Der Held von Björnnäs. Nordische Erzählung - Karl Friedrich Kurz - E-Book

Der Held von Björnnäs. Nordische Erzählung E-Book

Karl Friedrich Kurz

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Beschreibung

Die Menschen von Strelenland an der Westküste von Norwegen sind naiv-listige, treuherzig-verschlagene Menschen. Ihre Streiche und Einfälle und manche ihrer Aussagen sind sprichwörtlich geworden. Mit der Wahrheit nehmen es die Strele nicht so genau, ihre Erlebnisse und Taten teilen sie einander, wie früher die alten Archaier und Trojaner, in schöngefärbten Worten mit. Daniel Storekjäft, dessen umtriebiges Leben hier erzählt wird, ist ein hochaufgeschossener Bursche mit schiefen Schultern. Den ererbten Hof kann der Zwanzigjährige allerdings nicht allein bewirtschaften, eine Ehefrau wäre eine feine Sache. Doch die Brautwerbung gestaltet sich schwierig. Girka ist ein flinkes, fröhliches Mädchen. Doch der Liebesbeweis aus früheren Tagen, der als Steinwurf an den Kopf daherkam, scheint nicht geeignet als Grundlage für einen Antrag. Ohne zu zaudern wendet sich der schiefe Daniel dem schönsten Mädchen des Dorfes zu und kassiert von den großen Brüdern Prügel. Dann soll es halt die fast vertrocknete Trine vom Nachbarshof sein, der er endlich den Ring an den Finger stecken kann. Wie die Brita, an der er beim Besuch seiner Braut immer vorbeimuss, ihm erst zum Verhängnis und dann seine endgültige Frau wird, wie der Daniel als Soldat eine ganze Kompanie durcheinanderbringt, wie ein entwischter Heilbutt zum Namen des ersten Kindes führt: Das ganze schräge, verrückte, drollige Leben des typischen Strele erzählt dieses Buch auf vergnügliche, amüsante Weise.Das Schildbürgerleben der Strele – heiterer Lesestoff aus einem abgeschiedenen Flecken Norwegens.-

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Karl Friedrich Kurz

Der Held von Björnnäs

Nordische Erzählung

Saga

Der Held von Björnnäs

© 1914 Karl Friedrich Kurz

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711518526

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

I

Daniel Storekjäft und die Liebe

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An der Westküste Norwegens, irgendwo im Strelenland, liegt Björnnäs, eine kleine, einsame Bucht. Ein schiefes, wackliges Holzhaus steht dort, ganz zuunterst am Strande, und dabei, nicht minder schief und baufällig, Scheune und Stall.

Im Häuschen wohnt Daniel Storekjäft, im Stall eine alte Kuh und die braune Mähre, deren Beine steif geworden von zwanzigjähriger Arbeit.

Die Menschen, welche das Strelenland bevölkern, nennt man Strele. Sie sind ein Gemisch von Bauern und Fischern, naiv-listige, treuherzig-verschlagene Menschen. Vertraulich treten sie allen entgegen und reden jeden mit „du“ an, ob er reich oder arm, vornehm oder niedrig sei.

Ihre Streiche und Einfälle haben hier zu Lande, soweit die Menschen zurückdenken können, stets beim andern Volke Anklang gefunden, und manche ihrer Aussagen sind sozusagen sprichwörtlich geworden.

Im allgemeinen nahmen es die Strele genau mit der Wahrheit. Obschon sie einander gern ihre Erlebnisse und Taten, wie früher die alten Achaier und Trojaner, in schöngefärbten Worten mitteilten. Dass sie dabei nicht jede Krümmung vermeiden konnten, ist begreiflich. Doch waren sie eifrig bemüht, sich dabei nicht erwischen und überführen zu lassen.

Die Storekjäfts aber waren seit jeher ein besonderer Schlag. Von Daniels Vater behaupteten die nächsten Nachbarn, mitsamt Pfarrer und Glockner, dass er am Lügen gestorben und an nichts anderem.

Der Emissär Ole Mathiessen schwor noch obendrein, dass der Satan eben dieser Sünde wegen des Alten Seele in Empfang genommen, noch ehe sie die leibliche Hülle recht verlassen. Woher er — der Emissär Ole Mathiessen — dies so genau wusste, das ist nicht leicht zu sagen. Denn des Vorstorbenen einziger Sohn, der Daniel, hatte eine vollkommen andere Meinung. Der schwor nämlich nicht minder hoch und heilig, als der Emissär Ole Mathiessen, dass sein Vater das Nervenfieber gehabt; dazu sei später noch eine ärztliche Behandlung gekommen, — und das habe ihm den Garaus gemacht; sonst nichts.

Daniel Storekjäft war ein hochaufgeschossener Bursch, mit langem Hals und schiefen Schultern. Sein Kopf war ungewöhnlich klein, und man konnte nicht recht verstehen, warum er ihm dennoch tief auf die Brust herabhing.

Er mochte gegen die zwanzig Jahre alt sein.

Vor ein paar Wochen, bei seines Vaters Tod, waren ihm die obenerwähnten Herrlichkeiten von Björnnäs als unbestritten Erbe zugefallen.

Und nun ging er auf Freiers Füssen.

Die Strele sind gottesfürchtige und fromme Leute, bei welchen die Keuschheit eine besonders hochgeschätzte Pflanze ist. Wohl nur darum, weil man sie hier, wie auch anderorts, nur selten finden kann.

Die ganze Gemeinde sah also des Daniels Freierei mit scheelen Augen an, da sie, kundig wie die meisten Frommen in dergleichen Sachen sind, sofort ein unreines Fleischesbegehren dahinter witterten. An etwas anderes dachten sie nicht.

Selbst der Pfarrer, ein sonst milder und freundlicher Mann, der einiges vom Leben kannte, schüttelte verdriesslich sein Haupt. Und der Emissär Ole Mathiessen, der wohl um zehn Jahre älter war als Daniel Storekjäft, dafür aber auch schon sechs Kinder im Haus und sein Eheweib mit dem siebenten beschwängert hatte, — der Emissär Ole Mathiessen also schüttelte nicht nur sein Haupt in sittlicher Entrüstung, sondern auch seine dicken Fäuste und hätte seinem moralischen Unwillen noch mehr Ausdruck verliehen, wenn er ausser Haupt und Fäusten noch andere Dinge zum Schütteln besessen hätte.

Der Emissär Ole Mathiessen war einer der vielen Laienpredikanten, mit welchen dieses Land so überreich gesegnet ist. Gewöhnlich sind diese Apostel des Heiligen Geistes und die legitimen Pfarrherren erbitterte Feinde. Die letzteren behaupten von den ersteren, dass sie mit dem „Wort“ nicht zu praktizieren verständen. Und die ersteren von den letzteren, dass sie brotneidisch seien.

Dem mag sein, wie ihm wolle; eins ist jedoch gewiss, dass nämlich diese Emissäre, oder Sendlinge Gottes, recht merkwürdige Käuze sind.

So Ole Mathiessen.

Der war in seiner Jugend ein gewöhnlicher Bauernbursch, weiter im Lande oben; bis er gegen die Zwanzig ging und flügge ward. Doch da fühlte er sich eines Tags erweckt und berufen, mit dem „Wort“ unter seinen Mitmenschen zu wirken. Wie das so gekommen, darüber vermochte auch er selbst keinen rechten Aufschluss zu geben. Er begnügte sich mit der blanken Tatsache.

Darum gab er also sein mühsames und schmutziges Bauerngewerbe auf, ernährte sich von da ab mit der Frömmigkeit und den Unterstützungen, welche ihm von den Gläubigen zuflossen, — und er stellte sich gut dabei.

Keiner in der ganzen Gemeinde war, wie gesagt, für des Daniel Storekjäfts Liebesbegehren; aber alle dagegen. Der Pfarrer bemühte sich sogar um diese Angelegenheit soweit, dass er den Daniel zu sich bescheiden liess und ihm wegen seiner Jugend riet, von dem unreinen Gedanken wenigstens vorläufig abzulassen. Er könne ihn ja auf spätere Jahre verschieben.

Im Warten liege der Hauptgenuss, so meinte der kundige Mann; je später, desto besser; gar nicht sei halt das beste; aber wenn schon, dann wenigstens zur Ehre Gottes und nicht nur zur verwerflichen Lustbarkeit.

So und ähnlich erläuterte der Pfarrer in väterlich wohlwollender Ermahnung.

Der Daniel hatte zwar recht andächtig zugehört, wie es sich gebührt. Als der geistliche Herr aber endlich schwieg, gab er seinen Gefühlen in diesen Worten Ausdruck:

„Kalt ist’s, wenn du gehst; kalt ist’s, wenn du kommst. Keiner schaut um dich. Du merkst gar nicht, dass du lebst. Der Gaard ist tot und leer. Es muss eine Bäuerin auf den Hof.“

Nur das Weib könne da helfen; das war seine Überzeugung. Bei dieser Überzeugung blieb er, trotzdem ihn der Pastor von neuem beriet und offenkundig anderer Meinung war. Je mehr er auf den Daniel einsprach, desto tiefer liess dieser den Kopf hängen, wie in innerer Zerknirschung. Als er sich zum Gehen wandte, sagt er kein Wort des Widerspruchs.

Kaum aber dass er den Pfarrhof verlassen, ging er in den Nachbarsgehöften auf die Suche.

Das war im Herbst.

Anfänglich wollte dabei freilich nichts herauskommen. Nicht dass gerade alle jungen Mädchen ebenfalls so grosse Abscheu gegen seine Absichten hegten wie die älteren. Aber Daniel war zu sehr verlegen und eckig. Wusste nicht, wie er die Weibsbilder anpacken sollte.

Girka war die erste, an die er sich heranmachte.

Eigentlich hiess sie Girka vom Hügel. Und der Hügel war’s, der Daniel Storekjäft ebenso wohlgefiel wie die Girka selbst. Stand doch gerade dort eines der schönsten Häuser weit und breit. Überdies ging unter den Leuten das Gemunkel, dass der Hügelbauer in seinem schweren Eichenschrank ein dickes Bankbuch verwahrt hatte. Girka aber war die einzige Tochter.

Und ein flinkes, fröhliches Mädchen war sie, obendrein hübsch und tüchtig im Haushalt. Es hiess zwar, dass sie ihr Stumpfnäschen hochtrug und um des Vaters Bankbuch gut Bescheid wusste. Dem Daniel war das einerlei.

Sie stand gerade unter der Haustür, als er über den Hof schritt, und schaute ihm neugierig in die Augen. Jawohl, gerade mitten ins Gesicht schaute sie ihm.

„’n Tag,“ sagte Daniel Storekjäft und kratzte sich dabei unterm Mützenrand.

„’n Tag,“ grüsste sie zurück und lachte, dass man ihre gelben Zähne in ihrer ganzen Grösse sehen konnte.

Voller Neugierde stand sie und wartete. Daniel Storekjäft aber sagte nichts, sondern betrachtete sie nur wohlgefällig.

Girka streifte nachlässig die Ärmel von ihren runden Armen nieder und meinte:

„Willst wohl mit dem Vater reden, du?“

„Ich — nein.“

„Was denn sonst?“

„Hm — dich mag ich wohl leiden, Girka. Weisst noch, als wir zur Schule gingen, in Strömnäs, hab’ ich dir einmal einen Stein an den Kopf geworfen! Denkst noch daran?“

„Darum also bist hergekommen?“ fragte Girka und kräuselte die Lippen.

„Nein. Nicht darum. Es fällt mir nur grad ein jetzt. Hab’ dich schon damals gern gehabt!“

„So — ist das alles? Wenn’s sonst nichts ist, dann hättest dir den weiten Weg wohl sparen können,“ sagte Girka und machte Miene zu gehen.

Da aber trat Daniel Storekjäft ganz nahe an sie heran und flüsterte ihr bedeutungsvoll ins Ohr:

„’s ist mehr, Girka — viel mehr! Ich will dich heiraten. Verstehst du?“

„Was? Du — mich?“ staunte sie und machte dazu ein Gesicht, als hätte sie in einen sauern Apfel gebissen.

„Ja. Ich — dich!“ nickte Daniel. „Warum denn nicht?“

Nun aber lachte die Girka hell auf, so dass es über den ganzen Hof hin hallte und schallte. Mit einem kurzen Rucke drehte sie ihrem Freier den Rücken und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Jetzt kam das Staunen an Daniel.

„Brr — brr!“ machte er. Genau so, wie wenn er die alte Mähre zu Hause zum Stehen bringen wollte. Dann kratzte er sich wieder hinter den Ohren und meinte halblaut zu sich selbst:

„Sonderbar — sonderbar!“

„Was ist sonderbar?“ fragte ihn der alte Rasmus, der Knecht, der von der Scheune herüber kam.

„Um die Girka hab’ ich gefreit,“ berichtete Daniel.

„Das war nicht übel, du! Und jetzt?“

„Sie hat gelacht und ist davon gerannt.“

„Ja so! Das hat nichts auf sich, weisst du. Die Weiber sind halt so. Musst wiederkommen; vielleicht besinnt sie sich noch.“

Dieser Rat schien Daniel nicht der schlechteste. Er kam also schon nach ein paar Tagen wieder.

Doch diesmal stand nicht die Girka unter der Tür, sondern der Hügelbauer selbst. Und der Hügelbauer war ein stemmiger, grobschnauziger Mensch, mit dem nicht gut Kirschen essen war.

Er nahm den Freier seiner Tochter zu sich in die Grossstube. Hierauf holte er einen gewichtigen Knotenstock hinter dem Ofen hervor, hielt ihn dem Daniel unter die Nase und sagte, mit ruhiger Stimme zwar, aber sehr bedeutungsvoll:

„Hier, einfältiger Bursch du, das soll deine Braut sein! Mit ihr wirst Bekanntschaft machen, falls du mir noch einmal auf den Hof kommst.“

Der Alte hatte ein paar böse, krause Falten auf der Stirn, woraus Daniel Storekjäft schloss, dass es ihm ernst sei mit seinen Worten. Zudem hörte er aus dem Nebenzimmer das Gekicher der Mägde. Auch Girkas Stimme glaubte er zu vernehmen. Die war die lauteste.

„Warum ...?“ wollte er den Hügelbauern fragen.

Der aber liess ihn gar nicht zu Worte kommen, sondern nahm eine dräuende Haltung ein. Darauf ging Daniel.

Im Hofe traf er so von ungefähr auf den alten Rasmus.

„Hast Eile heut,“ meinte der. „Vielleicht hat dir die Girka schon Bescheid gegeben?“

„Man wird nicht so leicht klug aus den Weibern,“ meinte Daniel missmutig. „Aber der Hügelbauer sieht mich, scheint es, nicht gern auf dem Hof.“

Zuversichtlich fügte er dem aber gleich hinzu:

„Aber auf jeden Korb passt ein Deckel. Andere Mütter haben auch Töchter. Die Rechte wird sich schon noch finden, hoffe ich.“

Hierauf drehte er dem Rasmus den Rücken und liess sich nicht mehr auf dem Hügelhof sehen.

Doch am Wege lag ihm der rote Dalegaard; und der war auch nicht übel. Dort war die dunkeläugige Astrid, von der es hiess, sie sei das schönste Mädchen im Kirchspiel. Ohne zu zaudern ging Daniel Storekjäft hinein.

Auch da traf er’s gut. Die schöne Astrid sass am Fenster und stopfte Strümpfe und sie war alleine.

Da die Kunde von Daniels Heiratsgedanken schon seit Wochen von Mund zu Mund ging, ahnte sie den Grund seines Kommens, und ihr Gesicht wurde ein wenig rot, als er sich zu ihr hinsetzte.

„Es ist warm bei euch drin,“ begann Daniel das Gespräch.

Sie sagte: „Ja.“

Dann gab es eine Pause.

Astrid hatte ein sanftes Gemüt. Dass ihre Finger zitterten und dass sie in grosser Verwirrung war, das merkte Daniel bald. Er wurde dadurch um so zuversichtlicher.

„Ich möchte, es wären meine Strümpfe, die du da stopfst,“ hub er wieder an.

Doch da stand Astrid auf und sagte, sie habe in der Küche zu tun.

Daniel blieb lange sitzen und wartete; aber Astrid wollte nicht wiederkommen. Es blieb ihm also Musse genug, über den neuen Handel nachzudenken.

Astrids Eltern waren schon lange gestorben. Sie führte den Haushalt allein mit drei Brüdern. Dem Daniel konnte somit in einem grobschnauzigen Vater keine Gegnerschaft entstehen. Das erfüllte ihn mit Erleichterung. Mit dem Mädchen selbst glaubte er schon ins Reine zu kommen. Er nahm sich auch vor, diesmal nicht so mit der Tür ins Haus zu fallen wie bei der Girka, sondern die Sache fein sachte einzufädeln und auszuspinnen.

Daher beschloss er, als das Mädchen nicht mehr hereinkommen wollte, nach Hause zu gehen. Nur den Kopf steckte er zur Küche hinein und sagte mit dem freundlichsten Tone, den er aufbringen konnte:

„Leb wohl für diesmal! Am Sonnabend komm ich wieder. Musst dich halt ein wenig besser einrichten.“

Wohlgemut und zukunftssicher ging er darauf nach Björnnäs zurück.

Obschon er von Astrids totem Vater nichts zu fürchten brauchte, stimmte dennoch des Daniels Rechnung nicht ganz. Er hatte nämlich die drei Brüder vergessen. Die freuten sich nicht sonderlich, da sie von seinem Besuche im Dalegaard hörten, und nahmen sich vor, ihm seine Absichten gründlich zu verleiden.

Es dämmerte schon stark, als Daniel Storekjäft am Samstagabend zum angekündeten Besuche aufbrach. Als er auf dem Dalegaard eintraf, war es stockfinstere Nacht.

Da er am Heuboden vorbeistolperte, war’s ihm, als rühre sich dort etwas. Und als er stehen blieb, vernahm er’s recht deutlich:

„Bst — bst,“ machte es.

‚Hoho,‘ dachte Daniel bei sich selbst, ‚das ist eine, die’s heiss hat!‘

Ohne sich zu besinnen, ging er hinüber. Aber dort empfingen ihn nicht weiche, runde Mädchenarme; und auch keine Liebkosungen warteten seiner. Vielmehr fielen aus der pechschwarzen Nacht heraus von unsichtbaren, harten Fäusten die Schläge so hageldicht auf seinen Leib, dass er voller Entsetzen aufschrie:

„O du himmlisch Mirakel! Es muss hier wohl ein Irrtum sein. — Ich bin’s ja nur, der Daniel.“

Aber aus der Finsternis heraus antwortete ihm eine Stimme, die nicht Astrids war:

„Gerade du sollst es auch sein, Daniel, Prachtsöhnchen — gerade du!“

Eine zweite Stimme sagte:

„Wirst wohl am Sonnabend wiederkommen, wenn ein so liebes Bräutchen auf dich wartet.“

Und eine dritte Stimme, die tiefste von allen, rief:

„Das nächste Mal soll’s dir noch anders gehen als heut. Nun zeig doch, wie gross deine Liebe ist!“

Und während die drei Stimmen sprachen, regnete es ohne Unterlass Prügel. Daraus schloss Daniel Storekjäft, dass er auf dem Dalegaard ebenso wenig willkommen sei wie beim Hügelbauer. Und schneller noch, als er gekommen, trat er den Heimweg an.

„Weiss der Henker, das hat auch seine Haken und Widerhaken, das Freien. Hätt’ mir nicht gedacht, dass es so schwer hält.“

Am folgenden Sonnabend blieb er zu Hause, weil er seine Liebe zu Astrid nicht gross genug fühlte, um eine weitere Probe zu bestehen. In einem andern Hause aber konnte er sich nicht wohl blicken lassen, da sein Gesicht noch mancherorts blauunterlaufen war und er noch nicht recht aus den Augen sehen konnte.

Am zweiten Sonnabend aber ging er von neuem auf die Suche. Diesmal galt sein Gang der blonden Maria. Aber auch mit ihr wollte es nichts werden. Sie lachte ihn aus, kaum dass er zu sprechen anfing, und sagte ihm gerade ins Gesicht, dass sie nicht die geringste Lust habe, Herrin von Björnnäs zu werden.

Und so ging’s weiter. Bald mit Gelächter und Spott, bald mit bösen Worten und Prügeln wurde sein Werben zurückgewiesen. Obschon er im Laufe des Winters in allen Gehöften einkehrte, wo es heiratsfähige Mädchen gab, war doch keine zu finden, die ihm Gehör schenken wollte.

Erst gegen das Frühjahr zu geriet er an eine, die gerne begriff, wo er hinauswollte und mittat. Das war die Trine von Kraakösund, die Tochter seines einzigen Nachbarn auf drei Meilen. Die war so mager, flach und lang wie der Daniel selbst, ausserdem aber schielte sie noch und lahmte am rechten Beine. Sie hätte dem Alter nach gut seine Mutter sein können.

Auf Kraakösund diente eine pralle Magd. Brita hiess sie; hatte rote Pausbacken und volle Brüste, die bei jedem Schritte verführerisch hüpften.

Die Brita wurde dem Daniel zum Verhängnis.

Wenn er am Sonnabend zur Trine ging, kam er nie am Kuhstall vorbei, in dem er die Brita hantieren und singen hörte.

Es war warm und wohlig im Stall, und die blinde Laterne konnte kaum den Winkel erleuchten, in welchen sie hing. Auf kaum zwei Schritte erstarb ihr Licht zu einem heimlichen Dämmerschein.

Der Daniel strich um die Dienstmagd herum, sobald sie im Dunkeln war.

Zuerst hatte er sie nur so an ihrem Rock gezupft — im Vorbeigehen; fast zufällig, als wär nichts weiter dabei; später an den strohblonden Haaren. Und noch immer war er nicht zufrieden.

Die Brita lachte und tat so, als merke sie nichts. Aber sie merkte etwas.

Und die Trine drängte zur Heirat. In ihre Haare mischten sich schon die ersten lichten Fäden. Da haben die Weiber bekanntlich Eile. Dem Daniel war’s anfänglich ganz recht so.

Er gab der Trine den Ring, den er von seiner Mutter ererbt, und ging zum Pfarrer, dass sie am Sonntag in der Kirche „ausgekündet“ wurden.

Seit diesem Tage aber fühlte sich Daniel Storekjäft nicht mehr wohl.

Denn die strohblonde Brita lachte nicht mehr, als sie von seiner Verlobung Wind bekam. Da er ihr im Stall in die dunklen Winkel folgte, wollte sie’s nicht mehr leiden. Zu seinem masslosen Staunen ward sie zornig bei seinen Liebkosungen und schlug ihm schliesslich, als all ihr Abwehren nichts helfen wollte, den gefüllten Melkkübel über den Kopf, dass die warme Milch zu seinem Hemdkragen hereinfloss und alle Taschen füllte.

Da merkte er, dass die Brita nichts mehr von ihm wissen wollte.

An jenem Sonnabend ging er vom Stall geradewegs nach Hause, ohne seine Braut zu sehen. Und zum erstenmal in seinem Leben konnte er in der Nacht nicht schlafen. Kein Auge voll. Er wälzte sich hin und her, fluchte zuerst und stöhnte hernach.

Am Sonntag stand er gar nicht auf, obschon die Kuh im Stalle muhte und das Ross wieherte.

Und die folgende Nacht war’s noch schlimmer als die erste.

Auf den kleinen, buckligen Wiesen rund ums Höflein lagen hausgrosse Steinblöcke. Der Daniel glaubte nichts anderes, als dass einer derselben auf seiner Brust läge. Ganz flachgedrückt kam er sich vor. Überdies gab es ihm noch alle Augenblicke einen Stich — du heilig Kleinodium — nicht anders, als wenn ein ungespitzter Zaunpfahl durch und durch getrieben würde. Wie das hämmerte und sägte, wie das zog und zerrte! Nicht zum Aushalten war’s.