Attentäter Null (Ein Agent Null Spionage-Thriller — Buch #7) - Jack Mars - E-Book + Hörbuch

Attentäter Null (Ein Agent Null Spionage-Thriller — Buch #7) Hörbuch

Jack Mars

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Beschreibung

"Sie werden nicht schlafen, bis Sie AGENT NULL zu Ende gelesen haben. Ein erstklassiges Werk, mit einer Reihe von gut entwickelten, sehr genießenswerten Figuren. Die Beschreibung der Action-Szenen befördert uns direkt in eine Realität, in der man meinen könnte, man säße im Kino mit Surroundsound und 3D (es würde wirklich einen tollen Hollywood Film abgeben). Ich kann die Fortsetzung kaum abwarten." --Roberto Mattos, Books and Movie Reviews Als ein mysteriöser Angriff mit einer Ultraschall-Waffe die Einleitung zu etwas Schlimmeren zu werden droht, macht sich Agent Null auf eine weltweite Verbrecherjagd, um die endgültige Zerstörung aufzuhalten, bevor alles zu spät ist. Agent Null, der versucht, nach dem Amtsenthebungsverfahren des Präsidenten und Saras gefahrenvollen Erlebnissen etwas Luft zu schnappen, will sich vom Dient zurückziehen und seine Familie wieder vereinen. Doch das Schicksal hält andere Dinge für ihn bereit. Die Sicherheit der Welt steht auf dem Spiel und Null weiß, dass er dem Ruf der Pflicht folgen muss. Seine Erinnerungen verändern sich jedoch und neue Geheimnisse kehren in sein Gedächtnis zurück. Gepeinigt und an seinem Tiefpunkt könnte Agent Null zwar die Welt retten - doch es ist möglich, dass er dabei nicht sich selbst entkommt. ATTENTÄTER NULL (BUCH #7) ist ein Spionage-Thriller, den man einfach nicht aus der Hand legen kann. Sie werden bis spät nachts weiterlesen. Buch #8 der AGENT NULL Serie ist bald verfügbar. "Thriller-Schriftstellerei vom besten." --Midwest Book Review (in Bezug auf Koste es was es wolle) "Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe." --Books and Movie Reviews (in Bezug auf Koste es was es wolle) Jack Mars' #1 Bestseller LUKE STONE THRILLER Serie (7 Bücher) ist ebenfalls erhältlich. Sie beginnt mit Koste es was es wolle (Buch #1), das gratis heruntergeladen werden kann und über 800 fünf-Sterne-Rezensionen erhielt!

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Zeit:10 Std. 50 min

Veröffentlichungsjahr: 2020

Sprecher:David Imper

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A T T E N T Ä T E R   N U L L

(EIN AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER—BUCH 7)

J A C K   M A R S

Jack Mars

Jack Mars ist der USA Today Bestseller Autor der LUKE STONE Thriller Serie, welche sieben Bücher umfasst (und weitere in Arbeit). Er ist außerdem der Autor der neuen WERDEGANG VON LUKE STONE Vorgeschichten Serie und der AGENT NULL Spionage-Thriller Serie. 

Jack würde sich freuen, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie seine Webseite www.jackmarsauthor.com und registrieren Sie sich auf seiner Email-Liste, erhalten Sie ein kostenloses Buch und gratis Kundengeschenke. Sie können ihn ebenfalls auf Facebook und Twitter finden und in Verbindung bleiben!

Copyright © 2019 durch Jack Mars. Alle Rechte vorbehalten. Außer wie gemäß unter dem US Urheberrecht von 1976 ausdrücklich gestattet, darf kein Teil dieser Veröffentlichung auf irgendeine Weise oder in irgendeiner Form, reproduziert, verteilt oder übertragen, oder in einem Datenbank- oder Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne zuvor die ausdrückliche Erlaubnis des Autors eingeholt zu haben. Dieses E-Book ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Dieses E-Book darf kein zweites Mal verkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch an andere Personen weitergeben wollen, so erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen, ohne es käuflich erworben zu haben oder es nicht für Ihren alleinigen Gebrauch erworben wurde, so geben Sie es bitte zurück und erwerben Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit des Autors respektieren. Es handelt sich um eine fiktive Handlung. Namen, Charaktere, Geschäfte, Organisationen, Orte, Ereignisse und Zwischenfälle entspringen entweder der Fantasie des Autors oder werden fiktional benutzt. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen, ob tot oder lebendig, sind zufälliger Natur.

BÜCHER VON JACK MARS

LUKE STONE THRILLER SERIE

KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1)

AMTSEID (Buch #2)

LAGEZENTRUM (Buch #3)

EINE AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER SERIE

AGENT NULL (Buch #1)

ZIELOBJEKT NULL (Buch #2)

JAGD AUF NULL (Buch #3)

EINE FALLE FÜR NULL (Buch #4)

AKTE NULL (Buch #5)

RÜCKRUF NULL (Buch #6)

ATTENTÄTER NULL (Buch #7)

INHALTSVERZEICHNIS

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREISSIG

KAPITEL EINUNDDREISSIG

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

KAPITEL DREIUNDDREISSIG

KAPITEL VIERUNDDREISSIG

KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG

KAPITEL SECHSUNDDREISSIG

KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG

KAPITEL ACHTUNDDREISSIG

KAPITEL NEUNUNDDREISSIG

KAPITEL VIERZIG

PROLOG

Ich kann Sara nicht finden.

Das war es, was Todd Strickland ihm per Telefon mitgeteilt hatte. Null war kaum einen ganzen Tag aus Belgien zurückgekehrt, nachdem er den russischen Präsidenten als den Strickezieher hinter einem Versuch mit amerikanischer Einmischung, die Ukraine zu annektieren, entblößt hatte, als er die Nachricht erhielt. Strickland hatte Sara beobachtet, seit sie zu einer emanzipierten Minderjährigen wurde und nach Florida zog, doch jetzt schien sie verschwunden zu sein. Ihr Handy-Service war unterbrochen und die Ortung inaktiv. Selbst ihre Mitbewohner in der Wohngemeinschaft, in der sie ein Zimmer mietete, gaben an, dass sie Sara seit zwei Tagen nicht gesehen hatten.

Schick mir ihre Adresse in einer SMS, hatte Null ihn angewiesen. Ich gehe zum Flughafen.

Nur drei Stunden später stand er vor dem klapprigen Haus in Jacksonville in Florida, das Sara seit etwas mehr als einem Jahr ihr Zuhause nannte. Er ging die gerissenen Betonstufen hinauf und hämmerte mit seiner Faust gegen die Eingangstür, immer wieder und pausenlos, bis jemand endlich aufmachte.

„Mann”, stöhnte ein schlaksiger, blonder Teenager mit tätowierten Armen. „Was zum Teufel machen Sie da?”

„Sara Lawson”, verlangte Null. „Weißt du, wo sie sein könnte?”

Der Augenbrauen des Jungen zogen sich fragen zusammen, doch sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Warum? Sind Sie auch ein FBI Agent, der nach ihr sucht?”

FBI? Ein Schaudern fuhr Null über den Rücken. Falls jemand sie besucht hatte, der angab, FBI zu sein, könnte man sie entführt haben.

„Ich bin ihr Vater.” Er schritt voran, schubste den Jungen mit seiner Schulter aus dem Weg, als er eintrat.

„Hey, Sie können hier nicht einfach hereinplatzen!” versuchte der Junge, zu protestieren. „Mann, ich rufe die Polizei an -”

Null wandte sich an ihn. „Du bist Tommy, stimmt’s?”

Die Augen des blonden Jungen weiteten sich erschreckt, doch er antwortete nicht.

„Ich habe schon von dir gehört”, sagte ihm Null mit leiser Stimme. Strickland hatte ihm voll in Kenntnis gesetzt, während er sich auf dem Weg befand. „Ich weiß alles über dich. Du wirst nicht die Polizei anrufen. Du wirst nicht deinen Rechtsanwalt-Papa anrufen. Du wirst dich hier auf die Couch setzen und deinen verdammten Mund halten. Verstehst du mich?”

Der Junge öffnete seinen Mund, als ob er etwas sagen wollte -

„Sei still, habe ich dir gesagt”, schnappte Null.

Der schlaksige Junge zog sich wie ein geprügelter Hund auf die Couch zurück und setzte sich neben ein junges Mädchen, das sicher noch keine achtzehn Jahre alt war.

„Bist du Camilla?”

Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf. „Ich bin Jo.”

„Ich bin Camilla.” Ein junges, lateinamerikanisches Mädchen kam die Treppe hinunter. Sie hatte dunkles Haar und trug viel zu viel Makeup. „Ich teile mein Zimmer mit Sara.” Sie blickte Null von oben bis unten an. „Sind Sie wirklich ihr Vater?” fragte sie zweifelnd.

„Ja.”

„Was machen Sie dann?”

„Was?”

„Na, was ist Ihr Beruf. Sara hat uns gesagt, was Sie tun.”

„Ich dafür keine Zeit”, murmelte er die Decke an. „Ich bin ein Buchhalter”, sagte er dem Mädchen.

Camilla schüttelte ihren Kopf. „Falsche Antwort.”

Null schnaubte verächtlich. Na klar würde Sara ihren Freunden die Wahrheit über mich erzählen. „Was soll ich dir denn sagen? Das ich ein Spion bei der CIA bin?”

Camilla blinzelte ihn an. „Nun... ja.”

„Echt?” sagte der blonde Junge auf dem Sofa.

Null hielt frustriert beide Hände hoch. „Bitte. Sagt mir einfach nur, wo ihr Sara zuletzt gesehen habt.”

Camilla blickte ihre Mitbewohner und dann den Boden an. „In Ordnung”, sagte sie leise. „Vor ein paar Tagen wollte sie was einkaufen und ich habe ihr...”

„Einkaufen?” fragte Null.

„Drogen, Mann. Red weiter”, sagte der blonde Junge.

„Sie brauchte was, um sich zu beruhigen”, fuhr Camilla fort. „Ich gab ihr die Adresse meines Dealers. Die ist da hingegangen. Sie kam zurück. Am nächsten Morgen ging sie wieder. Ich dachte, dass sie zur Arbeit ginge, aber sie kam nicht mehr heim. Ihr Telefon ist ausgeschaltet. Ich schwöre, mehr weiß ich nicht.”

Null verlor fast die Haltung bei dem Gedanken, dass diese unverantwortlichen Kinder, die kaum Erwachsene waren, einen Teenager alleine zum Haus eines Drogenhändlers geschickt hatten. Doch er schluckte seine Wut ihretwillen herunter. Er musste sie finden.

Sie braucht dich.

„Du weißt noch mehr”, sagte er Camilla. „Ich will den Namen und die Adresse deines Dealers.”

*

Zwanzig Minuten später stand Null vor einem Reihenhaus in Jacksonville mit einer schmutzigen Außenfassade und einer kaputten Waschmaschine auf der Veranda. Laut Camilla war dies das Haus des Dealers, ein Type namens Ike.

Null hatte keine Waffe bei sich. Er hatte es so eilig, zum Flughafen zu kommen, dass er nichts außer seinem Autoschlüssel und seinem Handy bei sich hatte. Doch jetzt wünschte er sich, eine mitgebracht zu haben.

Wie stelle ich das jetzt an? Breche ein,verprügele ihn, verlange Antworten? Oder klopfe ich an und unterhalte mich mit ihm?

Er entschied sich dazu, dass letzteres ein besserer Anfang war - und er würde später sehen, wie es weiterginge.

Beim dritten Klopfen rief eine männliche Stimme aus dem Haus. „Verdammt, wart doch mal, ich komm’ ja schon!” Der Typ, der an der Tür erschien, war größer als Null, muskulöser als Null und viel tätowierter als Null (der keine Tätowierungen hatte). Er trug ein weißes Unterhemd, auf dem ein Kaffeefleck zu sein schien und Jeans, die ihm viel zu groß waren und ihm lose von den Hüften hingen.

„Bist du Ike?”

Der Dealer blickte ihn von oben bis unten an. „Bist du ein Bulle?”

„Nein. Ich suche meine Tochter. Sara. Sie ist sechzehn, blond, etwa so groß...”

„Ich habe deine Tochter nie gesehen, Mann.” Ike schüttelte seinen Kopf. Er hatte einen finsteren Gesichtsausdruck.

Doch Null bemerkte das winzige, fast unmerkliche Zucken seines Auges. Ein Flickern auf seinen Lippen, als er sich dazu zwang, nicht böse zu erscheinen. Wut. Er zeigte ein kurzes Aufblitzen von Wut, als Saras Name erwähnt wurde.

„OK. Entschuldigung für die Störung”, sagte Null.

„Ja”, erwiderte der Typ kurz. Er begann, die Tür zu schließen.

Sobald Ike sich halb umgedreht hatte, hob Null einen Fuß an und trat fest direkt unter den Türknauf. Die Tür flog auf, prallte gegen den Dealer und sandte ihn direkt vornüber auf den braunen Teppich.

Null stürzte sich sofort auf ihn, stemmte seinen Unterarm gegen seine Luftröhre. „Du kennst sie”, knurrte er. „Ich habe es in deinen Augen gesehen. Sag mir, wo sie hin ist, oder ich -”

Er hörte ein Knurren und dann eine verschwommene schwarz-braune Gestalt, als ein riesiger Rottweiler ihn ansprang. Er hatte kaum Zeit, um zu reagieren, er konnte nur die Kraft des Hundes entgegennehmen und mir ihr gegen. Zähne wurden gebleckt und bissen in die Luft. Sie fanden seinen Arm und die Reißzähne bohrten sich in sein Fleisch.

Null biss seine eigenen Zähne fest zusammen und rollte sich weiter, sodass der Hund unter ihm war. Er drückte nach vorn, stieß seinen gebissenen Unterarm in das Maul des Hundes, während dieser versuchte, fester zuzubeißen.

Der Dealer stand auf und flüchtete aus dem Zimmer, während Null hinter ihm nach allem griff, was er finden konnte. Der Hund zappelte und schlug unter ihm um sich, versuchte, sich zu befreien, doch Null hielt seine Beine zusammen, sodass er nicht aufstehen konnte. Seine Hand fand eine alte Decke, die über dem Ledersofa hing und er zog sie zu sich.

Mit seiner freien Hand schlug er einmal fest auf die Schnauze des Hundes - nicht fest genug, um ihm ernsthaft weh zu tun, sondern vielmehr, um ihn zu erschrecken, damit seine Zähne seinen Arm freigaben. In der halben Sekunde bevor sie erneut zubissen, wickelte er die Decke um den Kopf des Hundes und ließ seine Beine los, damit er wieder aufstehen konnte.

Dann zog er das Ende der Decke unter seinen Körper und verknotete die Ecken hinter seinem Kopf. Die vordere Hälfte des Rottweilers war jetzt fest in die Decke gewickelt. Der Hund schlug um sich und bockte, versuchte, sich zu befreien - was ihm letztendlich auch gelänge. Null stand auf und eilte hinter dem Dealer her.

Er hastete gerade rechtzeitig in die winzige Küche, um zu sehen, wie Ike eine kleine, hässliche Pistole aus einer Schublade zog. Er versuchte, sie auf Null zu richten, doch dieser sprang vorwärts und hielt sie mit einer Hand auf, bevor er sie mit einer drehenden Bewegung aus dem Griff des Dealers riss, die mindestens einen Finger ausrenkte, wenn nicht brach.

Ike schrie scharf auf und ging in die Hocke, hielt seine Hand fest, während Null mit der Waffe auf seine Stirn zielte.

„Erschieß mich nicht, Mann”, wimmerte er. „Erschieß mich nicht. Bitte erschieß mich nicht.”

„Sag mir, was ich wissen will. Wo ist Sara? Wann hast du sie zuletzt gesehen?”

„OK! OK. Also, sie kam zu mir, aber sie konnte nicht bezahlen. Deshalb haben wir einen Handel abgeschlossen. Sie würde meine Sachen in der Stadt liefern -”

„Drogen”, berichtigte ihn Null. „Du hast sie Drogen liefern lassen. Sag es einfach.”

„Ja. Drogen. Es waren nur ein paar Tage und sie machte es ganz gut, doch dann gab ich ihr eine große Bestellung Pillen...”

„Was für Pillen?”

„Verschreibungspflichtige Schmerzmittel. Und sie ignoriert mich seitdem, Mann. Sie tauchte dort niemals auf, lieferte nicht. Meine Leute waren sauer. Mich hat das mehr als tausend Dollar gekostet. Und sie hat sogar eins meiner Autos mitgenommen, weil sie kein eigenes hatte...”

Null schnaubte laut. „Du hast ihr Drogen im Wert von tausend Dollar gegeben und sie ist mit ihnen abgehauen?”

„Ja, Mann.” Er blickte zu Null auf, seine Hände hielt er abwehrend in Nähe seines Gesichts. „Wenn man es richtig bedenkt, bin ich hier eigentlich das Opfer...”

„Sei ruhig.” Er drückte sanft den Lauf gegen Ikes Stirn. „Wohin ging sie und was für ein Auto hat sie genommen?”

*

Null nahm den schwarzen Escalade Geländewagen, den er sich zusammen mit seiner Waffe von Ike ,auslieh’ und verwendete das GPS auf seinem Handy, um so schnell wie möglich zum Lieferort zu fahren, während er sich nach einer hellblauen, viertürigen 2001 Chevy Limousine umschaute.

Er sah keine, bevor er den Lieferort erreichte. Zu seinem Verdruss war es ein örtliches Freizeitzentrum. Doch darüber konnte er sich im Moment keine Sorgen machen. Stattdessen dachte er still, Was würde Sara tun? Wohin würde sie fahren?

Er kannte die Antwort schon, bevor er sich die Frage zu Ende gestellt hatte. Sie schwamm auf ihn mit der salzigen Luft zu, so wie eine Erinnerung ganz einfach auftaucht.

Es war kein Geheimnis in ihrer Familie, dass Kate, Mayas und Saras verstorbene Mutter, einen Lieblingsort auf der Welt hatte. Sie hatte die Mädchen an drei Gelegenheiten dort hingebracht. Das erste Mal waren sie nur acht und sechs Jahre alt, und sie sagte ihnen: „Dies ist mein Lieblingsort.”

Es war ein Strand in New Jersey, etwas, das Null normalerweise erschaudern ließ. Der Strand war zu steinig und das Wasser für gewöhnlich zu kalt, außer an zwei Monaten im Sommer. Doch das war es nicht, was Kate daran so mochte. Sie mochte einfach nur die Aussicht. Als kleines Mädchen war sie jedes Jahr dort hingefahren, ihre ganze Jugend hindurch, und sie hatte eine zarte und fast unerklärliche Vorliebe für den Ort.

Der Strand. Er wusste, dass Sara an Strand führe.

Er benutzte sein Handy, um die nächsten Strand zu finden und fuhr wie ein Verrückter dorthin. Er schnitt Leuten den Weg ab, ignorierte Ampeln und es war eine Überraschung, dass kein Polizeiwagen aus einem Versteck herausfuhr, um ihn anzuhalten. Der Parkplatz am Strand war nur ein paar enge Reihen lang, die voll von Autos und glücklichen Familien waren. Doch er sah keine Fahrzeuge, die Ikes Beschreibung entsprachen.

Er suchte drei der größten Strände in der Nähe von Saras Zuhause und Arbeitsstelle ab, doch fand nichts. Das Abendgrauen setzte schnell ein. Im Hinterkopf war er sich bewusst, dass die USA einen neuen Präsidenten hatten. Der ehemalige Sprecher des Hauses war an diesem Nachmittag eingeschworen worden. Maria hatte eine Einladung zu der Zeremonie und war jetzt wahrscheinlich bei irgendeiner Cocktail Party voll von langweiligen Politikern und reicher Wählerschaft, trank Champagner und unterhielt sich gelassen über eine bessere Zukunft, während Null die Küste von Jacksonville nach seiner Tochter absuchte. Seiner entfremdeten Tochter, die das letzte Mal, als sie sich sahen, ihm die Polizei auf den Hals gerufen hatte und ihn anschrie, dass sie ihn niemals wiedersehen wollte.

„Mach schon, Sara”, murmelte er in die Luft, als er seine Scheinwerfer anschaltete. „Gib mir was. Hilf mir, dich zu finden. Es muss doch ein...”

Er hielt inne, als er seinen Fehler bemerkte. Er hatte öffentliche Strände abgesucht. Beliebte Strände. Doch Kates Strand war klein und kaum besucht. Und Sara hatte Drogen im Wert von tausend Dollar. Sie würde Leuten ganz sicher aus dem Weg gehen.

Er hielt am Straßenrand und öffnete den Browser auf seinem Handy. Er suchte verzweifelt nach weniger beliebten Stränden, steinigen Stränden, nach Orten, die andere Leute nicht oft besuchten. Es war eine schwierige Suche und er hatte nicht das Gefühl voranzukommen, bis er auf „Bilder” tippte und dann sah er ihn -

Ein Strand, der sich erstaunlich Kates Strand ähnelte. Als ob er aus seinem eigenen Gedächtnis geformt wäre.

Null fuhr mit etwa hundertzwanzig Stundenkilometern dorthin. Polizei, Verkehrsgesetze und sogar andere Fahrer, die er überholte, waren ihm egal. Es waren Leute, die gelassen am Abend nach Hause fuhren und sich nicht darum kümmerten, dass ihre Tochter irgendwo tot in den Wellen treiben könnte.

Er raste auf den winzigen Schotterparkplatz und trat auf die Bremsen, als er sie sah. Eine blaue Limousine, das einzige Auto auf dem Parkplatz, stand am hintersten Ende. Es war Nacht geworden, weshalb er die Scheinwerfer angeschaltet und den Geländewagen mitten auf dem Parkplatz stehen ließ. Er sprang heraus und rannte hinüber zu der Limousine.

Er warf die Hintertür auf.

Und da war sie, sah gleichzeitig wie der Himmel und die Hölle aus: sein kleines Mädchen, seine jüngste Tochter, blass und wunderschön. Sie lag ausgestreckt auf dem Rücksitz eines Autos, ihre Augen waren glasig und halb geöffnet. Pillen lagen auf dem Boden verstreut.

Null suchte sofort nach ihrem Puls. Er war da, doch langsam. Dann lehnte er ihren Kopf zurück und versicherte sich, dass ihre Atemwege frei waren. Er wusste, dass die meisten Todesfälle durch Überdosis aufgrund blockierter Atemwege geschahen. So kam es für gewöhnlich zu Atem- und schließlich Herzstillstand.

Doch sie atmete, wenn auch nur flach.

„Sara?” sagte er heiser in ihr Gesicht. „Sara?”

Sie antwortete nicht. Er hievte sie aus dem Auto heraus und hielt sie aufrecht. Sie war nicht fähig, auf ihren eigenen zwei Beinen zu stehen.

„Es tut mir so leid”, sagte er ihr. Und dann steckte er ihr zwei Finger in den Hals.

Sie würgte unfreiwillig, zwei Mal, und erbrach sich dann auf dem Parkplatz. Sie hustete und spuckte, während er sie festhielt und ihr sagte: „Alles ist in Ordnung. Alles wird wieder gut.”

Er legte sie in den Geländewagen, ließ die Türen der Limousine mit den auf den Sitzen verstreuten Pillen offen und fuhr drei Kilometer, bis er einen Nachbarschaftsladen fand. Er kaufte zwei Liter Wasser mit einem Zwanzig-Dollar-Schein und wartete nicht ab, bis er sein Wechselgeld bekam.

Dort, auf dem Parkplatz einer Tankstelle in Florida, saß er mit ihrem Kopf auf seinem Schoß auf dem Rücksitz, streichelte ihr Haar und gab ihr kleine Mengen Wasser, während er auf jegliche Anzeichen achtete, dass er sie zur Notaufnahme bringen müsste. Ihre Pupillen waren erweitert, doch ihre Atemwege offen und ihr Puls stieg langsam wieder an. Ihre Finger zuckten ein wenig, doch als er seine Hand in sie legte, schlossen sie sich um sie. Null hielt seine Tränen zurück, erinnerte sich daran, als sie noch ein Baby war. Damals hatte er sie auf den Armen getragen und ihre kleinen Finger hielten seine fest.

Er hatte nicht darauf geachtet, wie lange er dort mit ihr saß. Als er das nächste Mal auf die Uhr schaute, bemerkte er, dass mehr als zwei Stunden vergangen waren.

Und dann blinzelte sie, stöhnte leicht und sagte: „Papa?”

„Ja.” Seine Stimme war nur ein Flüstern. „Ich bin’s.”

„Ist das real?” fragte sie, ihr Stimme schwebte träumerisch an ihn heran.

„Es ist real”, beschwichtigte er sie. „Ich bin hier und ich bringe dich heim. Ich bringe dich weg von hier. Ich kümmere mich um dich, selbst wenn du mich dafür hasst.”

„OK”, stimmte sie sanft zu.

Schließlich entspannte er sich ausreichend, um zu bemerken, dass die Gefahr vorbei war. Sara schlief ein und Null setzte sich auf den Fahrersitz des Geländewagens. Er konnte sie in diesem Zustand nicht in ein Flugzeug bringen, doch er könnte zurückfahren, die ganze Nacht hindurch, falls notwendig. Maria würde das Fahrzeug für ihn loswerden und keine Fragen stellen. Und die örtlichen Behörden würden dem Drogenhändler, Ike, einen Besuch abstatten.

Er blickte über seine Schulter zurück zu ihr, wie sie da eingerollt auf dem Rücksitz saß. Ihre Knie waren angezogen und ihre Wange lehnte sich gegen das sanfte Leder. Sie sah friedlich, aber verletzlich aus.

Sie braucht dich.

Und er musste gebraucht werden.

KAPITEL EINS

„Bist du bereit?” fragte Alan Reidigger leise, während er das Magazin der schwarzen Glock in seiner dicken Faust überprüfte. Er und Null standen mit dem Rücken gegen eine Sperrholzstruktur gelehnt, versteckten sich in der Dunkelheit. Es war fast zu dunkel, um etwas zu sehen, doch Null wusste, dass es gleich hell wie ein Feuerwerk würde.

„Immer bereit”, flüsterte Null zurück. Er hielt eine Ruger LC9 in seiner linken Hand, eine kleine, silberne Pistole mit einem Magazin aus neun Kugeln, während er die Finger seiner rechten Hand beugte. Er musste weiterhin die Verletzung von vor zwei Jahren beachten, als ein Stahlanker seine Hand zerquetschte, bis sie nutzlos war. Drei Operationen und mehre Monate Physiotherapie später funktionierte sie zwar fast wieder ganz, doch es bestand bleibender Nervenschaden. Er konnte eine Waffe schießen, aber er zielte dabei nach links, ein kleines Ärgernis, das er durch Übungen bewältigen wollte.

„Ich gehe nach links”, erklärte ihm Reidigger, „und sichere den Damm. Du gehst nach rechts. Halt die Augen offen und schau auch hinter dich. Ich bin mir sicher, dass da ein oder zwei Überraschungen auf uns warten.”

Null grinste. „Ach, jetzt gibst du hier also die Anweisungen, du Halbtagskraft?”

„Versuch einfach nur, mit mir mitzuhalten, alter Mann.” Reidigger erwiderte das Grinsen, seine Lippen zogen sich hinter dem dicken Bart, der die untere Hälfte seines Gesichtes versteckte, hoch. „Fertig? Los dann.”

Mit diesem einfachen, geflüsterten Befahl stießen sich beide von der Sperrholzfassade hinter ihnen ab und trennten sich. Null hielt die Ruger hoch, ihr Lauf folgte seiner Sichtlinie, als er um eine dunkle Ecke in eine enge Gasse hineinschlich.

Zuerst war alles nur still und dunkel, kaum ein Geräusch war an dem höhlenartigen Ort zu vernehmen. Null musste seine Muskeln daran erinnern, sich nicht zu verspannen, locker zu bleiben und nicht seine Reaktionszeit zu verlangsamen.

Dies ist genau wie die ganzen anderen Male, sage er sich selbst. Du hast das schon zuvor getan.

Dann explodierten Lichter zu seiner Rechten, eine grelle und aufrüttelnde Reihe von Blitzen. Mündungsfeuer, begleitet von dem ohrenbetäubenden Knall von Schüssen. Null warf sich nach vorn und ließ sich abrollen, kam auf einem Knie an. Die Figur war kaum mehr als eine Silhouette, doch er konnte genug erkennen, um zwei Schuss abzufeuern, welche die Silhouette in ihrem Zentrum traf.

Ich kann’s immer noch. Er kam jetzt auf die Beine, aber blieb geduckt, bewegte sich in der Hocke voran. Augen hoch, achte auf deine Rückendeckung... Er wirbelte gerade rechtzeitig herum, um eine weitere dunkle Figur zu erblicken, die sich in sein Blickfeld schlich und ihm den Weg hinter ihm abschnitt. Null ließ sich zurückfallen, landete auf seinem Hintern, während er weitere zwei Schuss abfeuerte. Er hörte, wie Geschosse über seinem Kopf vorbeizischten, fühlte fast, wie sie sein Haar aufwirbelten. Beide seiner Schüsse trafen, einer in den Oberkörper, der andere in die Stirn der Figur.

Von der anderen Seite der Struktur aus erklangen drei schnell aufeinanderfolgende Schüsse. Dann Stille. „Alan”, zischte er in seinen Ohrhörer. „Gesichert?”

„Warte mal kurz”, erklang die Antwort. Eine Salve von Maschinengewehrfeuer zerriss die Luft und anschließend hörte man zwei krachende Schüsse der Glock. „Alles gesichert. Wir treffen uns an der Seite.”

Null schritt schnell mit dem Rücken gegen die Wand voran. Das raue Sperrholz rieb an seiner schusssicheren Weste. Er bemerkte Bewegung vor sich, auf dem Flachdach der Struktur. Ein einzelner, gutgezielter Schuss in den Kopf beendete die Bedrohung.

Er erreichte die Ecke und hielt inne, atmete tief ein, bevor er sie sicherte. Als er mit der Ruger in der Hand blitzschnell um die Ecke trat, stand er plötzlich vor Reidigger.

„Ich habe drei erwischt”, sagte ihm Null.

„Zwei auf meiner Seite”, brummte Alan. „Was bedeutet...”

Null blieb keine Zeit für einen Warnschrei, als er sah, wie die menschenförmige Figur hinter Alan ins Blickfeld trat. Er hob die Pistole an, zielte über Alans Schulter und feuerte zwei Mal.

Doch er war nicht schnell genug. Als Nulls Schüsse trafen, schrie Alan auf und hielt sich sein Bein fest.

„Ach verdammt!” stöhnte Reidigger. „Nicht schon wieder.”

Null zuckte zusammen, als helles Neonlicht plötzlich angeschaltet wurde und den ganzen Innentrainingsparcours erleuchtete. Absätze schallten gegen den Zementboden und einen Moment später kam Maria Johansson um die Ecke. Ihre Arme waren über ihrem weißen Blazer verschränkt und die Winkel ihres mit Lippenstift geschminkten Mundes waren heruntergezogen.

„Was ist denn los?” beschwerte sich Reidigger. „Warum hören wir auf?”

„Alan”, tadelte ihn Maria, „vielleicht solltest du deine eigenen Ratschläge beachten und hinter dich schauen.”

„Was, das hier?” Alan zeigte auf seinen Oberschenkel, wo ein grüner Paintball auf seinem Hosenbein geplatzt war. „Der hat mich ja kaum gestreift.”

Maria schnaubte verächtlich. „Das wäre eine Oberschenkelblutung gewesen. Binnen neunzig Sekunden wärst du tot.” Zu Null fügte sie hinzu: „Gute Arbeit, Kent. Du bewegst dich wieder so wie früher.”

Null grinste Alan an, der ihm verstohlen den Stinkefinger zeigte.

Die Fabrikhalle, in der sie sich befanden, war einst ein Großhandelsverpackungszentrum, bis die CIA es kaufte und zu einer Trainingsanlage umwandelte. Der Parcours selbst war das Produkt des exzentrischen Agenturingenieurs Bixby, der sein Bestes gegeben hatte, um eine nächtliche Razzia zu simulieren. Das ,Lager’, dass sie gestürmt hatten, war aus Sperrholzstrukturen gebaut, während das Mündungsfeuer Stroboskoplichter waren, die über den Parcours verteilt waren. Die Schüsse wurden digital abgespielt und auf hochauflösenden Lautsprechern übertragen. Sie hallten durch den riesigen Raum und klangen in Nulls trainiertem Ohr fast wie wirkliche Schüsse. Die menschenähnlichen Figuren waren Dummies, die aus Ballistik-Gel hergestellt waren und die auf Schienen bewegt wurden, während die Paintball-Waffen automatisiert waren. Man hatte sie programmiert, zu schießen, wenn ihre Bewegungssensoren aktiviert wurden.

Das einzig Echte an der Übung war die scharfe Munition, die sie verwendeten. Deshalb trugen sowohl Null als auch Reidigger schusssichere Westen - und die Trainingshalle stand nur Spezialeinsatzagenten zur Verfügung, was Null wieder geworden war.

Nach dem Fiasko in Belgien, bei dem die beiden den russischen Präsidenten Aleksandr Kozlovsky konfrontierten und den geheimen Pakt entblößten, den er mit dem US Präsidenten Harris hatte, wäre es eine monumentale Untertreibung gewesen, zu behaupten, dass Null und Reidigger ein paar Problemchen hatten. Sie wurden dabei zu internationalen Flüchtigen, die in vier Ländern gesucht wurden, da sie mehr als ein Dutzend Gesetze gebrochen hatten. Doch sie hatten mit der Verschwörung recht und es schien nicht gerecht, dass die beiden den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen sollten.

Als ließ Maria all ihre Beziehung spielen und streckte ihren eigenen Hals ganz weit für ihre ehemaligen Teamkollegen und Freunde heraus. Es war ein wirkliches Wunder, dass sie es irgendwie schaffte, die ganze Angelegenheit nachträglich wie einen hochgeheimen Einsatz unter ihrer Leitung aussehen zu lassen.

Im Gegenzug mussten sie dafür natürlich wieder zur CIA zurückkommen.

Obwohl Null es nicht laut zugegeben hätte, fühlte es sich für ihn wie ein Heimkehren an. Den letzten Monat über hatte er hart gearbeitet, war ins Fitnessstudio gegangen, legte täglich Zieltraining auf dem Schießplatz ein, boxte und sparrte mit Gegnern, die fast die Hälfte seiner vierzig Jahre alt waren. Das Gewicht, das er in den eineinhalb Jahren Abwesenheit zugelegt hatte, war verschwunden. Seine Zielgenauigkeit mit seiner verletzten rechten Hand hatte sich verbessert. Maria hatte recht, er war fast wieder so wie früher.

Alan Reidigger hingegen hatte sich bei jedem Schritt widersetzt. Die letzten vier Jahre seines Lebens hatte die Agentur gedacht, er wäre tot. Er lebte unter dem Alias eines Mechanikers namens Mitch. Das Letzte, was er wollte, war zur CIA zurückzukehren. Da er aber nur die Wahl zwischen der Agentur und einem Loch in H-6 hatte, willigte er widerstrebend Marias Bedingungen ein - doch eher als eine Ressource anstatt eines voll angeheuerten Agenten, weshalb Null ihn des Spaßes halber als ,Teilzeitkraft’ bezeichnete. Alans Einbeziehung fände nur dann statt, wenn er gebraucht würde. Dann würde er Unterstützung bieten und dabei helfen, jüngere Agenten einzuarbeiten.

Doch das bedeutete, dass die beiden zuerst wieder in Kampfform gebracht werden müssten.

Reidigger wischte an der grünen Farbe auf seiner Hose und verschmierte sie damit nur noch breitflächiger über seinen Oberschenkel. „Ich mache das schnell sauber und dann fangen wir von vorne an”, sagte er Maria.

Sie schüttelte ihren Kopf. „Ich verbringe nicht meinen ganzen Tag an diesem stickigen Ort und schaue dir dabei zu, wie du immer wieder erschossen wirst. Wir machen nach dem Feiertag weiter.”

Alan brummte, aber nickte dennoch. Er war damals ein exzellenter Agent gewesen und selbst jetzt bewies er sich immer noch als schneller Denker und nützlich bei einem Kampf. Trotz seines Übergewichts war er schnell. Doch er war schon immer ein Magnet für Kugeln gewesen. Null konnte sich nicht daran erinnern, wie oft Reidigger während seiner Karriere schon angeschossen wurde, doch es musste wohl eine zweistellige Zahl sein - besonders, seit er bei ihrem belgischen Abenteuer an der Schulter getroffen wurde.

Ein junger Techniker fuhr einen Stahlwagen für ihre Ausstattung heraus, während ein Team aus drei anderen den Parcours wieder herstellten. Null nahm die Kugel aus der Kammer der Ruger, ließ das Magazin herausschnappen und legte alle drei auf den Wagen. Dann zog er an den Klettverbandverschlüssen der schusssicheren Weste und zog sie über seinen Kopf aus, fühlte sich plötzlich mehrere Pfund leichter.

„Also, hast du noch mal drüber nachgedacht?” fragte er Alan. „Über Thanksgiving. Die Mädchen würden dich so gerne wiedersehen.”

„Und ich würde sie gerne wiedersehen”, erwiderte er, „aber das wird nichts. Die brauchen ein wenig Zeit allein mit dir.”

Alan erklärte nichts weiter, das brauchte er auch gar nicht. Nulls Beziehung zu Maya und Sara war während der letzten eineinhalb Jahre sehr angespannt. Doch jetzt hatte Sara die letzten paar Wochen bei ihm gewohnt, seit er sie am Strand in Florida gefunden hatte. Er und Maya sprachen immer mehr am Telefon - sie wäre fast in das erste Flugzeug gesprungen, nachdem sie gehört hatte, was ihrer jüngeren Schwester geschehen war, doch Null hatte sie beruhigt und überzeugt, bis zum Feiertag in der Schule zu bleiben. Diese Woche wäre das erste Mal seit ziemlich langer Zeit, dass die drei wieder unter einem Dach weilten. Und Alan hatte recht, es gab immer noch viel zu tun, um den Schaden wiedergutzumachen, der sie für so lange trennte.

„Außerdem”, grinste Alan, „haben wir alle unsere Traditionen. Ich für meinen Teil werde ein ganzes gegrilltes Huhn verzehren und den Motor eines zweiundsiebziger Camaro wiederherstellen.” Er blickte hinüber zu Maria. „Wie steht’s mit dir? Verbringst du Zeit mit dem guten alten Herrn Papa?”

Marias Vater, David Barren, war der Direktor der nationalen Nachrichtendienste, im Grunde genommen der einzige Mann, abgesehen vom Präsidenten, dem der CIA Direktor Shaw Rechenschaft schuldig war.

Doch Maria schüttelte ihren Kopf. „Mein Vater wird in der Schweiz sein. Er ist Teil eines diplomatischen Attachés im Auftrag des Präsidenten.”

Alan runzelte seine Stirn. „Dann wirst du an Thanksgiving allein sein?”

Maria zuckte mit den Schultern. „Das ist nicht weiter schlimm. Ich liege ein bisschen mit dem Papierkram hinten dran, weil ich so viel Zeit mit euch beiden Idioten hier verbracht habe. Ich werde mir ein paar Jogginghosen anziehen, einen Tee machen und mich darauf konzentrieren...”

„Nein”, unterbrach Null sie streng. „Auf keinen Fall. Komm und iss mit mir und den Mädchen.” Er sagte es, ohne es zuvor richtig zu durchdenken, doch er bedauerte das Angebot nicht. Wenn überhaupt, dann spürte er ein wenig Schuld, denn sie war ja nur wegen ihm allein an Thanksgiving.

Maria lächelte dankbar, doch ihre Augen blickten zweifelhaft. „Ich bin mir nicht so sicher, dass das eine gute Idee ist.”

Sie hatte damit nicht ganz unrecht, denn ihre Beziehung endete kaum mehr als einen Monat zuvor. Sie hatten zuvor für mehr als ein Jahr zusammengelebt als... naja, er war sich nicht sicher, was sie waren. Verliebt? Er konnte sich nicht daran erinnern, sie auch nur seine Freundin genannt zu haben. Es klang einfach zu seltsam. Doch letztendlich war es egal, denn Maria hatte zugegeben, dass sie eine Familie wollte.

Falls Null das noch einmal täte, dann gäbe es niemanden in der Welt, mit dem er es lieber als mit Maria täte. Doch als er sich wirklich tief innerlich die Frage stellte, merkte er, dass er das nicht wollte. Er hatte selbst Arbeit zu tun, er musste die Beziehungen zu seinen Töchtern wieder herstellen, die Dämonen aus seiner Vergangenheit verbannen. Und dann war die Dolmetscherin, Karina, in einer allzu kurzen Liebesgeschichte in sein Leben getreten. Es war schwindelerregend und gefährlich und wundervoll und tragisch. Sein Herz schmerzte immer noch von dem Verlust.

Trotz allem hatten Maria und er eine sagenumwobene Vergangenheit, nicht nur romantisch, sondern auch professionell und platonisch. Sie hatten verabredet, befreundet zu bleiben. Keiner der beiden wollte es anders. Doch jetzt, wo er wieder ein Agent war, wurde Maria zur Deputy Direktorin der Spezialeinsätze befördert - was bedeutete, dass sie seine Chefin war.

Es war kompliziert, um es gelinde auszudrücken.

Null schüttelte seinen Kopf. Es musste nicht kompliziert sein. Er musste daran glauben, dass zwei Menschen Freunde sein konnten, ganz gleich der Vergangenheit oder ihrer gegenwärtigen Verbindungen.

„Es ist eine tolle Idee”, sagte er ihr. „Ich lasse kein nein zu. Iss mit uns.”

„Nun...” Marias Blick sprang von Null auf Reidigger und wieder zurück. „In Ordnung”, gab sie nach. „Es klingt gut. Ich sollte mich schätzungsweise besser jetzt schon um den Papierkram kümmern.”

„Ich schreibe dir eine SMS”, versprach Null, während sie mit laut klackenden Absätzen auf dem Beton die Fabrikhalle verließ.

Alan zog seine eigene schusssichere Weste mit einem langen Knurren aus und zog sich dann wieder die schweißbefleckte Fernfahrermütze über sein zerzaustes Haar, bevor er gelassen fragte: „Ist das ein Trick?”

„Ein Trick?” schnaubte Null. „Wozu? Um Maria zurückzubekommen? Du weißt, dass ich nicht darüber nachdenke.”

„Nein. Ich meine ein Trick, damit Maria als Prellbock zwischen ihnen und dir steht.” Für einen Geheimagenten, der die letzten vier Jahre unter einer anderen Identität gelebt hatte, war Alan so brutal aufrichtig, dass es manchmal schon fast beleidigend schien.

„Natürlich nicht”, erwiderte Null fest. „Du weißt, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dass die Dinge wieder so werden, wie sie mal waren. Maria ist eine Freundin. Kein Prellbock.”

„Na klar”, stimmte Alan zu, doch er klang zweifelnd. „Vielleicht war ,Prellbock’ einfach nicht das richtige Wort. Vielleicht mehr wie ein...” Er blickte auf die schusssichere Weste, die auf dem Stahlwagen vor ihm lag und zeigte dann darauf. „Na, ich kann gerade an keine bessere Metapher denken.”

„Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst”, beharrte Null und versuchte, nicht die Hitze in seiner Stimme zu zeigen. Er war nicht verärgert darüber, dass Alan ehrlich war, doch er fand die Andeutung irritierend. „Maria hat es nicht verdient, an Thanksgiving allein zu sein und die Dinge mit den Mädchen sind viel besser, seit sie seit mehr als einem Jahr waren. Alles läuft gut.”

Alan hob beide Hände geschlagen hoch. „OK, ich glaube dir. Ich passe nur auf dich auf, das ist alles.”

„Ja, ich weiß.” Null schaute auf seine Uhr. „Ich muss los. Maya kommt heute an. Gehen wir am Freitag ins Fitnessstudio?”

„Ganz bestimmt. Grüß die Mädchen von mir.”

„Mache ich. Genieße dein Hühnchen und den Motor.” Null winkte, als er sich auf die Tür zubewegte, doch jetzt überschwemmten Zweifel seine Gedanken. Hatte Alan recht? Hatte er unbewusst Maria eingeladen, weil er Angst hatte, allein mit den Mädchen zu sein? Was, wenn ihr Zusammentreffen sie erneut daran erinnerte, warum sie überhaupt gegangen waren? Oder noch schlimmer, was, wenn sie dasselbe wie Alan dachten, dass Maria als eine Art Schutzbarriere zwischen ihm und ihnen diente? Was, wenn sie dachten, dass er es nicht ernsthaft versuchte?

Alles läuft gut.

Das war zwar überhaupt kein Trost, doch zumindest war seine Fähigkeit, zu lügen so überzeugend wie eh und je.

KAPITEL ZWEI

Maya schlurfte die Treppen zu der Wohnung im zweiten Stock hinauf, die ihr Vater mietete. Es war in einem neu entwickelten Gebiet außerhalb der Stadtmitte von Bethesda, in einer Nachbarschaft, die während der letzten Jahre mit Apartments, Stadthäusern und Einkaufszentren aufgebaut wurde. Kaum die Art von Ort, von dem sie vermutet hätte, dass ihr Vater dort lebte, doch sie verstand, dass er es eilig hatte, etwas Verfügbares zu finden, nachdem seine Beziehung mit Maria beendet war.

Wahrscheinlich, bevor er es sich anders überlegen konnte, stellte sie sich vor.

Für den kürzesten Moment trauerte sie um den Verlust ihres Zuhause in Alexandria, das Haus, in dem sie, Sara und ihr Vater zusammenlebten, bevor der ganze Wahnsinn begann. Damals, als sie noch glaubten, dass ihr Vater ein Geschichtsprofessor war, bevor sie herausfanden, dass er ein Geheimagent bei der CIA war. Bevor sie von einem psychopathischen Attentäter entführt wurden, der sie an Menschenhändler verkaufte. Damals, als sie glaubten, dass ihre Mutter an einem plötzlichen Schlaganfall verstorben war, während sie nach einem Arbeitstag auf ihr Auto zuging, wobei sie wirklich von einem Mann ermordet wurde, der die Leben der Mädchen mehr als einmal gerettet hatte.

Maya schüttelte ihren Kopf und strich sich den Pony aus der Stirn, als sie versuchte, die Gedanken zu verdrängen. Es war Zeit für einen Neubeginn. Oder zumindest musste sie das ernsthaft versuchen.

Sie fand die Tür zur Wohnung ihres Vaters, bevor sie bemerkte, dass sie keinen Schlüssel hatte und vielleicht zuerst hätte anrufen sollen, um sich zu versichern, dass er zu Hause war. Doch nachdem sie zwei Mal kurz angeklopft hatte, wurde der Sicherheitsriegel zur Seite geschoben und die Tür öffnete sich. Maya starrte für mehrere verblüffte Sekunden in das Gesicht einer relativ Fremden.

Sie hatte Sara länger nicht gesehen, als sie es zugeben wollte und das konnte man dem Gesicht ihrer jüngeren Schwester leicht ansehen. Sara wurde schnell zu einer jungen Frau, ihre Gesichtszüge definierter - oder vielmehr wurden sie zu denen von Katherine Lawson, ihrer verstorbenen Mutter.

Das wird schwieriger, als ich dachte. Während Maya mehr ihrem Vater ähnlich sah, erbte Sara schon immer Aspekte ihrer Mutter, sowohl in ihrer Persönlichkeit, als auch in ihren Interessen und ihrem Aussehen. Ihre junge Schwester war auch bleicher als Maya sich erinnerte, doch Maya war sich nicht sicher, ob das nur eine falsche Erinnerung war oder mit dem Entzug zusammenhing. Ihre Augen schienen irgendwie glanzloser und die dunklen Ringe, die Sara versucht hatte, mit Makeup zu verdecken, waren offensichtlich. Sie hatte ihr Haar irgendwann rot gefärbt, mindestens zwei Monate zuvor und jetzt kamen an den Wurzeln die ersten paar Zentimeter ihres natürlich blonden Tons heraus. Sie hatte es auch kürzlich auf Kinnlänge schneiden lassen, sodass es ihr Gesicht zwar hübsch umrahmte, doch sie ein paar Jahre älter aussehen ließ. So sehr, dass man annehmen könnte, sie und Maya wären gleichaltrig.

„Hallo”, sagte Sara einfach.

„Hi.” Maya schüttelte die anfängliche Überraschung über ihre dramatisch veränderte Schwester ab und lächelte. Sie stellte ihren grünen Seesack ab und tat einen Schritt voran, um ihre Schwester zu umarmen. Sara schien sie dankbar zu empfangen, als ob sie abgewartet hätte, um herauszufinden, wie ihre ältere Schwester sie begrüßen würde. „Ich habe dich vermisst. Ich wollte gleich nach Hause kommen, als Papa mir erzählt hat, was geschehen ist...”

„Ich bin froh, dass du das nicht getan hast”, antwortete Sara offen. „Ich hätte mich fürchterlich gefühlt, wenn du die Akademie wegen mir verlassen hättest. Außerdem wollte ich nicht, dass du mich siehst... nicht so.”

Sara schlüpfte aus der Umarmung ihrer Schwester und griff den Seesack auf, bevor Maya protestieren konnte. „Komm rein”, winkte sie ihr zu. „Willkommen Zuhause, würde ich sagen.”

Willkommen Zuhause. Komisch, dass es sich so wenig wie Zuhause anfühlte. Maya folgte ihr in die Wohnung. Es war ein ganz hübscher Ort, modern, mit viel natürlichem Licht, doch recht nüchtern. Hätte nicht etwas Geschirr in der Spüle gelegen und der Fernseher im Wohnzimmer leise gebrummt, so könnte sich Maya nicht vorstellen, dass jemand tatsächlich hier lebte. Es gab keine Bilder an den Wänden, keine Dekoration, die auf irgendeine Art von Persönlichkeit hingewiesen hätte.

Fast wie ein weißes Blatt. Doch sie musste zugeben, dass ein weißes Blatt passend für ihre Situation war.

„Das ist es also”, kündigte Sara an, als ob sie Mayas Gedanken läse. „Zumindest für den Moment. Es gibt nur zwei Schlafzimmer, also müssen wir eines teilen...”

„Ich schlafe gerne auf der Couch”, bot Maya an.

Sara lächelte leicht. „Es macht mir nichts aus, zu teilen. Es wird so wie damals, als wir klein waren. Es wäre... schön. Dich in der Nähe zu haben.” Sie räusperte sich. Obwohl sie so oft am Telefon sprachen, war es dennoch ganz offensichtlich komisch, wieder im selben Raum zu sein.

„Wo ist Papa?” fragte Maya plötzlich und vielleicht zu laut, um die Spannung zu lösen.

„Der sollte gleich ankommen. Er wollte nach der Arbeit noch ein paar Sachen für morgen einkaufen.”

Nach der Arbeit. Sie sagte es so gelassen, als ob er nach getaner Arbeit ein Büro anstatt der CIA Hauptquartiere in Langley verließe.

Sara setzte sich an der Theke, welche die Küche und das kleine Esszimmer voneinander trennte, auf einen Barhocker. „Was macht die Akademie?”

Maya lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Theke. „Die Akademie ist...” Sie hielt inne. Obwohl sie erst achtzehn war, besuchte sie gerade ihr zweites Jahr in West Point in New York. Sie hatte das letzte Jahr der High School übersprungen und wurde an der Militärakademie aufgrund eines Briefes des ehemaligen Präsidenten Eli Pierson angenommen. Agent Null hatte ein Attentat auf ihn vereitelt. Jetzt war sie Klassenbeste, vielleicht sogar die Beste der ganzen Akademie. Doch ein kürzlicher Streit mit ihrem Ex-Freund Greg Calloway hatte zu Schikanen und etwas Mobbing geführt. Maya weigerte sich, es an sie heranzulassen, doch sie musste zugeben, dass es ihr in letzter Zeit das Leben erschwert hatte. Greg hatte viele Freunde und es waren alles ältere Jungs an der Akademie, denen Maya es mindestens ein oder zwei Mal bewiesen hatte.

„Die Akademie ist toll”, sagte sie letztendlich und erzwang ein Lächeln. Sara hatte schon genügend eigene Probleme. „Aber irgendwie langweilig. Ich will wissen, wie es mit dir steht.”

Sara prustete fast und streckte dann ihre Hände zur Seite heraus, um in einer großen Geste auf die Wohnung zu zeigen. „Du schaust es dir an. Ich bin verbringe jeden Tag ganz hier. Ich schaue Fernsehen. Ich gehe nirgendwo hin. Ich habe kein Geld. Papa hat mir ein Handy auf seinem Plan gekauft, damit er meine Anrufe und SMS überwachen kann.” Sie zuckte mit einer Schulter. „Es ist wie eines dieser vornehmen Gefängnisse, in das sie Politiker und Berühmtheiten stecken.”

Maya lächelte traurig über den Witz und fragte dann vorsichtig: „Aber du bist... sauber?”

Sara nickte. „Soweit wie möglich.”

Maya zog die Stirn in Falten. Sie wusste über viel Bescheid, doch Drogenkonsum gehörte nicht dazu. „Was bedeutet das?”

Sara starrte die Granittheke an, zog mit ihrem Zeigefinger kleine Kreise über die glatte Fläche. „Das bedeutet, dass es schwer ist”, gab sie leise zu. „Ich dachte, dass es nach den ersten paar Tagen leichter würde, nachdem der ganze Stoff aus meinem Körper war. Doch das wurde es nicht. Es ist... es ist, als ob mein Gehirn sich immer noch an das Gefühl erinnert, es immer noch vermisst. Die Langeweile hilft nicht. Aber Papa will noch nicht, dass ich mir einen Job suche. Er will nicht, dass ich Geld habe, bis es mir besser geht.” Sie schnaubte verächtlich und fügte hinzu: „Er will, dass ich für die High School Prüfungen lerne.”

Das solltest du auch, stieß Maya fast hervor, doch hielt sich im Zaum. Sara hatte die High School abgebrochen, nachdem ihr die Emanzipierung zugesprochen wurde, doch das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine Standpauke, besonders, wenn sie sich ihr so öffnete.

Doch Eines war ganz klar: Saras Problem war schlimmer, als Maya bemerkt hatte. Sie dachte, dass ihre jüngere Schwester nur ein wenig experimentiert hatte, und dass die Beinahe-Überdosis an Pillen nur ein Unfall war. Doch das Gegenteil war der Fall. Sara war eine genesende Süchtige. Und es gab nichts, was Maya tun konnte, um ihr zu helfen. Sie wusste nichts über Abhängigkeiten.

Doch stimmt das wirklich?

Sie erinnerte sich plötzlich an eine Nacht, etwa zwei Wochen zuvor, als sie ihre Zimmerpartnerin geweckt hatte, weil sie um ein Uhr nachts aus dem Fitnessstudio kam. Die verärgerte Kadettin hatte ihr halb schlafend etwas zugemurmelt, das wie ,Fitness Junkie’ klang. Und dann war Maya noch eine weitere Stunde wachgeblieben, um zu lernen, nur damit sie um sechs Uhr morgens joggen gehen konnte.

Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr wurde sie sich bewusst, dass sie sehr wohl über Abhängigkeit Bescheid wusste. War sie nicht davon abhängig, sich zu beweisen? Hatte sie nicht ihren Rausch in ihrem eigenen Erfolg gefunden?

Und ihr Vater war trotz des ganzen Tumults der letzten zwei Jahre wieder zu seinem Beruf zurückgekehrt. Sara vermisste den chemischen Rausch, sowie Maya Erfolg brauchte und ihr Vater den Nervenkitzel der Jagd suchte - vielleicht waren sie einfach nur eine Familie voller Abhängiger.

Aber Sara ist die Einzige, die es zugegeben hat. Vielleicht ist sie die Klügste von uns allen.

„Hey.” Maya lehnte sich zu ihr herüber und legte ihre Hand auf Saras. „Du kannst das schaffen. Du bist stärker, als du glaubst. Und ich glaube an dich.”

Sara lächelte halb. „Da bin ich aber froh, dass einer das tut.”

„Ich rede mit Papa”, bot Maya ihr an. „Mal sehen, ob er sich nicht ein bisschen entspannt, dir etwas Freiraum gibt -”

„Nein,” unterbrach sie Sara. „Papa ist nicht das Problem. Er geht toll mit mir um, vielleicht viel besser, als ich es verdient habe.” Ihr Blick schweifte über den Boden. „Ich bin das Problem. Weil ich ganz genau weiß, dass wenn ich hundert Dollar in der Tasche hätte und hinkönnte, wo ich wollte, er mich wieder abholen müsste. Und das nächste Mal kommt er vielleicht nicht rechtzeitig an.”

Mayas Herz brach, als sie offensichtliche Qual in den Augen ihrer Schwester bemerkte und wusste, dass es nichts gab, was sie tun könnte, um zu helfen. Sie hatte nur leere Worte der Ermutigung, die bedeutungslos waren, um ihre Probleme zu lösen.

Plötzlich fühlte sie sich ganz fehl am Platz in dieser fremden Küche. Sie hatten zusammen so viel durchgestanden. Aufgewachsen. Um ihre Mutter getrauert. Ihren Vater entdeckt. Familienurlaub und Flucht vor Mördern. Die Art von Dingen, von denen man annahm, dass sie zwei Menschen einander näherbrachten, eine unzerbrechliche Verbindung schafften, hatten stattdessen die leere Stille erzeugt, die sich in dem Raum zwischen ihnen aufblähte.

Würde es jetzt immer so sein? Würde das Mädchen vor ihr immer unerkennbarer werden, bis sie nur noch Fremde waren, die zufällig verwandt waren?

Maya wollte etwas sagen, irgendwas, um sich davon zu überzeugen, das sie falsch lag. Sich gemeinsam an einen glücklichen Moment erinnern. Oder sie Mäuschen nennen, ihren Spitznamen aus der Kindheit, den sie wer weiß wie lange schon nicht mehr benutzt hatte.

Bevor sie überhaupt etwas sagen konnte, rasselte der Türknauf hinter ihnen. Maya drehte sich um, als die Tür aufging, ihre Hände ballten sich instinktiv zu Fäusten an ihrer Seite. Ihre Nerven spannten sich immer noch an, wenn es um unerwartete Eindringlinge ging.

Doch es war kein Eindringling. Es war ihr Vater, der zwei Einkaufstaschen trug und scheinbar vorsichtige Schritte in die Küche tat, als er sie sah.

„Hallo.”

„Hallo Papa.”

Er stellte die Einkaufstaschen auf den Boden und ging einen Schritt auf sie zu, öffnete die Arme, doch hielt dann inne. „Darf ich...?”

Sie nickte einmal und er legte seine Arme um sie. Es war zuerst eine zögerliche Umarmung - doch dann bemerkte Maya seltsamerweise, dass er immer noch genauso roch. Es war ein überwältigend nostalgischer Duft, ein Duft aus ihrer Kindheit, der nach tausend weiteren Umarmungen roch. Und vielleicht war sie älter und vielleicht sah Sara anders aus, vielleicht war sie sich immer noch nicht ganz sicher, wer ihr Vater war und vielleicht standen sie an einem neuen Ort, den sie Zuhause nennen sollte, doch in diesem einen Moment fühlte sich nichts davon wichtig an. Der Moment fühlte sich an wie Zuhause und sie lehnte sich an ihn, drückte ihn fest an sich.

*

Maya zog die Glasschiebetür am Ende der Wohnung auf und sich einen Kapuzenpulli an, um sich vor der kühlen Nachtluft zu schützen. Die Wohnung hatte keinen Garten, aber es gab eine kleine Veranda, die mit einem kleinen Tisch und zwei Stühlen ausgestattet war.

Ihr Vater saß in einem von ihnen, nippte an einem Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Maya setzte sich auf den anderen und bemerkte, wie klar die Nacht war.

„Schläft Sara?” fragte er.

Maya nickte. „Sie ist auf der Couch eingedöst.”

„Das macht sie in letzter Zeit viel”, sagte er besorgt, „schlafen, meine ich.”

Sie erzwang ein kleines Lachen. „Sie hat schon immer viel geschlafen. Ich würde mir darüber nicht so viele Sorgen machen.” Sie zeigte auf das Glas in seiner Hand. „Bier?”

„Eistee.” Er grinste verlegen. „Seitdem ich wieder bei der Arbeit bin, trinke ich nicht mehr.”

„Und wie läuft es?”

„Nicht schlecht”, gab er zu. „Ich war in letzter Zeit bei keinen Einsätzen, weil ich mich um Sara kümmere und immer noch trainiere.”

„Ich wollte schon erwähnen, dass du abgenommen hast. Du siehst besser aus als...”

Als das letzte Mal, an dem ich dich sah, wollte Maya sagen, doch hielt sich zurück, da sie nicht die Erinnerung an diesen Besuch heraufbeschwören wollte, als sie Greg mitgebracht hatte, wütend wurde, hinausstürmte, ihn dort hinterließ und ihrem Vater sagte, dass sie ihn nie wieder sehen wollte.

„Danke”, sagte er schnell und dachte offensichtlich dasselbe. „Alles OK mit der Akademie?”

Sie hatte es ihm schon zuvor beim Abendessen erzählt, doch es schien, als ob er ihr nicht ganz glaubte - und sie erinnerte sich daran, dass es ein Teil seiner Arbeit war, Leute lesen zu können. Es hatte keinen Sinn, ihn anzulügen, doch das bedeutete nicht, dass sie alles erzählen musste.

„Ich möchte eigentlich nicht über die Akademie reden”, antwortete sie ihm gerade heraus. Sie wollte nicht darüber reden, wie manchmal Dinge aus ihrem Schließfach verschwanden. Oder wie Jungs ihr gemeine Sachen über den Innenhof zuriefen. Oder dass sie nicht das Gefühl loswerden konnte, dass dies erst der Anfang der Schikanen war. Dass je mehr sie versuchte, sie zu ignorieren, die Jungs bei West Point weitermachen würden.

„In Ordnung.” Ihr Vater räusperte sich. „Äh, es gibt da allerdings etwas, das ich erwähnen möchte. Ich hätte dich zuerst fragen sollen. Doch Maria war morgen nirgendwo eingeladen und es erschien mir nicht richtig...”

„Ist schon in Ordnung, Papa.” Maya grinste bei seinem ungelenken Versuch, ihre Erlaubnis einzuholen. „Natürlich macht es mir nichts und du brauchst nicht meine Erlaubnis.”

Er zuckte mit den Schultern. „Du hast wohl recht. Es ist nur - du bist so erwachsen jetzt. Ihr beide. Ich habe ein paar wichtige Momente verpasst.”

Maya nickte ein wenig, doch sie fand es nicht notwendig, ihre Zustimmung auszusprechen. Stattdessen änderte sie das Thema. „Was du für Sara machst, ist toll. Ihr so zu helfen. Es scheint, als bräuchte sie das wirklich.”

Dieses Mal nickte ihr Vater leicht, starrte über die Veranda ins Nichts. „Ich würde alles was ich könnte für sie tun”, sagte er versonnen. „Aber das ist vielleicht immer noch nicht genug.”

„Was meinst du?”

Er nahm einen Schluck Eistee, bevor er erklärte. „Letzte Woche sind wir Essen gegangen, nur wir beide, in der Stadtmitte. Es war schön. Wir haben geredet. Es schien, ihr gut zu gehen. Als die Rechnung kam, bezahlte ich mit einem Hundert-Dollar-Schein. Und da geschah etwas. Es schien, als ob ein Schatten über sie fuhr. Ich sah, wie sie das Geld anschaute und dann die Tür und...”

Ihr Vater wurde still, doch Maya verstand ihn ohne weitere Worte. Jetzt verstand sie Saras vorheriges Kommentar. Sie hatte tatsächlich darüber nachgedacht, das Geld zu nehmen und wegzulaufen. Mit hundert Dollar wäre sie nicht besonders weit gekommen, doch sie dachte vermutlich nur darüber nach, so schnell wie möglich an eine Dosis Drogen zu gelangen.

„Ich bin mir sicher, dass du bemerkt hast”, fuhr ihr Vater fort, „dass die Wohnung ziemlich schmucklos ist. Ich habe nicht viel Dekoration aufgestellt, weil...”

Weil du Angst hast, dass sie die vielleicht stiehlt. Sie verpfändet. Wieder abhaut. Die CIA hatte ihn, seit Sara bei ihm lebte, nirgendwo hingeschickt, doch früher oder später würde das geschehen - und was wäre dann? Würde Sara nur hier sitzen und darauf warten, dass er zurückkäme? Oder stünde sie unter einem Fluchtrisiko, wenn man sie sich selbst und ihren Dämonen überließ?

„Es ist so viel schlimmer als ich dachte”, murmelte Maya. Dann fügte sie entschieden und ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verschwenden hinzu: „Ich bleibe.”

„Was?”

Sie nickte. „Ich bleibe. Es sind nur noch drei weitere Wochen an der Akademie vor den Weihnachtsferien. Ich kann die Arbeit nachholen. Ich bleibe hier über die Ferien und gehe nach Neujahr nach New York zurück."

„Nein”, entgegnete ihr Null streng. „Absolut nicht -”

„Sie braucht Hilfe. Sie braucht Unterstützung.” Maya war sich nicht sicher, welche Art von Hilfe oder Unterstützung sie ihrer Schwester bieten konnte, doch sie hätte noch Zeit, um sich etwas zu überlegen. „Ist schon in Ordnung. Ich schaffe das.”

„Das ist nicht deine Aufgabe.” Ihr Vater lehnte sich zu ihr herüber und berührte ihre Hand. Sie zuckte fast zusammen, doch dann schlossen sich ihre Finger um seine. „Ich weiß das Angebot zu schätzen, und Sara sicherlich auch. Doch du hast Ziele. Du hast einen Traum. Du arbeitest hart für ihn und du musst ihn verwirklichen.”

Maya blinzelte ein wenig verblüfft. Ihr Vater hatte ihr noch nie zuvor Unterstützung für ihr Ziel, der CIA beizutreten, die jüngste Agentin der Geschichte zu werden, gezeigt. Stattdessen hatte er häufig versucht, es ihr auszureden, doch sie blieb standhaft.

Er lächelte und schien ihre Überraschung zu bemerken. „Verstehe mich nicht falsch. Es gefällt mir immer noch überhaupt nicht. Doch du bist jetzt erwachsen, es ist dein Leben. Deine Entscheidung.”

Sie lächelte zurück. Er hatte sich verändert. Und vielleicht gäbe es tatsächlich noch eine Möglichkeit, wieder das zu werden, was sie einst waren. Doch es müsste immer noch gelöst werden, was mit Sara geschähe.

„Ich glaube”, sagte sie vorsichtig, „dass Sara vielleicht mehr Hilfe braucht, als wir ihr geben können. Ich glaube, sie braucht professionelle Hilfe.”

Ihr Vater nickte, als ob er es schon gewusst hätte - als ob er dasselbe gedacht hätte, aber es von jemand anderem hören musste. Sie drückte sanft und beruhigend seine Hand und die beiden ließen die Stille um sie herrschen. Keiner von ihnen wusste, was als Nächstes geschähe, es war nur wichtig, dass sie Zuhause waren.

KAPITEL DREI

Wer auch immer New York ,die Stadt die niemals schläft’ nannte, hatte niemals die Altstadt von Havanna besucht, sinnierte Alvaro während er auf den Hafen und den Malecón zuschlenderte. Im Tageslicht war Alt-Havanna ein schönes Stadtviertel, eine reichhaltige Mischung aus Geschichte und Kunst, Gastronomie und Kultur, doch die Straßen waren von Verkehr verstopft und die Luft war voll von dem Baulärm verschiedener Restaurationsprojekte, welche den ältesten Teil Havannas ins einundzwanzigste Jahrhundert bringen sollten.

Doch nachts... nachts zeigte die Stadt ihre wahren Farben. Die Lichter, die Düfte, die Musik, das Lachen: und der Malecón war einfach der angesagteste Ort. Die engen Gassen, welche die Straße 23 umgaben, in der Alvaro lebte, waren zwar schon ziemlich lebendig, doch die meisten kubanischen Kneipen schlossen um Mitternacht.  Hier, an der breiten Promenade am Rande des Hafens, blieben die Diskos offen, die Musik wurde noch lauter und die Getränke wurden in vielen der Kneipen und Bars weiter ausgeschenkt.

Der Malecón war ein Straßendamm, der sich acht Kilometer lang an Havannas Küste entlangzog. Er war von Gebäuden gesäumt, die seegrün und korallenpink bemalt waren. Viele der Ortsansässigen vermieden ihn wegen der vielen Touristen, doch das war einer der hauptsächlichen Gründe, warum ihn Alvaro so anziehend fand. Trotz der immer beliebter werdenden, störenden Bars im europäischen Stil, gab es immer noch ein paar Orte, an denen ein lebhafter, süchtig machender Salsa Rhythmus die elektronische Tanzmusik, die aus den benachbarten Gebäuden drang, bekämpfte.

Es gab einen Witz unter Anwohnern, dass Kuba der einzige Ort in der Welt war, an dem man Musiker bezahlen musste, damit sie nicht spielten, und das war sicherlich tagsüber wahr. Es schien, als ob jede Person, die eine Gitarre, eine Trompete oder ein paar Bongos hatten, sich an eine Straßenecke setzte. Es gab an jedem Häuserblock Musik, welche den Lärm der Baumaschinen und das Hupen der Autos begleitete. Doch nachts war alles anders, besonders auf dem Malecón. Die Livemusik wurde weniger, verlor den Kampf gegen die elektronische Musik, die durch Computer gespielt wurde - oder noch schlimmer, gegen die neuesten Pop-Hits der USA.