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Der Chef befiehlt einen Auslandsauftrag. Und keinen einfachen. Das Ziel liegt in Sibirien. Coralee weiß, dass sie diesen neuen Auftrag so behutsam behandeln muss wie eine Eisskulptur, denn sie gerät jetzt in den Machtbereich der berüchtigten Hexe Baba Jaga . Aber das, was sie vorfindet, ist böse. Sehr böse. Und mit jeder Schicht, die sie aufdeckt, tut sich ein neuer, noch dunklerer und tieferer Abgrund auf. Wie bei jenen russischen Puppen, die man öffnet, nur um eine weitere Puppe darin vorzufinden. Eines ist sicher: Ohne eine Riesenportion Glück wird das eine Selbstmord-Mission. Und Glück ist etwas, was Coralees eigener Fluch leider so gut wie unmöglich macht.
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Seitenzahl: 81
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Mira Lindorm
©Mira Lindorm 2025
Cover gestaltet von Elena Münscher
popaukropa/memoangeles/sararoom/depositphotos.com
Bild von Essylt am Buchende: outsiderzone/depositphotos.com
Ein kleiner Hinweis: Dieses Buch ist KEIN Kinderbuch!
Alle Personen in diesem Buch sind frei erfunden, genauso wie die ganze Fantasy-Geschichte. Coralee gehört zum Dunklen Hof der Feen und benimmt sich entsprechend. Sie fährt eine pinkfarbene Harley, hat nichts gegen eine handfeste Rauferei (sowohl in einer Bar als auch im Bett), trinkt, flucht, betrügt, zaubert, was immer ihr in den Kram passt, und betrachtet Menschen bestenfalls als nervig. Es gibt nur zwei Dinge in der Menschenwelt, die sie wirklich liebt: anderen einen Streich zu spielen und einen sexy Mann für die Nacht
Wer Coralee noch nicht kennt, findet im Anhang des Buches einige zusätzliche Informationen zu ihr und ihrer Welt.
Ein äußerst merkwürdiger Fall
Es klingelte. Meine Finger erstarrten über dem Gamepad. Musste das jetzt sein? Ausgerechnet im schwierigsten Level des Jahrhunderts! Der Endgegner hatte nur noch drei Lebenspunkte – drei mickrige Punkte nach zwei Stunden erbittertem Kampf! Und jetzt das. Außerdem, es war drei Uhr nachts! Für die Post war es zu spät, und Pizza hatte auch niemand bestellt. Erlaubte sich jemand einen Scherz?
Es klingelte erneut. Hartnäckiger Mistkerl, wer auch immer das war. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass der Klingeltyp keine Ruhe geben würde, und mein perfekter Lauf war eh schon im Eimer. Widerwillig legte ich also das Gamepad weg und machte mich auf den Weg ins Untergeschoss.
Drei Meter vor der Tür klingelte es schon wieder. Jetzt reichte es mir endgültig. Wütend riss ich die Tür auf und fauchte die relativ kleine, schwarzgekleidete und vermummte Person davor an: „Verdammt noch mal, was denkst du eigentlich, was du hier tust? Wir stehen nicht den ganzen Tag hinter der Tür und warten darauf, jemanden reinzulassen! Wer bist du überhaupt, und was willst du von uns? Dass du es gleich weißt, ich kaufe nichts an der Tür!“
„Bin ich hier richtig bei F.E.U.?“
„Ja. Und?“ Ich verschränkte die Arme und funkelte den Störenfried böse an.
„Wir brauchen Hilfe.“
„Aha.“ Ich musterte den oder die Unbekannte finster und versuchte, seine magische Signatur zu lesen. Ein Kobold. Seit wann kamen die zu F.E.U.? Normalerweise tendierten die eher dazu, ihre Probleme durch Aufessen zu lösen. „Und wofür?“
„Unser Nachbar hat zu viele Haustiere.“
Ich wartete.
„Tausendvierhundertsechsundzwanzig, nach unserer letzten Zählung.“
Wow, das war präzise. Kobolde und ihre Zahlenobsession! „Betreibt der einen Zoo?“
„Nein, der hat nur eine Fledermauszucht.“
Ich hatte endgültig die Nase voll. „Die schreien nur im Ultraschallbereich, was die meisten Nachbarn überhaupt nicht hören können. Und sie fressen Insekten. Worüber sich die meisten eher freuen.“
„Diese fangen aber an, Blut zu trinken. Unser Nachbar trainiert sie darauf.“
„Weiter!“, knurrte ich böse. „Lass dir nicht jede Information einzeln aus der Nase ziehen!“
Die Gestalt fühlte rasch nach der eigenen Nase, befand, dass dort noch alles in Ordnung war, und geruhte endlich weiterzureden. „Unser Nachbar ist ein Vampir.“
Ich musterte die vermummte Gestalt genauer. „Und du bist wer?“
„Ein Kobold.“
„Hab ich schon erkannt. Hast du zufällig auch einen Namen?“
„Damit du mich am Ende reinlegen kannst wie meinen Cousin Rumpelstilzchen? Vergiss es!“
Der Kobold klang entschieden angepisst. Ich seufzte. „Okay, lassen wir die Formalitäten für später. Ich brauche erst mal Details. Wo ist diese entzückende Fledermauszucht?“
„Lake Leech.“
Blutegelteich. Ein passender Wohnort für Blutsauger. Wer auch immer diesen Ort benannte, hatte definitiv einen Sinn für schwarzen Humor. „Du könntest eventuell ein paar mehr Details verraten. Siedeln Menschen in unmittelbarer Umgebung?“
„Nein.“
Ich funkelte den Kobold wütend an. Einsilbige Antworten waren fast so schlimm wie Dauerklingeln.
Der Kobold wich einen Schritt zurück und fuhr hastig fort: „Wir leben in Höhlen. Natürlich nicht in denselben wie die Fledermäuse. Da sind keine Menschensiedlungen erlaubt.“
„Keine Menschen betroffen. Dann ist F.E.U. nicht zuständig.“ Ich wollte schon die Türe zuschlagen.
„Nein! Ihr müsst euch kümmern!“ Der Kobold klang jetzt richtig panisch. Seine Stimme überschlug sich fast. „Wenn die Fledermäuse tatsächlich anfangen, regelmäßig Blut zu trinken, reichen die Tiere der Umgebung nicht mehr. Dann werden sie auch die Menschen, die weiter weg wohnen, angreifen!“
Scheiße. Damit hatte er mich leider. „Ich kann das nicht alleine entscheiden. Werde in der Zentrale anfragen müssen. Du wartest.“ Endlich konnte ich die Tür schließen.
Oben wartete bereits der Rest meines Teams vor dem Computer. Ryan lehnte lässig an der Wand, die Arme verschränkt, ein amüsiertes Lächeln auf dem Gesicht. Typisch Werwolf – er hatte natürlich jedes Wort durch die dünnen Wände gehört. Verron hockte auf seinem Lieblingsstuhl, genauer gesagt, auf dem einzigen Stuhl im Büro, der das Gewicht eines Halb-Trolls aushalten konnte, und polierte demonstrativ seine Axt. Das Computerspiel konnte ich für heute wohl endgültig vergessen. Meine nervtötende Irrwisch-Kollegin Essylt hatte natürlich schon wieder mein Gamebrowserfenster ausgeloggt und geschlossen – schließlich war das ein Dienst-Computer, wie sie nicht müde wurde zu betonen – und sprang jetzt wichtigtuerisch vor der Computer-Tastatur herum, um irgendwelche Daten zu sortieren. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass diese Winzperson sich tatsächlich als Chefin des Teams betrachtete. Der entging einfach überhaupt nichts. Mit einem Seufzer scheuchte ich sie zur Seite, machte es mir in dem zerschlissenen Bürostuhl bequem und tippte meine E-Mail an die Zentrale.
Die Antwort ploppte kurz darauf auf. Mir kugelten fast die Augen aus dem Kopf. Das silberne, fast hypnotisch rotierende Alben-Emblem auf dem Schirm benutzte nur der Chef! Ich spürte, wie sich mein Magen verkrampfte. Wenn der Chef sich persönlich einschaltete, bedeutete das meist Ärger. Da hörte ich auch schon seine Stimme, melodiös und kalt zugleich.
„Übernehmen. Aber nicht das ganze Team. Es reichen zwei. Schickt die Entbehrlichen los.“
„W…wen?“, stotterte ich.
„Den Werwolf und den Halb-Troll.“
Schon loggte der Chef sich wieder aus.
Ich ballte die Fäuste. „Die Entbehrlichen. Und er hat noch nicht mal ihre Namen genannt. Was glaubt der, wer er ist?“
„Unser Chef und ein Albe alten Adels“, gab Essylt zurück. Ihrem Tonfall nach war sie ebenso sauer wie ich. Und ebenso machtlos.
Ich sah Ryan und Verron betreten an. „Ihr habe es gehört. Ist nicht meine Entscheidung.“
Ryan legte mir kurz die Hand auf die Schulter. Eine warme, beruhigende Berührung, die mich mehr entspannte, als ich zugeben wollte. „Schon okay, Coralee. Wir schaffen das. Die Alben sind nun mal sehr speziell. Komm, Verron, lass uns das Ganze hinter uns bringen.“
Verron grunzte zustimmend und schnallte sich seine Axt auf den Rücken. „Hoffentlich kann ich endlich mal wieder was zertrümmern.“
Die beiden griffen ihre Ausrüstungen und verschwanden. Kurz darauf hörte ich ihre Motorräder aufröhren, bevor der Klang sich im Hintergrund der Chicagoer Straßen verlor.
Ryan war fort. Nur mit Verron als Verstärkung, und der war langsamer im Denken als eine Schnecke. Ich hasste es, wenn das Team getrennt wurde. Aber ich hasste es noch mehr, dass ich mir deswegen Sorgen machte. Seit wann war der Werwolf so wichtig für mich geworden?
Ich sah Essylt an. „Irgendetwas ist da faul. Wieso mischt sich der Chef persönlich ein, wenn dieser Job nur einen Neuling und einen Muskelprotz erfordert?“
„Hm.“ Sie schien nachzudenken. „Ich hab so das Gefühl, da kommt noch mehr. Wir sollten uns lieber etwas ausruhen, solange wir noch eine Chance dazu haben.“
Ausruhen? So sauer wie ich gerade war, würde ich mich ganz bestimmt nicht entspannen können. Außerdem hatte ich noch eine Viertelstunde Spielzeit für heute gut. Vielleicht reichte das ja doch, um das letzte Level zu wiederholen. Ich griff nach dem Gamepad, während Essylt sich in den Nebenraum verkrümelte.
Und noch einmal
Die Notruf-Hotline schrillte.
Ich ließ fast das Gamepad fallen. Der geplante perfekte Treffer schoss ins Nirwana. Die zweite dienstliche Störung an einem Tag! Und wieder kurz vor der Entscheidung für das letzte Level! Das konnte ich jetzt wohl endgültig vergessen. Ich hätte platzen können. Aber da ich nun mal bei F.E.U. arbeitete und sowohl mein alter Fluch als auch ein ausgeklügelter Vertrag mich zur Zusammenarbeit zwangen, nahm ich brav den Hörer ab.
„Fey Emergency Unit! Bitte schildern Sie die Art und das Ausmaß Ihres Notfalls!“
Nichts hätte mich weniger interessieren können als das, was da aus dem Hörer an mein Ohr drang. Eine von der Hexen-Zunft beklagte sich über ein Alraunen-Feld mit Mehltau! Echt jetzt, hätte diese dämliche Alte sich nicht einfacher im Grünen Warenhaus ein Spritzmittel kaufen können?
Frustriert ballte ich die Fäuste und spürte die Anspannung, die meinen ganzen Körper geflutet hatte. Ausgerechnet eine Hexe. Die Sorte paranormales Wesen, die ich am wenigsten von allen ausstehen konnte. Hexen waren eindeutig meine Nemesis. Jede einzelne Begegnung mit einer von ihnen hatte in einer Katastrophe geendet. Und niemand in Reichweite, mit dem ich mich abreagieren konnte. Kein Ryan, der mir in dieser Situation besänftigend über das Haar strich. Keine warme Werwolf-Umarmung, keine kräftigen Werwolfhände, die meine verspannten Nackenmuskeln massierten, keine mit leichtem Knurren unterlegte Stimme, die mich liebevoll-spöttisch aufforderte, endlich meine Arbeit zu tun. Ich vermisste ihn jetzt schon.
Und ich würde jeden auf der Stelle niederstrecken, der es wagte, mir derartige Gefühle zu unterstellen. Schließlich hatte ich einen Ruf zu wahren! Dunkle Feen verliebten sich nicht in Werwölfe. Oder überhaupt. Das war … das war unprofessionell!
Apropos Ruf – hinter mir kreischte schon wieder Essylts durchdringendes Organ. „Coralee! Ich brauch die Daten!“
Mit einem wütenden Knurren schickte ich den ganzen Schlamassel an den Computer ihrer Drohne.
Eine Sekunde Ruhe.
Dann schrillte mir etwas durch Mark und Bein.
Wer schon mal eine Irrwischfrau schreien gehört hat, weiß, was ich gerade erduldete. Wer nicht, nun, sagen wir, dagegen ist das Bohren eines Weisheitszahns ohne Betäubung und mit einem Schlagbohrer für industrielle Bauzwecke inklusive kreischendem Patienten pure Entspannungsmusik.
