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Professor Denise ‘Doc’ Rado ist Südafrikas Expertin für Schuppentiere, lässt Wilderer auffliegen und befreit gefährdete Ameisenbären in aufwändigen verdeckten Einsätzen.
Nach dem Scheitern einer riskanten Operation liegt Docs Leben in Scherben, sie ist allerdings gezwungen, eine bunte Gruppe von Spendern auf eine Wildtier-Rundreise durch das südliche Afrika zu führen.
Aber es scheint, als sei sie das Ziel weiterer Angriffe.
Als die Reise die Gruppe tiefer nach Afrika führt, fürchtet Doc, verfolgt zu werden, will aber das Menschenmögliche tun, um alle in Sicherheit zu bringen – vor allem Ian Laidlaw, einen gutaussehenden australischen Geschäftsmann, der aus Versehen zum Philanthropen wurde.
Wird Doc von den Wilderern, die sie einst bekämpfte, gehetzt oder treibt ein anderer blutrünstiger Jäger in der Wildnis sein Unwesen?
Ein weiterer fesselnder Thriller des Meisters des Abenteuers über Rettung, Rache und Vergeltung, sowie all die Dinge, die wir tun, um die, die wir lieben, zu schützen.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Über den Autor
Auch von Tony Park
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Danksagung
Tony Park wurde 1964 geboren und wuchs in den westlichen Vorstädten von Sydney auf. Er arbeitete als Zeitungsreporter, Pressesprecher, PR-Berater und freiberuflicher Schriftsteller. Ausserdem diente er 34 Jahre lang in der australischen Armeereserve, darunter sechs Monate als Offizier für Öffentlichkeitsarbeit in Afghanistan im Jahr 2002. Er und seine Frau Nicola leben sowohl in Australien wie auch im südlichen Afrika. Er ist der Autor weiterer einundzwanzig Romane, die in Afrika spielen, sowie von mehreren Biografien.
www.tonypark.net
Ferner Horizont
Sambesi
Afrikanischer Himmel
Safari
Lautloses Raubtier
Elfenbein
Das Delta
Afrikanische Morgendämmerung
Dunkles Herz
Die Beute
Der Jäger
Eine leere Küste
Rote Erde
Der Cull
Unverlierbar
Der Duft der Furcht
Geister der Vergangenheit
Der letzte Überlebende
Blutspur
Der Stolz
Vendetta
Teil des Stolzes, mit Kevin Richardson
Kriegshunde, mit Shane Bryant
Der graue Mann, mit John Curtis
Mutig unter Beschuss, mit Daniel Keighran VC
Keiner wird zurückgelassen, mit Keith Payne VC
Erstmals erschienen bei Pan Macmillan Australia im Jahr 2024 unter dem Titel The Protector
Diese Ausgabe erscheint 2023 bei Ingwe Publishing
Copyright © Tony Park 2024 www.ingwepublishing.com
Das moralische Recht des Urhebers wurde geltend gemacht.
Alle Rechte vorbehalten. Diese Publikation (oder ein Teil davon) darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers in keiner Form (elektronisch, digital, optisch, mechanisch) und mit keinen Mitteln (Fotokopieren, Aufzeichnen, Scannen oder anderweitig) vervielfältigt oder übertragen, kopiert, gespeichert, verbreitet oder anderweitig zur Verfügung gestellt werden (einschliesslich Google, Amazon oder ähnliche Organisationen).
Beschützer
EPUB: 9781922825322
POD: 9781922825339
Umschlaggestaltung von Leandra Wicks
Für Nicola
In einem Zimmer mit zugezogenen, nach Nikotin stinkenden Vorhängen, in welchem der Aschenbecher überquoll, berichtete das Radio von Verbrechen und Korruption, geplanten Stromunterbrüchen und verlorenen Rugby-Spielen, einem angeklagten Herrscher und dem Rand, Südafrikas Währung, im freien Fall.
Er reinigte sein Gewehr.
Draussen brummte der Verkehr von Johannesburg und hupten die Taxis, doch er liess sich nicht ablenken. Seine Hände arbeiteten mit geübter Leichtigkeit, als er die Waffe wieder zusammensetzte. Es war zwar ein Klischee, aber er konntedas tatsächlich mit verbundenen Augen.
Er wischte jede der .338-Millimeter-Patronen ab. Eine davon glänzte unter dem reflektierenden Lampenlicht in seinen Händen und er bewunderte ihre schlichte Schönheit und Kraft, von der scharfen Kupfermantelspitze bis zum geprägten Messingboden des Geschosses und des Zündhütchens.
Seine Finger waren dort, wo Waffenöl und Schiesspulver sich in den Falten und Poren festgesetzt hatten, fleckig. Er atmete tief ein. Dies war der Geruch seines Berufs und seines Lebens, der immer wieder Erinnerungen zurückbrachte. Etwa die an die knochenfrierende Feuchtigkeit der Brecon Beacons, wo er als Angehöriger des Fallschirmjägerregiments der britischen Armee ausgebildet worden war. Die damalige Einberufung war überhaupt nur durch den britischen Pass seiner in England geborenen Eltern möglich. Der Geruch führte ihn weiter zu den sengenden, staubverwehten Ebenen und den üppigen ‘grünen Zonen’ Afghanistans, wo die einheimischen Bauern ihren Mais und das Dagga anbauten und sich vor seinen Kugeln zu verstecken versuchten.
Aber während er wie ein Schutzengel über die anderen Paras, die Fallschrimspringer, wachte, hatte er den Feind ausgemacht und, wie es sich für einen guten Scharfschützen gehörte, ohne Aufregung oder Reue getötet.
An den Wänden der Einzimmerwohnung waren keine Fotos von ihm in Uniform aufgehängt, auch auf seinem Telefon gab es keine und auf seinem Computer genauso wenig. Es gab weder Beweise für seine Zeit im Krieg, noch für die, in der er als wollhaariger, bärtiger Militärbeauftragter im Irak gedient hatte und ebenso wenig für die Zeit als Parabat, als Fallschirmjäger der South African National Defence Force. Nur sehr wenige seiner spärlichen Freunde wussten überhaupt, dass er gedient hatte.
Als er von Afghanistan nach Südafrika zurückkehrte, hatte er keine Ausbildung, die ihn für eine Arbeit qualifizierte. Seine Mutter versuchte ihm zu helfen, doch er verlor eine Reihe von Jobs und versuchte schliesslich zu studieren. Allerdings war er sehr reizbar und mochte bereits zur Mittagszeit gern ein Bier oder einen frühen Brandy. Die Armee seines Geburtslandes hatte ihm vorübergehend Zuflucht gewährt und in Bangui, wo die Seleka-Rebellen sie umzingelten, und er angeschossen wurde, tötete er erneut, genauso wie in Mosambik, wo er im Namen der Friedenssicherung Menschenleben ausgelöscht hatte.
Aber die Wut, die Flashbacks und das Trinken hatten ihn eingeholt, so dass er wieder zum Zivilisten geworden war. Seit dem Verlassen der Armee hatte er kein Ziel mehr, keine Sache, für die er kämpfen konnte und nichts, wofür es sich zu sterben lohnte. Das hatte sich geändert, als sie sich ihm anvertraut hatte.
Sie war das Einzige, was jetzt noch für ihn zählte. Er nahm das Foto von ihr aus der Brusttasche und vertiefte sich in ihren Anblick.
Er liebte sie und sie brauchte ihn mehr als irgendjemand anderes auf dieser Welt. Er küsste das Foto.
Er würde für sie töten und sie es ihm danken. Bald.
Während sie sich hinter das Steuer ihres leicht verbeulten Ford Ranger Double-Cab Bakkie setzte, einen Pick-up mit Doppelkabine, zog Doc mit der rechten Hand ihre Glock-Pistole aus dem Holster hinter dem Rücken. In der linken hielt sie ihr Handy und schaute auf ihre Online-Dating-App.
Kapitän Jurie van Rensburg, der neben ihr auf dem Beifahrersitz sass, warf ihr einen Blick zu. »Ernsthaft? Willst du ein Date vereinbaren, gerade jetzt?«
»Nein, ich lösche mein Profil.«
»Und was ist mit Ralph?«, wollte er wissen.
Sie runzelte die Stirn. »Ich habe dir alles erzählt, was es über ihn zu sagen gibt und er weiss alles über dich. Wir sind nur platonische Freunde und wenn er das bleiben will, muss er aus dem Schatten treten, seinen Computer und sein Telefon weglegen und mich – und dich – persönlich treffen.«
Jurie warf ihr einen Kuss zu. »Danke. Aber du solltest es jetzt trotzdem wegpacken, Denise.«
»Das Telefon oder die Pistole?«
Er lächelte sie an und sie spürte, wie ihr Herz hüpfte. Jurie nickte in Richtung der Einfahrt zum Aussenparkplatz der Eastgate Mall im Johannesburger Vorort Bedfordview, auf den gerade ein schwarzer BMW X5 SUV mit dem Kennzeichen der Provinz Limpopo gefahren war. »Beides, jetzt ist Showtime.«
Dr. Denise Rado, von ihren Freunden ‘Doc’ und von ihren Studierenden ‘Prof’ genannt, packte das Telefon in die rechte hintere Tasche ihrer Jeans. Schnell schob sie den Schlitten ihrer Glock zurück, um zu prüfen, ob die Patrone im Patronenlager sei und steckte die Pistole wieder ins Holster. Sie vergewisserte sich, dass ihr weisses T-Shirt die Waffe bedeckte.
Es war Sonntagmorgen, eine halbe Stunde bevor um 9.30 Uhr alle Geschäfte des Einkaufszentrums öffneten. Der Parkplatz war grösstenteils leer, abgesehen von den Fahrzeugen der Mitarbeitenden, einigen Frühkäufern im ‘Checkers Hyper-Supermarkt’ und ein paar Leuten, die zum Frühstück ins ‘Wimpy’ gekommen waren. Das Team hatte die Zeit und den Ort gut gewählt – es gingen genug Leute ein und aus, dass die verdeckten Leute nicht auffielen, aber nicht so viele, dass Zivilisten gefährdet würden, falls es schief ginge.
»Mitteilung an alle«, sagte Jurie in ein Handfunkgerät, »das Zielfahrzeug ist auf dem Parkplatz. Keine Bewegung bis Doc das Signal gibt.«
Morgens um 7 Uhr waren sie den Plan in Docs Haus bei Kaffee und ’Rusks’, einem Trockengebäck, noch einmal durchgegangen, wobei ihre Mutter Kanta wie immer auf sie aufpasste. Das Einsatzteam bestand aus acht Personen, von denen Jurie, der Hauptmann der Einheit für Viehdiebstahl und gefährdete Arten in Pretoria, den Einsatz leitete, während Thabo Radebe, einer der Offiziere, als sein Stellvertreter fungierte.
Thabo stand in der Nähe des Eingangs zum Einkaufszentrum an der Wimpy-Imbissbude. »Verstanden«, antwortete er.
»Verstanden«, sagte auch Pam Galloway, eine Zoologin von ‘Gauteng Nature Conservation’, die Mitglied des für die Durchsetzung der südafrikanischen Gesetze in Bezug auf Wildtiere und Pflanzen zuständigen ‘Environmental Management Inspectorates’ war, das man besser unter dem Namen ‘Green Scorpions’ kannte. Pam kam, in gemächlichem Tempo einen Einkaufswagen schiebend, aus dem Checkers. Auch ihr Ehemann Frank, der neben Pam schlenderte, war ein Polizeihauptmann, allerdings bei den Hawks, in der Direktion für vorrangige Verbrechensbekämpfung mit Sitz in Pretoria.
»Ersatzwagen verstanden«, meldete sich Detective Sergeant Jason Chow, der allein in seinem weissen Toyota HiLux am anderen Ende des Parkplatzes sass. Jason war ein neuer Freiwilliger im ‘Pangolin Task Team’, der ‘Sondergruppe Schuppentier’. Er hatte Doc und seinem Vorgesetzten Frank Galloway gesagt, dass er eine Pause von der Verfolgung von Mördern und Drogendealern brauche. Jasons Aufgabe war, die sofortige polizeiliche Reaktion auszulösen, indem er zu Doc fuhr, wenn sie das vorher vereinbarte Signal gab, das den Deal bestätigte.
»Versteckte Kamera, bereit, alles klar.« Sara Skjolds, deren Englisch sicher, deutlich und von kaum einer Spur eines norwegischen Akzents geprägt war. Die dreissigjährige Filmemacherin hatte schon vor COVID in Südafrika gelebt und Doc davon überzeugt, sie solle einen Dokumentarfilm über Schuppentiere und insbesondere über Denise Rados Arbeit zur Bekämpfung des illegalen Handels mit diesen Tieren drehen. Jurie war nicht begeistert gewesen, aber Doc hatte ihn umgestimmt und davon überzeugt, dass diese Tierart solche Sendezeit brauche. Doc hatte eingewilligt, sich, sobald der Dokumentarfilm an die Öffentlichkeit gelangen und ihre Identität weithin bekannt würde, aus der Rolle der verdeckten Ermittlerin zurückzuziehen. Dies war bei der Art und Weise, wie sich ihr Privatleben im Moment entwickelte, vielleicht sowieso eine gute Idee. Aber bis dahin hatte sie noch ein paar Einsätze vor sich.
»Alle bereit«, sagte Jurie, senkte sein Funkgerät und sah Doc an. »Team Regenbogennation zum Einsatz bereit.«
Als sie den X5 über den Parkplatz schleichen sah, lächelte Doc mit zusammengebissenen Zähnen. Ohne dass sie es geplant hatte, entstammte die Mischung aus Zivilisten und Polizisten verschiedener Kulturen Südafrikas, die alle von einem geeint wurden: Ihrer Abscheu vor dem Handel mit einer der gefährdeten Tierarten des Landes.
»Doc ...«
Sie schaute zu Jurie, der seinen Kopf drehte und ein letztes Mal alle Agenten, die er sehen konnte, kontrollierte.
»Was?«, wollte Doc wissen.
Er beugte sich vor und küsste sie.
»Jurie …«
Er grinste. »Tut mir leid, ich konnte nicht anders. Ich liebe dich.«
Sie spürte, wie sie errötete. »Ich dich auch.« Dann öffnete Doc die Fahrertür.
»Sei vorsichtig, Doc.«
Sie sah ihn an und nickte.
Doc stieg aus und zog ihre DKNY-Baseballkappe fest nach unten. Die Mütze abzunehmen war das vereinbarte Signal an alle, einzugreifen, aber das würde sie erst tun, wenn sie das Schuppentier im Blick hatte. Es gab keine Garantie dafür, dass die Wilderer das Tier bei diesem Treffen überhaupt dabei hatten.
So weit vom Eingang des Einkaufszentrums entfernt gab es nur wenige Autos. Als sie auf den schwarzen BMW zuging, waren Docs lange Schritte zügig und selbstsicher, womit sie über die Aufregung, die sie im Bauch spürte, hinwegtäuschte. Bei einer Verhaftung ein wenig nervös zu sein, war normal, doch es waren viel mehr Juries Worte, der Kuss und die Geschwindigkeit, mit der sich ihre Beziehung aus der von Freunden zu der von Liebenden entwickelt hatte, die sie beunruhigten. Sie versuchte, ihn aus ihren Gedanken zu verdrängen, was aber fast unmöglich war.
Als sie sich näherte, winkte sie dem Fahrer des BMW X5 zu, der kurz verlangsamte, aber nach kurzem Zögern wieder beschleunigte und direkt auf sie zu fuhr.
Einen Moment lang fragte sich Doc, ob der Mann sie überfahren wolle, denn der Motor heulte auf, als er auf sie zu preschte. Doc sah sich um. Zehn Meter weiter links befand sich ein Lichtmast, dem sie sich zuwandte. Wenn dieser Clown nicht langsamer wurde, konnte sie sich dahinter verstecken und die Pistole ziehen.
Doch schliesslich nahm der Fahrer den Fuss vom Gaspedal und das Fahrzeug rollte auf sie zu.
»Guten Morgen, howzit«, sagte Doc, als das getönte Fenster sich senkte und sie zwei Männer im Auto sitzen sah.
»Sie sind eine Frau«, stellte der Fahrer fest.
»Und Sie sind ein Mann«, gab Doc strahlend lächelnd zurück.
»Und Sie sind Inderin«.
Doc zog eine Grimasse. »Ja, zur Hälfte. Steven, nehme ich an?«
Er nickte langsam und schien sie gleichzeitig von Kopf bis Fuss zu mustern. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.«
»Lassen Sie uns zur Sache kommen, ja?«
»Ich hätte wissen müssen, dass Sie Inderin sind, so wie Sie mich runtergehandelt haben.« Er lachte, als er aus dem Geländewagen stieg.
Sie liess die rassistischen Ausdrücke unkommentiert. Sein Englisch war gut und sie dachte, ihre erste Vermutung, als sie seinen Namen, Steven Muzorewa, gehört hatte, nämlich dass er aus Simbabwe stamme, sei richtig. Sein rasierter Kopf, die goldene Halskette und eine teure Lederjacke, die über dem Bauch offenstand, liessen auf gewissen Wohlstand schliessen.
»Haben Sie das Geld?«
»Ja, ganz in der Nähe und ich hole es, sobald ich die Ware gesehen habe«, antwortete Doc.
Er lächelte, wobei ein Zahn sichtbar wurde, der zu seinem Klunker passte. »Vorsichtig und hartnäckig zugleich. Und hübsch.«
»Ich will nicht entführt werden.«
Es war bei einer früheren Verhaftung schon einmal passiert, dass das Einsatzteam bei einer ausgeklügelten Undercover-Operation beinahe selbst zum Opfer geworden wäre. Der Mann, mit dem Doc damals über WhatsApp, ihre bevorzugte Kommunikationsmethode, verhandelte, hatte nur vorgegeben, ein Schuppentier zu besitzen. Zwei Autos fuhren vor und aus einem der Fahrzeuge der Kriminellen stiegen zwei Männer mit AK-47 und wollten offensichtlich die 180'000 Rand behändigen, die Doc für das Phantom-Schuppentier zu zahlen eingewilligt hatte, worauf ein Feuergefecht ausgebrochen war. Glücklicherweise war ihr Einsatzteam an Feuerkraft überlegen und die Angehörigen der ‘Falken’ erschossen einen der Bewaffneten und verwundeten den anderen, bevor sie den Mann, der das Schuppentier angeblich verkaufen wollte, verhafteten.
»Clever.«
»Tatenda.«
»Haha«, sagte Steven. »Sind Sie auch aus Simbabwe?«
»Nein«, schüttelte Doc den Kopf, »aber ich hatte mal einen simbabwischen Freund. Es ist ein wunderschönes Land. Aber lassen Sie mich jetzt die Ware sehen.«
Steven blickte zu dem Mann, mit dem er gekommen war und der an der Beifahrertür stand. Er war dünn, trug einen Ziegenbart und seine rechte Hand steckte in der offenen Lederjacke.
Bewaffnet. Doc blieb ruhig. »Sie haben sie doch mitgebracht, oder?«
»Ich habe nicht gedacht, dass Sie wirklich kommen«, sagte Steven.
»Und ich bin trotzdem hier.« Spielte er auf Zeit oder war er misstrauisch? Der Komplize liess seine Augen über den Parkplatz wandern. Doc kannte alle Mitglieder des Einsatzteams gut, ausser Jason Chow, der Dirkie van der Merwe ersetzte. Van's erstes Kind war gerade zur Welt gekommen und er hatte Urlaub, so dass der eifrige junge Jason einspringen konnte.
»Als ich um eine halbe Million Rand bat, sagten Sie mir, ich solle Ihre Zeit nicht länger verschwenden und erklärten ausserdem, Sie würden mich nicht treffen«, sagte Steven.
Doc zuckte mit den Schultern. »Sie haben meinem Endpreis zugestimmt – einhundertachtzig.« Doc hatte durch Versuch und Irrtum und indem sie Jurie und den anderen Mitgliedern des Teams, die schon länger verdeckt arbeiteten, zuhörte, gelernt, wie man eine verdeckte Ermittlung durchführt.
Die Regeln waren in Stein gemeisselt. So stimmte man niemals beim ersten Anruf einem Treffen zu, denn wenn man zu eifrig war, roch der Verkäufer den Braten. Sie verhandelte hart und drückte den Preis immer weiter nach unten, genau wie es ein echter Zwischenhändler getan hätte und liess das Geld nie im ersten Moment sehen.
»Zeigen Sie mir das Geld«, sagte Steven.
»Auf Wiedersehen«, sagte Doc, drehte sich um und ging zwei Schritte.
»Warten Sie.«
Doc blieb stehen und wandte sich ihm wieder zu. Steven hielt eine Hand auf, zog ein Telefon aus seiner Tasche und tippte eine SMS ein.
Über Stevens Schulter schauend, sah sie einen verbeulten Nissan-Bakkie, einen Pick-up, an dem eine Markise befestigt war, auf den Parkplatz fahren, der an Dutzenden freier Parkplätze in der Nähe des Einkaufszentrums vorbeifuhr. Das Fahrzeug, hinter dessen Lenkrad ein Mann sass, fuhr auf die beiden zu.
»Ein Freund von Ihnen?«, fragte Doc.
»Ja und ich schlage vor, dass Sie Ihren ‘Freund’ oder die Person, die das Geld hat, jetzt auch anrufen. Ich zeige Ihnen die Ware und dann will ich das Geld sehen, sofort.«
»In Ordnung.« Doc nahm ihr Handy heraus und schickte Jurie eine SMS. Fahr näher ran. Er will das Geld sehen, sobald er mir das Paket zeigt. Zweites Auto kommt – Nissan.
Die Antwort kam sofort. Verstanden.
Steven nickte zum Ford Ranger hin, an dessen Steuer nun Jurie sass, das auf etwa 50 Meter genähert hatte. »Das Geld?«
Doc nickte. Der Nissan fuhr vor und hielt neben dem X5. Steven winkte dem Fahrer zu, der daraufhin ausstieg, den Motor aber laufen liess. Der Neuankömmling sah wettergegerbt aus und hatte Grasflecken an den Knien seiner blauen Arbeitshose, was einen Gegensatz zu Steven darstellte, dessen Kleidung und Aussehen urban waren.
»Hat dieser Mann es gefangen?«, fragte Doc Steven.
»Ja, er ist ein Verwandter und arbeitet auf einem Bauernhof. Aber um die finanzielle Seite der Dinge kümmere ich mich. Ist das klar?«
Doc nickte. Unter Dieben gab es keine Ehre und sie wusste, dass der Kerl im Bakkie nur einen Bruchteil vom Gewinn erhielt, den Steven zu erzielen dachte. Der Bauer öffnete die Heckklappe des Nissan und Doc und Steven gingen zu ihm. Stevens zweiter Mann blieb beim X5 stehen und liess den Blick über den Parkplatz schweifen, der sich nun füllte, da immer mehr Frühaufsteher kamen, die dem Gedränge zuvorkommen wollten.
Doc registrierte Pam und Frank, die ihre Einkäufe gemächlich in den Kofferraum ihres Toyota Fortuner packten. Pam hatte die Zeit zur Überbrückung vor dem Treffen tatsächlich genutzt, um ihren Wocheneinkauf zu erledigen.
Aus den Augenwinkeln sah Doc ein Auto, das vom gegenüberliegenden Ende des Parkplatzes fortfuhr, vom Eingang und von den Geschäften weg, die bereits geöffnet waren. Es war Jason in seinem HiLux.
Was soll der Scheiss? Warum wartet er nicht auf mein Zeichen?
Sie zwang ihren Blick zurück zum Nissan, wo der Bauer begann, mit einem Schraubenzieher den Deckel einer Holzkiste aufzuhebeln. In den selbstgebauten Käfig waren ein paar symbolische Löcher gebohrt worden.
Stevens Begleiter hatte Jurie, von dem er jetzt wusste, dass er Docs Nummer zwei und vermutlich der Mann mit dem Geld war, angestarrt, aber nun richtete er seine Aufmerksamkeit auf Jasons entgegenkommenden HiLux. Dieser war noch etwa dreihundert Meter von ihnen entfernt, überquerte die weissen Markierungen der leeren Parkplätze und steuerte direkt auf drei Fahrzeuge zu, die allein in einer noch leeren Ecke des Parkplatzes standen. Der dünne Mann rief Steven in einer Sprache, von der Doc annahm, es sei Shona, etwas zu.
»Was ist los?«, erkundigte sich Steven auf Englisch.
Dem Mann in der Latzhose gelang es schliesslich, den Deckel abzuheben und Doc lehnte sich zur Kiste, aus der es nach feuchter Erde, verrottendem Stroh und etwas Verfaulendem roch, und in der ein zusammengerolltes Temminck-Schuppentier lag. Doc griff zu ihrem Hut.
»Es ist eine Falle!« Der dünne Mann huschte zur Fahrerseite des X5, sprang hinein, schlug die Tür zu und liess den Motor an.
Doc riss sich die Mütze vom Kopf.
Jurie sprang, seine Z88-Pistole gezogen, aus dem Auto. »Polizei! Auf den Boden legen!«
Doc zog ihre Glock aus dem Holster und richtete sie auf Steven und den Mann im Overall. »Tut was er sagt, mit dem Gesicht nach unten auf den Boden.«
Der Farmer, der mit dem Bakkie gekommen war, ging auf die Knie und Doc gab ihm einen Stoss in den Rücken. »Ganz nach unten, das Gesicht auf den Boden!«
Während er das Gaspedal kräftig durchdrückte und rückwärtsfuhr, streckte der dünne Mann die rechte Hand aus dem Fenster des X5 und feuerte zweimal. Doc duckte sich, als eine der Kugeln über ihren Kopf pfiff, und Steven nutzte den Moment ihrer Ablenkung, stiess sie hart gegen die Brust und griff, während er floh, hinter seinen Rücken.
Jurie befand sich, Beine gespreizt und die Pistole im beidhändigen Griff, in Schussposition. Er feuerte zwei Schüsse auf die Windschutzscheibe des wegfahrenden X5, musste dann aber seine Waffe senken, weil Jason heranfuhr und zwischen Jurie und dem BMW parkte. »Fok! Verschwinde aus dem Weg!«
Doc befand sich allein und ungeschützt auf der anderen Seite von Juries HiLux, während Steven, ebenfalls mit gezogener Pistole, hinter dem BMW herrannte. Ihr Herz hämmerte wie wild. Doc zielte auf ihn und schrie: »Steven, anhalten!«
Der BMW fuhr weiter rückwärts und Steven kam langsam zum Stehen. Keuchend drehte er sich zu Doc um. Er war allein und wurde in die Enge getrieben – sein Komplize hatte ihn im Stich gelassen. Sie betete, er senke einfach seine Waffe. Doch er hob sie.
Doc visierte durch ihre Glock und drückte ab, wie sie es Hunderte Male auf dem Schiessstand geübt hatte.
Ihr erster Schuss ging daneben, liess Steven sich jedoch ducken. Doc roch Kordit und hörte weitere Schüsse um sich herum. Sie konzentrierte sich auf Steven und sah, dass er sich wieder aufrichtete. Seine Waffenhand zuckte und Sie hörte einen weiterer Schuss vorbeizischen. Sie zielte und feuerte erneut. Diesmal stürzte Steven nach hinten.
Doc starrte auf den gefallenen Mann. Ihr blieb der Mund offen, als die Erkenntnis sie durchzuckte, gerade zum ersten Mal in ihrem Leben auf jemanden geschossen zu haben.
Nun spielte Zeit keine Rolle mehr. Leute schrien und Jason verfolgte den BMW, musste aber bremsen, weil ein grosser Checkers-Lastwagen zwischen ihnen hindurch rollte. Doc bemerkte, dass der Lieferwagen, an dessen Steuer Sara, die Filmemacherin, sass, über den Parkplatz in Richtung Ausfahrt raste. Der BMW-Fahrer raste rückwärts, wobei seine Reifen schwarzen Gummi auf dem Asphalt hinterliessen und beschleunigte dann ebenfalls auf die Ausfahrt des Einkaufszentrums zu.
Doc hörte das Knirschen der Gänge und roch den Geruch verbrannten Gummis. Saras Lieferwagen tauchte hinter dem Lastwagen auf und prallte in die Seite des BMW. Verdeckte-Beamte sprinteten zum Unfallort.
»Doc? Bist du in Ordnung?«
Doc drehte sich um, als sie Pams Stimme hörte. »Ich …, ja, ich glaube schon.«
Pams Ehemann Frank war zum am Boden liegenden Steven gelaufen, kniete nun neben ihm und sprach in sein Handfunkgerät.
Jason umfuhr den Checkers-Lastwagen, stieg mit gezogener Pistole aus seinem Fahrzeug und näherte sich dem BMW. Sara war aus ihrem Wagen gestiegen und hielt die Videokamera in der Hand, um zu filmen, wie Jason dem dünnen Mann halb aus dem beschädigten X5 half und ihn halb herauszerrte. Dessen Gesicht war blutverschmiert und als er schliesslich auf dem Boden lag, legte Jason ihm Handschellen an.
Jurie rief einen Krankenwagen und war damit eben fertig, als er Doc erreichte. »Was für ein verdammtes Durcheinander.«
»Wie geht es Steven?«
»Wem?«, fragte Jurie.
Doc nickte in Franks Richtung, der immer noch kniete. »Dem Typ, den ich angeschossen habe.«
»Frank sagt, er wird es überleben. Es sieht aus, als habe deine Kugel ihn seitlich durchschlagen.«
»Wir haben das Schuppentier.« Doc fühlte sich wie betäubt, war aber froh, dass Steven noch lebte. Sie und Jurie waren miteinander bei mehr als achtzig Einsätzen gewesen und obwohl es bei einigen von ihnen zu Schusswechseln gekommen war, hatte sie selbst noch nie wirklich auf jemanden gefeuert.
»Gut.« Er drückte dem Bauern sein Knie in den Rücken und fesselte ihm die Hände auf dem Rücken.
Nach dem Ende der Schiesserei bildete sich nun eine Menschenmenge aus Käufern und Angestellten aus dem Einkaufszentrum und immer mehr Leute bewegten sich in ihre Richtung. Doc hörte das sich nähernde Heulen der Sirene eines Krankenwagens.
»Wir können gehen, Doc«, sagte Jurie.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es ist wichtig, dass ich bleibe.«
»Du hast einen Mann angeschossen und musst das verarbeiten. Ausserdem müssen wir deine Aussage aufnehmen.«
»Ja, ich weiss, aber das kann warten.«
Doc lehnte sich in die offene Heckklappe des Nissans und griff in die Kiste, in deren Ecke sich das Schuppentier zusammengerollt hatte, um sich zu schützen. Es sah wie ein schuppiger Basketball aus. Als sie es jedoch aus seinem Gefängnis und in die Morgensonne hob, entfaltete es sich.
Sie hielt es in den Armen und Jurie, der neben ihr stand, sah ihr zu. Nun legte sich das Tier – wie es aussah ein Weibchen, obwohl dies schwer zu sagen war – zurück und entblösste seinen Bauch vor Doc. Es war schmutzig, stank und schien sich schlapp zu fühlen, aber immerhin lebte es und blickte nun zu ihr auf. Doc spürte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Egal, wie oft ich das sehe, ich kann es immer noch nicht richtig glauben«, sagte Jurie. »Es ist, als wüssten sie, dass sie, sobald man sie aufhebt, in Sicherheit sind.«
Doc sah vom Schuppentier zu Jurie, der ihr zulächelte. »Ich habe einen Mann verwundet, Jurie.«
»Ich weiss, aber er wird wieder gesund. Die sind hart im Nehmen, Doc, aber wir können darüber reden. Ich …«
»Was ist das?« Ein etwa acht- oder neunjähriger Junge hatte sich aus der Menge an sie herangeschlichen und deutete auf das Schuppentier. Seine Eltern, die sich umschauten, um sich zu vergewissern, dass keine Gefahr mehr bestand, folgten dicht hinter ihm.
»Ein Schuppentier«, sagte Doc. Immer mehr Menschen trafen ein und versammelten sich in einem Bogen um den Nissan. Viele hatten ihre Handys gezückt und filmten, um von den Ereignissen, die gerade passiert waren, zu berichten. »Kommen Sie näher und sehen Sie es sich an.« Forderte sie die Leute auf, die sich nun herandrängten. »Aber seien Sie leise, sonst erschrecken wir es.« Doc legte einen Finger an die Lippen.
Das Geschwätz wurde zum Flüstern. Doc setzte das Schuppentier vor sich auf den Boden und als das Tier ein paar zaghafte Schritte machte, sich dann auf die Hinterbeine erhob und sich umsah, verstummten selbst die Flüsternden. Jurie holte eine Steppdecke aus dem Kofferraum des Autos, breitete sie auf dem Boden aus, worauf Doc das Schuppentier aufhob und es auf die Decke legte.
»Sie können gern Fotos machen«, lud sie die Menge ein. »Aber bleiben Sie bitte ruhig, dann kann ich Ihnen eine Geschichte erzählen.«
Die Zuschauer rückten näher zusammen und filmten und fotografierten weiter, aber niemand von ihnen sprach. Doc schätzte, die Menge sei auf zweihundert oder mehr Personen angewachsen.
»Wenn ihr Donner vom Himmel hört«, begann Doc und schaute einigen ihrer Zuhörer in die Augen, »dann ist das das Geräusch des Schuppentiers, das im Himmel seine Schuppen aneinander reibt.« Sie strich mit ihren Händen über den Rücken des Schuppentiers. »Und wenn der Regen kommt, ist das auch ein Geschenk des Schuppentiers, das das kostbare Wasser, unser Lebenselixier, ins Land bringt. Dies hier ist ein Schuppentier und in vielen afrikanischen Kulturen ein heiliges, kostbares und wertvolles Wesen. Hat jemand eine Frage?«
Der kleine Junge, der mit seinen Eltern als erster vor Ort war, hob die Hand. »Ist es wie ein Krokodil?«
Doc lächelte. »Ja und nein. Es sieht vielleicht wie ein Krokodil oder ein Gürteltier aus, ist aber keins von beidem. Es ist ein Säugetier mit Schuppen. Die Leute, die diese Tiere aus der Wildnis stehlen, um sie als Fleisch, oder weil sie fälschlicherweise glauben, die Schuppen hätten magische Kräfte, an reiche Leute in Übersee verkaufen, stehlen damit euer kulturelles Erbe.«
»Das dürfen sie doch nicht!«, bemerkte eine Frau.
Jurie zog den Mann in der Latzhose auf die Beine.
»Dieser Mann bestiehlt uns«, kommentierte ein junger Mann in der Menge und deutete auf den Wilderer.
Die erste Reihe des Publikums machte ein paar Schritte auf den Täter zu, aber Doc hielt die Hand auf. »Nein. Lasst das Gesetz seinen Lauf nehmen und die Polizei ihre Arbeit machen. Heute haben wir einen Sieg für Südafrika errungen, für unser Land, für uns alle, Mzansi.«
Der kleine Junge hielt eine Faust hoch und eine Frau begann zu tanzen. »Für Mzansi!«
»Mzansi!«, brüllte die Menge.
Als sie wieder in ihren Ford Ranger stieg, zitterte Doc und Jurie beugte sich nun, nachdem der Rest des Einsatzteams gegangen war und der Krankenwagen Steven und seinen Komplizen unter bewaffneter Bewachung abtransportiert hatte, zu ihr hin, legte seinen Arm um sie und küsste sie auf die Stirn.
»Du warst mutig und hast es toll gemacht«, lobte er sie.
Sie holte tief Luft. »Danke.«
Ihr Telefon gab einen Ton von sich und sie schaute darauf. Es war eine WhatsApp-Nachricht von Geoff Hoddy, einem ihrer Studenten, der fragte, wie die Aktion gelaufen sei. Sie schickte ihm eine kurze Antwort, in der sie schrieb, sie hätten ein Schuppentier gerettet und ihn bat, die Nachricht an ihre anderen Studierenden weiterzugeben. Sie alle wussten, dass eine Razzia stattfand, aber niemand hatte genaue Angaben über Ort und Zeit erhalten.
»Das war knapp«, sagte Jurie.
Sie nickte. »Ja, aber wenigstens haben wir es gerettet.«
Sie sah ihn an. Er hatte immer noch die Figur des Rugby-Stürmers, der er in der Schule gewesen war, auch wenn sich nun unter dem T-Shirt sein Bauch abzuzeichnen begann. Er sah auf eine schroffe, kantige Art gut aus und hatte ihr wahrscheinlich durch sein schnelles Denken und seine sofortigen Reflexe bei Angriffen mit Stichwaffen schon oft das Leben gerettet. Und er liebte sie. Sein Telefon klingelte.
»Hallo, ich bin in ein paar Stunden da«, sagte er ohne Vorrede. »Ja, ich weiss, dass Piet heute ein Spiel hat. Wie gesagt hole ich ihn, wie ich schon sagte, ab und nehme ihn mit. Und bevor du mich daran erinnerst, ja, es ist mir klar, dass Piet Sannie sehen will. Tschüss.«
Er atmete laut aus.
»Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dich von deinen Kindern fernhalte«, sagte Doc. »Es sollte doch dein Wochenende mit ihnen sein, oder nicht? Und du hast mich gerade daran erinnert, dass Sannie in die Stadt kommt.«
Sannie van Rensburg war die Witwe von Christo, Piets Cousin, der vor einigen Jahren im Dienst erschossen worden war. Sie war ebenfalls Kriminalbeamtin, Captain bei den an der Südküste von KwaZulu-Natal stationierten Hawks. Doc war ihr schon einmal begegnet, hatte sie gemocht und hoffte – oder wünschte sich –, dass Sannie sie und Jurie als Paar akzeptieren würde.
Er nickte. »Ja, aber sowohl die Kinder wie auch Sannie verstehen das. Sie wissen, dass ich wichtige Arbeit zu erledigen habe. Suzette dagegen nicht so ganz.« Jurie streckte eine Hand aus und legte sie auf ihre. »Und Piet himmelt dich an.«
Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln.
»Er wird dich noch mehr lieben, wenn wir richtig zusammenleben«, sagte Jurie.
Doc biss sich auf die Unterlippe. Die Dinge zwischen ihnen entwickelten sich schnell. Durch ihre gemeinsame Arbeit waren sie und Jurie schon vor langer Zeit enge Freunde geworden, doch da er verheiratet war, hatte sie sich gezwungen, stärkere Gefühle zu unterdrücken. Dann, vor drei Wochen, war Jurie von zu Hause ausgezogen und erzählte Doc, die Dinge liefen schon lange nicht mehr so gut und nun hätten er und Suzette sich schliesslich getrennt und die Scheidung vereinbart. Jurie teilte sich nun ein Haus mit Jaco, einem anderen, ebenfalls geschiedenen Polizisten, hatte Doc gegenüber aber bereits deutlich gemacht, dass er sich wünsche, eine gemeinsame Wohnung zu suchen, sobald sie dazu bereit sei.
Eine Woche, nachdem Jurie aus dem Haus der Familie ausgezogen war, beschatteten die beiden das Haus eines chinesischen Südafrikaners. Sie hofften, dass ein verdächtiges Fahrzeug auftauche, anhand dessen Kennzeichen sie Verbindungen zu kriminellen Machenschaften hätten nachweisen können. Um neun Uhr abends gaben sie auf und gingen zu ihr nach Hause, um noch einen Kaffee zu trinken. Da hatte er ihr gestanden, dass er sie liebe.
Jetzt sah ihr Jurie ins Gesicht und schien ihr Unbehagen zu spüren. »Keine Sorge, Doc. Ich sage es dir noch einmal, was ich dir schon mehrmals erklärt habe: Ich habe Suzette nicht verlassen, weil ich so viel für dich empfinde, sondern ich glaube, wir haben nur wegen der Kinder versucht, zusammenzubleiben, was falsch war.«
»Ja«, gab sie zurück
Er nickte. »Es ist die Wahrheit, Doc.«
»Ich glaube dir.« Sie hatte Suzette ein paar Mal getroffen, war aber nie warm mit ihr geworden. Suzette hatte deutlich gemacht, sie sei die Arbeitszeiten von Jurie leid. Doc stellte sich vor, Suzette hätte sich als Ehefrau eines Polizeibeamten daran gewöhnt, spürte aber auch den unausgesprochenen Vorwurf, Docs Arbeitsgruppe habe seine Arbeitsbelastung zusätzlich erhöht. »Aber sie gibt mir die Schuld an der Trennung.«
Er seufzte. »Das ist eine bequeme Ausrede, denn Sie möchte lieber glauben, ich hätte eine Affäre mit dir gehabt, als zuzugeben, dass sie mehr hätte tun können, damit unsere Ehe funktionierte. Sie glaubt mir immer noch nicht, dass wir beide nicht zusammen waren, bevor ich von zu Hause ausgezogen bin.«
Ihr Herz schmolz dahin. Er war so gross und so stark, aber sie wusste, dass er auch eine sensible Seite hatte und das alles schwer für ihn war.
»Ich möchte weder dein Leben noch die Beziehung zu deinen Kindern ruinieren«, sagte Doc.
»Das tust du auch nicht.« Er runzelte ein wenig die Stirn. »Ich glaube, du wirst sie sogar retten.«
Ihr Telefon piepte und sie nahm es heraus. Es war eine WhatsApp-Nachricht von einer Nummer ohne Namen und ohne Profilbild. Auch Doc benutzte ein solches Konto oder irgendetwas, das ihr Geschlecht oder sonst etwas über sie verriet. Trotz ihrer fast 20 000 Follower auf Instagram, wo sie über erfolgreiche Operationen berichtete, hatte nur bei einer einzigen Verhaftung ein Wilderer den Zusammenhang hergestellt und erkannt, wer sie war, allerdings erst nachdem Jurie und die anderen Polizisten ihn bereits umzingelt und ihm Handschellen angelegt hatten.
Sie las die Nachricht. Ich habe gehört, Sie seien ein Händler. Ich möchte kaufen, nicht verkaufen.
Jurie schaute zu ihr hinüber. »Was gibt es?«
Doc reichte ihm das Telefon. Als er die Nachricht las, weiteten sich seine Augen. »Ein Käufer? Scheisse, Mann.«
Doc spürte, wie ihre Stimmung kippte. So schockiert sie darüber war, dass sie Steven verwundet hatte, so hin- und hergerissen von Juries Gerede über seine Ehe, verzückt von den Erinnerungen an ihr sensationelles Liebesspiel, spürte sie nun einen Adrenalinstoss, der sie von innen heraus auflud.
»Fünf Jahre«, sagte sie. »Seit fünf verdammten Jahren machen wir das, aber egal wie viele Schuppentiere wir beschlagnahmt und wie viele Leute wir weggesperrt haben, die nächste Stufe, nämlich einen echten Käufer zu finden, erreichten wir bisher nie.«
»Schick ihm eine Antwort«, sagte Jurie.
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Die goldene Regel lautete, nicht allzu eifrig zu erscheinen und zu bereit, ein Geschäft zu machen. Doc tippte eine Nachricht ein: Ich habe bereits einen Käufer. Dann hielt sie den Atem an.
Sofort erschienen neben der Nachricht die beiden blauen Häkchen, die ihr zeigten, dass diese gelesen worden war. Ihr Telefon piepte. Ich zahle 20 Prozent mehr als was man geboten hat.
Doc zeigte Jurie die Nachricht.
»Er ist sehr bemüht.«
»Zu sehr?«, fragte sie.
»Glaubst du, das ist eine Falle?«
»Wie du weisst, habe ich schon viele Morddrohungen erhalten«, sagte sie.
Doc hörte Motorengeräusche und sah vom Telefon auf. Sara, deren Wagen noch fahrbar, dessen vordere Aussenseite allerdings verbeult und der Frontbügel durch den Zusammenstoss mit dem BMW verbogen war, hielt neben ihnen an.
Die Filmemacherin lehnte sich aus dem Fahrerfenster. »Wollen wir zum Brunch gehen?«
Doc zuckte mit den Schultern. »Ich bin müde. Hast du das Filmmaterial bekommen, das du dir erhofft hast?«
Sara nickte. »Und ziemlich viel. Ich habe einige Interviews mit Leuten aus der Menge gemacht. Es war sehr bewegend, auch mit dem kleinen Jungen ganz vorne. Ihm gefiel deine kleine Lehrstunde und die Sache mit den Schuppentierschuppen, die Donner machen. Bist du okay?«
»Ja, alles in Ordnung«, schwindelte Doc. »Was du getan hast, so gegen den BMW zu fahren, war wahnsinnig. Komplett verrückt, aber so mutig.«
Sara lachte. »Es war wie ein Rausch und ich habe einfach instinktiv gehandelt. Was ich aufnehmen konnte, war erstaunlich – all die Action und die Schüsse. Aber was war mit Jason los? Er hätte es fast vermasselt.«
»Frank Galloway wird sich mit ihm darüber unterhalten«, warf Jurie ein. »Anscheinend funktionierte sein Funkgerät nicht mehr, so dass er die Verbindung verlor. Er ist also näher herangefahren, um herauszufinden, ob es sich um eine Frage der Reichweite handle. Als er bemerkte, dass Stevens Begleiter ihn anstarrte, scheint es, nun ja, dass beide in Panik gerieten. Jason ist jung und motiviert – möglicherweise sogar übermotiviert.«
Doc fand, Jurie nehme die Sache mit Jason zu sehr auf die leichte Schulter, denn sie hätte nicht der junge Detektiv sein wollen, wenn Frank ihn befragte.
»Und er ist Chinese«, sagte Sara.
Ihre Worte blieben zwischen den dreien hängen.
»Und was hat das damit zu tun? Im Gegensatz zu dir, Sara, ist er in Südafrika geboren«, sagte Jurie.
»Kapiert«, parierte Sara.
Doc, die sich selbst auch bereits einige Fragen gestellt hatte, überlegte sich, ob Jurie einfach in den Modus eines Polizisten, der einen anderen beschützte, verfallen sei. Aber warum war Jason so erpicht darauf, sich ihrer Einsatzgruppe anzuschliessen? Und warum hatte er Jurie nicht einfach angerufen, wenn sein Funkgerät nicht funktionierte, oder ihm eine WhatsApp geschickt? Zweifellos würden Jurie oder Frank das Funkgerät testen.
»Lasst uns ins Mugg & Bean gehen«, sagte Jurie. »Ich bin am Verhungern.«
Doc nahm an, Jurie habe es bis kurz vor der Abholung seines Sohnes Piet auch nicht eilig, zu gehen. »Von mir aus. Was meinst du, Sara?«
»Klingt gut, ich könnte einen Kaffee gebrauchen.«
»Ich werde die Studierenden benachrichtigen«, sagte Doc. »Ich habe ihnen gesagt, wir könnten uns nach der Aktion vielleicht unterhalten. Sie werden sich freuen, alles darüber zu hören.«
Sie parkten näher am Einkaufszentrum und stiegen alle aus und Doc schickte Geoff eine Nachricht. Pam und Frank hatten das Schuppentier mitgenommen, um es in ein Rehabilitationszentrum zu bringen.
Sie gingen ins Einkaufszentrum, in dem es nur so von Sonntags-Einkaufslustigen wimmelte und machten sich auf den Weg zum Café.
»Geht es dir gut, Doc?«, erkundigte sich Sara erneut.
»Klar, warum?«
»Nun, du hast gerade einen Mann angeschossen und ich habe gesehen, welche Wirkung ein Kampf selbst auf abgehärtete Soldaten haben kann. Verzeih mir, aber du bist eigentlich Professorin, eine Akademikerin. Wie fühlst du dich?«
»Kommt das in meine Akten?«
Sara lachte. »Wenn es so wäre, hätte ich meine Kamera dabei. Nein, aber du siehst, ich weiss nicht, angespannt aus.«
»Nein, nein, da ist nichts.« Docs Telefon piepte und sie nahm es heraus, während ein Kellner ihnen einen Tisch zuwies. Das Mugg & Bean war voll mit Brunchgästen, von denen einige offensichtlich vom Kirchenbesuch kamen und scheinbar ihre besten Sonntagskleider trugen. Doc entdeckte den kleinen Jungen, der in der Menge das Schuppentier beobachtet hatte. Er winkte ihr zu und sie winkte zurück. Sie bestellte Avocado auf Toast und einen Filterkaffee, bevor sie erneut auf ihr Handy blickte.
Jurie bestellte, ohne überhaupt auf die Speisekarte zu schauen, das südafrikanische Bauernfrühstück und Sara dasselbe wie Doc und einen Cappuccino. »Ist er das schon wieder?«, wollte Jurie wissen.
»Wer ist ‘er’?«, erkundigte sich Sara.
»Niemand«, sagte Doc.
Jurie starrte sie an.
Sara stand auf. »Ich gehe kurz auf die Toilette«, erklärte sie, ging hinter Doc durch und blieb hinter ihr stehen. »Oh, ein Käufer!«
Doc zog ihr Telefon an die Brust und schaute über die Schulter. »Sara, bitte spionier meine Telefonnachrichten nicht aus.«
»Ich habe nicht spioniert ..., nur zufällig hingesehen.« Sie kehrte auf ihren Platz zurück.
»Und wolltest du nicht auf die Toilette gehen?«
»Jurie, was sollen wir nun tun?«, fragte Sara.
Jurie runzelte die Stirn. »Hier gibt es kein ‘wir’, Sara, denn das ist eine polizeiliche Angelegenheit.«
»Ja, aber ihr habt mir gesagt, ihr hättet seit Jahren auf diesen Durchbruch gewartet und nun habt ihr die Chance, an einen echten Spitzenmann heranzukommen, anstatt so zu tun, als ob ihr die Mittelsmänner, die Käufer, wärt.«
»Ich glaube, du bist etwas voreilig, Sara«, sagte Doc. »Hier ist nicht von Spitzenleuten die Rede, sondern nur von einem möglichen Käufer. Wir sind schon einmal in einen Hinterhalt gelockt worden und es könnte jemand sein, der es uns heimzahlen will. Das ist jedes Mal eine Möglichkeit, wenn wir ein Treffen organisieren«, sagte Jurie.
Ein Kellner kam mit ihren Kaffees und Doc nahm hastig einen Schluck. Sie war zwiegespalten, fühlte aber noch etwas anderes und versuchte, herauszufinden, was es war. Was sie heute Morgen erlebt hatte, war traumatisch und schockierend gewesen, aber gleichzeitig aufregend und es hatte fast etwas wie ein Hochgefühl in ihr ausgelöst. Sie waren in eine Schiesserei verwickelt gewesen, hatten sie unverletzt überlebt und obwohl es schrecklich gewesen war, auf Steven zu schiessen, war er noch am Leben und sogar in Gewahrsam. Ausserdem hatten sie das Schuppentier retten können. Während sie über all das nachdachte, traf auf ihrem Telefon eine weitere Nachricht ein.
»Was schreibt er jetzt?«, wollte Jurie wissen.
Doc sah auf den Bildschirm und biss sich auf die Lippe. »Er möchte ein Treffen, und zwar heute.«
Sara boxte mit der Faust in die Luft. »Ja.«
Als Doc es weglegte, piepte ihr Telefon erneut und sie stöhnte, bevor sie es anschaute.
Jurie hob fragend eine Augenbraue.
Doc schüttelte den Kopf. »Diesmal ist es Geoff, der mit Zola und Sue in der Gegend ist. Sie sind unterwegs.«
Jurie lächelte. »Komischer Zufall, dass deine drei Doktoranden zufällig alle in der Nähe des Ortes sind, an dem du gerade ein Schuppentier gerettet hast.«
»Ja«, lächelte Doc. »Sie möchten gern herkommen und hören, wie es gelaufen ist.«
»Von mir aus«, sagte Jurie.
Während Doc überlegte, was sie mit dem Käufer tun solle, schickte sie ihnen eine Nachricht, dass sie im Mugg & Bean seien.
Geoff Hoddy schlängelte sich in seinem ramponierten HiLux-Doppelkabinen-Bakkie aus den späten neunziger Jahren auf der N1 durch den Verkehr.
»Bitte lass uns am Leben, Geoff«, bat Sue Oliver, während Zola Nkosi auf dem Rücksitz sass, in einem Lehrbuch las, dazu über ihre Airpods Musik hörte und mit dem Kopf wippte.
»Wenn du mit dem Tempo hier nicht zurechtkommst, Sue, musst du zurück ins sichere London gehen«, sagte Geoff.
Sue schüttelte den Kopf. »Nein, du musst Testosteron abbauen und dich mehr darauf konzentrieren, den Blinker zu setzen, bevor du die Spur wechselst. London hat Spass gemacht – ich bin so froh, dass ich meinen britischen Pass habe – aber du kannst dir nicht vorstellen, wie teuer der Wein dort ist.«
»Es ist cool, dass Doc ein Schuppentier gerettet hat und uns sehen will«, sagte Geoff.
Sue lachte. »Sieh mal an, du wechselst das Thema und bist aufgeregt wie ein Hündchen. Hast du für die Lehrerin einen Apfel in deinem Rucksack?«
Geoff warf einen Blick auf Sue und sah, dass sie grinste. Sie neckte ihn immer, und er wusste nicht, ob sie ihn nicht mochte oder vielleicht sogar das Gegenteil der Fall war. Er war gern mit ihr zusammen. Sie hatte tiefschwarzes, kurz geschnittenes Haar und die blasse Haut ihrer Oberschenkel, die unter den zerrissenen Jeans-Shorts zu sehen war, war mit Tattoos verziert. Er selbst stand nicht auf Tinte, aber zu Sue passte es.
Er warf einen Blick in den Spiegel und Zola, die gerade von ihrem Lehrbuch aufschaute, fiel ihm ins Auge und lächelte ihn an. Sie lernte immer irgendetwas. Zola war reizend und so klug, dass er während ihrer gemeinsamen Studienzeit an der Technischen Universität Tshwane mehr als einmal das Gefühl hatte, ein Dummkopf zu sein.
»Geoff, könntest du, wenn du es versuchen würdest, noch mehr wie ein Wildhüter aussehen?«, fragte Sue ihn und lenkte seine Gedanken wieder auf sie und die Strasse.
»Ich kann nicht anders. Ich habe, seit ich ein Ranger bin, kein Geld mehr für Kleider.«
»Ich glaube, das ist dein Ding«, sagte Sue und warf den Kopf zurück, als hätte sie gerade den schönsten aller Momente erlebt.
»Was meinst du damit?«
»Es ist dein Aufhänger, um Mädchen aufzureissen. Diese dunklen, grüblerischen Augen, der gepflegte Kurzhaarschnitt, die Sonnenbräune, die kurzen grünen Shorts und das khakifarbene Hemd und zu guter Letzt die Vellies, also Wanderschuhe für die Wildnis. Glaubst du wirklich, wir Stadtmädchen würden, wie all deine alten weissen Touristinnen im Sabi Sand Reserve, dadurch vom Khaki-Fieber befallen?«
Er lachte. »Ich wünschte es, leider ist es aber nicht so.« Na ja, ausser bei Nadine.
»Woran denkst du mit diesem schiefen kleinen Grinsen, Geoff Hoddy?«
Er konzentrierte sich auf die Strasse und wollte ihr nicht in die Augen sehen.
Nadine Johnson kam aus Los Angeles und war in der Khaya Ngala Safari-Lodge, wo Geoff nach seinem Highschool-Jahr ein Jahr lang arbeitete, auf Safari. Er war damals ein neunzehnjähriger Ranger in Ausbildung und Nadine Single, dreissig und die erste grosse Liebe seines Lebens.
Sue war wieder am Telefon.
Die Unterbrechung der Frotzelei gab ihm einen Moment Zeit, über Nadine nachzudenken. Sie war Programmiererin, hatte im Silicon Valley gearbeitet, war aber kein Nerd. Ihre Kleidung war stilvoll – nicht die übliche Safarikleidung aus Mikrofaserhemden und Hosen mit abnehmbaren Unterbeinen, sondern tagsüber Leinen und abends Kaschmir. Sie hatte blondes Haar, das sie in einem kantigen Rasierschnitt frisierte, und ihre blauen Augen hatten ihn von der ersten Pirschfahrt an fixiert und regelrecht ausgezogen. Sie hatte in der ruhigen Phase nach COVID fünf Nächte in der Lodge verbracht – mehr als die Budgets der meisten anderen Gäste wohl erlaubten – und sie beide waren, bis auf die zwei letzten, auf allen der zehn Pirschfahrten, die sie zusammen unternahmen, allein gewesen.
Es war Nadines erste Reise nach Afrika und ihr liefen Tränen über die Wangen, als Geoff ihr zum ersten Mal einen Elefanten zeigte. Bei der ersten Begegnung mit Afrikas Wildtieren dabei zu sein war etwas, das er an seiner Arbeit als Safariführer liebte. Was ihn an Nadines Reaktion besonders bewegte, war, dass sie sehr selbstbewusst und selbstsicher auf ihn wirkte, aber dennoch so offen war in ihrer Ehrfurcht und Bewunderung für das, was sie sah.
»Es hat mich überwältigt«, hatte Nadine ihm an diesem Abend beim Abendessen gesagt. »Diese Masse des Elefanten, das Rumpeln in seinem Bauch und sein muffiger Geruch. Ich würde die Welt gerne jeden Tag mit deinen Augen sehen, Geoff.«
Es war ein seltsam intimer Moment gewesen, der noch intensiver wurde, als sie ihre Hand ausstreckte und sie auf dem Esstisch auf seine legte. Sie waren nur zu zweit in der Boma, dem runden Essbereich im Freien. Der Kellner war gegangen, um ein weiteres Getränk zu holen, und Geoff spürte, dass er rot wurde.
Sie hatte ihm in die Augen geschaut. »Ich möchte dieses Gefühl des Staunens wieder spüren.«
Nach dem Abendessen hatte er Nadine, wie es seine Aufgabe war, auf ihr Zimmer begleitet und den Busch auf beiden Seiten des Weges zu den Gästesuiten mit einem Handscheinwerfer nach Löwen, Leoparden oder Büffeln abgesucht.
»Gute Nacht, Nadine«, hatte er zu ihr gesagt, als sie in ihre Luxussuite kamen.
»Das wird es, wenn du bei mir bleibst, Geoff.«
Die Annäherung zwischen Personal und Gästen war eigentlich verboten, aber jeder Ranger wusste, dass dies manchmal vorkam. Die Nacht mit Nadine war wie nichts anderes, das er je erlebt hatte.
»Erde an Geoff?«, sagte Sue.
»Äh, tut mir leid.« Er schaute sie an. »Entschuldigung, ich war damit beschäftigt, diesen verrückten Lastwagenfahrer da vorne zu beobachten.«
»Es sah eher aus, als hättest du geträumt.« Sue schüttelte den Kopf. »Ich sagte, nimm besser die nächste Ausfahrt, denn mein Telefon sagt mir, da vorne sei ein Stau.«
»Oh, okay, danke.«
Geoff hatte den Kopf in den Wolken, was ziemlich typisch für ihn war.
Wenn es darum ging, mit wem sie Zeit verbringen wolle, hatte Sue nicht wirklich einen besonderen Typ Mensch. An Geoff mochte sie gewisse Dinge, andere dagegen gar nicht. Er war einfühlsam und interessierte sich leidenschaftlich für die Tierwelt, was ihr gefiel und sah, wie es sich für einen Safari-Führer gehörte, sehr gut aus. Aber bei den Gelegenheiten, bei denen sie zusammenarbeiteten, hatte er ihr die Leitung des kleinen Teams überlassen und es fiel ihm schwer, entschlossen zu handeln. Er schien ganz vernarrt in Prof Rado zu sein und hing, wenn sie an einer ihrer Vorlesungen oder an Übungen teilnahmen, an ihren Lippen.
Sue dachte, Geoff wünsche sich vielleicht, mit Prof zu schlafen, während sie selbst einfach am liebsten Doc Rado gewesenwäre.
Sie bewunderte die unnachgiebige Haltung ihrer Professorin gegenüber der Wilderei und ihren Mut, Pangolin-Schmuggler aufzuspüren und zu verhaften. Wie Geoff wollte auch Sue zur Rettung dieser gefährdeten Tierart beitragen, aber während Geoff Zeit damit verbrachte, die Temperatur in den Schuppentierhöhlen zu messen, wollte Sue die Logistik des illegalen Marktes erforschen, um die Netzwerke des organisierten Verbrechens, die für den Schmuggel von Schuppentieren und anderen Wildtierprodukten aus Südafrika verantwortlich waren, zu zerschlagen.
Sue schaute über die Schulter nach hinten und winkte Zola, die von ihrem Buch aufsah, zu.
»Ja?«, fragte Zola.
»Willst du heute Abend ausgehen? Vielleicht in einen Club?«, fragte Sue.
»Ähm, heute Abend bin ich ziemlich beschäftigt.«
Sue hob theatralisch die Augenbrauen. »Papa Bär?«
Zola runzelte die Stirn. »Bitte, Sue. Nenn ihn nicht so.«
Geoff schaute in den Rückspiegel. »Wer?«
»Zola hat einen neuen Freund, oder vielleicht sollte ich sagen, einen ‘Sugar Daddy’.«
Zola sah zu Boden. »Wen ich treffe oder nicht treffe, ist meine Sache.«
»Hey, ich urteile überhaupt nicht«, erwiderte Geoff.
»Und das solltest du auch nicht«, mischte sich Sue ein. Sie beugte sich um ihren Sitz herum nach hinten. »Verrat es uns, Freundin. Wer ist er?«
Zola presste ihre Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Komm, erzähl schon«, drängte Sue. »Wie heisst er und was macht er?«
»Ich sage es nicht und ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Warum sollte er denn in Schwierigkeiten geraten?«, erkundigte sich Geoff. »Ist er etwa verheiratet?«
Sue seufzte. »Geoff, du bist so naiv wie ein Bauernjunge. Der Mann ist für Zola ein Segen, ein Sugar Daddy und die sind natürlich verheiratet!«
»Kein Kommentar«, winkte Zola ab.
»Bring Zola nicht in Verlegenheit«, schmunzelte er.
»Danke, Geoff«, lächelte Zola.
Sue zuckte mit den Schultern und schaute erneut auf ihr Telefon. Sie liess sich nicht anmerken, dass sie bereits wusste, wer Zolas älterer Freund war, weil sie sehen wollte, ob ihre Freundin etwas erzählen würde. Die Tatsache, dass sie es nicht getan hatte, bestätigte Sue, dass Zola letzte Woche nicht zufällig im Range Rover eines bestimmten Professors, der sich für den zukünftigen Vizekanzler der Universität hielt, zur Universität gefahren war.
Darüber, wie Professor Moses Khumalo es geschafft hatte, mit dem Gehalt eines Akademikers so wohlhabend zu werden, konnte man nur Vermutungen anstellen, aber es war unbestreitbar, dass er gut aussah und nett war. Sue wusste, dass mehrere Studentinnen in ihn verknallt waren, hatte aber noch nie gehört, dass eine von ihnen ihm nähergekommen war. Er war mit einer Ärztin verheiratet und sie hatten drei Kinder.
Sue mochte Geheimnisse. Sie fand es aufregend, zu wissen, wer Zolas Liebhaber war und Geoff nicht, und es gab ihr ein Gefühl von Macht. Sue griff in die Konsole zwischen ihr und Geoff und schnappte sich sein Telefon.
»Hey!«
»Mach dir keine Sorgen, ich kontrolliere nur, ob deine Karte dasselbe über den Verkehr aussagt wie meine. Aber hey, du solltest wirklich endlich ein Passwort für dieses Ding einrichten.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts zu verbergen und es nervt mich jedes Mal, dass ich, wenn ich eine Nachricht abrufen will, Zahlen eintippen oder einen Schnörkel auf den Bildschirm malen muss. Tu dir keinen Zwang an, Sue, da sind weder spannende SMS noch sexy Bilder drin.«
»Natürlich nicht, dafür bist du ein viel zu braver Junge.« Sue öffnete die Kamera-App, drehte die Kamera auf dem Bildschirm und hielt das Telefon in die Luft. »Zeit für ein Selfie. Zola, Achtung, Aufnahme.«
Zola machte ihren süssesten Schmollmund, um zu zeigen, dass sie Sue ihre kleine Indiskretion verzieh, worauf Sue das Bild knipste.
Als Geoff, Sue und Zola das Mugg & Bean betraten, spannte Doc unter dem Tisch den Quadrizepsmuskel ihres rechten Oberschenkels an. Jurie verstand die versteckte Botschaft und zog seine Hand, wie Doc hoffte, bevor jemand der drei Studierenden sah, dass der Detektiv sie dort hingelegt hatte, weg.
Sara war zu sehr in ihren Toast mit Avocadocrème und einem pochierten Ei vertieft gewesen, um irgendetwas zwischen Jurie und Doc mitzubekommen, auch weil sich der Detektiv so diskret, wie es unter dem Tisch möglich war, verhielt. Trotzdem fand Doc seine Berührung sowohl zärtlich als auch erregend.
Doc hatte Jurie gesagt, sie wolle noch ein wenig damit warten, allen von der Änderung ihres Beziehungsstatus zu erzählen. Sie liebte Jurie, hatte aber Angst, er könnte seine Meinung ändern und zu Suzette zurückkehren. Doc wusste, dass Unsicherheit im Spiel war, konnte aber nicht ändern, was sie fühlte.
Sie schob ihren Teller über den Tisch und Jurie und sie rückten beide etwas weiter auf die Sitzbank, damit sich Geoff neben Jurie setzen konnte. Sue und Zola setzten sich ihnen gegenüber, neben Sara, und zückten, wie Studierende es tun, ihre Handys und begannen zu lesen.
Geoff spähte um Jurie herum und wandte sich an Doc. »Ich hoffe, wir stören nicht.«
Doc spürte, dass ihre Wangen zu brennen begannen. »Nein, natürlich nicht, wir essen nur Frühstück.«
»Eigentlich«, Sara machte eine Pause, um einen Bissen zu schlucken, »waren wir gerade dabei, eine neue verdeckte Operation zu planen, aber diesmal reden wir nicht von einem Verkäufer.«
Zola klatschte in die Hände. »Wirklich? Können wir mitkommen?«
»Auf keinen Fall«, lehnte Doc ab. »Und wir haben auch nicht vor, etwas zu tun. Ich habe nur eine SMS bekommen, das ist alles.«
»Von einem Käufer?«, staunte Geoff.
Doc schürzte die Lippen. Geoff wirkte manchmal wie ein Träumer, aber unter dem gutaussehenden, freundlichen Äusseren des Safari-Führers verbarg sich ein scharfer, analytischer Verstand. »Vielleicht.«
»Vielleicht?«, gab Sue zurück. Als der Kellner an den Tisch kam, bestellten die Studierenden Kaffee.
»Wir sind schon einmal reingelegt worden«, erklärte Doc, »also will ich nichts überstürzen.«
Sara nickte. »Aber Doc hat gerade eine Nachricht von dem Kerl bekommen. Er fliegt heute Abend nach China und braucht ein lebendes Schuppentier. Zwei Monate später kommt er wieder zurück. Der Typ schrieb, er habe bereits eine Lieferung, wolle sie aber aufstocken.«
»Dann warten wir danach also zwei Monate lang.« Jurie schob seinen leeren Teller in die Mitte des Tisches. »Wenn er echt ist, meldet er sich bestimmt wieder.«
»Und was ist, wenn der Typ Schuppen oder Schuppentierfleisch dabeihat?«, wollte Geoff wissen. »Dann könnten Sie ihn auf frischer Tat ertappen.«
Doc biss sich auf die Lippe. Wieder einmal hatte Geoff den Nagel auf den Kopf getroffen und ihre Gedanken auf den Punkt gebracht. Einen Käufer ausfindig zu machen und eine Lieferung illegaler Wildtierprodukte aus Südafrika auffliegen zu lassen, denn wer wusste schon, was der Kerl sonst noch bei sich hatte, wäre für die Sondergruppe ein grosser Coup.
»Nein, Doc«, sagte Jurie. »Ich sehe, wie sich deine Gedanken drehen.«
»Ich weiss, aber ...«, begann Doc.
»Das wäre so cool«, sagte Sue.
»Es käme in die Dokumentation«, sagte Sara.
Docs Telefon piepte erneut.
Ich weiss nicht, wer Ihre Kontaktperson ist, zahle Ihnen aber das Doppelte oder sogar noch mehr, wenn Sie ein lebendes Tier haben. Ich habe für einen Flug heute Abend einen Tierkäfig gebucht und wollte eines darin transportieren, aber es ist gerade gestorben. Ich habe einen Kunden, der sehr gut für ein lebendes, atmendes Tier bezahlen wird.
Es stiess Doc ebenso sehr ab, wie sie es aufregend fand.
Jurie hob eine Hand und sah die anderen am Tisch an. »Nehmt alle eure Handys runter und hört mir zu, aber wirklich alle. Falls ihr es nicht wisst: Um diese Art von Arbeit zu machen, müssen wir jedes Mal mit viel Aufwand mehrere juristische Hürden überwinden. Zunächst müssen Doc oder ich bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf eine verdeckte Ermittlung stellen, damit Doc, die Zivilistin, überhaupt als Agentin agieren darf. Dazu müssen wir eine ausführliche Begründung für die Operation schreiben und von allen Kontakten, die Doc bereits mit den Kriminellen über WhatsApp hatte, Screenshots oder Videos vorlegen.
»Und wie lange dauert das alles?«, wollte Zola wissen.
»Es kann ein paar Tage dauern, aber manchmal, in Ausnahmefällen, wird die Genehmigung auch mündlich erteilt, das ist aber sehr ungewöhnlich. Normalerweise muss alles schriftlich erfolgen. Wenn wir grünes Licht bekommen, erhalten wir nach Abschnitt 252A die Befugnis, eine geheime Operation durchzuführen. Wenn wir diese nicht haben und ausserhalb des Gesetzes handeln, wie es einige Cowboys unter den Naturschützern tun, kann dies dazu führen, dass ein Verfahren gegen einen Wilderer oder einen Käufer eingestellt wird. Der Verdächtige muss nur behaupten, seine verfassungsmässigen Rechte seien verletzt worden, weil er durch eine nicht genehmigte Operation in die Falle gelockt worden sei.
»Und wie lange ist diese Abschnitt 252A-Genehmigung gültig?«, fragte Geoff.
Schlauer junger Mann. Doc sah von ihrem Telefon auf. »Sieben bis zehn Tage.«
Geoff sah ihr in die Augen. »Und wie lange ist die Genehmigung für den heutigen Einsatz gültig?«
»Sieben Tage, aber ...«
»Aber es gibt keinen Zusammenhang zwischen der heutigen Verhaftung und den Nachrichten, die Doc seither erhalten hat«, erklärte Jurie. »Stimmt's, Doc?«
Sie nickte. »Ja, das ist richtig.«
»Wir müssten also einen neuen Antrag stellen«, stellte Jurie fest.
Die drei Studierenden erkannten, dass ihre Aussicht auf etwas Aufregendes schwand, und wandten sich alle wieder ihren Telefonen zu. Mit gesenktem Blick warteten sie darauf, dass ihre Kaffees serviert wurden.
Sara hingegen legte ihr Besteck mit einem dumpfen Schlag auf den Tisch. »Aber dieser Käufer reist diesen Abend ab. Könnt ihr nicht heute eine mündliche Zusage einholen?«
»Es ist Sonntag«, sagte Jurie. »Ausserdem sind Jason und Frank damit beschäftigt, die Jungs von heute Morgen einzubuchten und heute Nachmittag findet Tamsins Geburtstagsparty statt, der Tochter von Frank und Pam.« Er schaute auf seine Uhr. »Und ich selbst muss bald mit meinem Sohn zu einem Spiel.«
Doc sah Sara an und nickte. »Alles wahr, fürchte ich.« Ihr Telefon meldete sich erneut, es wurde langsam lästig. Sie schaute auf den Bildschirm.
Und übrigens, falls Ihnen das nicht klar ist: Sie haben mich bereits Geld gekostet. Doc beobachtete mit neu erwachtem Interesse, wie die Worte auf dem Bildschirm ihres Telefons erschienen. Heute kamen zwei Männer, um Ihnen Ware zu verkaufen. Sie setzten sich auch mit mir in Verbindung und führten ein Bietgefecht, bis sie irgendwie von Ihnen erfuhren und Sie ihnen mehr geboten haben, als ich. 180'000 Rand, wenn ich mich nicht täusche?«
»Oh mein Gott«, entschlüpfte es Doc.
»Was ist los?« Jurie stellte ihr die Frage, aber auch alle anderen sahen fragend zu ihr hin.
Sie hob eine Hand und tippte die Antwort. Richtig.
Ich werfe Ihnen nichts vor, Geschäft ist Geschäft. Ich nehme an, Sie sind ein Zwischenhändler, der an einen Exporteur verkauft. Ich bitte Sie, mir die Höflichkeit zu erweisen und mir ein Angebot für das Tier zu machen, das Sie heute gekauft haben und von dem ich annehme, dass es noch lebt.
Ja, tippte Doc. »Verdammte Scheisse.«
»Was ist?«, fragte Jurie erneut.
Dieser Typ weiss von Steven und den anderen Typen, mit denen wir heute zu tun hatten. Sie wollten mehr Geld und haben diesen Käufer uns zugunsten fallen gelassen. Er will mit mir – uns – verhandeln und bietet einen höheren Preis.
»Scheisse«, kommentierte Jurie.
Sue sah von ihrem Telefon auf. »Aber warum ist das schlecht?«
Zola schaltete sich ein. »Weil der Käufer, sobald er erfährt, dass Steven und seine simbabwischen Schamwaris verhaftet wurden, erkennen wird, dass Doc kein Krimineller, sondern ein Undercover-Agent ist. Danach hat das Einsatzteam dann keine Chance mehr, den Kerl zu fassen.
»Natürlich«, sagte Sue.
Doc und Jurie sahen sich an.
»Wir haben keine Verstärkung«, sagte Jurie.
»Ja, aber Sue hat recht. Wir hören von diesem Kerl – einem echten Käufer – nie wieder etwas, wenn er erfährt, was heute Morgen passiert ist.
»Ich kann eure Verstärkung sein«, sagte Sara. »Ihr wisst ja, dass ich in der Armee war, in Afghanistan. Ausserdem habe ich eine Neun-Millimeter-Pistole dabei.«
»Ich auch.« Geoff hob diskret sein Hemd an, um eine Glock im Holster zu zeigen.
»Sieh mich nicht so an, ich habe keine Waffe«, sagte Sue.
»Ich auch nicht«, sagte Zola, »aber Sie können Sue und mich irgendwo als Aufpasser postieren. Uns heisse Mädels wird niemand verdächtigen, verdeckte Ermittler zu sein.«
Sue lachte, wurde dann aber schnell wieder ernst. »Wir bleiben mit unseren Telefonen und Kopfhörern in Kontakt, ja?«
Jurie schüttelte den Kopf. »Ich habe keine verdammten Ohrstöpsel und Sie sind alle Zivilisten. Ohne entsprechende Genehmigung dürft ihr nicht an einer Polizeiaktion teilnehmen.«
Auf Docs Telefon erschien eine weitere Nachricht. Ich bin auf dem Weg zum Oliver Tambo Flughafen. Allein. Ich muss zum Frachtterminal und wir können uns vorher an einem Ort Ihrer Wahl treffen. Es bleiben noch vier Stunden.
Doc dachte einen Moment nach und verfasste dann ihre Nachricht. Ich verlange eine halbe Million.
LOL, kam vom Käufer zurück, Dreihunderttausend.
»Doc, was machst du da?«, wollte Jurie wissen.
»Ich spiele mit ihm, teste nur das Wasser. Er macht Druck. Er schreibt, er habe nur vier Stunden Zeit und wolle uns irgendwo in der Nähe des Flughafens OR Tambo treffen.«
»Nein.«
»Warte.« Ihre Finger fuhren schnell über den Bildschirm des Telefons. Vierhunderttausend.
3,5 Hunderttausend.
Doc holte tief Luft. Okay. Emperor’s Palace, im Parkhaus des D'Oreale Grande. In zwei Stunden. Sie zeigte Jurie den Bildschirm.