Der Bergpfarrer 376 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 376 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

0,0

Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Grüß dich, Anton.« Der Bergpfarrer reichte dem alten Bauern die Hand. »Wie geht's dir?« Anton Straubinger strich sich über den eisgrauen Bart und zuckte die Schulter. »Wie soll's schon gehn, Hochwürden?« entgegnete er. »Die Arbeit nimmt kein End', und ich werd' net jünger.« Sebastian Trenker schmunzelte. »Na, wenn ich mir dich so anschau', dann muß ich sagen, daß du doch gar keinen Grund zum Klagen hast«, meinte er. »Du nimmst es doch noch mit jedem jungen Burschen auf.« Auch wenn der Bergbauer schon allmählich auf die Siebzig zuging, wirkte er tatsächlich mindestens zehn Jahre jünger. Er war groß und schlank, und zupacken konnte der alte Straubinger immer noch. »Schön, daß Sie mal wieder vorbeischaun«, sagte er zu dem Besucher und deutete auf einen Stuhl in der Diele. »Nehmen S' doch Platz. Ich koch' uns einen Kaffee.« Sebastian setzte sich, während der Alte in der Küche verschwand. Der gute Hirte sah sich um. Die Diele war im typisch ländlichen Stil eingerichtet.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 105

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Bergpfarrer – 376 –

Wen das Schicksal straft

Unveröffentlichter Roman

Toni Waidacher

»Grüß dich, Anton.«

Der Bergpfarrer reichte dem alten Bauern die Hand.

»Wie geht’s dir?«

Anton Straubinger strich sich über den eisgrauen Bart und zuckte die Schulter.

»Wie soll’s schon gehn, Hochwürden?« entgegnete er. »Die Arbeit nimmt kein End’, und ich werd’ net jünger.«

Sebastian Trenker schmunzelte.

»Na, wenn ich mir dich so anschau’, dann muß ich sagen, daß du doch gar keinen Grund zum Klagen hast«, meinte er. »Du nimmst es doch noch mit jedem jungen Burschen auf.«

Auch wenn der Bergbauer schon allmählich auf die Siebzig zuging, wirkte er tatsächlich mindestens zehn Jahre jünger. Er war groß und schlank, und zupacken konnte der alte Straubinger immer noch.

»Schön, daß Sie mal wieder vorbeischaun«, sagte er zu dem Besucher und deutete auf einen Stuhl in der Diele. »Nehmen S’ doch Platz. Ich koch’ uns einen Kaffee.«

Sebastian setzte sich, während der Alte in der Küche verschwand. Der gute Hirte sah sich um. Die Diele war im typisch ländlichen Stil eingerichtet. Auf den Stühlen hatten schon Generationen von Straubingers gesessen. Der Blick des Geistlichen wanderte zu den Bildern, die an der Wand, neben dem großen Dielenschrank, der mit prächtiger Bauernmalerei verziert war, hingen. Einige waren gemalt, andere gerahmte Fotos. Alle zeigten sie Angehörige der Bauernfamilie, angefangen beim Urgroßvater, bis zum jetzigen Bauern und seiner verstorbenen Frau.

Den weißen Fleck, auf der Tapete daneben betrachtete Sebastian länger. Eigentlich hätte dort auch ein Foto hängen müssen, aber Anton hatte es vor langer Zeit abgenommen…

Der Bauer kam zurück. In den Händen trug er ein Tablett, auf dem Kaffeekanne und Geschirr stand. Er setzte es auf dem Tisch ab und verteilte die Tassen.

»So«, sagte er, nachdem er eingeschenkt hatte, »lassen S’ sich’s schmecken.«

»Dank’ schön, Anton«, nickte der Besucher. »Der Kuchen schaut ja prächtig aus. Hast du ihn gebacken?«

»Du lieber Himmel, nein«, lachte der Alte. »Wo denken S’ hin? Das war der Franz. Ich wüßt’ ja net einmal wie lang’ so ein Kuchen überhaupt in der Röhre bleiben müßt’. Geschweige denn, daß ich überhaupt ein Rezept dafür hätt’. Den Haushalt hat immer meine Resi gemacht. Darum hab’ ich mich nie gekümmert.«

»Dann funktioniert eure Männerwirtschaft also immer noch«, stellte Sebastian fest.

Er trank einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse wieder ab.

»Bist’ also ganz zufrieden, mit deinem Leben…«

In dem Gesicht des Bauern zuckte es unmerklich.

»Na ja, in der letzten Zeit mach’ ich mir schon Gedanken, wie’s einmal weitergehn’n soll«, gestand er nach kurzem Zögern. »Ich hab’s ja schon gesagt – man wird net jünger, und eines Tag’s muß mal Schluß sein. Da würd’ man schon wissen woll’n, was mit dem Hof geschieht…«

Er schluckte mehrfach bei diesen Worten, und Sebastian Trenker konnte unschwer erkennen, wie sehr den Bauern dieses Thema berührte.

»Von deiner Tochter hast’ nix gehört, was?«

Diese Frage stellte er so oder ähnlich bei fast jedem Besuch auf dem Straubingerhof, und immer war die Antwort ein stummes Kopfschütteln.

»Ich wünscht’, ich würd’, Hochwürden«, sagte der alte Bergbauer. »Immer wieder hab’ ich mich gefragt, warum es so gekommen ist. Ich weiß, daß ich die Katja net gut behandelt hab’. Heut’ weiß ich’s…«

»Die Einsicht kommt meist zu spät. Aber trotzdem solltest’ die Hoffnung net aufgeben. Eines Tag’s steht sie vor der Tür, und dann wird alles gut.«

Anton Straubinger seufzte tief auf.

»Ach, Hochwürden, wenn ich Ihren Glauben nur teilen könnt’!«

»Versuch’s, meinte der Geistliche. »Zu glauben schadet net, und wenn man die Hoffnung aufgibt, dann ist man ganz und gar verloren.«

Damit hatten sie scheinbar das Thema gewechselt. Anton Straubinger machte kein Geheimnis daraus, daß er mit der Kirche mehr oder weniger auf dem Kriegsfuß stand. Bei jedem Besuch des Bergpfarrers kam es zu einem Disput über Fragen des Glaubens, und Sebastian konnte sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, daß es dem Bauern sichtlich Spaß bereitete, mit ihm darüber zu streiten. Nein, ein Kirchengänger war Anton wahrlich nicht, aber er genoß die Besuche des Seelsorgers auf seinem Hof, und die Diskussionen endeten nie mit einem bösen Wort.

Sie unterhielten sich eine ganze Weile, doch Sebastian merkte, daß er mit seinen Gedanken immer wieder abstreifte.

Katja Straubinger, die Tochter und einziges Kind des Bauern, nahm immer mehr Raum in seinen Gedanken ein. Sieben Jahre war es her, daß sie von zu Hause fortgelaufen war. Niemand wußte, wo sie steckte und was aus ihr geworden war.

Anfangs hatte der Alte gewettert und getobt. Inzwischen bereute er alles, was geschehen war, und beteuerte Sebastian gegenüber immer wieder seine Bereitschaft, der Tochter zu vergeben und sie wieder aufzunehmen.

Doch Katja blieb verschwunden.

*

Auf dem Heimweg vom Straubingerhof nach St. Johann grübelte Pfarrer Trenker weiter über das Problem nach, aber herausfinden zu wollen, wo die Tochter des Bauern jetzt lebte, glich der Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Bei Nacht und Nebel war sie verschwunden und hatte nie wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Über die Hintergründe für diese Flucht aus dem Elternhaus, erfuhr Sebastian erst nur spärlich etwas. Streit hatte es auf dem Berghof oft gegeben. Besonders, seit die Mutter gestorben war. Vielleicht, so mutmaßte der Seelsorger, hatte Anton Straubinger den Tod seiner Frau nie verwunden.

Wie auch immer, Katja war und blieb verschwunden, und dem alten Grantler zerriß es das Herz. Offenbar hatte er eingesehen, wie einsam es auf seine alten Tage um ihn geworden war. Außer seinem Knecht, den jungen Franz Brandmayr, hatte er keinen Menschen mehr, und wenn Sebastian Trenker ihn nicht ab und zu besuchte, dann wären die beiden Männer wohl die einsamsten Menschen im ganzen Wachnertal gewesen.

Beim Mittagessen kam der Geistliche noch einmal auf das Thema zu sprechen. Zusammen mit seinem Bruder und der Haushälterin saß er am Küchentisch. Sophie Tappert hatte aus ihrem schier unerschöpflichen Fundus an Rezepten wieder einmal eine besondere Köstlichkeit auf den Tisch gebracht. Diesmal waren es Schweinekoteletts, die sie rasch in der Pfanne gebraten hatte. Anschließend kamen sie in eine feuerfeste Form und wurden mit einer Masse bestrichen, die aus gedünsteten Zwiebelwürfeln bestand, die zuvor mit Salz und Pfeffer gewürzt, etwas Weißwein abgelöscht und mit Sahne aufgegossen wurden. Das Besondere allerdings war eine gute Handvoll geriebener Bergkäse, den die Haushälterin daruntermischte. Das ganze wurde nun in den Backofen geschoben und unter dem Grill überbräunt.

Je nach Jahreszeit servierte die Pfarrköchin dazu Gemüse oder Salat und rösche Bratkartoffeln. Auch wenn die Zutaten nicht 
aufwendig waren, so war das Mittagessen doch ein besonderer Gaumenkitzel und hätte einem Gourmetkoch zur Ehre gereicht.

»Sag’ mal«, wandte sich Sebastian an seinen Bruder Max, »kannst net einmal versuchen, über euren Computer den Aufenthaltsort von der Katja Straubinger herauszufinden?«

Der junge Polizeibeamte rieb sich nachdenklich die Nasenspitze.

»Probieren könnt’ ich’s«, antwortete er. »Aber es könnt’ schwierig werden. Vor allem dann, wenn die Katja vielleicht inzwischen verheirat ist und den Namen ihres Mannes trägt.«

»Darüber hab’ ich auch schon nachgedacht«, nickte der Bergpfarrer. »Aber einen Versuch wär’s immerhin wert. Ich war heut’ droben, beim Anton. Er grämt sich wirklich und wünscht sich nix sehnlicher, als daß seine Tochter zu ihm zurückkehrt. Sieben Jahr’ ist’s jetzt her, und so langsam denkt er wohl auch darüber nach, was aus dem Hof wird, wenn er einmal net mehr ist.«

»Ich mach’ mich nachher gleich an die Arbeit«, versprach Max Trenker und schielte nach dem Dessert.

Sophie Tappert hatte am Morgen frische Beeren im Garten gepflückt, gewaschen und dann, in kleine Gläser proportioniert, mit einem Gelee übergossen. Jetzt standen sie auf dem Tisch, daneben eine Karaffe mit kalter Vanillesoße.

»Im Kühlschrank steh’n noch drei Portionen«, beruhigte die Haushälterin den Bruder des Geistlichen. »Zum Abendessen ist also noch genug da.«

Sie wandte sich an Sebastian.

»Ich hätt’ eine Bitte, Hochwürden. Die Burgl hat sich zu Besuch angesagt. Hätten S’ was dagegen, wenn sie für ein paar Tag’ hier, im Pfarrhaus, wohnt?«

Walburga Ambach war die Nichte der Haushälterin, die Tochter Sophies Schwester. Sie wohnte in einem kleinen Dorf, in der Nähe von Regensburg und arbeitete in der Stadt als Sekretärin. Jetzt hatte sie Urlaub und wollte die Tante besuchen.

»Natürlich wohnt die Burgl bei uns«, sagte Sebastian. »Das ist doch keine Frage. Wann trifft sie denn ein?«

»Übermorgen kommt sie, mit dem Zug. Am Nachmittag, gegen drei.«

»Wissen S’ was?« meinte der Geistliche. »Da hab’ ich ohnehin in der Stadt zu tun. Was halten S’ davon, wenn wir Ihre Nichte von der Bahn abholen? Da muß sie net erst noch in den Bus steigen.«

»Dank’ schön, Hochwürden«, freute sich die Haushälterin. »Ich ruf’ die Burgl nachher gleich an und laß mir die genaue Ankunftszeit durchgeben.«

*

Die junge Frau horchte auf, als sie das jämmerliche Weinen hörte. Katja Bertram stürzte zur Tür und riß sie auf. Draußen stand Anna, mit tränenüberströmtem Gesicht, und schluchzte.

»Ja, Spatz’l. Was ist denn los?« fragte die Mutter.

»Di…, die doofe Kathie und der Tobias lassen mich net mitspielen«, weinte die Kleine. »Sie haben g’sagt, ich soll machen, daß ich verschwind«. Ich gehör’ net zu ihnen, und einen Papa hätt’ ich auch net.«

Katja seufzte schwer und nahm ihre Tochter auf den Arm. Tröstend strich sie ihr über den Kopf.

»Mach’ dir nix d’raus«, sagte sie in ruhigem Ton, obgleich sie innerlich vor Wut schäumte. »Komm, ich mach’ dir einen Kakao, und ein bissel Kuchen ist auch noch da. Magst du?«

Anna wischte sich die Tränen ab und nickte. Dann kuschelte sie sich ganz eng an ihre Mama und drückte sie.

»Ich hab’ dich lieb«, flüsterte sie.

Katja Bertram mußte kämpfen, um die Tränen zurückzuhalten.

»Ich dich auch, mein Engel«, sagte sie leise und gab der Kleinen einen Kuß. »So, jetzt setzt’ dich her, und ich lauf’ rasch in die Küche. Da liegt dein Bilderbuch. Das schaust’ doch so gern’ an.«

Das Madel setzte sich gehorsam auf das abgeschabte Sofa und schlug das Buch auf. Katja warf ihr einen liebevollen Blick zu und ging in die kleine Küche. Als sie den Kühlschrank öffnete, sah sie mit Erschrecken, daß kaum noch genug Milch da war. Überhaupt machte das, was sich noch darin befand, den Eindruck, die Bewohner wären kurz vor dem Aufbruch in die Ferien.

Ein halbes Stück Butter, etwas Käse und drei Scheiben Salami, mehr fand sich dort nicht. Katja nahm die restliche Milch und verdünnte sie mit Wasser. In einem kleinen Stieltopf setzte sie sie auf den Herd und machte sie warm. Im Brotkasten lag, neben einem Kanten Brot, ein Kuchenrest. Ein wenig trocken schon, aber wenn man ihn in den Kakao tunkte, dann würde er wohl noch schmecken.

Die junge Frau sah sich um, und diesmal kämpfte sie nicht gegen die Tränen an. Diese ärmliche Wohnung war alles, was ihr geblieben war. Zwei kleine Zimmer, die winzige Küche, nicht einmal ein richtiges Bad.

Nein, sie schüttelte den Kopf. Etwas hatte sie noch, das viel mehr wert war, als alle Reichtümer der Welt – ihre kleine Anna!

Sie liebte das Madel über alles, und um so mehr schmerzte es sie, das Kind leiden zu sehen.

Ein Zischen riß sie aus ihren Gedanken.

»Um Himmels willen«, rief sie und sprang zum Herd.

Das fehlte gerade noch, daß das letzte bißchen Milch überkochte! Mit dem wenigen Geld, das sie noch hatte, mußte sie haushalten, da zählte jeder Cent.

Katja konnte das Unglück gerade noch verhindern und nahm den Topf herunter. Während sie den Kakao umrührte, dachte sie darüber nach, wie sie einen Ausweg aus ihrer Misere finden konnte. Aber es war müßig. Jede freie Minute überlegte sie, aber es wollte ihr nichts einfallen.

Außer einer Möglichkeit vielleicht… Aber die schied eigentlich schon von vornherein aus!

Anna saß brav auf ihrem Platz. Daneben führte eine Tür in ein weiteres Zimmer, in dem das 
Kind schlief. Katja machte sich abends auf dem Sofa ein Bett zurecht.

»So«, sagte die Mutter, »jetzt setzt’ dich am besten auf den Stuhl. Da kannst’ besser essen.«

»Machst’ ein bissel Musik?« bat das Madel.

Katja schaltete das Radio ein. Es war ein uraltes Gerät, das Wolfgang irgendwann einmal vom Sperrmüll mitgebracht und repariert hatte. Einen Fernseher gab es nicht.

Blasmusik erklang, und die junge Frau dachte wehmütig daran, wie sie früher so oft Tanzen gegangen war. Besonders daheim, wenn Samstagsabend der Ball im Löwen stattfand.

Aber das war alles schon lange her und schien in grauer Vorzeit versunken.

»Mama, es stimmt doch gar net, was die Kathie und der Tobias sagen, net wahr? Ich hab’ doch einen Papa, oder?«

Katja hatte sich neben sie gesetzt und deutete auf das gerahmte Foto, das auf der kleinen Anrichte stand.