprangen drei Männer aus dem Internet-Transporter. Smith schoss drauf los. Einer von ihnen tanzte wie verrückt auf der Straße herum, als er von einem Schwarm von Geschossen getroffen wurde.
„Exzellent, Mr. Smith“, sagte Brown in sein Motorola.
Einer der Polizisten hatte es über die halbe Straße geschafft, bevor er getroffen wurde. Jetzt kroch er zum nahegelegenen Bürgersteig und hoffte wahrscheinlich, die Büsche vorm Haus zu erreichen. Er trug Körperpanzer. Wahrscheinlich war er in den Zwischenräumen getroffen worden, aber er könnte noch immer eine Bedrohung darstellen.
„Da kommt noch einer am Boden entlang! Ich will ihn außer Gefecht.“
Nahezu sofort ergeht ein Kugelhagel über den Mann und sein Körper zuckte und zitterte. Brown sah den Todesschuss in Zeitlupe. Er wurde in dem Zwischenraum hinten am Hals getroffen, über der Oberkante der schusssicheren Weste und unterhalb des Helms. Ein Sprühregen von Blut spritze durch die Luft und der Mann lag leblos da.
„Nett geschossen, Mr. Smith. Wunderbar geschossen. Jetzt halten Sie sie alle in Schach.“
Brown schlüpfte zurück in den Kommandoraum. Das Fischerboot kam an. Noch bevor es an der Anlegestelle ankam, sprang ein Team von Männern in schwarzen Jacken und Helmen hinüber.
„Masken auf im Untergeschoss!“, sagte Brown. „Sie kommen durch die Schiebetür. Bereithalten zum Erwidern des Feuers.“
„Positiv“, antwortete jemand.
Die Eindringlinge positionierten sich um die Anlegestelle herum. Sie trugen schwere gepanzerte ballistische Schutzschilde und duckten sich dicht dahinter. Ein Mann sprang auf und hob einen Tränengaskanister hoch. Brown griff nach seiner eigenen Maske und sah das Projektil in Richtung Haus fliegen. Es traf die Glastür und landete im Wohnzimmer.
Ein anderer Mann sprang hoch und feuerte einen weiteren Kanister. Ein dritter noch einen weiteren. Alle Tränengaskanister schlugen durch die Glastür und hinein ins Haus. Die Glastür war weg. Auf Browns Bildschirm verbreitete sich der Rauch im Vorraum.
„Statusbericht Untergeschoss?“, fragte Brown. Ein paar Sekunden verstrichen.
„Statusbericht!“
„Keine Sorge, Kumpel“, sagte der Australier. „Ein bisschen Rauch, was soll’s? Wir haben unsere Masken auf.“
„Feuern, wenn Sie bereit sind.“
Er schaute zu, wie die Männer an der Schiebetür das Feuer zur Anlegestelle eröffneten. Die Eindringlinge steckten fest. Sie konnten sich nicht von ihren ballistischen Schutzschilden fortbewegen. Und Browns Männer hatten stapelweise Munition für sie.
„Gut geschossen, Jungs“, sagte er in sein Walkie-Talkie. „Stellen Sie sicher, Sie versenken auch ihr Boot, wenn Sie schon dabei sind.“
Brown grinste in sich hinein. Sie könnten hier tagelang standhalten.
*
Es war eine Niederlage. Überall lagen getroffene Männer herum.
Luke lief in Richtung Haus und scannte die Umgebung sorgfältig. Die schlimmsten Schüsse kamen von einem Mann am Fenster des Obergeschosses. Er machte Schweizer Käse aus diesen Polizisten. Luke war jetzt nah an der Seite des Hauses. Aus diesem Winkel heraus konnte er nicht auf ihn schießen, aber der Mann konnte ihn wahrscheinlich auch nicht sehen.
Luke sah, wie der Schütze einen am Boden liegenden Polizisten mit einem gezielten Schuss in den hinteren Nacken tötete.
„Ed, wie ist deine Sicht auf den Schützen im Obergeschoss?“
„Ich kann ihm direkt eine in den Hals schießen. Ziemlich sicher, er sieht mich hier drüben nicht.“
Luke nickte. „Lass uns das zuerst machen. Es wird ziemlich dreckig hier draußen.“
„Bist du sicher, dass du das willst?“, fragte Ed.
Luke studierte das Obergeschoss. Der fensterlose Raum war auf der anderen Seite vom Standpunkt des Schützen.
„Ich setze immer noch darauf, dass sie in dem Zimmer ohne Fenster sind“, sagte er.
Bitte.
„Auf dein Kommando“, sagte Ed.
„Los.“
Luke hörte den unverwechselbaren hohlen Knall des Granatwerfers.
DONG.
Ein Geschoss flog hinter den geparkten Autos hervor. Es hatte keinen Bogen – es flog in einer scharfen geraden Linie leicht diagonal nach oben. Es traf genau dort, wo das Fenster war. Der Bruchteil einer Sekunde verging.
RUMMS.
Die Seite des Hauses wurde weggeblasen, Holzteile, Glas, Stahl und Glasfasern flogen umher. Der Schütze am Fenster war verstummt.
„Super, Ed. Richtig gut. Jetzt schieße mir das Loch in die Wand.“
„Wie fragt man?“
„Bitte, bitte.“
Luke rannte herum und duckte sich hinter einem Auto.
DONG.
Ein weiteres Geschoss flog in gerader Linie nur einen Meter über dem Boden vorbei. Es traf die Hausseite wie ein Autounfall und schlug eine klaffende Wunde in die Wand. Innen explodierte ein rauch- und trümmerspeiender Feuerball.
Luke sprang fast hoch.
„Warte“, sagte Ed. „Eine kommt noch.“
Ed feuerte erneut und dieses Geschoss flog tief ins Haus hinein. Man konnte rote und orange Flammen durch das Loch sehen. Der Boden bebte. Es war Zeit zu gehen.
Luke stand auf und rannte los.
*
Die erste Explosion war über seinem Kopf. Das ganze Haus zitterte davon. Brown blickte auf seinem Bildschirm auf den Flur im Obergeschoss.
Das Ende war komplett weg. Der Platz, wo Smith gesessen hatte, war nicht mehr da. Da war nur noch ein klaffendes Loch, wo sich bis eben das Fenster und Mr. Smith befanden.
„Mr. Smith?“, fragte Brown. „Mr. Smith, sind Sie da?“
Keine Antwort.
„Hat irgendwer gesehen, wo das herkam?“
„Du hast die Augen, Ami“, sagte eine Stimme.
Sie hatten Schwierigkeiten.
Ein paar Sekunden später traf eine Rakete die Vorderseite des Hauses. Die Schockwelle warf Brown um. Die Wände kollabierten. Die Küchendecke stürzte plötzlich ein. Brown lag auf dem Boden zwischen den Trümmerteilen. Die Situation hatte sich komplett gegenteilig entwickelt, als er erwartet hatte. Polizisten rammten Türen ein – sie schossen keine Raketen durch Wände.
Eine weitere Rakete schlug ein, dieses Mal tief im Inneren des Hauses. Brown schützte seinen Kopf. Alles zitterte. Das ganze Haus könnte einstürzen.
Ein Moment verging. Jetzt schrie jemand. Ansonsten war es still. Brown sprang auf und rannte in Richtung Treppe. Auf dem Weg nach draußen griff er nach seiner Pistole und einer Granate.
Er durchquerte das Wohnzimmer. Es war ein Gemetzel, ein Schlachthaus. Der Raum stand in Flammen. Einer der Bärte war tot. Mehr als tot – in Einzelteile zerfetzt, die überall herumlagen. Der Australier war in Panik verfallen und hatte sich seine Maske heruntergerissen. Dunkles Blut lief sein Gesicht herunter, aber Brown konnte nicht sehen, wo er getroffen war.
„Ich kann nichts sehen!“, schrie der Mann. „Ich kann nichts sehen!“
Seine Augen waren weit offen.
Ein Mann in Körperpanzer und Helm stieg ruhig durch die zertrümmerte Wand. Er brachte den Australier mit einem hässlichen Ausstoß von automatischen Maschinengewehrschüssen zum Schweigen. Der Kopf des Australiers zerplatzte wie eine Kirschtomate. Für eine oder zwei Sekunden stand er kopflos da, bevor er in sich zusammensackte und zu Boden sank.
Der zweite Bart lag nahe der Hintertür am Boden, jener doppelt mit Stahl verstärkten Tür, über die sich Brown vor einigen Augenblicken noch so gefreut hatte. Die Polizei würde niemals durch diese Tür kommen. Bart #2 war von der zweiten Explosion getroffen worden, aber noch nicht aus dem Rennen. Er schleppte sich hinüber zur Wand und stütze sich hoch, bis er aufrecht saß. Dann griff er nach der Waffe, die an seine Schulter geschnallt war.
Der Eindringling schoss Bart #2 aus nächster Nähe ins Gesicht. Blut und Knochen und graue Masse spritzten an die Wand.
Brown drehte sich um und rannte die Treppe hoch.
*
Die Luft war dick vom Rauch, aber Luke sah den Mann zur Treppe abhauen. Er blickte um sich. Alle anderen waren tot.
Zufrieden rannte er die Treppe hoch. Sein eigener Atem klang laut in seinen Ohren. Hier war er verletzbar. Die Treppe war so eng, es wäre die perfekte Gelegenheit für jemanden, auf ihn niederzuschießen. Niemand schoss. Oben angekommen, war die Luft klarer als unten. Zu seiner Linken befand sich das zerstörte Fenster und die fehlende Wand, wo der Scharfschütze positioniert gewesen war. Die Beine des Scharfschützen lagen auf dem Boden. Seine hellbraunen Arbeitsschuhe zeigten in entgegensetzte Richtungen. Der Rest von ihm war verschwunden.
Luke ging nach rechts. Instinktiv rannte er zu dem Raum am Ende des Flurs. Er ließ seine Uzi im Flur fallen. Er hob die Pumpgun von seiner Schulter und ließ sie ebenfalls fallen. Er zog seine Neun-Millimeter-Glock aus dem Halfter.
Er drehte sich nach links und in das Zimmer hinein.
Becca und Gunner saßen gefesselt in Klappstühlen. Ihre Arme waren hinter ihre Rücken gebunden. Ihre Haare sahen verwüstet aus, fast so, als hätte ein Spaßvogel, sie gerade mit den Händen zerzaust. Und in der Tat stand da ein Mann hinter ihnen. Er ließ zwei schwarze Kapuzen auf den Boden fallen und drückte den Lauf seiner Pistole gegen Beccas Hinterkopf. Er kauerte ganz niedrig hinter ihr und nutzte so Beccas Körper als menschlichen Schutzschild.
Beccas Augen waren weit aufgerissen. Gunners waren fest zugedrückt. Er weinte unkontrollierbar. Sein ganzer Körper zitterte vom lautlosen Schluchzen. Er hatte in die Hose gemacht.
War es das wert?
Sie so zu sehen, hilflos, in Angst, war es das wert gewesen? Luke hatte gestern Nacht geholfen, einen Staatsstreich zu verhindern. Er hatte die neue Präsidentin vor dem fast sicheren Tod gerettet, aber war es das hier wert?
„Luke?“, fragte Becca, als würde sie ihn nicht erkennen.
Natürlich erkannte sie ihn nicht. Er zog seinen Helm ab.
„Luke“, sagte sie. Sie keuchte, vielleicht aus Erleichterung. Er wusste es nicht. Menschen machten alle möglichen Geräusche in extremen Momenten. Sie bedeuteten nicht immer etwas.
Luke hob seine Waffe und zielte direkt zwischen Beccas und Gunners Köpfen hindurch. Der Mann war gut. Er gab Luke nichts, dass er hätte treffen können. Aber Luke hielt die Waffe trotzdem in die Richtung. Und sah ihm geduldig zu. Der Mann würde nicht immer gut sein. Niemand war für immer gut.
Luke fühlte nichts in diesem Moment, nichts als... tödliche ... Stille.
Er fühlte keine Erleichterung in seinen Adern. Das hier war noch nicht vorbei.
„Luke Stone?“, sagte der Mann. Er grunzte. „Erstaunlich. Sie sind ja überall gleichzeitig in den letzten Tagen. Sind Sie es wirklich?“
Luke konnte sich an das Gesicht des Mannes erinnern, von dem Moment kurz bevor er sich hinter Becca geduckt hatte. Er hatte eine dicke Narbe quer über seiner linken Wange. Er hatte einen Bürstenhaarschnitt. Er hatte die scharfen Züge wie jemand, der sein Leben im Militär verbracht hatte.
„Wer will das wissen?“, fragte Luke.
„Man nennt mich Brown.“
Luke nickte. Ein Name, der kein Name war. Der Name eines Geistes. „Also, Brown, wie soll das hier ablaufen?“
Im Untergeschoss konnte Luke die Polizei das Haus stürmen hören.
„Welche Optionen sehen Sie denn?“, fragte Brown.
Luke rührte sich nicht, seine Waffe wartete auf die Gelegenheit zum Schuss. „Ich sehe zwei Optionen. Sie können entweder hier und jetzt in dieser Minute sterben oder, wenn Sie Glück haben, in einem Gefängnis in entfernter Zukunft.“
„Oder ich könnte das Gehirn Ihrer lieben Frau wegpusten.“
Luke antwortete nicht. Er zielte einfach nur mit seiner Waffe. Sein Arm war nicht müde. Er würde niemals müde werden. Aber die Polizei würde jeden Augenblick die Treppe hinaufstürmen und das würde die Situation ändern.
„Und in der nächsten Sekunde wären Sie tot.“
„Wahr“, sagte Brown. „Oder ich könnte das hier tun.“
Seine freie Hand ließ eine Granate in Rebeccas Schoss fallen.
Als Brown losstürmte, ließ Luke seine Waffe fallen und sprang vorwärts. In einem schnellen Ablauf von Bewegungen, griff er die Granate, warf sie in Richtung der hinteren Wand des Zimmers, faltete die beiden Klappstühle nach vorn und drückte dabei Becca und Gunner hinunter auf den Boden.
Becca schrie.
Luke erfasste sie beide, ziemlich hart, er hatte keine Zeit für Sanftheit in diesem Moment. Er drückte sie beide enger und enger unter sich zusammen und versuchte sie mit seinem Körper und seiner Schutzkleidung zuzudecken. Er versuchte, sie nahezu verschwinden zu lassen.
Für den Bruchteil einer Sekunde passierte nichts. Vielleicht war es ein Trick. Die Granate war nicht echt und der Mann namens Brown hatte ihnen etwas vorgespielt. Und nun würde er sie alle drei töten.
BUMM!
Die Explosion kam, ohrenbetäubend, in der Enge des winzigen Raums. Luke zog sie näher an sich heran. Der Boden bebte. Metallscharten flogen herum. Er duckte den Kopf so weit wie möglich hinunter. Aus seinem Nacken wurde rohes Fleisch gerissen. Er bedeckte sie und er hielt sie.
Ein Moment verging. Seine kleine Familie zitterte unter ihm, vor Schock und Angst erstarrt, aber am Leben.
Jetzt war es an der Zeit, den Dreckskerl zu töten. Lukes Glock lag neben ihm auf dem Boden. Er ergriff die Waffe und sprang auf seine Füße. Er drehte sich um.
Ein riesiges Loch klaffte dort, wo vorher die Zimmerwand gewesen war. Durch das Loch konnte Luke Tageslicht und blauen Himmel sehen. Er konnte das dunkelgrüne Wasser der Bucht sehen. Und er konnte sehen, dass der Mann namens Brown verschwunden war.
Luke näherte sich dem Loch seitwärts und nutzte die Überbleibsel der Mauer als Schutz. Die Ränder waren zerfetztes Holz, zerbrochene Trockenmauer und Fetzen von Glasfaserisolierung. Er erwartete einen Körper am Boden zu sehen, unter Umständen in mehreren blutigen Teilen. Nein. Da war kein Körper.
21:03 Uhr
Bethesda Marine Medizinzentrum – Bethesda, Maryland
Das Licht des Laptop-Computerbildschirms flimmerte in der Halbdunkelheit des privaten Krankenzimmers. Luke saß zusammengesackt in einem unbequemen Sessel und starrte auf den Bildschirm. Er hatte kleine weiße Kopfhörer in den Ohren.
Er war fast atemlos vor Dankbarkeit und Erleichterung. Seine Brust schmerzte, er hatte die letzten vier bis fünf Stunden oft nach Luft ringen müssen. Ein paar Mal hatte er daran gedacht zu weinen, aber er hatte es noch nicht getan. Vielleicht später.
Es gab zwei Betten in diesem Zimmer. Luke hatte seine Verbindungen spielen lassen und nun lagen Becca und Gunner beide tief schlafend in ihren Betten. Sie waren betäubt, aber das machte nichts. Keiner von beiden hatte auch nur ein Auge zugetan, von dem Moment an, als sie entführt wurden, bis zu dem Moment als Luke das Strandhaus gestürmt hatte.
Sie hatten achtzehn Stunden in totaler Angst verbracht. Jetzt waren sie bewusstlos. Und sie würden noch für eine ganze lange Weile bewusstlos bleiben.
Sie waren beide unverletzt geblieben. Sicher, sie würden emotionale Wunden davontragen, aber körperlich waren sie gesund. Die Verbrecher hatten die Handelsware nicht beschädigt. Vielleicht hatte Don Morris seine schützende Hand irgendwo im Spiel.
Er dachte kurz an Don. Jetzt, wo alle Geschehnisse abgelaufen waren, fühlte es sich richtig an, dies zu tun. Don war Lukes großartigster Mentor gewesen. Seit der Zeit als Luke damals mit siebenundzwanzig Delta Force beigetreten war, bis heute Morgen, zwölf Jahre später, war Don konstant in Lukes Leben präsent gewesen. Als Don damals das FBI Spezialeinsatzkommando bildete, hatte er einen Platz für Luke geschaffen. Mehr als das – er hatte ihn rekrutiert, ihn umworben und verwöhnt und hatte ihn von Delta abgeworben.
Aber zu irgendeinem Zeitpunkt hatte Don sich gewendet und Luke hatte es nicht kommen sehen. Don war einer der Verschwörer, die die Regierung stürzen wollten. Eines Tages vielleicht würde Luke Dons Gründe hinter all dem verstehen, aber nicht heute.
Auf dem Computerbildschirm vor ihm sah man die live Übertragung aus dem Presseraum aus dem Haus, das sie das „Neue Weiße Haus“ nannten. Es waren höchstens 100 Plätze darin. Der Boden fiel leicht nach vorne ab, fast so, als wäre der Raum auch als Kino benutzbar. Jeder Platz war besetzt. Jeder kleinste Platz entlang der Wand war voll. Scharen von Menschen standen dicht gedrängt an beiden Seiten der Bühne.
Bilder des Hauses selbst flackerten über den Bildschirm. Es war ein schönes, fürstliches Herrenhaus im Queen Anne Stil mit Dachgiebeln, um die 1850 herum erbaut, und auf dem Gelände der Seewarte der Vereinigten Staaten in Washington, DC gelegen. Und es war in der Tat weiß, zumindest überwiegend.
Luke wusste ein wenig darüber. Für Jahrzehnte war es die offizielle Residenz der Vize-Präsidenten der Vereinigten Staaten gewesen. Jetzt, und bis auf weiteres, war es das zu Hause und das Büro der Präsidentin.
Der Bildschirm zeigte nun wieder den Presseraum. Luke sah, wie die Präsidentin selbst an das Podium trat: Susan Hopkins, die frühere Vize-Präsidentin, hatte erst heute Morgen den Amtseid geschworen. Dies war ihre erste direkte Rede an das amerikanische Volk als Präsidentin. Sie trug einen dunkelblauen Anzug und die blonden Haare waren als Bob geschnitten. Der Anzug sah etwas sperrig aus, was darauf hinwies, dass sie kugelsicheres Material darunter trug.
Ihre Augen waren irgendwie beides, streng und sanft – ihre Presseberater hatten ihr sicherlich geraten, gleichzeitig ärgerlich, mutig und hoffnungsvoll auszusehen. Eine erstklassige Maskenbildnerin hatte die Verbrennungen auf ihrem Gesicht gut abgedeckt. Wenn man nicht wusste, wohin man schauen musste, würde man sie nicht sehen können. Susan war, so wie schon immer in ihrem Leben, die schönste Frau im Raum.
Ihr Lebenslauf bis jetzt war eindrucksvoll. Als Teenager war sie bereits in Supermodel, die junge Ehefrau eines Technologie-Milliardärs, Mutter, Senatorin der Vereinigten Staaten aus Kalifornien, Vize-Präsidentin und nun plötzlich, Präsidentin. Der frühere Präsident, Thomas Hayes, starb in einem Untergrund-Flammeninferno und Susan selbst war nur mit Glück mit ihrem Leben davongekommen.
Luke hatte gestern ihr Leben gerettet, zweimal um genau zu sein.
Er stellte den Ton seines Laptops wieder an.
Sie war mit Scheiben von schusssicherem Glas umgeben. Zehn Geheimdienstagenten standen mit ihr auf der Bühne. Die Reportermenge im Presseraum gab ihr lauten Beifall. Die Fernsehreporter sprachen mit gedämpften Stimmen. Die Kamera schwenkte hinüber zu Susans Ehemann Pierre und ihren beiden Töchtern.
Zurück zur Präsidentin: Sie hob ihre Hände und bat um Ruhe. Trotz allem, zeigte sie nun ein breites Lachen. Die Menge tobte wieder. Das war die Susan Hopkins, die sie alle kannten, die enthusiastische, wild entschlossene Königin der Talkshows, Eröffnungszeremonien und Wahlveranstaltungen. Jetzt ballten ihre kleinen Hände Fäuste und sie hob sie hoch über ihren Kopf, fast wie ein Schiedsrichter, der ein Tor anzeigte. Das Publikum war laut und wurde immer lauter.
Die Kamera schwenkte in die Menge. Abgehärtete Washington, DC und nationale Journalisten, eine der gefühlskältesten Gruppen von Menschen, die man sich vorstellen kann, standen da mit feuchten Augen. Manche von ihnen weinten sogar richtig. Luke erhaschte einen kurzen Blick auf Ed Newsam in seinem dunklen Nadelstreifenanzug und auf Krücken lehnend. Luke war ebenfalls eingeladen gewesen, aber er bevorzugte es, hier in diesem Krankenhauszimmer zu sein. Er würde es nicht mal erwägen, jetzt irgendwo anders zu sein.
Susan trat ans Mikrofon heran. Das Publikum wurde leiser, gerade leise genug, um in der Lage zu sein, sie hören zu können. Sie legte ihre Hände aufs Podium, fast so, als wolle sie sich abstützen.
„Wir sind immer noch hier“, sagte sie mit zitternder Stimme.
Die Menge tobte jetzt.
„Und wissen Sie was? Wir gehen auch nirgendwo hin!“
Ohrenbetäubender Lärm kam aus den Kopfhörern. Luke drehte die Lautstärke runter.
„Ich will...“, sagte Susan und machte erneut eine Pause. Sie wartete. Der Jubel ging weiter und weiter. Sie wartete weiter. Sie trat vom Mikrofon weg, lächelte und sagte dann etwas zu dem sehr groß gewachsenen Geheimagenten, der neben ihr stand. Luke kannte ihn ein wenig. Sein Name war Charles Berg. Er hatte ebenfalls gestern ihr Leben gerettet. Für eine Zeitspanne von achtzehn Stunden war Susan fast nonstop in Lebensgefahr gewesen.
Als die Menge sich beruhigte, schritt Susan zurück ans Mikrofon.
„Bevor wir anfangen zu reden, möchte ich gerne, dass Sie mit mir gemeinsam etwas machen“, sagte sie. „Machen Sie das? Ich möchte ‚God bless America’ singen. Es war schon immer eines meiner Lieblingslieder.“ Ihre Stimme versagte. „Und ich möchte es heute Abend singen. Werden Sie es mit mir singen?“
Die Menge brüllte mit Einverständnis.
Dann fing sie an. Ganz alleine, mit einer kleinen untrainierten Stimme, begann sie zu singen. Da war kein berühmter Sänger an ihrer Seite, um sie zu unterstützen. Es gab keine weltbesten Musiker, um sie zu begleiten. Sie sang, nur sie allein, vor einem Raum voller Menschen und mit hunderten Millionen Menschen, die ihr weltweit zusahen.
„’God bless America’“, begann sie. Sie klang wie ein kleines Mädchen. „’Land that I love.’“
Es war fast so, als würde man jemandem dabei zuschauen, wie er auf einem Drahtseil zwischen zwei Gebäuden balancierte. Es war ein Akt des Glaubens. Es schnürte Luke den Hals zu.
Die Menge ließ sie nicht allein. Sofort begannen sie auch. Bessere, stärkere Stimmen stimmten mit ein. Und sie leitete sie alle.
Außerhalb des halbdunklen Zimmers, irgendwo am Ende des Flurs, in der Stille eines ruhigen Krankenhauses außerhalb der Besuchszeit, begannen einige Mitarbeiter zu singen.
Im Bett neben Luke rührte sich Rebecca. Ihre Augen öffneten sich und sie schnappte nach Luft. Ihr Kopf schnellte nach rechts und links. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment aufspringen. Sie sah Luke, aber schien ihn nicht zu erkennen.
Luke zog die Kopfhörer aus seinen Ohren. „Becca“, sagte er.
„Luke?“
„Ja.“
„Kannst du mich festhalten?“
„Ja.“
Er schloss seinen Laptop und kletterte neben ihr ins Bett. Ihr Körper war warm. Er betrachtete ihr Gesicht, so schön wie jedes Supermodel. Sie drückte sich eng an ihn. Er hielt sie in seinen starken Armen. Er hielt sie so fest, fast als wolle er eins mit ihr werden.
Das hier war besser, als der Präsidentin zuzusehen.
7. Juni
20:51 Uhr
Galveston Nationallaboratorium, Campus der Universität Texas Medizinische Abteilung – Galveston, Texas
„Machen Sie wieder einmal Überstunden, Aabha?“, fragte eine Stimme aus dem Himmel.
Die exotische, schwarzhaarige Frau war von nahezu himmlischer Schönheit. In der Tat war ihr Name ein Hindi Wort für ‚wunderschön’.
Sie erschrak von der Stimme und ihr Körper machte unfreiwillig einen kleinen Satz. Sie stand in ihrem weißen, luftdichten Sicherheitsanzug inmitten der Bio-Sicherheits-Level-4 Station des Nationalen Hochsicherheitslaboratoriums in Galveston. Der Anzug beschützte sie und ließ sie fast wie einen Astronauten auf dem Mond aussehen. Sie hasste es, immer diesen Schutzanzug tragen zu müssen. Sie fühlte sich darin gefangen. Aber ihre Arbeit erforderte es.
Ihr Anzug war mit einem gelben Schlauch, der von der Decke hinunterreichte, verbunden. Der Schlauch pumpte ununterbrochen saubere Luft von draußen in den Anzug. Selbst wenn der Anzug riss, würde der Überdruck des Schlauches verhindern, dass die Luft des Labors hineinströmte.
BSL-4 Labore waren die höchste Sicherheitsstufe von Laboren, die es auf der Welt gab. In ihnen studierten Wissenschaftler tödliche, höchst ansteckende Organismen, die eine extreme Bedrohung für die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung darstellten. In diesem Moment hielt Aabha, in ihrer, in einem blauen Handschuh versteckten Hand, ein abgedichtetes Röhrchen des gefährlichsten Virus, den die Menschheit kannte.
„Sie kennen mich doch“, sagte sie. Ihr Anzug hatte ein Mikrofon, das ihre Stimme zu dem Wachmann sendete, der sie auf seinem Bildschirm der Überwachungskamera beobachtete. „Ich bin eine Nachteule.“
„Ich weiß. Ich habe Sie hier schon wesentlich später gesehen.“
Sie stellte sich den Mann vor, der da über sie wachte. Sein Name war Tom. Er war übergewichtig, mittleren Alters und wie sie vermutete, geschieden. Nur er und sie, nachts alleine in diesem großen leeren Gebäude, und er hatte nur wenig Anderes zu tun, als sie zu beobachten. Wenn sie zulange darüber nachdachte, lief ihr ein Schauer über den Rücken.
Soeben hatte sie das Röhrchen aus dem Gefrierfach genommen. Sie bewegte sich vorsichtig und näherte sich der Sicherheitswerkbank, wo sie unter normalen Umständen das Röhrchen öffnen und dessen Inhalte studieren würde.
Aber heute waren es keine normalen Umstände. Heute war der krönende Abschluss jahrelanger Vorbereitung. Heute war das, was die Amerikaner das ‚Big Game’ nannten.
Ihre Kollegen im Labor, einschließlich Tom der Nachtwächter, dachten, der Name der wunderschönen jungen Frau war Aabha Rushdie.
