Das Geisterhaus - Niklas Quast - E-Book

Das Geisterhaus E-Book

Niklas Quast

3,9

Beschreibung

Die vier Jugendlichen Marc, Blake, Jay und David wagen gemeinsam mit dem Einsiedler Joseph, Jays Bruder Danny und seinem Freund Neal einen Ausflug zu einem Geisterhaus, um das sich zahlreiche Mythen ranken. Doch als sie eines Nachts das Haus betreten, beginnt ein Albtraum, der nie zu enden scheint, denn das Haus lebt! Und es sucht sich seine Opfer...

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Zum BUCH

Die vier Jugendlichen Marc, Blake, Jay und David wagen gemeinsam mit dem Einsiedler Joseph, Jays Bruder Danny und seinem Freund Neal einen Ausflug zu einem „Geisterhaus“, um das sich zahlreiche Mythen ranken. Doch als sie eines Nachts das Haus betreten, beginnt ein Albtraum, der nie zu enden scheint. Denn das Haus lebt. Und es sucht sich seine Opfer...

Zum AUTOR

Niklas Quast wurde am 7.3.2000 in Hamburg-Harburg geboren und wuchs im dörflichen Umland auf. Nachdem er eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann absolvierte, arbeitet er nun in einem Familienbetrieb und widmet sich nebenbei dem Schreiben.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Prolog

»Ist jemand zu Hause?«, fragte Larry.

»Sieht nicht so aus«, sagte Brit nach einer Weile, in der es komplett still war.

Sie wagten sich weiter in die beengende Dunkelheit vor.

»Schau mal. Eine Treppe.«

Vor ihnen war im Licht, das von draußen hereinfiel, eine Wendeltreppe zu erkennen, die sich nach oben erstreckte.

»Geh du nach oben«, meinte Larry.

»Ich schaue mich mal hier unten um. Vielleicht finden wir ja irgendwas Interessantes.«

»Alles klar. Bis gleich«, murmelte Brit.

Larry ging den engen Flur entlang. Am anderen Ende sah er zwei Türen. Einer Eingebung folgend öffnete er zuerst die linke. Das Licht war bereits eingeschaltet und offenbarte einen großen Raum. Mehr konnte Larry im ersten Augenblick von seiner Position aus nicht erkennen. Er wollte den Raum gerade wieder verlassen, drehte sich um… und merkte so erst recht spät, dass aus der Dunkelheit etwas genau auf ihn zugesprungen kam.

Brit schritt derweil die Treppe hinauf. Sie mündete in einen Korridor mit einer Tür am Ende. Die einzige Lichtquelle, eine antike Glaslampe, stand auf einer alten Kommode direkt davor. Allerdings spendete sie nur wenig Licht, das nicht dazu ausreichte, den ganzen Flur zu erhellen. Brit ging nun zielstrebig auf die Tür zu, die sich am anderen Ende des Korridors befand. Bei näherer Betrachtung sah sie, dass sie mit einem goldenen Messingknauf verziert war, auf dem kleine Totenköpfe eingearbeitet waren. Sie legte ihre Hand auf den Knauf und öffnete die Tür langsam. Im Inneren war es komplett dunkel.

Brit versuchte, einen Lichtschalter zu ertasten, wurde jedoch zunächst nicht fündig. Während sie sich ihrer Aufgabe zugewandt hatte, streifte ihr Arm über etwas Hartes. Es fühlte sich wie Holz an. Sie zog ihn erschrocken zurück. Wenig später hörte sie einen Schrei – der Ursprung lag eindeutig im unteren Bereich, und die Stimme desjenigen, der ihn ausgestoßen hatte, konnte sie schnell identifizieren. Larry! Sie drehte sich um, verließ den Raum so schnell sie konnte und stürmte dann die Treppenstufen hinunter. Dabei verlor sie jedoch das Gleichgewicht, rutschte ab und landete mit ihrem rechten Fuß auf ihrem Hosenbein. Sie konnte den Fall nicht mehr stoppen und schlug hart auf dem Boden auf. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie in der Lage war, sich wieder zu erheben. Ein stechender Schmerz in ihrer Rippengegend hinderte sie zunächst daran, ihren Weg fortzusetzen, doch er verzog sich wenig später wieder, sodass sie nichts mehr am Gehen hinderte.

Kurz darauf ertönte ein neues Geräusch, dieses Mal ein leises Stöhnen. Danach schwang eine Tür auf und Larry trat hinaus.

Brit erkannte ihn sofort, obwohl das Licht nur durch den schmalen Spalt im Türrahmen schien.

»Larry! Ist alles in Ordnung?«

Doch Larry antwortete darauf nicht. Er hielt ein scharfes Messer in seiner rechten Hand fest umklammert und kam Brit immer näher.

»Larry!«

Larry schwang das Messer bedrohlich in seiner Hand herum.

Als er sie schließlich erreicht hatte, stach er zu. Die Klinge durchbohrte augenblicklich ihren Augapfel und Brit schrie gequält auf. Nachdem Larry das Messer erneut angesetzt hatte, dieses Mal in ihrer Bauchgegend, verlor Brit endgültig das Bewusstsein.

1

Das Desert Valley sah so aus wie immer - das Holzdach, welches bereits einige Risse aufwies, wurde von der Sonne angestrahlt. Außerdem war das leise Quietschen der morschen Hintertür zu hören. Alles vertraute Geräusche; Jay wäre jede kleine Veränderung sofort aufgefallen. Nur eine Sache war merkwürdig: Der Parkplatz war wie leergefegt, nicht ein einziges Auto stand vor dem Restaurant.

»Sieht ganz so aus, als ob es geschlossen wäre«, sagte er und zeigte dabei auf ein Schild, das an der Glastür prangte, die ins Innere führte.

»Was steht denn da?«, fragte Marc.

Jay warf einen näheren Blick darauf.

»Geschlossen.«

»Geschlossen? Hatte es nicht Samstag noch auf? Warum jetzt nicht mehr?«, fragte David.

»Wenn ich das mal wüsste«, murmelte Jay.

Plötzlich war eine Fahrradklingel zu hören. David hob seinen Kopf und suchte die umliegende Gegend nach dem Ursprung des Geräusches ab. Es dauerte nicht lange, bis er fündig wurde.

»Nicht der schon wieder«, murmelte Marc genervt, als er sah, wer ihnen da entgegenkam.

»Hallo Leute.«

Der Mann verlangsamte sein Fahrrad zunächst und brachte es dann ganz zum Stehen. Er trug ein gelbes, altes T-Shirt, das ihm um einige Nummern zu groß war. Seine fast schon charakteristischen Bartstoppeln, die denselben grauen Farbton wie seine Haare hatten, hingen ihm etwas wuschig im Gesicht.

»Hallo, Joseph.«

Marc verdrehte die Augen.

»Was gibt's?«

»Wisst ihr denn gar nicht, warum das Desert Valley geschlossen hat? Das ist merkwürdig. Es hat sich schließlich schon im ganzen Dorf herumgesprochen.«

»Das ist ja auch nicht gerade schwer, bei den zwanzig Einwohnern hier«, meinte Blake und lachte laut.

»Im Ernst. Es scheint sich etwas ziemlich Schreckliches hier zugetragen zu haben. Etwas... Mysteriöses«, erklärte Joseph.

Seine Stirn legte sich in Falten, ansonsten war er aber für seine sechzig Jahre noch erstaunlich gut in Form. Marc sah ihn sehr oft mit dem Rad durch die Gegend fahren.

»Was denn Schreckliches?«, fragte Marc, ohne sich dabei aber einen spöttischen Unterton verkneifen zu können.

»Kommt einfach mit. Ich erzähle es euch in meinem Wohnwagen.«

»Nein danke«, murmelte David.

»Lasst uns doch mitgehen«, schaltete sich Blake nun ein.

»Wäre doch bestimmt interessant, zu erfahren, was passiert ist.«

Blake blickte nacheinander Marc, Jay und David an.

»Na gut«, meinte Jay schließlich und wechselte einen kurzen, aber vielsagenden Blick mit Blake.

»Aber erzähle uns keine Märchen, Joseph. Wir sind nämlich schon alt genug, um die volle Wahrheit erfahren zu können.

Sofern du sie überhaupt kennst.«

»Alles klar, Leute. Folgt mir einfach.«

Joseph fuhr nun mit seinem Fahrrad im Schritttempo auf Höhe von Marc, Jay, Blake und David. Wenige Minuten später hatten sie eine Gasse erreicht, die Marc sofort bekannt vorkam.

Sie lag direkt neben dem Desert Valley, und schon von Wietem konnten sie den Wohnwagen erkennen, in dem Joseph lebte. Es handelte sich um einen alten, verrosteten Airstream Wanderer, Baujahr 1954.

»Schau dir mal den Wohnwagen an«, flüsterte Blake Marc zu.

Er spürte ihren warmen Atem an seinem Ohr.

»Ja. Sieht echt alt aus.«

»Und ziemlich verwohnt«, fügte Blake hinzu.

»Er lebt ja immerhin schon seit zwanzig Jahren dort. Angeblich zumindest.«

»Traust du ihm denn?«

»Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Ich möchte erst einmal hören, was er uns zu erzählen hat.«

Sie hatten nun den Wohnwagen erreicht. Joseph lehnte sein Fahrrad an die Seitenwand, kramte einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete das Gefährt. Im Inneren war sofort der Geruch von kaltem Zigarettenrauch wahrzunehmen.

»Joseph raucht wohl ziemlich viel«, murmelte Blake und lachte.

Ihr Lachen war ansteckend, weshalb Marc ebenfalls lächeln musste – und das, obwohl er Zigarettenrauch an normalen Tagen eher als ekelerregend wahrnahm.

»Alles gut bei euch?«, fragte Jay verwirrt.

»Natürlich. Alles in bester Ordnung«, antwortete Blake.

Sie betraten nacheinander den geräumigen Wohnwagen. Joseph wies mit der Hand auf eine Sitzecke, die ziemlich alt aussah. Marc setzte sich vorsichtig auf das Polster und lehnte sich zurück. Blake, Jay und David folgten seinem Beispiel, auch sie nahmen in der hellbraunen Sitzecke Platz.

»Möchtet ihr vielleicht etwas trinken?«, fragte Joseph.

»Gerne«, erwiderte Marc.

»Was hast du denn da?«

»Wasser. Und was ist mit euch?«, fragte Joseph und blickte der Reihe nach Blake, Jay und David an. Sie verneinten daraufhin. Joseph drehte den Wasserhahn auf und hielt zwei Gläser darunter. Eines stellte er, als es vollgefüllt war, vor Marc auf den Tisch, aus dem anderen nahm er selbst einen großen Schluck.

»Also. Seid ihr euch sicher, dass ihr das wirklich hören wollt?

Es ist ziemlich unheimlich.«

»Todsicher«, meinte Jay und sprach damit für die gesamte Gruppe.

»Na schön. Also... es gibt da ein Haus, ungefähr fünfzig Meilen von hier entfernt. Es ist im Dorf auch unter dem Namen Geisterhaus bekannt.«

Joseph machte eine kurze Pause und trank einen Schluck Wasser. Danach fuhr er fort: »Es sollen sich dort wirklich schlimme Dinge zugetragen haben. Die Rede ist von insgesamt neun Toten in der letzten Zeit.«

»Was denn für schlimme Dinge?«, fragte David neugierig.

»Paranormale Dinge.«

»Und was genau?«, fragte Jay genervt.

»Dämonen und Geister. Der Koch des Desert Valleys und eine Angestellte haben nur knapp einen Mordversuch überlebt.«

Wieder machte Joseph eine Pause. Marc hörte gespannt zu, denn er wollte unbedingt wissen, wie es weiterging und was Joseph sonst noch zu erzählen hatte.

»Das Ganze verlief ziemlich verstrickt. Offenbar wurde noch eine weitere Angestellte von dem Mörder entführt. Eine Spur, genauer gesagt ein Handysignal, führte in das besagte Haus.

Aber das Handy war dort anschließend nicht auffindbar. Als ein Freund des Koches, der sich mit der Ortung von Handysignalen auskannte, in den Raum ging, aus dem er das Signal empfangen hatte, geschah plötzlich etwas Merkwürdiges.«

»Und was?«, fragte Jay ungeduldig.

»Mehr hat mir der Koch, Henry, nicht erzählt. Da ich an den Wochentagen Stammkunde bin und immer viel Zeit in dem Restaurant verbracht habe, kam ich oft mit ihm ins Gespräch.

Und danach habe ich ihn zufällig noch einmal getroffen und er hat mir alles erzählt.«

»Und wo sind die jetzt alle?«, fragte Blake.

»Im Urlaub, um sich von dem Ganzen zu erholen.«

Blake wirkte enttäuscht.

»Schade«, murmelte sie.

»Was ist denn los?«, fragte Joseph.

»Ich hätte gerne noch mehr erfahren.«

»Mehr hat er aber nicht erzählt. Er braucht offenbar Zeit, um alles verarbeiten zu können.«

»Das mit dem Geisterhaus klingt ja ziemlich interessant«, schaltete Jay sich nun ein.

»Ich würde gerne noch mehr darüber erfahren.«

»Allerdings«, murmelte David.

»Ich würde euch auf jeden Fall davon abraten, das Haus aufzusuchen. Es wäre euer sicheres Todesurteil«, meinte Joseph.

»Das ist doch alles Unsinn«, polterte Jay.

Er klang ziemlich aufgebracht. Marc schüttelte innerlich mit dem Kopf. Sie kannten sich ja mittlerweile schon etwas länger – und es war jedes Mal erstaunlich zu sehen, wie schnell sich Jays Stimmung von der einen auf die andere Sekunde ändern konnte. Manchmal, zumindest wirkte das so, konnte ein einziger Satz dafür sorgen, dass sich ein Schalter in seinem Kopf umlegte.

»Das kannst du nicht wissen«, sagte Joseph ruhig.

»Natürlich. Es gibt weder Geister und Dämonen noch irgendwelche anderen übernatürlichen Dinge.«

»Wenn du das sagst«, gab Joseph knapp zurück und nahm erneut einen Schluck Wasser.

»Was denkt ihr?«, fragte Jay in die Runde.

Zunächst antwortete niemand, bis Marc nach zehn Sekunden die Stille durchbrach.

»Lasst es uns doch einfach selbst herausfinden«, meinte er.

»Tut das bloß nicht«, murmelte Josef leise und verunsichert.

»Unsinn«, meinte David.

»Lasst uns von hier verschwinden.«

»Danke für die Informationen, Joseph«, sagte Marc.

»Kein Problem, Jungs. Aber bitte bleibt vernünftig.«

»Wir werden sehen«, murmelte Jay.

Damit verabschiedeten sie sich von Joseph. Marc trat wieder auf den von Schlaglöchern gesäumten Asphalt der Straße, nachdem sie die Gasse verlassen hatten. Er warf einen Blick auf seine Uhr, es war viertel nach zwölf.

»Was wollen wir denn jetzt machen, Jungs?«, fragte er.

Blake blickte ihn entgeistert an.

»Und Mädels natürlich«, fügte er hinzu und grinste.

Sie lächelte zurück.

»Kommt, wir gehen zu mir. Wir können doch in den Pool. Außerdem können wir besprechen, wann unser Ausflug stattfinden soll«, meinte Jay.

»Du meinst...«, setzte Marc an, doch Jay fuhr ihm dazwischen.

»Ja, ich meine zum Geisterhaus. Ich will unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hat. Ich kann mir überhaupt nichts darunter vorstellen.«

»Mir ist nicht ganz wohl dabei«, murmelte Blake.

»Was, wenn an dem, was er sagt, tatsächlich etwas dran ist?«

»Na hoffentlich ist da was dran«, meinte Jay und lachte.

»Alles andere wäre ja langweilig. Aber ist wahrscheinlich eh alles bloß Schwachsinn. Ihr kennt doch Joseph«, meinte David.

»Meinst du, er hat gelogen?«, fragte Blake.

»Natürlich, was anderes kann ich mir nicht vorstellen.«

»Ach was«, murmelte Blake.

»Vorstellen kann ich es mir ehrlich gesagt auch nicht. Aber seine Worte klangen trotzdem irgendwie logisch, wenn ihr versteht, was ich meine.«

»Klar«, entgegnete Marc.

»Wir sollten der Sache lieber auf den Grund gehen. Einfach, um herauszufinden, ob da wenigstens ein Funken Wahrheit dran ist.«

»Okay, Leute, Planänderung. Lasst uns doch jetzt mit dem Bus in die Stadt fahren, dann können wir da noch ein bisschen Zeit verbringen«, meinte Jay.

Marc schaute auf seine Uhr.

»Gute Idee. Was denkt ihr?«

»Die Fahrt dauert ungefähr zweieinhalb Stunden, dann wären wir so gegen viertel vor drei da.«, murmelte Blake.

»Und?«, fragte Jay.

»Ich soll doch vor Sonnenuntergang wieder zu Hause sein.«

»Was soll das denn?«, fragte David und hob eine Augenbraue.

»Ihr kennt doch meine Eltern.«

»Stimmt«, sagte Jay.

»Ist doch nicht schlimm. Uns bleibt schon noch genug Zeit«, meinte Marc.

»Dann lasst uns den nächsten Bus nehmen«, entschied Blake.

2

Sie mussten knapp fünf Minuten auf den Bus warten. Marc bezahlte die Fahrt für sich und Blake, ehe sie durch den Bus gingen und sich in eine der hinteren Sitzreihen setzten. Der Bus war nahezu voll, es gab keine vier zusammenhängenden Sitzplätze mehr, weshalb David und Jay ein paar Reihen entfernt Platz genommen hatten. Blake legte ihren Kopf auf Marcs Schulter, und er strich mit einer Hand über ihre Haare.

»Ich würde gerne heute noch länger in der Stadt bleiben. Du weißt schon, feiern und so. Mal Spaß haben«, erklärte sie.

»Ich auch. Aber ist ja nicht schlimm. Wir können doch auch bei dir den Abend genießen.«

Sie lächelte ihn verschmitzt an und Marc errötete daraufhin.

»Nicht das, was du meinst. Ein paar Filme gucken oder so.«

»Sicher?«

»Vollkommen.«

Im Bus war es unangenehm warm, was daran lag, dass die Klimaanlage defekt war. Marc fächerte sich mit seiner Hand Luft zu, doch es brachte rein gar nichts, schon nach wenigen Minuten begann er, zu schwitzen. Die Busfahrt dauerte extrem lang, und die zweieinhalb Stunden, die sie in dem überfüllten und stickigen Fahrzeug verbringen mussten, kamen Marc doppelt so lang vor. Irgendwann hatten sie dann aber doch die Haltestelle, an der sie aussteigen mussten, erreicht. Draußen war die Luft allerdings kaum angenehmer als im Inneren des Busses, es war zwar ein leichter Wind aufgekommen, aber am Himmel waren keinerlei Wolken zu sehen. Marc und Blake warteten, bis Jay und David ebenfalls aus dem Bus ausgestiegen waren.

»Oh Mann. Das war ja kaum auszuhalten da drin«, meinte David und zeigte auf den Bus, der seinen Weg nun fortsetzte.

»Ja. Echt unerträglich, aber hier ist es wenigstens angenehmer.«

»Habt ihr Hunger?«, fragte Jay.

Marc überlegte. Er hatte bestimmt seit fünf Stunden nichts mehr gegessen, und sein Magen fühlte sich dementsprechend leer an.

»Ja«, sagte Blake.

»Ich auch. Wollen wir uns dort was holen?«

Jay zeigte auf das Rusty's. Dies war ein älteres Restaurant, das entfernt an das Desert Valley erinnerte. Sie hatten schon öfter dort gegessen, eigentlich fast jedes Mal, wenn sie einen Ausflug in die Stadt unternommen hatten.

»Gute Idee«, erwiderte David.

Auch Marc und Blake stimmten zu. Sie betraten das Restaurant und setzten sich an einen freien Tisch am Fenster. Nach fünf Minuten erschien ein Kellner, der fragte, was sie zu trinken bestellen wollten.

»Einen Tequila, bitte«, sagte Jay.

»Du bist doch noch keine einundzwanzig, oder?«, fragte der Mann daraufhin argwöhnisch.

Er war hochgewachsen und schon etwas älter, Marc schätzte ihn auf Mitte vierzig. Jay kramte in seiner Hosentasche herum und holte seinen Ausweis hervor. Der Kellner betrachtete ihn, nickte, und sagte dann: »Okay. Und ihr?«

»Eine Virgin Colada bitte«, meinte Marc.

»Für mich auch«, entgegnete Blake.

»Ich nehme eine große Cola«, sagte David.

Als der Kellner sich wieder von dem Tisch entfernte und wenig später im Küchenbereich verschwunden war, blickte Marc Jay neugierig an.

»Was hast du denn da für einen Ausweis?«, fragte er ihn.

Jay holte den Ausweis erneut aus seiner Hosentasche hervor und reichte ihn an Marc weiter.

»Ist gefälscht. Mein Bruder kennt sich damit aus«, meinte Jay.

»Danny?«

»Ja. Ryan bestimmt nicht.«

Marc warf einen Blick auf den Ausweis. Als Geburtsdatum war der 21.5.1984 angegeben. Jays wirkliches Geburtsdatum hingegen war erst fünf Jahre später.

»Da hat er aber wirklich gute Arbeit geleistet. Wirkt auf mich ziemlich glaubwürdig.«

»Zeig mal her«, meinte nun auch Blake.

Marc reichte den Ausweis an sie weiter.

»Du hast recht«, sagte sie nach ein paar Sekunden.

»Sieht ziemlich echt aus.«

Wenige Minuten später brachte der Kellner die Getränke. Er stellte sie auf dem Holztisch ab und fragte dann: »Habt ihr euch schon entschieden, was ihr essen wollt?«

Jay blickte in die Runde, alle nickten.

»Ja. Eine Buffalo Pizza, bitte«, sagte Jay.

»Klein, mittel, groß oder extragroß?«

»Extragroß«, antwortete er und grinste.

»Ich nehme dieselbe Sorte. Nur in mittel«, meinte David.

»Für mich bitte eine Pizza Hawaii. Ebenfalls mittel«, sagte Marc.

»Ich nehme einen Cäsar Salat«, meinte Blake.

Die Bedienung schrieb die Bestellungen mit einem Bleistift auf einen Notizblock und verschwand danach wieder in der Küche.

»Einen Salat?«, meinte Jay und grinste.

»Und?«, fragte Blake.

»Immerhin ernähre ich mich gesünder als du.«

»Das ist ja auch nicht schwer. Aber wenn ich Hunger habe, esse ich doch nicht nur einen Salat.«

»Du vielleicht nicht. Ich hingegen schon.«

Die restliche Zeit warteten sie schweigend auf ihr Essen. Marc erkundete mit seinem Blick das Restaurant. Es war im fünfziger Jahre Stil eingerichtet worden. Die Ledersitzecke, auf der sie saßen, war sehr bequem und in einem dunklen Rotton gehalten. Um die Bar herum standen neun Hocker, von denen aber nur vier besetzt waren. Außer den roten Ledersitzecken waren noch braune und dunkelblaue im Restaurant verteilt. Alle sahen bereits ziemlich alt und durchgesessen aus. Plötzlich stockte Marc. In einer der hinteren Sitzecken entdeckte er auf einmal ein bekanntes Gesicht; es blickte ihm direkt in die Augen. Er schob unauffällig seinen Ellbogen nach hinten und stieß Blake an.

»Schau mal. Da vorne«, flüsterte er.

An ihrem Gesichtsausdruck erkannte Marc, dass sie Joseph ebenfalls gesehen hatte.

»Was macht der denn hier?«, fragte sie so laut, dass nun auch David und Jay ihr Gespräch mitbekamen.

Alle hoben nun ihre Köpfe.

»Wer?«, fragte Jay neugierig.

»Joseph«, meinte Marc und zeigte zu einem abgelegenen Tisch.

Mittlerweile hatte sich Joseph wieder der Zeitung, die er aufgeschlagen auf dem Tisch ausgebreitet hatte, zugewandt. Ab und zu trank er einen Schluck aus einer Tasse und biss danach in ein halbes Lachsbrötchen hinein, aber er sah nicht mehr zu ihnen hinüber. Vielleicht weiß er jetzt, dass wir ihn gesehen haben, dachte Marc.

»Ich glaube kaum, dass das ein Zufall ist«, meinte Jay.

»Ist doch egal. Er ist einsam. Er braucht auch mal etwas Abwechslung. Immer nur mit dem Fahrrad durch unser Kaff zu fahren, das ist ja auf Dauer auch langweilig«, sagte Blake.

»Aber warum hat er uns eben so angesehen? Er hätte sich doch auch zu uns setzen können. Er braucht uns ja nicht heimlich zu beobachten«, murmelte Marc.

»Lasst ihn uns doch einfach fragen«, meinte Jay daraufhin.

Doch das brauchten sie gar nicht mehr. Joseph stand nur wenige Sekunden später auf, nahm seinen Teller mit dem halben Brötchen in die Hand und schlug dann den Weg zu ihrem Tisch ein.

»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte David.

»Überlegt es euch noch mal. Bitte«, sagte Joseph nur, als er den Tisch erreicht hatte.

»Was sollen wir uns denn überlegen?«, fragte David genervt.

»Euren Ausflug zu dem Geisterhaus. Ich würde euch dringend davon abraten.«

Gerade, als Joseph seinen Satz beendet hatte, brachte die Bedienung das Essen. Es waren die beiden Pizzen von Jay und David, danach folgte Blakes Salat und zum Schluss Marcs Pizza.

»Joseph«, erwiderte Jay, als der Kellner bereits den Weg zu einem Tisch einschlug, an dem gerade zwei neue Gäste Platz genommen hatten.

»Das ist doch wohl unsere Sache, oder? Was interessiert dich das eigentlich?«

»Ich möchte nur nicht, dass euch etwas passiert. Ist doch klar, oder?«

»Und deshalb bist du uns gefolgt?«

»Okay, ich gebe es zu. Ja, ich bin euch gefolgt. Und... ich will euch ja eigentlich auch gar nicht von dem Ausflug abhalten.«

Marc und Blake tauschten einen kurzen verwirrten Blick miteinander, denn beide waren von Josephs Antwort überrascht.

»Ich möchte stattdessen mit euch kommen. Ich könnte uns auch dorthin fahren.«

Jay blickte nacheinander David, Marc und Blake an.

»Versteh uns nicht falsch, Joseph. Aber wir würden den Ausflug doch lieber allein machen.«

»Kein Problem.«

Joseph winkte ab.

»Falls ihr euch doch noch umentscheiden solltet, kommt einfach zu meinem Wohnwagen. Ihr seid dort jederzeit willkommen.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Joseph schon wieder.

Marc brauchte ein paar Sekunden, bis er die Situation eingeordnet hatte, und wandte sich dann seiner Pizza zu. Der Duft des Teiges und der fruchtige Geruch der Ananas stiegen ihm in die Nase und ließen ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er nahm seine Gabel, schnitt sich ein Stück ab und schob es sich genüsslich in den Mund. Jay hatte bereits den Mund voll, seine Pizza war auf einem größeren Teller gebracht worden. Sie war wirklich riesig, und Marc konnte sich nicht vorstellen, dass Jay es schaffen würde, sie aufzuessen.

»Magst du auch ein Stück?«, fragte er Blake, die lustlos in ihrem Salat herumstocherte.

»Ja, gerne.«

Marc schnitt ihr ein größeres Stück ab und reichte ihr die Gabel. Blake schob das Stück davon herunter und legte es auf ihren Teller.

»Danke«, flüsterte sie und lächelte.

»Gerne«, antwortete Marc.

Sie aßen. Jays Magen war nach der Hälfte der Pizza bereits gefüllt, weshalb er seine Gabel und sein Messer auf den Tisch legte und sich zurücklehnte. Danach nahm er einen Schluck von seinem Tequila.

»War wohl doch zu viel, was?«, fragte Marc und grinste breit.

»Ja. Hätte ich nicht gedacht«, erwiderte Jay knapp.

Blake hatte mittlerweile ihren Salat komplett aufgegessen.

»Willst du vielleicht noch was von meiner Pizza haben?«, fragte Jay an Blake gewandt.

»Nee, danke. Ich bin satt.«

Marc aß seine Pizza auf und nippte anschließend an seinem Cocktail. Er schmeckte gut, den Geschmack des Ananassaftes war am Intensivsten, genau, wie er es sich vorgestellt hatte.

»Dann muss ich den Rest wohl zurückgehen lassen«, murmelte Jay.

Er trank seinen Tequila aus. David war mittlerweile auch mit seiner Pizza fertig und Blake hatte ihren Cocktail bereits ausgetrunken. Nach weiteren zwei Minuten war Marcs Teller ebenfalls leer. Er winkte den Kellner herbei und bezahlte für sich und Blake. David und Jay bezahlten beide für sich selbst, und als das schließlich erledigt war, verließen sie das Restaurant wieder und traten auf die Straße.

»Und was wollen wir jetzt machen?«, fragte Jay.

Marc schaute sich aufmerksam um. Der Himmel war blau, und es war nicht eine einzige Wolke zu sehen. Alles in allem war es ein herrlicher Sommertag.

»Wir könnten doch zum Einkaufszentrum gehen«, meinte er.

»Und dann?«, fragte David.

»Shoppen«, meinte Blake und grinste.

David musste daraufhin ebenfalls grinsen.

»War mir schon klar, dass du das vorschlägst«, sagte Jay.

»Mädchen halt«, ergänzte er.

Blake überging seine letzte Bemerkung und fragte: »Hast du denn einen anderen Vorschlag?«

Marc, David und Blake blickten Jay an.

»Nö. Dann lasst uns dort hingehen.«

Sie mussten dreihundert Meter gehen, bis sie am Einkaufszentrum angekommen waren. Marc genoss die klimatisierte Luft im Inneren, denn sie brachte wenigstens etwas Abkühlung und trieb den Schweiß von seiner Stirn. Blake fächerte sich mit ihrer Hand Luft zu und lächelte ihn an. Er lächelte zurück. Sie steuerte nun direkt den ersten Klamottenladen an, Marc folgte ihr, während David und Jay vor dem Geschäft warteten. Blake ging in eine Ecke des Ladens, sie schien offenbar schon etwas im Visier zu haben.

»Wie findest du die Hose?«, fragte sie Marc.

Dieser drehte sich um und sah sie an. Ihre dunkelblonden, mittellangen Haare klebten ihr an der Stirn. Sie sah einfach fantastisch aus.

»Steht dir ausgezeichnet.«

»Wirklich?«

»Ja, wirklich.«

Plötzlich entgleisten Blake die Gesichtszüge. Marc drehte sich um und durchsuchte hektisch den Laden. Zunächst sah er nichts, was Blakes Sinneswandel erklären konnte. Doch wenige Sekunden, bevor er sich wieder umdrehen und sie fragen wollte, was los sei, entdeckte er, was sie gesehen hatte. Ein paar Meter entfernt, direkt zwischen der Damen- und der Herrenabteilung, stand tatsächlich Joseph und starrte wieder genau in ihre Richtung.