Der Bergpfarrer Classic 90 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer Classic 90 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 10 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Unter anderem gingen auch mehrere Spielfilme im ZDF mit Millionen Zuschauern daraus hervor. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. In Spannungsreihen wie "Irrlicht" und "Gaslicht" erzählt er von überrealen Phänomenen, markiert er als Suchender Diesseits und Jenseits mit bewundernswerter Eleganz. Mit einer müden Bewegung öffnete Christel Brandtner ihre Wohnungstür und trat in den Flur. Seufzend stellte sie die schwere Aktentasche ab und reckte sich. Deutlich spürte sie die Verspannungen in Nacken und Rücken. In den vergangenen zwei Wochen hatte sie mehr Zeit an ihrem Computer verbracht als in ihrem Bett. Es war immer eine Tortur vor den Sommerferien, wenn die Zeugnisse geschrieben wurden. Eine Konferenz jagte die andere, und meistens kamen die Lehrkräfte erst am späten Nachmittag nach Hause, wo sie dann noch bis in die Nacht arbeiteten. Heute war es allerdings anders. Am letzten Schultag war der Unterricht nach der Zeugnisausgabe beendet; das bedeutete, daß nach der dritten Stunde Schluß war. Die Kinder stürmten mit ihren »Giftblättern« nach Hause und freuten sich, sechs Wochen Sonnenschein und schulfrei zu haben. Für die Lehrerinnen und Lehrer hieß es indes noch nicht, Feierabend zu haben. Oft mußten Klassenräume umgeräumt und hergerichtet, Fächer sortiert und alles Überflüssige, was sich im Laufe des Schuljahres angesammelt hatte, entsorgt werden. Danach saß man oft noch im Lehrerzimmer beisammen, trank Kaffee und unterhielt sich über die Urlaubspläne, die man geschmiedet hatte. Meist zog es sich bis zum frühen Abend hin, ehe man wirklich Schluß hatte und das Gefühl, die Ferien können beginnen. Die junge, hübsche Frau, die eine dritte Klasse an der Grundschule in Ansbach unterrichtete, zog die Tür des Arbeitszimmers hinter sich zu. Auf dem Weg ins Bad warf sie einen prüfenden Blick in den großen Garderobenspiegel. Christel war vierundzwanzig Jahre alt, die dunklen, fast schwarzen Haare fielen sanft auf ihre Schultern. Das niedliche Näschen reckte sich keck in die Höhe, und ihre braunen Augen hatten manchmal, besonders in der letzten Zeit, einen melancholischen Ausdruck. Ihre schlanke Gestalt straffte sich, als sie sich kritisch betrachtete, dann ging sie ins Bad und ließ Wasser in die Wanne. Zwischendurch schaute sie in den Kühlschrank.

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Der Bergpfarrer Classic – 90 –

Florian, kämpfe um deine Liebe!

Toni Waidacher

Mit einer müden Bewegung öffnete Christel Brandtner ihre Wohnungstür und trat in den Flur. Seufzend stellte sie die schwere Aktentasche ab und reckte sich. Deutlich spürte sie die Verspannungen in Nacken und Rücken. In den vergangenen zwei Wochen hatte sie mehr Zeit an ihrem Computer verbracht als in ihrem Bett. Es war immer eine Tortur vor den Sommerferien, wenn die Zeugnisse geschrieben wurden. Eine Konferenz jagte die andere, und meistens kamen die Lehrkräfte erst am späten Nachmittag nach Hause, wo sie dann noch bis in die Nacht arbeiteten.

Heute war es allerdings anders. Am letzten Schultag war der Unterricht nach der Zeugnisausgabe beendet; das bedeutete, daß nach der dritten Stunde Schluß war. Die Kinder stürmten mit ihren »Giftblättern« nach Hause und freuten sich, sechs Wochen Sonnenschein und schulfrei zu haben.

Für die Lehrerinnen und Lehrer hieß es indes noch nicht, Feierabend zu haben. Oft mußten Klassenräume umgeräumt und hergerichtet, Fächer sortiert und alles Überflüssige, was sich im Laufe des Schuljahres angesammelt hatte, entsorgt werden. Danach saß man oft noch im Lehrerzimmer beisammen, trank Kaffee und unterhielt sich über die Urlaubspläne, die man geschmiedet hatte. Meist zog es sich bis zum frühen Abend hin, ehe man wirklich Schluß hatte und das Gefühl, die Ferien können beginnen.

Die junge, hübsche Frau, die eine dritte Klasse an der Grundschule in Ansbach unterrichtete, zog die Tür des Arbeitszimmers hinter sich zu. Auf dem Weg ins Bad warf sie einen prüfenden Blick in den großen Garderobenspiegel.

Christel war vierundzwanzig Jahre alt, die dunklen, fast schwarzen Haare fielen sanft auf ihre Schultern. Das niedliche Näschen reckte sich keck in die Höhe, und ihre braunen Augen hatten manchmal, besonders in der letzten Zeit, einen melancholischen Ausdruck. Ihre schlanke Gestalt straffte sich, als sie sich kritisch betrachtete, dann ging sie ins Bad und ließ Wasser in die Wanne.

Zwischendurch schaute sie in den Kühlschrank. Viel war es nicht, was sich darin befand. Ein paar Tomaten, etwas Käse, Butter und Milch.

Christel beschloß, das Abendessen auf später zu verschieben. Am Nachmittag hatte es Kaffee und Kuchen gegeben, den zwei Kolleginnen spendiert hatten. Ihre Geburtstage waren in den Zeugnisstreß gefallen, und jetzt holten sie die Einladung nach.

Das Telefon klingelte.

Anja, dachte die Lehrerin und nahm den Hörer ab.

Es war wirklich die Freundin, die an derselben Schule arbeitete wie Christel.

»Na, alles klar?« rief Anja Schaffer munter. »Hast schon alles gepackt?«

»Du machst wohl Scherze, was?« gab sie zurück. »Ich bin gerade eben nach Hause gekommen.«

»Ich doch auch«, beruhigte die Freundin sie. »Ich wollte auch nur kurz anrufen und dich daran erinnern, daß ich so gegen sieben bei dir bin.«

Christel seufzte.

»Da kann ich ja net einmal am ersten Ferientag ausschlafen.«

Der Protest in ihrer Stimme war deutlich zu hören. Anja kicherte.

»Dafür schläfst du dann auf der Fahrt. Außerdem haben wir in Sankt Johann alle Zeit der Welt. Niemand treibt uns an, wir können machen, was wir wollen, und bei der Frau Stubler bekommen wir das Frühstück auch noch, wenn wir erst mittags aufstehen.«

»Ach, Anja, ich weiß immer noch net, ob es überhaupt ganz richtig ist…«

Christel schaute gedankenverloren durch die kleine Wohnstube. Auf einem Sideboard standen gerahmte Fotos. Von ihr selbst, den Eltern, den Großeltern. Dazwischen war ein freier Raum, der irgendwie unpassend wirkte. Aber es hatte seinen Grund, warum dort kein Bild mehr stand. Die junge Frau hatte es vor geraumer Zeit fortgenommen. Immer wieder fiel ihr Blick auf diese Lücke, und jetzt ganz besonders…

»Natürlich ist es richtig«, hörte sie die Freundin sagen. »Oder willst du die ganzen Ferien zu Hause verbringen?«

Dieses Argument hatte sie schon angeführt, als sie vor einiger Zeit mit dem Vorschlag kam, die Ferien zusammen zu verbringen. Anja Schaffer, die nicht nur Christels Kollegin war, sondern auch ihre beste Freundin – sie kannten sich seit dem Studium –, hatte hautnah das Drama um Karsten Reuter mitbekommen und Christel in dieser schlimmen Zeit zur Seite gestanden. Auch wenn seitdem einige Wochen ins Land gezogen waren, so war die Wunde doch immer noch frisch, und die Lehrerin hatte sich mehr als einmal bei der Freundin ausgeweint.

Als Anja dann vorschlug, gemeinsam in dieses Bergdorf zu fahren, hatte Christel rigoros abgelehnt.

»Wie stellst du dir das vor?« fragte sie. »Ich kann’s mir gar net leisten, in den Urlaub zu fahren. Wenn ich an die ständigen Mahnschreiben von der Bank denk’, wird mir ohnehin schon ganz schlecht.«

Das Gespräch fand in Christels Wohnung statt. Anja hatte sie besucht und eine Flasche Rotwein mitgebracht. Außerdem ein Album mit unzähligen Fotos des Ortes, den sie viele Male mit den Eltern, später auch alleine, besucht hatte.

»Na ja, ganz hübsch«, mußte Christel zugeben. »Trotzdem zu teuer für mich.«

»Hör zu«, wandte Anja ein. »Ich fahre sowieso, also zahle ich auch das Benzin. Das Zimmer in der Pension Stubler ist net teuer, das kannst’ dir leisten, und das, was wir sonst noch brauchen, Verpflegung und so, mal ausgeh’n, das teilen wir uns.«

Das Angebot schien verlockend. Dennoch wagte Christel einen letzten Einwand.

»Und Wolfgang?« wollte sie wissen. »Was sagt er dazu, wenn ich mitfahre und er zu Hause bleiben muß?«

Wolfgang Mitterer war Anjas Verlobter. Die beiden hatten zwar längst vor zu heiraten, mußten es aber immer wieder verschieben, weil der technische Ingenieur einer großen Stahlbaufirma immer wieder beruflich gefordert war und die Hochzeit eben warten mußte.

So auch diesmal.

»Muß er ja net«, antwortete Anja. »Wolfgangs Urlaub ist gestrichen. Bestenfalls kann er in der letzten Woche nachkommen. Also, wie ist’s?«

»Na schön«, hatte Christel damals geseufzt. »Dann fahr’ ich halt mit.«

»Na also, also ein bissel mehr Freude bitt’ ich mir schon aus«, hatte die Freundin gesagt.

Christel trank ihr Glas auf einen Zug leer und verzog das Gesicht.

»Na gut«, meinte sie. »Ich freu’ mich.«

Dann schmiedeten sie Pläne, was sie alles anfangen wollten.

Ausschlafen kam an erster Stelle, aber auch Wandern und eine Bergtour unternehmen. Baden sowieso, nachdem Anja vom Achsteinsee erzählt hatte, der nach ihren Worten ein wahres Badeparadies sein sollte.

An all das dachte Christel jetzt wieder und versprach, am nächsten Morgen pünktlich fertig zu sein.

»Also«, sagte Anja Schaffer zum Abschied, »dann pack’ mal deine Sachen zusammen, anschließend nimmst du ein schönes Bad und gehst…«

Ein Schreckensschrei unterbrach sie.

»Um Himmels willen, die Badewanne!«

Über das Telefonieren hatte Christel ganz vergessen, daß sie sich Badewasser eingelassen hatte.

»Du, ich muß auflegen«, sagte sie hastig. »Morgen früh um sieben dann also.«

*

Als sie am nächsten Morgen aus dem Fenster schaute, sah es draußen trübe aus. Dunkle Wolken hingen über dem Dorf, das in der Nähe von Ansbach lag.

Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, was ich machen kann, dachte Christel. Bei den Wetteraussichten für die kommenden Tage wäre sie wahrscheinlich nur noch depressiver geworden. Also nichts wie weg hier.

Fünf Minuten vor sieben fuhr Anja vor. Christel lud ihr Gepäck ein, verabschiedete sich von Oma Mertens, die versprochen hatte, sich um Blumen und Post zu kümmern, und setzte sich auf den Beifahrersitz.

Anja deutete auf einen Korb, der auf der Rückbank stand.

»Ich hab’ uns was zu schnabulieren mitgebracht«, sagte sie. »In der Thermoskanne ist heißer Kaffee, und in der Tüte warten frische Rosinensemmel und Croissants darauf, von uns verputzt zu werden.«

»Lecker.«

Christel schnalzte mit der Zunge. Doch, jetzt war sie in der richtigen Urlaubsstimmung und freute sich auf die Fahrt.

»Du wirst seh’n, es wird dir in Sankt Johann gefallen«, beteuerte Anja. »Die Leute da sind alle supernett. Vor allem die Ria, der die Pension gehört. Wenn die einen besonders mag, dann lädt sie ihn immer zum Essen zu sich ein. Eine tolle Frau. Und wen du unbedingt kennenlernen mußt, das ist Pfarrer Trenker. Mit dem hab’ ich schon so manche Bergtour gemacht, zum Floriansfelsen hinauf, dem Wendelstein, der Kandererhütte…«

Anja Schaffer konnte gar nicht mehr aufhören zu schwärmen. Dabei wußte Christel schon einiges über das Dorf in den Alpen, denn jedesmal, wenn die Freundin ein paar Tage dort verbracht hatte, manchmal fuhr sie auch nur für ein verlängertes Wochenende, berichtete sie begeistert davon, wie schön es wieder gewesen sei.

Christel ließ sich von der guten Laune anstecken. Sie wollte nicht zurückschauen auf das, was hinter ihr lag, sondern vorwärtssehen in die Zukunft. Gewiß würde es noch einige Zeit dauern, bis sie den Schuldenberg abgetragen hatte, den Karsten ihr hinterließ. Doch Gott sei Dank hatte sie einen krisensicheren Arbeitsplatz, und ihr Verdienst sicherte zumindest die Ratenzahlungen an die Bank und die anderen Gläubiger.

Nein, Christel Brandtner wollte ein neues Leben beginnen und sich auf das, was auf sie zukam, freuen. Nur eins sollte in diesem neuen Leben keinen Platz mehr haben – Männer gehörten für alle Zeit daraus gestrichen!

Oder zumindest vorläufig…

Anja hatte das Radio eingeschaltet, und sie sangen die Lieder mit. Zwischendurch achteten sie auf die Verkehrsnachrichten. Es war richtig was los auf der Autobahn in Richtung München, typisch Ferienbeginn. Dennoch kamen sie einigermaßen gut durch, und als sie einen Rastplatz ansteuerten, hatten sie schon ein gutes Stück geschafft.

Das Frühstück schmeckte ausgesprochen lecker.

Aber Anja meinte: »Wart’ nur,

bis du die belegten Brote gegessen hast, die Frau Tappert Pfarrer Trenker immer mitgibt, wenn er eine Tour macht. Die sind unvergleichlich!«

Sie runzelte die Stirn.

»Du hast doch an die Wandersachen gedacht?« vergewisserte sie sich.

»Na klar«, nickte Christel. »Ich bin letzte Woche extra noch zwischen zwei Konferenzen in die Stadt gesaust und hab’ mir einen Hut gekauft. Den hatte ich nämlich noch net.«

Die Fahrt ging gemütlich weiter. Sie ließen sich Zeit, nahmen auch mal einen kleinen Umweg über die Landstraße in Kauf, als sie durch den Verkehr rechtzeitig vor einem Stau gewarnt wurden, und erreichten das Dorf am Nachmittag.

»Da sind wir«, sagte Anja.

Christel schaute neugierig auf die Häuser mit ihren hübschen Lüftlmalereien, die urigen Leute, die durch die Straßen spazierten und meist in Trachten gekleidet waren, und blickte auf den hohen, schlanken Turm der Kirche mit seiner Zwiebelhaube.

Die Pension Stubler lag in einer kleinen Seitenstraße.

»Jetzt können die Ferien beginnen«, meinte Anja Schaffer, als sie vor dem Haus gehalten hatte.

Die Pensionswirtin begrüßte die beiden Frauen mit einem strahlenden Lächeln.

»Herzlich willkommen«, sagte sie und streckte Anja die Hand hin. »Gut schaust’ aus, Madel. Was macht der Bräutigam?«

»Arbeiten, wie immer«, entgegnete die Lehrerin und deutete auf Christel. »Meine Freundin, Christel Brandtner.«

»Auch Ihnen ein herzliches Willkommen, Frau Brandtner«, begrüßte Ria sie.

»Sagen S’ doch einfach Christel«, bat sie.

»Gut, mir soll’s recht sein. Ich bin die Ria, und weil ich mit der Anja per du bin, schlag’ ich vor, daß wir’s auch so halten. Einverstanden?«

»Gern«, nickte die Lehrerin.

»So, Madln, wollt ihr erst mal auf eure Zimmer?« fragte Ria. »Nachher gibt’s dann Kaffee und Kuchen.«

Sie brachten ihre Reisetaschen nach oben und packten aus. Christels Zimmer lag neben dem, das Anja bewohnte, und über den durchlaufenden Balkon konnten sie sich sogar gegenseitig besuchen.

»Schön, was?« rief Anja Schaffer, als sie beide draußen standen und zu den Bergen hinüberschauten.

»Wunderschön«, bestätigte Christel. »Ich bin froh, daß ich mitgefahren bin.«

»Das da sind der ›Himmelsspitz‹ und die ›Wintermaid‹«, deutete die Freundin auf den Zwillingsgipfel. »Und da drüben ist der Kogler. Auf der and’ren Seite ist schon Österreich.«

Als sie wieder herunterkamen, hatte Ria Stubler schon den Tisch auf der Terrasse gedeckt. Zur Pension gehörte ein herrlich angelegter Garten, und die Gäste hatten Gelegenheit, sich hier zu sonnen oder zu lesen, wenn sie mal einen faulen Tag einlegen wollten.

Der gedeckte Apfelkuchen war noch lauwarm, das geschlagene Obers zerfloß beinahe darauf. Aber es schmeckte einfach himmlisch, und Kalorien wollte heute niemand zählen.

Natürlich mußten viele Fragen beantwortet werden, nach der eigenen Gesundheit und der der Eltern. Was sich alles so ereignet hatte, seit Anja das letzte Mal dagewesen war, und was man sich alles für den Urlaub vorgenommen hatte.

Im Gegensatz zu ihrer Freundin war Anja Schaffer blond. Sie hatte blaue Augen und scherzte mitunter, daß ihre Vorfahren Wikinger gewesen sein mußten. Schlank und großgewachsen wie sie war, konnte diese Vermutung vielleicht sogar ein kleines Körnchen Wahrscheinlichkeit in sich bergen.

»Natürlich wollen wir eine Bergtour machen«, erklärte sie. »Ich hoffe doch, daß Pfarrer Trenker sich bester Gesundheit erfreut?«

»Ja, freilich«, lachte Ria. »Du weißt doch, uns’ren Bergpfarrer haut so schnell nix um.«

»Bergpfarrer?« fragte Christel nach und runzelte die Stirn. »Hält er die Messe droben auf dem Berg ab?«

»Nein, nein«, lachte die Wirtin. »Obwohl, zur Fronleichnamsprozession geht’s schon den Berg hinauf, das stimmt. Aber Bergpfarrer wird er genannt, weil er sich droben so gut auskennt wie kein zweiter. Weißt’, Hochwürden war in seiner Jugend nämlich Bergführer und hat sich mit dieser Arbeit sein Studium verdient. Und weil er’s eben net lassen kann, immer wieder aufzusteigen, haben die Leut’ ihm diesen Spitznamen gegeben.«

Ria schmunzelte. »Aber natürlich sagen s’ das net, wenn er dabei ist.«

»Jedenfalls hab’ ich mit ihm schon so manche tolle Tour gemacht«, meinte Anja. »Und ich hab’ bisher keinen getroffen, der soviel über die Berge wußte wie er.«

»Na, da bin ich ja gespannt«, sagte Christel Brandtner.

»Wir können ja nach dem Kaffeetrinken mal hinübergehen«, schlug die Freundin vor. »Vielleicht haben wir ja Glück und treffen ihn an.«

*

Katharina Hofer drückte ihren Sohn an sich.

»Bub, da bist’ ja endlich«, sagte sie glücklich. »Ich hab’ schon gedacht, du kommst gar net mehr an.«

Florian gab ihr einen Kuß.

»Es war viel Verkehr, Mutter«, antwortete er. »Die Ferien haben begonnen. Du glaubst gar net, was auf der Autobahn los ist.«

Sie standen vor dem Haus der Hofers. Florian schaute neugierig zur Tür.

»Ist Vater net da?« fragte er.

»Doch, im Garten«, erwiderte Katharina. »Er bastelt an einem neuen Kaninchenstall.«

Der Sohn schmunzelte.

»Hat er immer noch net genug von den Viechern?«

»Pst«, sagte seine Mutter, »laß das bloß net den Vater hören, daß du seine Lieblinge Viecher nennst.«

Franz Hofer züchtete seit Jahren Kaninchen, mit denen er auch schon erfolgreich auf Ausstellungen gewesen war und einige Preise errungen hatte. Im geräumigen Garten der Familie hatten die Tiere reichlich Platz, und innerhalb einer mannshohen Umzäunung, die an einen Hühnerhof erinnerte, durften sie sogar frei herumlaufen.

»Na, dann will ich ihm mal etwas helfen«, meinte Florian, nachdem

er seine Tasche hereingetragen hatte.

»Ich kümmere mich derweil um das Abendessen«, nickte seine Mutter und strahlte ihn an.

Katharina Hofer freute sich immer, wenn der Sohn zu Besuch kam. Florian arbeitete in Regensburg als Prokurist einer Kartonagefabrik. Selten genug ließ seine Arbeit ihm Zeit, nach Hause zu kommen. Aber wenn er Urlaub hatte, verbrachte er ihn natürlich bei den Eltern in St. Johann.