Rückruf Null (Ein Agent Null Spionage-Thriller — Buch #6) - Jack Mars - E-Book + Hörbuch

Rückruf Null (Ein Agent Null Spionage-Thriller — Buch #6) Hörbuch

Jack Mars

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Beschreibung

"Sie werden nicht schlafen, bis Sie AGENT NULL zu Ende gelesen haben. Ein erstklassiges Werk, mit einer Reihe von gut entwickelten, sehr genießenswerten Figuren. Die Beschreibung der Action-Szenen befördert uns direkt in eine Realität, in der man meinen könnte, man säße im Kino mit Surroundsound und 3D (es würde wirklich einen tollen Hollywood Film abgeben). Ich kann die Fortsetzung kaum abwarten." --Roberto Mattos, Books and Movie Reviews In RÜCKRUF NULL (Buch #6) ist die Übersetzerin des Präsidenten die einzige Eingeweihte einer geheimen Unterhaltung, die unsere Welt ändern könnte. Dadurch wird sie zum Ziel eines Mordanschlags, bei dem man sie zur Strecke bringen will. Agent Null, den wieder die Pflicht ruft, ist möglicherweise der Einzige, der sie noch retten könnte. Agent Null, der versucht, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen und das Vertrauen seiner Töchter zurückzugewinnen, schwört, dass er nie wieder in den Dienst tritt. Doch als man ihn ruft, um das Leben dieser wehrlosen Übersetzerin zu retten, kann er nicht ablehnen. Die Übersetzerin ist allerdings genauso faszinierend wie die Geheimnisse, die sie hütet. Null, der sich mit ihr gemeinsam auf der Flucht befindet, könnte ihr fast verfallen. Welches Geheimnis verbirgt sie? Warum versuchen die mächtigsten Organisationen der Welt, sie deshalb zu töten? Wird es Null gelingen, sie rechtzeitig zu retten? RÜCKRUF NULL (BUCH #6) ist ein Spionage-Thriller, den man einfach nicht aus der Hand legen kann. Sie werden bis spät nachts weiterlesen. Buch #7 der AGENT NULL Serie ist bald verfügbar. "Thriller-Schriftstellerei vom besten." --Midwest Book Review (in Bezug auf Koste es was es wolle) "Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe." --Books and Movie Reviews (in Bezug auf Koste es was es wolle) Jack Mars' #1 Bestseller LUKE STONE THRILLER Serie (7 Bücher) ist ebenfalls erhältlich. Sie beginnt mit Koste es was es wolle (Buch #1), das gratis heruntergeladen werden kann und über 800 fünf-Sterne-Rezensionen erhielt!

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Zeit:9 Std. 51 min

Veröffentlichungsjahr: 2020

Sprecher:Mike Nelson

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R Ü C K R U F   N U L L

(EIN AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER—BUCH 6)

J A C K   M A R S

Jack Mars

Jack Mars ist der USA Today Bestseller Autor der LUKE STONE Thriller Serie, welche sieben Bücher umfasst (und weitere in Arbeit). Er ist außerdem der Autor der neuen WERDEGANG VON LUKE STONE Vorgeschichten Serie und der AGENT NULL Spionage-Thriller Serie.

Jack würde sich freuen, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie seine Webseite www.jackmarsauthor.com und registrieren Sie sich auf seiner Email-Liste, erhalten Sie ein kostenloses Buch und gratis Kundengeschenke. Sie können ihn ebenfalls auf Facebook und Twitter finden und in Verbindung bleiben!

BÜCHER VON JACK MARS

LUKE STONE THRILLER SERIE

KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1)

AMTSEID (Buch #2)

LAGEZENTRUM (Buch #3)

EINE AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER SERIE

AGENT NULL (Buch #1)

ZIELOBJEKT NULL (Buch #2)

JAGD AUF NULL (Buch #3)

EINE FALLE FÜR NULL (Buch #4)

AKTE NULL (Buch #5)

RÜCKRUF NULL (Buch #6)

ATTENTÄTER NULL (Buch #7)

AKTE NULL (Buch #5) - Zusammenfassung

Als eine internationale Krise droht, einen neuen Weltkrieg auszulösen, arbeiten dunkle Mächte in den höchsten Rängen der US Regierung daran, ihren eigenen Komplott weiterzuspinnen. Die einzige Person außerhalb ihrer Ränge, die darüber Bescheid weiß, ist Kent Steele, der sich verzweifelt darum bemüht, Millionen von Leben zu retten, während er jene, die ihm nahestehen, nicht in die Hände derer fallen lässt, deren Interessen dadurch gefördert würden.

Agent Null: Nachdem er seine verlorenen Erinnerungen wiedererlangt hatte, wandte sich Null mit dem Wissen, das er Jahre zuvor hatte, an die höchste Instanz, den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Allerdings inspirierte das jene, die hinter den Kulissen arbeiteten, nur dazu, den Präsidenten zu ihrem Zielobjekt zu machen und die Ermordung dem Iran anzuhängen. Null hielt den Mordversuch auf und fand dabei heraus, dass sein Freund und Verbündeter, Agent John Watson, derjenige war, der Nulls Frau und die Mutter seiner Kinder im Auftrag seiner CIA Vorgesetzten ermordete.

Maya und Sara Lawson: Nulls beide Töchter wurden beide kühn und fähig, nachdem ihre Leben mehrmals bedroht wurden, doch sie sind sich nicht der erschütternden Umstände des Todes ihrer Mutter bewusst, die ihr Vater kürzlich herausfand.

Agent Maria Johansson: Marias wollte durch ihre Zusammenarbeit mit den Ukrainern herausfinden, ob ihr Vater, ein hohes Mitglied des nationalen Sicherheitsrates, in die Verschwörung verwickelt war. Sie fand heraus, dass dem nicht so war und nachdem sie Null dabei half, den Mordversuch aufzuhalten, löste sie ihre Verbindung zum ukrainischen Geheimdienst. Nach dem Skandal und den darauffolgenden Verhaftungen wurde ihr Vater zum zwischenzeitlichen CIA Direktor ernannt.

Alan Reidigger: Nulls bester Freund und CIA Agentenkollege, von dem alle dachten, er wäre schon lange tot, erscheint wieder als Mitch, der stämmige Mechaniker, der Null schon zuvor geholfen hatte. Sein Aussehen wurde drastisch verändert, doch nachdem Null sein Gedächtnis wiedererlangte, erkennt er seinen alten Freund schnell wieder.

Deputy Direktor Shawn Cartwright: Obwohl Null an Cartwrights Unschuld bei dem Komplott, einen Krieg im Nahen Osten auszulösen, zweifelte, bewies dieser sich als loyal, als er Null half, der Division zu entkommen. Dennoch wurde Cartwright in einem Keller erschossen, während er die Söldner aufhielt.

INHALTSVERZEICHNIS

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREISSIG

KAPITEL EINUNDDREISSIG

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

KAPITEL DREIUNDDREISSIG

KAPITEL VIERUNDDREISSIG

KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG

KAPITEL SECHSUNDDREISSIG

PROLOG

Karina Pavlo sah zu, als die beiden Männer am Konferenztisch neben ihr aufstanden. Auch sie stand auf, da sie wusste, dass es sich so gehörte, doch ihre Beine fühlten sich schwach und zittrig an. Sie sah dabei zu, als sie einander freundlich anlächelten, diese zwei Männer in teuren Anzügen, diese stark kontrastierenden Staatsoberhäupter. Sie sagte nichts, während sie ihr Geschäft damit abschlossen, sich über den Tisch hinweg die Hand zu geben.

Karina war immer noch schockiert darüber, was sie gerade gehört hatte, über die Worte, die über ihre eigenen Lippen kamen.

Sie war nie zuvor im Weißen Haus gewesen, doch der Teil des Gebäudes, den sie besuchte, lag kaum im Auge der Öffentlichkeit. Der Keller (wenn man ihn überhaupt so nennen konnte, denn er sah kaum so aus, wie man sich einen Keller vorstellt) unter dem nördlichen Säulengang enthielt alle mögliche Ausstattung, wie etwa eine Kegelbahn, Wäschestationen, eine Schreinerwerkstatt, einen Zahnarzt, den Krisensaal, das Büro des Präsidenten, drei Konferenzsäle und einen bequemen Warteraum, in den Karina bei ihrer Ankunft geführt wurde.

In diesem Warteraum nahm ein Geheimdienstagent ihre persönlichen Gegenstände entgegen, ihr Handy und eine kleine, schwarze Handtasche und bat sie darum, ihren dunklen Blazer auszuziehen. Der Agent durchsuchte ihn gründlich, jede Tasche und jede Naht und führte dann eine gründliche, doch mechanische Abklopfung durch, bei der sie ihre Arme in einem Winkel von neunzig Grad ausstrecken musste. Er bat sie darum, ihren Mund zu öffnen, ihre Zunge anzuheben, ihre Schuhe auszuziehen und stillzustehen, während er mit einem Metalldetektor-Stab über sie fuhr.

Das einzige, was Karina mit zu dem Treffen bringen durfte, war die Kleidung an ihrem Körper und die Perlenohrringe, die sie trug. Die strengen Sicherheitsmaßnahmen waren jedoch nicht außergewöhnlich. Karina war schon seit einigen Jahren Dolmetscherin, hatte bei den Vereinten Nationen gearbeitet und für mehrere Staatsoberhäupter übersetzt. Karina, die in der Ukraine geboren, in Wolgograd in Russland ausgebildet wurde und schon lange genug in den USA lebte, um ein permanentes Visum zu erhalten, hielt sich für eine Weltbürgerin. Sie sprach vier Sprachen fließend und konnte sich in drei weiteren unterhalten. Ihre Sicherheitsfreigabe war so hoch, wie die eines Zivilen nur sein konnte.

Doch dieses war ihre große Chance. Die Gelegenheit, das Weiße Haus zu besuchen, um bei einem Treffen zwischen den neuen Präsidenten von Russland und den Vereinigten Staaten zu dolmetschen, kam ihr nicht einmal zwanzig Minuten zuvor wie der neueste Höhepunkt ihrer Karriere vor.

Wie falsch sie doch lag.

Zu ihrer Linken knöpfte sich der russische Präsident Aleksandr Kozlovsky den obersten Knopf seiner Anzugjacke zu. Es war eine fließende, eingeübte Geste, die Karina fast irrational gelassen erschien, wenn man bedachte, was sie gerade Momente zuvor gehört hatte. Mit seinen fast zwei Metern überragte Kozlovsky beide. Sein schlanker Körper und sein Gang auf seinen langen Gliedmaßen ließen ihn wie eine Kellerspinne aussehen. Er sah schlicht aus, hatte ein glattes, faltenfreies Gesicht, als würde er sich noch weiterentwickeln.

Achtzehn Monate zuvor war der vorherige russische Präsident, Dmitri Ivanov, in den Ruhestand getreten. Zumindest nannte man es so. Nachdem der riesige amerikanische Skandal aufgedeckt wurde, hatte man gleichzeitig entdeckt, dass die russische Regierung ebenfalls mit den Verschwörern unter einer Decke steckte. Nicht nur unterstützten sie die USA im Nahen Osten, sondern warteten auch darauf, dass die Welt sich auf die Meeresenge von Hormus konzentrierte, damit sie ukrainische ölproduzierende Ressourcen in der Ostsee für sich vereinnahmen könnten.

In Russland wurde niemand verhaftet. Es gab keine Verurteilungen, keine Haft. Durch den Druck der Vereinten Nationen und der ganzen Welt trat Ivanov einfach von seinem Posten zurück und wurde durch Kozlovsky ersetzt, von dem Karina wusste, dass er vielmehr ein Ersatzdarsteller als der wirkliche politische Rivale war, als den die Medien ihn darstellten.

Kozlovsky lächelte selbstgefällig. „Es war mir eine Freude, Präsident Harris.” Pavlo nickte er nur kurz zu, bevor er sich rasch umdrehte und aus dem Saal schritt.

Zwanzig Minuten zuvor hatte der Geheimdienstagent Karina zu dem kleinsten der drei Konferenzsäle im Keller des Weißen Hauses gebracht, in dem sich ein dunkler, langer Tisch aus einem exotischen Holz, acht Lederstühle, ein Fernsehbildschirm und sonst nichts befanden. Keine einzige Seele. Als Karina den Auftrag zum Dolmetschen bekam, dachte sie, dass bei dem Treffen Kameras, Nachrichtensprecher, Mitglieder der Kabinette beider Regierungen, Presse und Medien anwesend wären.

Doch es waren nur sie, und dann Kozlovsky, und dann Samuel Harris.

Der Präsident der Vereinigten Staaten, Samuel Harris, stand rechts von ihr. Er war siebzig Jahre alt, halb glatzköpfig, sein Gesicht war vom Alter und Stress faltig und seine Schultern hingen aufgrund einer Verletzung am Rücken, die er bei seinem Einsatz in Vietnam erlitt, ständig vor. Dennoch bewegte er sich entschlossen und seine raue Stimme war viel dominanter, als man sich vorstellen konnte.

Harris hatte den vorherigen Präsidenten, Eli Pierson, bei den Wahlen im vorherigen November leicht geschlagen. Trotz dem Mitleid der Öffentlichkeit wegen des Mordversuches an ihm achtzehn Monate zuvor, und trotz der noblen Anstrengung, sein Kabinett nach dem iranischen Skandal wieder aufzubauen, hatte Amerika seinen Glauben an ihn verloren.

Karina kam Harris wie ein Geier vor, was sie nur dadurch bestätigt sah, wie er angeflogen kam und die Wahlstimmen von Pierson stahl, wie ein Aasvogel, der die Innereien aus einem Kadaver von viel zu vielen Fehlern und Vertrauen in die falschen Leute riss. Harris, der demokratische Kandidat, musste kaum Versprechen machen, außer jegliche weitere Korruption im Weißen Haus aufzudecken und schnellstmöglich zu beenden. Doch wie Karina Pavlo gerade herausgefunden hatte, gab es weitere Korruption im Weißen Haus, die sich möglicherweise ausschließlich auf das Amt des Präsidenten beschränkte.

Über den Besuch des russischen Präsidenten Kozlovsky wurde bei fast allen Medien der USA berichtet. Es war das erste Mal seitdem die verräterische Intrige beider Regierungen bekannt wurde, dass die beiden neuen Weltführer sich persönlich trafen. Es gab Pressekonferenzen, ständige Berichterstattung und Treffen mit hundert Kameras im Raum, um zu besprechen, wie die beiden Nationen auf freundliche und abgestimmte Weise nach der Beinahe-Katastrophe nach vorne schauen konnten.

Doch Karina wusste jetzt, dass es alles nur Täuschung war. Die letzten Minuten, die sie mit den beiden Weltführern, der Spinne und dem Geier, verbrachte, hatten das bewiesen. Kozlovskys Englisch war höchstens elementar und Harris sprach kein Wort russisch, sodass ihre Anwesenheit notwendig war und die Rede der beiden zu ihrer wurde.

Es hatte alles recht harmlos begonnen. Nettigkeiten wurden ausgetauscht, Englisch kam von Harris zu ihr und dann ging Russisch von ihr zu Kozlovsky, als ob Karina eine Übersetzungsmaschine wäre. Die beiden Männer sahen sich gegenseitig an, fragten sie nicht einmal etwas oder bemerkten auch nur ihre Anwesenheit, nachdem das Treffen begonnen hatte. Sie spuckte die Worte mechanisch heraus wie ein Prozessor. Sie drangen durch ihr Ohr in einer Sprache ein und verließen sie durch ihre Kehle in einer anderen.

Erst als die ominöse Motivation für das private Treffen sich enthüllte, verstand Karina, dass dies - diese paar Minuten in einem verschlossenen Raum im Untergeschoss des Weißen Hauses, bei denen nur die beiden und eine Dolmetscherin anwesend waren - der wirkliche Grund für den Besuch des russischen Präsidenten in den Vereinigten Staaten war. Sie konnte nur so sachlich wie möglich dolmetschen und verzweifelt hoffen, dass ihr eigener Gesichtsausdruck sie nicht verriet.

Plötzlich wurde sich Karina Pavlo akut bewusst, dass es nicht wahrscheinlich war, dass sie das Weiße Haus lebendig verließe.

Nachdem Kozlovsky den Saal verlassen hatte, wandte sich Präsident Harris an sie, lächelte sie lüstern an, also ob die Unterhaltung, deren Zeugin sie gerade geworden war, nicht stattgefunden hätte, als wäre sie nichts weiter als eine Formalität gewesen. „Danke Ihnen, Frau Pavlo”, sagte er väterlich. „Wir wissen Ihre Erfahrung und Kompetenz zu schätzen und halten Sie für außerordentlich wertvoll.”

Vielleicht war es der Schock über das, was sie gerade herausgefunden hatte, der sie veranlasste, ebenfalls ein Lächeln zu erzwingen. Oder vielleicht war es die Mühelosigkeit, mit der Harris ein solch höfliches Verhalten an den Tag legte, während er ganz genau wusste, dass die Dolmetscherin gerade jedes einzelne Wort gehört und sogar für den anderen Gesprächspartner wiederholt hatte. Aus welchem Grund auch immer, Karina bemerkte, wie ihre Lippen sich gegen ihren Willen nach oben zogen und ihre Stimme sagte: „Danke für die Gelegenheit, Mr. Präsident.”

Er lächelte erneut. Ihr gefiel sein Lächeln nicht, denn es lag keine Heiterkeit darin. Es war eher lüstern als heiter. Sie hatte es hundert Mal auf dem Fernseher gesehen, bei seiner Wahlkampagne, doch es persönlich zu erleben war noch unangenehmer. Es erschien ihr, als wüsste er etwas, dass ihr verborgen war - was ja auch ganz und gar stimmte.

Ein Alarm schmetterte in ihrem Kopf. Sie fragte sich, wie weit sie wohl kommen würde, falls sie ihn aus dem Weg stieße und versuchte, zu rennen. Nicht besonders weit, dachte sie. Sie hatte mindestens sechs Geheimdienstagent im Gang des Kellers gesehen, und sie war sich genauso sicher, dass der Weg,  auf dem sie hier heruntergekommen war, bewacht wäre.

Der Präsident räusperte sich. „Wissen Sie”, sagte ihr Harris, „es gab einen guten Grund, warum sonst niemand anwesend waren. Das können Sie sich ja sicher vorstellen.” Er kicherte ein wenig, als ob die Bedrohung für die Weltsicherheit, von der Karina gerade herausgefunden hatte, ein Witz wäre. „Sie sind die Einzige auf der ganzen Welt, die von dem Inhalt dieser Unterhaltung weiß. Sollte es an die Öffentlichkeit geraten, dann wüsste ich durch wen.  Und die Dinge würden dann für diese Person nicht mehr besonders glatt laufen.”

Das Lächeln blieb auf Harris’ Gesicht, doch es war überhaupt nicht beruhigend.

Sie zwang ihre Lippen dazu, liebenswürdig zu lächeln. „Selbstverständlich, Sir. Diskretion ist eine meiner besten Eigenschaften.”

Er lehnte sich herüber und tätschelte ihre Hand. „Das glaube ich Ihnen.”

Ich weiß zu viel.

„Und ich vertraue darauf, dass Sie still bleiben.”

Der beschwichtigt mich. Die lassen mich auf keinen Fall leben.

„Ich bin mir sogar sehr sicher, dass ich Ihre Fähigkeiten erneut in der nahen Zukunft benötige.”

Es gab nichts, was Harris sagen konnte, um sie von ihren Instinkten abzubringen. Der Präsident hätte sie um ihre Hand bitten können und dennoch wäre das kribbelnde Gefühl im Nacken, das ihr sagte, dass sie in unmittelbarer Gefahr war, nicht verschwunden.

Harris stand auf und knöpfte sich seine Anzugjacke zu. „Kommen Sie. Ich bringe Sie raus.” Er ging vor ihr aus dem Raum und Karina folgte. Ihre Knie waren schwach. Sie war an einem der sichersten Orte des Planeten, umringt von trainierten Agenten des Geheimdienstes. Als sie den Gang erreichte, sah sie das halbe Dutzend Agenten, die dort aufgestellt waren. Sie hatten ihre Rücken gegen die Wand und die Hände vor sich verhakt und warteten so auf den Präsidenten.

Oder möglicherweise auf sie.

Bleib ruhig.

„Joe.” Harris winkte dem Agenten zu, der sie zuvor vom Wartezimmer abgeholt hatte. „Sorge bitte dafür, dass Frau Pavlo wieder sicher zu ihrem Hotel zurückkehrt, ja? Mit dem besten Auto, das wir haben.”

„Ja Sir”, erwiderte der Agent mit einem leichten Nicken. Ihr erschien das Nicken seltsam. Ein Nicken der Verständnis.

„Danke sehr”, sagte sie so freundlich wie sie konnte, „doch ich kann ein Taxi nehmen. Mein Hotel ist nicht weit.”

„Unsinn”, antwortete Harris liebenswürdig. „Welchen Sinn hat es, für den Präsidenten zu arbeiten, wenn Sie nicht mal ein paar der Vorteile genießen können?” Er kicherte. „Danke nochmal. Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Wir melden uns.”

Er schüttelte ihre Hand. Sie schüttelte seine. Sein Lächeln blieb auf seinem Gesicht, doch seine Augen verrieten ihn.

Karina hatte kaum eine Wahl. Sie folgte dem Geheimdienstagente, dem Mann, der sich Joe nannte (falls das sein richtiger Name war), durch das Untergeschoss des Weißen Hauses. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt, nervös, bereit, jederzeit auf den Kampf-oder-Flucht-Impuls zu reagieren. Doch sie war überrascht, dass der Agent sie wirklich eine Treppe hinauf- und einen Gang zu einer weiteren Tür entlangführte, die nach draußen ging. Er führte sie wortlos zu einer kleinen Parkgarage mit einer privaten Flotte von Fahrzeugen und dann öffnete er die Passagiertür eines schwarzen Geländewagens für sie.

Steig nicht ein.

Sie stieg ein. Wenn sie jetzt kämpfte oder versuchte, wegzurennen, dann schaffte sie es nicht einmal bis zu den Toren.

Zwei Minuten später hatten sie das Gelände des Weißen Hauses verlassen und fuhren die Pennsylvania Avenue entlang. Der bringt mich irgendwo hin, um es zu tun. Die werden sich mir woanders entledigen. An einem Ort, wo niemand mich jemals finden wird.

„Sie können mich einfach zum Hilton in der Stadtmitte bringen”, sagte sie gelassen.

Der Geheimdienstagent lächelte schüchtern. „Wir sind die US Regierung, Frau Pavlo. Wir wissen, wo sie logieren.”

Sie kicherte ein wenig und versuchte, die Nervosität in ihrer Stimme zu verbergen. „Da bin ich mir sicher. Doch ich treffe einen Freund zum Abendessen im Hilton.”

„Dennoch”, antwortete der Agent, „waren die Anordnungen des Präsidenten, sie zurück zu Ihrem Hotel zu bringen, weshalb ich das tun muss. Aus Sicherheitsgründen.” Danach seufzte er, als ob er Mitleid mit ihrer Situation hätte, obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass er sie umbringen würde. „Ich bin mir sicher, dass Sie das verstehen können.”

„Oh”, sagte sie plötzlich. „Meine Sachen? Mein Telefon und meine Handtasche?”

„Die habe ich.” Joe klopfte auf die Brusttasche seines Anzugs.

Nach einer langen Stille bat Karina: „Darf ich sie bitte haben...?”

„Natürlich”, sagte er heiter. „Sobald wir ankommen.”

„Ich möchte sie aber wirklich jetzt zurück”, drängte sie.

Der Agent lächelte erneut, doch er hielt seinen Blick auf die Straße gerichtet. „Wir kommen in ein paar Minuten an”, sagte er beruhigend, als wäre sie ein nervendes Kleinkind. Karina bezweifelte sehr stark, dass er ihre Dinge in seiner Jacke hatte.

Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück oder ließ es zumindest so aussehen, versuchte, so entspannt wie möglich zu erscheinen, als der Geländewagen an einer roten Ampel hielt. Der Geheimdienstagent kramte im Mittelfach nach einer schwarzen Sonnenbrille und zog sie an.

Die Ampel schaltete auf grün um.

Das Auto vor ihnen fuhr los.

Der Agent nahm seinen Fuß von der Bremse und trat auf das Gaspedal.

Mit einer schnellen Bewegung löste Karina Pavlo ihren Sicherheitsgurt mit einer Hand während sie die Tür mit der anderen aufdrückte. Sie sprang aus dem fahrenden Geländewagen, ihre Absätze schlugen gegen den Asphalt. Einer brach entzwei. Sie ließ sich nach vorne fallen, fiel mit den Ellenbogen auf die Straße, rollte sich ab und kam dann taumelnd wieder auf die Beine. Sie zog sich die Schuhe mit einem Tritt aus und rannte dann in ihren Strumpfhosen weiter.

„Was zum Teufel?!” Der Geheimdienstagent trat auf die Bremse und hielt den Wagen direkt auf der Mitte der Straße an. Er rief nicht, dass sie zurückkommen sollte und er ließe sie ganz sicher nicht so einfach gehen - beides waren Anzeichen dafür, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag.

Fahrer hupten und riefen, als der Agent aus dem Auto sprang, doch zu dem Zeitpunkt hatte sie schon mehr als einen halben Häuserblock Vorsprung, rannte praktisch barfuß, da ihre Strumpfhosen rissen, ignorierte den gelegentlichen Stein, der sich in ihre Fußsohlen bohrte.

Sie bog scharf um die Ecke und flitzte in die erste Öffnung, die sie sah. Es war nicht einmal eine Gasse, sondern eher ein Pfad zwischen zwei Geschäften. Dann bog sie links ab, rannte so schnell sie konnte, blickte hin und wieder über ihre Schulter nach dem Agenten, doch sah ihn nicht.

Als sie an der nächsten Straße herauskam, sah sie ein gelbes Taxi.

Der Fahrer spuckte fast seinen Kaffee aus, er hielt einen Styroporbecher an seine Lippen, als sie sich auf den Rücksitz warf und schrie: „Fahren Sie! Bitte fahren Sie!”

„Verdammt, Lady!” schimpfte er. „Sie haben mich zu Tode erschreckt...”

„Jemand verfolgt mich, bitte fahren Sie”, bettelte sie.

Er legte seine Stirn in Falten. „Wer jagt sie?” Der verärgerte Fahrer blickte sich um. „Ich sehe niemanden -”

„Fahren Sie bitte verdammt noch mal los!” Brüllte sie ihn an.

„Ist ja gut!” Der Fahrer lenkte das Taxi in den Verkehr und löste dabei eine Salve von Gehupe aus, die dem Agenten sicherlich verrieten, wo sie sich aufhielt.

Und so war es auch. Als sie sich auf dem Sitz umdrehte, um aus dem Rückfenster zu schauen, sah sie, wie der Agent um die Ecke rannte. Er verlangsamte sein Tempo und ihre Blicke trafen sich. Eine seiner Hände glitt kurz in seine Jacke, doch er schien es sich nochmal zu überlegen, bei helllichtem Tag eine Waffe zu ziehen und legte stattdessen eine Hand an sein Ohr, um jemanden per Funkgerät zu kontaktieren.

„Biegen Sie hier links ab,” wies Karina den Fahrer an. Danach fuhr er einige Häuserblocks weiter und bog rechts ab, bevor Karina wieder heraussprang, während er ihr wegen der Bezahlung hinterherrief. Sie rannte den Häuserblock entlang und wiederholte das noch drei Mal, sprang in und aus Taxis, bis sie ihren Weg durch Washington DC in einer solchen Schlangenlinie gemacht hatte, dass sie sich sicher war, dass Joe der Geheimdienstagent sie nicht mehr finden könnte.

Sie kam wieder zu Atem und glättete sich das Haar, als sie ihr Tempo zu einem schnellen Gang verlangsamte, ihren Kopf dabei geneigt hielt und versuchte, nicht erschöpft zu wirken. Es war am wahrscheinlichsten, dass der Agent die Nummernschilder des Taxis notiert hatte und der  unglückselige (doch irgendwie geistesschwache) Taxifahrer angehalten und durchsucht würde, bevor man einen Hintergrundcheck durchführte, um sicherzustellen, dass er nicht Teil eines vorgeplanten Fluchtkomplotts war.

Karina stahl sich in einen Bücherladen und hoffte, dass niemand bemerkte, dass sie barfuß war. Der Laden war ruhig und die Regale hoch. Sie erreichte schnell den hinteren Teil, ging in ein WC, spritzte sich Wasser in ihr Gesicht und kämpfte darum, nicht in Schluchzen und Tränen auszubrechen.

Ihr Gesicht war vom Schock immer noch leichenblass. Wie schnell doch alles falsch gelaufen war.

„Bozhe moy,” seufzte sie schwer. Mein Gott. Als das Adrenalin nachließ, wurde ihr der ganze Ernst ihrer Lage bewusst. Sie hatte Dinge gehört, die niemals den Keller des Weißen Hauses hätten verlassen sollen. Sie hatte keinen Ausweis. Kein Handy. Kein Geld. Verdammt, sie hatte nicht mal Schuhe. Sie konnte nicht zurück zu ihrem Hotel gehen. Es war sogar gefährlich, nur ihr Gesicht an einem öffentlich Ort zu zeigen, an dem es eine Kamera gab.

Die würden nicht aufhören, sie wegen dessen, was sie wusste, zu jagen.

Doch sie hatte die Perlen in ihren Ohren. Karina berührte abwesend ihr linkes Ohrläppchen, streichelte über den glatten Schmuck dort. Sie hatte die Worte, die bei dem Treffen ausgetauscht wurden, festgehalten - und nicht nur in ihrer Erinnerung. Sie hatte Beweis für das gefährliche Wissen, dass der amerikanische Präsident, angeblich ein liberaler Demokrat, der die Bewunderung des Volkes verdient hatte, von den Russen als Marionette benutzt wurde.

Dort, im Damen-WC eines Bücherladens sah sich Karina im Spiegel an, als sie verzweifelt murmelte: „Ich werde Hilfe brauchen.”

KAPITEL EINS

Null saß auf dem Rand des Doppelbettes und rang nervös die Hände auf dem Schoß. Er hatte das schon einmal erlebt, hatte es tausend Mal in seiner Vorstellung gesehen. Doch hier war er wieder.

Seine zwei jugendlichen Töchter saßen auf dem Bett neben seinem, ein enger Gang zwischen ihnen. Sie waren in einem Zimmer des Plaza, einem gehobenen Hotel ein wenig außerhalb von Washington. Sie hatten sich nach dem Mordversuch an Präsident Pierson dazu entschlossen, dortzubleiben, anstatt nach Hause zurückzukehren.

„Es gibt da was, das ich euch sagen muss.”

Maya war fast siebzehn. Sie hatte das braune Haar und die Gesichtszüge ihres Vaters, doch den scharfen Sinn für Humor und beißenden Sarkasmus ihrer Mutter. Sie sah ihn passiv an, mit einem Hauch von Beklommenheit über eine solch dramatische Andeutung.

„Es fällt mir nicht leicht, es zu erzählen. Doch ihr habt es verdient, Bescheid zu wissen.”

Sara war vierzehn, immer noch mit dem rundlichen Gesicht eines Kindes, am Rand eines widersprüchlichen Alters, in dem sie einerseits noch an der Kindheit hing, doch andererseits schon zur Frau wurde. Sie hatte Kates blondes Haar und ausdrucksstarkes Gesicht geerbt. Sie war ihrer Mutter jeden Tag ähnlicher, doch jetzt sah sie eher nervös aus.

„Es geht um eure Mutter.”

Sie hatten so viel durchgemacht, wurden entführt, wurden Zeugen von Mord und blickten selbst in den Lauf eines Gewehres. Doch sie waren immer stark geblieben. Sie hatten es verdient, Bescheid zu wissen.

Und dann erzählte er es ihnen.

Er hatte es schon so oft in seiner Vorstellung abgespielt, doch es fiel ihm dennoch schwer, die Worte auszusprechen. Sie kamen langsam, wie Baumstämme, die einen Fluss hinuntertreiben. Er dachte, dass es nach dem Beginn einfacher würde, doch das war überhaupt nicht der Fall.

Dort im Plaza Hotel, wo Alan gerade Pizza holen gegangen war und eine Komödie still auf dem Fernseher nur ein paar Meter vor ihnen lief, erklärte Null seinen Töchtern, dass ihre Mutter, Kate Lawson, nicht an einem ischämischen Schlaganfall gestorben war, wie man es berichtet hatte.

Sie wurde vergiftet.

Die CIA hatte sie ermorden lassen.

Wegen ihm. Agent Null. Seiner Handlungen.

Und die Person, die den Auftrag ausgeführt hat...

„Er wusste es nicht”, sagte Null seinen Töchtern. Er starrte auf die Bettdecke, den Teppich, alles außer ihren Gesichtern. „Er wusste nicht, wer sie war. Man log ihn an. Er wusste es nicht bis später. Bis danach.” Er schweifte aus. Er machte Ausreden für den Mann, der seine Frau getötet hatte, die Mutter seiner Kinder. Den Mann, den Null weggeschickt hatte, anstatt ihn zu töten.

„Wer?” erklang Mayas Stimme rau. Es war ein hartes Flüstern, mehr Klang als Wort.

Agent John Watson. Ein Mann, der das Leben seiner Töchter mehr als einmal gerettet hatte. Ein Mann, den sie kennengelernt hatten, dem sie vertrauten, den sie mochten.

Die Stille der nächsten Momente war erdrückend, wie eine unsichtbare Hand, die sein Herz auspresste. Die Klimaanlage des Hotelzimmers erwachte plötzlich zum Leben, so laut wie ein Flugzeugmotor in dem sonstigen Vakuum.

„Wie lange weißt du das schon?” Mayas Ton war direkt, fast fordernd.

Sei ehrlich. Das war die Haltung, die er seinen Mädchen gegenüber einnehmen wollte. Ehrlichkeit. Egal, wie sehr sie auch schmerzte. Sein Zugeständnis war die letzte Barrikade zwischen ihnen. Er wusste, dass es an der Zeit war, sie niederzureißen.

Er wusste ebenfalls, dass es sie zerbräche.

„Ich weiß seit einer kleinen Weile, dass es kein Unfall war”, sagte er ihr. „Ich musste wissen, wer. Und jetzt weiß ich es.”

Er wagte es, in ihre Gesichter zu blicken. Sara weinte still, Tränen strömten über ihre beiden Wangen, sie gab keinen Ton von sich. Maya starrte auf ausdruckslos auf ihre Hände.

Sein Arm streckte sich nach ihr aus. Es war das Einzige, was gerade Sinn machte. Sich zu berühren, eine Hand zu halten.

Er erinnerte sich genau daran, wie es geschah. Als seine Finger sich um ihre schlossen, zog sie sich gewaltsam zurück. Sie kroch nach hinten, sprang vom Bett. Sara sprang erschreckt auf, als Maya ihm sagte, dass sie ihn hasste. Ihn mit jedem möglichen Schimpfwort schalt. Er saß still da und nahm alles entgegen, weil er es verdient hatte.

Doch nicht dieses Mal. Als seine Finger sich um ihre schlossen, verschwand Mayas Hand unter seiner in einer Nebelschwade.

„Nein...”

Er griff nach ihr, nach einer Schulter oder einem Arm, doch sie verschwand bei seiner Berührung wie Asche in einer Brise. Er drehte sich schnell um und griff nach Sara, doch sie schüttelte nur traurig ihren Kopf, während auch sie vor seinen Augen verschwand.

Und dann war er allein.

*

„Sara!”

Null wachte erschreckt auf und stöhnte sofort. Kopfweh röhrte in seiner Stirn. Es war ein Traum - ein Alptraum. Einen, den er schon tausend Mal zuvor hatte.

Doch es war so geschehen, oder fast so.

Null hatte die Situation gerettet. Den Mordversuch auf den Präsidenten vereitelt. Einen Krieg aufgehalten, bevor er begann. Eine Verschwörung aufgedeckt. Und dann sind er und seine Mädchen zum Plaza gegangen, keiner von ihnen wollte zu ihrem zweistöckigen Haus in Alexandria, Virginia zurück. Zu viel war dort geschehen. Zu viel Tod.

Dort hatte er es ihnen erzählt. Sie verdienten, die Wahrheit zu wissen.

Und dann hatten sie ihn verlassen.

Das war... wie lange war das jetzt her? Fast achtzehn Monate, soweit er sich erinnern konnte. Vor eineinhalb Jahren. Doch der Traum plagte ihn weiter fast jede Nacht. Manchmal lösten die Mädchen sich vor ihm in Luft auf. Manchmal schrien sie ihn an, brüllten weitaus schlimmere Schimpfworte als jene, die sie tatsächlich ausgesprochen hatten. Andere Male gingen sie still und wenn er hinter ihnen her in den Gang rannte, dann waren sie schon verschwunden.

Auch wenn das Ende variierte, so waren die Auswirkungen im wirklichen Leben doch dieselben. Er wachte aus dem Alptraum mit Kopfschmerzen und der düsteren, verzweifelnden Erinnerung auf, dass sie wirklich weg waren.

Null streckte sich und stand vom Sofa auf. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, eingeschlafen zu sein, doch es war nicht überraschend. Er schlief nachts gar nicht gut, und das nicht nur wegen des Alptraumes über seine Töchter. Vor eineinhalb Jahren hatte er sein Gedächtnis wiedererlangt, all seine Erinnerungen als Agent Null, und damit begannen die qualvollen Alpträume. Erinnerungen drängten sich in sein Unterbewusstsein während er schlief, oder es zumindest versuchte. Widerliche Folterszenen. Bomben, die auf Gebäude geworfen wurden. Der Einschlag von Hohlspitzengeschossen in einen menschlichen Schädel.

Noch schlimmer war, dass er nicht wusste, ob sie echt waren oder nicht. Dr. Guyer, der brillante schweizer Neurologe, der ihm geholfen hatte, sein Gedächtnis wiederzuerlangen, warnte ihn, dass einige Dinge vielleicht nicht real wären, sondern ein Produkt seines limbischen Systems, das Fantasien, Verdachte und Alpträume als Realität darstellte.

Seine eigene Realität fühlte sich kaum wie eine an.

Null schleppte sich für ein Glas Wasser barfüßig und angeschlagen in die Küche, als es an der Tür klingelte. Er erschreckte ein wenig bei dem plötzlichen Riss in der Stille, jeder Muskel spannte sich instinktiv an. Er war immer noch ziemlich schreckhaft, selbst nach so langer Zeit. Er blickte auf die digitale Uhr am Herd. Es war fast halb fünf. Das konnte nur eine Person sein.

Er ging zur Tür und erzwang für seinen alten Freund ein Lächeln. „Gerade rechtzeitig.”

Alan Reidigger grinste, als er ein Sechserpack mit Daumen und Zeigefinger hochhielt. „Für deine wöchentliche Therapiesession.”

Null schnaubte sarkastisch und trat zur Seite. „Komm, wir gehen in den Garten.”

Er führte ihn durch das kleine Haus und durch eine Glasschiebetür auf den Hinterhof. Das Wetter Mitte Oktober war zwar noch nicht kalt, aber frisch genug, um ihn daran zu erinnern, dass er barfuß war. Sie nahmen auf zwei Gartenstühlen Platz, während Alan zwei Dosen herauszog und Null eine davon gab.

Er schaute sich die Etikette an. „Was ist das?”

„Keine Ahnung. Der Typ im Laden schaute sich meinen Bart und mein Flanellhemd an und sagte, dass es mir schmecken würde.” Alan lachte, öffnete die Dose und nahm einen großen Schluck. Er zuckte zusammen. „Das ist... anders. Oder vielleicht werde ich einfach alt.” Er wandte sich ernst an Null. „Also. Wie geht’s dir?”

Wie geht’s dir. Das schien plötzlich wie eine sehr seltsame Frage. Wenn jemand anders als Alan sie gestellt hätte, dann sähe er sie als Förmlichkeit an und beantwortete sie mit einem einfachen und schnellen „Gut und dir?” Doch er wusste, dass Alan es wirklich wissen wollte.

Dennoch wusste er nicht, wie er sie beantworten sollte. So viel hatte sich in achtzehn Monaten verändert. Nicht nur in Nulls persönlichem Leben, sondern auch auf einer Makroebene. Die Vereinigten Staaten hatten einen Krieg mit dem Iran und seinen Nachbarn vermieden, doch die Spannungen waren weiterhin hoch. Die amerikanische Regierung hatte sich anscheinend von der Infiltration durch Verschwörer und russischem Einfluss erholt, doch nur durch eine gründliche Säuberung. Präsident Eli Pierson war nach dem Mordversuch weitere sieben Monate auf seinem Posten geblieben, wurde aber schließlich bei den nächsten Wahlen von dem demokratischen Kandidaten geschlagen. Es war ein einfacher Sieg, nachdem sich gezeigt hatte, dass Piersons Kabinett ein wahrhaftiges Schlangennest war.

Doch Null war das ziemlich egal. Er war darin nicht mehr verwickelt. Er hatte nicht einmal eine Meinung über den neuen Präsidenten. Er wusste kaum, was in der Welt vor sich ging, er vermied die Nachrichten, soweit er konnte. Er war jetzt nur noch ein Bürger. Was immer hinter den Kulissen vor sich ging, tat es, ohne seinen Einfluss.

„Es geht.”

Er stockte.

„Echt. Mir geht’s gut.”

Alan nahm noch einen Schluck, zweifelte offensichtlich, doch erwähnte es nicht. „Und Maria?”

Ein dünnes Lächeln breitete sich auf Nulls Lippen aus. „Ihr geht es gut.” Und das war wahr. Sie füllte ihre neue Position wunderbar aus. Nachdem die Verschwörung ans Tageslicht gekommen war, wurde die CIA komplett neu strukturiert. David Barren, ein hochstehendes Mitglied des nationalen Sicherheitsrates und Marias Vater, wurde zum zwischenzeitlichen Direktor der Agentur ernannt und überblickte die Überprüfung jeder dort arbeitenden Person, bis ein neuer Direktor ernannt wurde, ein ehemaliger Direktor der nationalen Nachrichtendienste, der sich Edward Shaw nannte.

Maria Johansson wurde zur Deputy Direktorin der Division für Sondereinsätze ernannt -ein Posten, der zuvor dem jetzt verstorbenen Shawn Cartwright gehörte, Nulls altem Chef. Sie wiederum hatte Todd Strickland zum Sonderermittler ernannt, ein Posten, der zuvor durch einen bestimmten Agenten Kent Steele besetzt war.

Und sie tat ihre Arbeit gut. Unter ihrer Führung gäbe es keine Korruption, keine abtrünnigen Agenten wie Jason Carver und keine düsteren Verschwörer wie Ashleigh Riker. Es war trotzdem offensichtlich, dass sie immer noch die Einsätze vermisste. Es geschah nicht oft, doch manchmal begleitete sie ihr Team auf einen Einsatz.

Null hingegen war nicht zurückgekehrt. Nicht zur CIA, nicht mal zur Universität. Er war zu nichts zurückgekehrt.

„Wie läuft’s in der Werkstatt?” fragte er Alan, um das Thema zu etwas anderem als ihn selbst und seiner  griesgrämigen Introspektion zu wechseln.

„Ich halte mich beschäftigt”, erwiderte Reidigger locker. Ihm gehörte die Third Street Garage, die, trotz Alans Hintergrund als Spion und versteckter Einsatzagent, tatsächlich eine Werkstatt war. „Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Was macht der Keller?”

Null rollte mit den Augen. „Der ist noch nicht fertig.” Nachdem seine Mädchen ihn verlassen hatten, konnte er einfach nicht weiter alleine in dem Haus in Alexandria leben. Er stellte es zum Verkauf bereit und nahm das erste Angebot entgegen. Er und Maria hatten ihre Beziehung bis dahin schon öffentlich gemacht und auch sie wollte etwas Veränderung, also kauften sie ein kleines Haus in einem Vorort von Langley, nicht weit des Hauptquartiers der CIA. Der Makler nannte es einen “Bungalow im Handwerksstil”. Es war ein einfaches Haus, was ihnen beiden guttat. Eines der vielen Dinge, die er mit Maria gemeinsam hatte, war ihr Verlangen nach Einfachheit. Sie hätten sich etwas Größeres, Moderneres leisten können, doch das kleine, einstöckige Haus kam ihnen gerade recht. Es war gemütlich, angenehm, hatte ein großes Panoramafenster vorne, ein großes Schlafzimmer im Dachgeschoss und einen unfertigen Keller, mit glatten Betonwänden und -boden.

Etwa vier Monate zuvor, als der Sommer begann, hatte Null die Idee, den Keller fertigzustellen und ihn in nutzbaren Lebensraum zu verwandeln. Seitdem hatte er den Keller mit Holzgerüst und ein wenig flauschig rosa Isoliermaterial ausgelegt.

In letzter Zeit erschöpfte ihn der bloße Gedanke, dort wieder hinunterzugehen.

„Sag mir einfach Bescheid, falls du Hilfe brauchst”, bot Alan sich an.

„Ja.” Alan bot ihm jede Woche seine Hilfe an. „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.”

„Vielleicht wäre es das, wenn sie Bauunternehmer angeheuert hätten, die wussten was sie taten.” Alan zwinkerte.

Null schnaubte verächtlich, doch lächelte. Die Dose in seiner Hand fühlte sich leicht an, zu leicht. Er schüttelte sie und war überrascht, dass sie leer war. Er erinnerte sich nicht einmal daran, einen Schluck genommen zu haben oder überhaupt den Geschmack bemerkt zu haben. Er stellte sie auf die Veranda neben sich und griff nach einer weiteren.

„Vorsicht”, warnte ihn Reidigger grinsend. Er zeigte auf Nulls Taille und den Wanst, der sich dort entwickelte.

„Ja, ja.” Dann hatte er also ein paar Pfund in seinem Halbruhestand zugenommen. Zehn, vielleicht auch fünfzehn. Er war sich nicht sicher und würde ganz bestimmte nicht auf eine Waage steigen, um es herauszufinden. „Guck mal wer da spricht.”

Reidigger lachte. Er sah lange nicht mehr wie der Agent mit dem runden Gesicht, dem jungenhaften Aussehen und dem sturen, dicken Rumpf  aus, den Null vier Jahre zuvor kannte. Um sein Aussehen nach seinem gefälschten Tod zu verstecken und sein Alias als der Mechaniker namens Mitch einzunehmen, hatte Alan mindestens zwanzig Kilo zugenommen, sich einen buschigen, graugefleckten Bart wachsen lassen und trug ständig eine Fernfahrermütze tief ins Gesicht gezogen, deren Rand permanent mit Schweiß und dunklen, öligen Fingerabdrücken befleckt war.

Die Mütze war so allgegenwärtig geworden, dass Null sich wunderte, ob er sie auch im Bett trüge.

„Was, das hier?” Reidigger kicherte wieder und haute sich auf den Bauch. „Das sind alles Muskeln. Weißt du, ich geh zwei Mal pro Woche zum Fitnessstudio. Dort gibt es einen Boxring. Die jungen Kerle machen sich gern über die älteren lustig. Direkt bevor ich ihnen den Arsch versohle.” Er nahm einen Schluck und fügte hinzu: „Du solltest mal mitkommen. Normalerweise gehe ich -”

„Dienstags und Donnerstags”, beendete Null seinen Satz für ihn. Auch dieses Angebot machte Alan jede Woche.

Er wusste seine Anstrengen zu schätzen. Er wusste es zu schätzen, dass Alan so oft vorbeikam, um mit seinem alten Freund im Garten zu sitzen und zu plaudern. Er wusste die Besuche und die Versuche, ihn aus dem Haus zu bekommen, die jedes Mal halbherziger wurden, zu schätzen.

Die Wahrheit war, dass er ohne die CIA, die Vorlesungen oder seine Töchter sich nicht wie er selbst fühlte und das hatte zu einer Art Krankheit in seinem Gehirn geführt, ein generelles Unwohlsein, dass er anscheinend einfach nicht abschütteln konnte.

Die Glasschiebetür öffnete sich plötzlich und beide Männer drehten sich um und beobachteten, wie Maria in den Oktobernachmittag heraustrat. Sie war vornehm mit einem weißen Blazer mit schwarzen Hosen und einem dünnen Goldkettchen gekleidet. Ihr blondes Haar fiel ihr um die Schultern und dunkle Wimperntusche akzentuierte ihre grauen Augen.

Es war seltsam, doch für einen kurzen Augenblick überkam Null Eifersucht, als er sie sah. Wo er steckenblieb, war sie aufgeblüht. Doch er verdrängte auch das, stopfte es tief in das finstere Moor seiner unterdrückten Gefühle und sagte sich, dass er sich freute, sie zu sehen.

„Hallo Jungs”, sagte sie lächelnd. Sie schien guter Laune. Ihre Gemütsstimmung bei Ankunft zu Hause nach der Arbeit war ebenso wechselhaft wie ihre seltsamen Arbeitsstunden. „Alan, schön dich zu sehen.” Sie neigte sich, um ihn zu umarmen.

„Erstaunt” war nicht unbedingt das Wort, das Null einfiel, als Maria entdeckte, dass Alan nicht nur weiterhin am Leben war, sondern sich in einer Werkstatt weniger als dreißig Minuten von Langley entfernt versteckte. Doch sie nahm die Nachricht auf - ein harter Schlag auf die Schulter und ein strenge Rüge, die aus „das hättest du uns sagen sollen!” war anscheinend alle Katharsis, die sie brauchte.

„Hallo Kent.” Sie küsste ihn, bevor sie ein Bier aus Alans Sechserpack nahm und sich zu ihnen setzte. „War es ein guter Tag?”

„Ja.” Er nickte. „Ein guter Tag.” Er ging nicht weiter darauf ein, denn er hätte ihr nur erzählen können, dass er den Tag damit verbracht hatte, alte Filme zu sehen, zu schlafen und ein wenig darüber nachzudenken, in den wartenden, unfertigen Keller zurückzukehren. „Und du?”

Sie zuckte mit den Schultern. „Besser als die meisten.” Sie sprach für gewöhnlich nicht viel über ihre Arbeit mit ihm - das lag nicht nur an der Sicherheitsfreigabe, die Null gerade nicht hatte, sondern auch an der unausgesprochenen Angst (dies nahm Null zumindest an), dass es ihn aufregen könnte, eine alte Erinnerung hervorrufen oder ihn dazu inspirieren könnte, wieder mitzumischen. Es schien, dass es ihr gefiel, wo er war. Doch sein Verdacht darüber war eine ganz andere Angelegenheit.

„Kent”, sagte sie, „vergiss nicht, dass wir Pläne fürs Abendessen haben.”

Er lächelte. „Ach so, natürlich.” Er hatte den Gast nicht vergessen, den sie an diesem Abend empfangen würden. Doch er versuchte aktiv, nicht daran zu denken.

Kent.

Sie war die Einzige, die ihn noch so nannte.

Agent Kent Steele war sein Alias bei der CIA gewesen, doch jetzt war das nichts weiter als eine Erinnerung. Null war sein Sendezeichen, Alan Reidigger begann damit als ein Witz - und nannte ihn weiterhin Null. Und seitdem er sein Gedächtnis wieder erhalten hatte, war das der Name, mit dem er sich selbst identifizierte. Doch er war weder Kent noch Null, nicht mehr. Er war nicht mehr Professor Lawson. Verdammt, er fühlte sich kaum noch wie er selbst, sein wahrhaftiges Selbst, Reid Lawson, Vater von zwei Kinder, Geschichtsprofessor und verdeckter CIA Agent und mit was auch immer er sich sonst noch identifizierte. Obwohl achtzehn Monate vergangen waren, erinnerte er sich immer noch verbittert daran, wie die dunklen Verschwörer seinen Namen durch den Schlamm gezogen hatten, sein Bild an die Medien freigaben, ihn einen Terroristen nannten und versuchten, ihm den Mordversuch anzuhängen. Natürlich wurde er von diesen Anschuldigungen freigesprochen und er hatte keine Ahnung, ob sich jemand anders überhaupt noch daran erinnerte. Doch er tat es. Und jetzt fühlte sich der Name fremd für ihn an. Er vermied es, sich als Reid Lawson bekanntzugeben und das ging soweit, dass das Haus, die Rechnungen und sogar die Autos alle in Marias Namen waren. Keine Post mit seinem Namen kam an. Niemand rief jemals an und fragte nach Reid.

Oder Kent.

Oder Null.

Oder Vater.

Also wer zum Teufel bin ich dann?

Er wusste es nicht. Doch er wusste, dass er es selbst herausfinden musste, denn das Leben, das er jetzt führte, war es nicht wert, gelebt zu werden.

KAPITEL ZWEI

Null war froh, dass er nicht über sie sprechen musste. Doch Alan wusste, dass er besser nicht nach den Mädchen fragte.

Reidigger blieb für eine dreiviertel Stunde, bevor er vom Gartenstuhl aufstand, sich streckte und auf seine gewöhnlich Art erklärte, dass er sich besser auf den „alten, staubigen Weg” machte. Null umarmte ihn kurz und winkte ihm nach, als der Kleintransporter von der Auffahrt fuhr. Er dankte ihm still, dass er nicht nach seinen Töchter gefragt hatte. Die Wahrheit war, dass Null Alans Frage nicht hätte beantworten können.

Maria stand mit einer Schürze über ihrer Arbeitskleidung in der Küche und hackte eine Zwiebel. „Guter Besuch?”

„Ja.”

Stille. Nur das rhythmische Schlagen des Messers gegen das Schnittbrett.

„Bist du bereit für heute Abend?” fragte sie nach einem langen Moment.

Er nickte. „Ja. Absolut.” Er war es nicht. „Was machst du?”

„Bigos.” Sie ließ den Inhalt des Schnittbretts in einen großen Topf auf dem Herd fallen, in dem sich schon köchelnde Krakauer, Kohl und anderes Gemüse befanden. „Das ist ein polnisches Gericht.”

Null runzelte die Stirn. „Bigos. Seit wann machst du Bigos?”

„Das habe ich von meiner Großmutter gelernt.” Sie grinste. „Es gibt immer noch viel, das du nicht über mich weißt, Mr. Steele.”

„Anscheinend.” Er zögerte, wunderte sich, wie er am besten das Thema ansprechen sollte, das ihm durch den Kopf ging und entschied sich dann, dass er es besser direkt täte. „Äh... hey. Also heute Abend, meinst du, dass du versuchen könntest, mich nicht Kent zu nennen?”

Maria hielt mit dem Messer über einem getrockneten Champignon inne. Sie blickte dunkel, doch nickte. „OK. Wie soll ich dich dann nennen? Reid?”

„Ich...” Er wollte gerade zustimmen, doch dann merkte er, dass er das auch nicht wollte. „Ich weiß es nicht.” Vielleicht, dachte er, könnte sie ihn einfach gar nicht ansprechen.

„Ha.” Ihr Ausdruck war eindeutig einer von Sorge, sie wollte weiter drängen, was in ihm vor sich ging, doch es war nicht der richtige Zeitpunkt, um das alles auszupacken. „Wie wär’s, wenn ich dich einfach ,Herzelchen’ nenne?”

„Sehr witzig.” Er grinste trotz allem.

„Oder ,Schnuckelputz’?”

„Ich ziehe mich jetzt um.” Er ging aus der Küche, während Maria ihm noch nachrief und sich amüsierte.

„Wart’ mal, ich hab’s. Ich nenne dich , Honigpferdchen’.”

„Ich ignoriere dich”, rief er zurück. Er wusste zu schätzen, was sie versuchte, zu tun, dass sie versuchte, die Situation mit Humor entwaffnen. Doch als er die kurze Treppe, die zum Dachgeschoss hinaufführte, hochgestiegen war, stieg wieder Angst in ihm auf. Er war froh über Alans Besuch gewesen, weil er bedeutete, dass er nicht darüber nachdenken musste. Er war froh, dass Alan nicht nach den Mädchen gefragt hatte, denn es bedeutete, dass er sich keinen Fakten oder Erinnerungen stellen musste. Doch jetzt konnte er das nicht mehr vermeiden.

Maya kam zum Abendessen.

Null inspizierte seine Jeans, versicherte sich, dass sie keine Löcher oder Kaffeeflecken hatte und wechselte sein altes T-Shirt durch ein gestreiftes Hemd aus.

Du bist ein Lügner.

Er fuhr sich mit dem Kamm durch sein Haar. Es wurde zu lang. Er ergraute langsam, besonders an den Schläfen.

Mama starb wegen dir.

Er drehte sich zur Seite und inspizierte sich im Spiegel, zog die Schultern zurück und versuchte, den kleinen Bauch einzuziehen, der sich um seinen Nabel gebildet hatte.

Ich hasse dich.

Die letzte bedeutungsvolle Unterhaltung, die er mit seiner ältesten Tochter hatte, war beißend. In dem Hotelzimmer des Plaza, als er ihnen die Wahrheit über ihre Mutter sagte, war Maya vom Bett aufgestanden. Sie begann ruhig, doch ihre Stimme erhob sich schnell um eine Oktave. Ihr Gesicht wurde immer röter, als sie ihn verfluchte. Sie nannte ihn bei jedem Schimpfwort, das er verdient hatte. Sagte ihm ganz genau, was sie über ihn, sein Leben und seine Lügen dachte.

Danach war nichts mehr wie früher. Ihre Beziehung hatte sich plötzlich dramatisch verändert, doch das war nicht der schmerzhafteste Teil. Wenigstens war sie damals noch körperlich anwesend. Nein, was danach kam war viel schlimmer. Nach dem Geständnis im Hotel, nachdem sie wieder zurück in ihr Haus in Alexandria gekehrt waren, ging Maya zurück zur Schule. Sie beendete die elfte Klasse. Zwar hatte sie zwei Monate verpasst, doch sie konzentrierte sich so stark auf ihre Aufgaben, wie Null es noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte.

Dann kam der Sommer und dennoch verschloss sie sich in ihr Zimmer zum Lernen. Er brauchte nicht lange, um zu verstehen, was geschah. Maya war extrem intelligent - zu schlau für ihr eigenes Wohl, hatte er oft gesagt. Doch in diesem Fall war sie zu clever für sein Wohl.

Maya lernte und arbeitete hart und konnte aufgrund einer wenig bekannten Statut ihrer Schule das letzte Jahr überspringen, indem sie alle Abschlussprüfungen schaffte. Sie schoss die High School vor dem Ende dieses ersten Sommers ab -