Der neue Tag im Spiegel der Vergangenheit - Thomas Häring - E-Book

Der neue Tag im Spiegel der Vergangenheit E-Book

Thomas Häring

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Beschreibung

Ein Rückblick auf die politischen Ereignisse zwischen Herbst 1998 und September 2002. Sachliche Informationen, eine Art Chronik und wer sich wirklich dafür interessiert, was damals so alles passierte, wird viele Dinge erfahren. Nur für Politikjunkies.

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Thomas Häring

Der neue Tag im Spiegel der Vergangenheit

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Gegenwart und Geschichte

Ein neues Jahrtausend beginnt

Das Ende der Welt wie wir sie kannten

Die heiße Phase

Die Wahl der Qual

Impressum neobooks

Gegenwart und Geschichte

23.05.2013: Heute feiert die SPD ihren 150.Geburtstag. Nur, was gibt es da eigentlich zu feiern? Die ewige Oppositionspartei? Nun ja, in der Tat hat die SPD nicht sonderlich lange regiert oder mitregiert, nach dem Zweiten Weltkrieg aber doch insgesamt 27 Jahre von knapp 64 möglichen, das hätte man ihr gar nicht zugetraut, der alten Tante SPD. Allerdings führten ihre Regierungsbeteiligungen immer dazu, daß sich ein Teil ihrer Wähler entfernte, was neue Parteien wie die Grünen und die Linkspartei (die natürlich zu einem großen Teil aus der schon länger existierenden PDS besteht) zur Folge hatte. In der Opposition dagegen läßt es sich gut leben, was die bayerische SPD am eindrucksvollsten bewiesen hat, denn wer keine Macht hat, kann auch nichts falsch machen; da reicht es völlig, immer nur zu kritisieren und alles besser zu wissen, was ja auch Spaß machen kann. Wie dem auch sei, ich für meinen Teil werde mich von heute an lediglich mit den letzten vier Jahren Politik zwischen 1998 und 2002 in Deutschland auseinandersetzen und das aus gutem Grund. Schließlich wiederholt sich die Geschichte ja irgendwie doch und auch wieder nicht. 1998 fand am 13.September die Bayerische Landtagswahl statt, auf welche zwei Wochen darauf die Bundestagswahl folgte. 2013 wird am 15.September der Bayerische Landtag gewählt, die Bundestagswahl findet eine Woche später statt. Doch während in diesem Jahr die Bundestagswahl eine "gmaade Wiesn" für "die Kanzlerin der Schmerzen, äh Herzen" zu sein scheint, könnte es bei der Landtagswahl in Bayern ganz spannend werden, es droht sogar das Ende der CSU als Regierungspartei, aber dazu später mehr.

Ich dagegen reise in der Zeit fast 15 Jahre zurück und tauche ein am 14.September 1998. "Der neue Tag" titelte an jenem Tag auf Seite 1: "Stoiber verteidigt Bayern als Bastion der CSU". Das war seinerzeit durchaus bemerkenswert und keine Selbstverständlichkeit, denn in Deutschland standen die Uhren auf Regierungswechsel, nach 16 Jahren unter Helmut Kohl wollten die Wähler mal ein anderes Gesicht an der Spitze sehen. In Bayern hingegen errang die CSU einmal mehr die absolute Mehrheit der Mandate im Landtag und konnte sich deshalb auf vier weitere geruhsame Jahre an der Macht einstellen. Die Direktmandate landeten so wie eh und je ohnehin bei den CSU-Kandidaten und die SPD, welche vor der Wahl mal wieder große Hoffnungen in sich getragen hatte, die auf einen Schub durch die Bundes-SPD mit Kanzlerkandidat Gerhard Schröder gehofft hatte, enttäuschte einmal mehr und schaffte es nicht einmal über die 30 Prozent-Marke. Klar, heutzutage, 15 Jahre später, wären 29 Prozent der Wählerstimmen für die SPD bei einer Bayerischen Landtagswahl ein phantastisches Ergebnis, aber damals wurden Rücktritte gefordert und die Ernüchterung war allerorten zu spüren. Dabei hatte sich grundsätzlich nicht wirklich viel getan gehabt. Die CSU hatte fast dasselbe Ergebnis eingefahren wie 1994, die SPD hatte ein Prozent weniger abbekommen und die Grünen hatten ein halbes Prozent abgeben müssen, waren aber dennoch über die Fünfprozenthürde in den Landtag gelangt. Damit hatte es sich dann aber auch schon, denn alle anderen Parteien, ganz gleich ob sie F.D.P. (damals noch die Partei mit den drei Punkten), ÖDP, Republikaner oder Freie Wähler hießen, blieben unter fünf Prozent und damit in der ihnen vertrauten Rolle der außerparlamentarischen Opposition. Die Wahlbeteiligung betrug ungefähr 71 Prozent und im Grunde hatte die CSU einen souveränen Heimsieg eingefahren, der völlig ungefährdet war, schließlich betrug der Vorsprung vor der Landtagsopposition, wenn man deren Stimmen zusammenzählte, über 18 Prozent. Vielleicht an dieser Stelle spannend zu betrachten, daß die Mitte-Rechts Parteien, zu denen ich jetzt mal die Freien Wähler, die F.D.P. und die Reps zählen würde, obwohl man theoretisch die ÖDP vielleicht auch noch irgendwie dazuzählen könnte, was ich aber nicht tue, zusammen mit der CSU auf über 61 Prozent gekommen waren, daran konnte man erkennen, wo die meisten Bayern politisch betrachtet standen.

Das war auch der Grund dafür, daß die SPD sogleich energisch darauf hinwies, daß die Uhren in Bayern anders ticken würden, aber bei der zwei Wochen später folgenden Bundestagswahl könnte die SPD mit mehr Stimmen rechnen und die CSU würde Einbußen verkraften müssen. So kam es dann auch, was die Beteiligten damals jedoch noch nicht wissen konnten. Deshalb sprachen vor allem die Politiker der im Bund seit sage und schreibe 16 Jahren regierenden schwarz-gelben Koalition von einer "enormen Steilvorlage" für Bundeskanzler Helmut Kohl und seine Regierung in Bonn. Man wurde noch einmal motiviert, denn die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt und zwei Wochen waren eine lange Zeit, in der noch Einiges passieren konnte.

In Bayern hingegen war Edmund Stoiber zum unumschränkten Alleinherrscher aufgestiegen. Seit fünf Jahren an der Spitze der bayerischen Landesregierung war es ihm gelungen, sich vom schwarz-gelben Meinungsumfragensog abzusetzen und in Bayern sein eigenes Ding zu machen. Immer wieder hatte er sich öffentlich von der Bundesregierung distanziert und da die meisten Bayern mit der CSU-Regierung im eigenen Bundesland durchaus zufrieden waren (kein Wunder, die Meisten von denen kannten schließlich auch nichts Anderes), wählte man die "Schwarzen", so wie man es halt schon immer gemacht hatte.

Die Pflicht hatte "die Partei", wie ich "meine" CSU immer gerne scherzhaft nenne, bravourös bestanden, am 27.September 1998 sollte bei der Bundestagswahl die Kür folgen. Man durfte gespannt sein.

Zunächst aber ging es vor allem für die SPD darum, den unerwarteten Rückschlag aufzuarbeiten und das tat man, indem man die Schuld an der eigenen Wahlschlappe dem politischen Gegner in die Schuhe schob, genauer geschrieben dem guten Edmund Stoiber. Die SPD-Verantwortlichen sprachen von einer "Stoiberisierung Bayerns", welche dazu geführt hätte, daß es die CSU, obwohl sie selbst als Partei nicht mehr ganz so hoch im Ansehen der Wähler gestanden hatte, dennoch über die 50 Prozent geschafft hatte, da nämlich Stoiber für die restlichen Prozente gesorgt hatte, weil er im ganzen Land hoch angesehen und äußerst populär war. Aber es gab auch Selbstkritik, man verwies auf das eigene fehlende Profil und faßte sich damit wenigstens ein kleines bißchen an die eigene Nase. Na ja und da Stoiber bekanntlich bei der Bundestagswahl nicht für die CSU antreten würde, setzte man darauf, daß das Ergebnis jener dann auch auf Normalmaß zurechtgestutzt werden würde.

Ganz anders sah die Stimmungslage natürlich und verständlicherweise bei der CSU aus. Auf einmal glaubte man wieder an einen Sieg bei der Bundestagswahl, man bezog sich auf Umfragen, in denen der Abstand, beziehungsweise der Rückstand, der CDU/CSU auf die SPD schrumpfte und legte Wert darauf zu betonen, daß man keine Stimmen, auch nicht an die F.D.P., zu verschenken habe. Es folgte also noch einmal ein unglaublicher Schlußspurt, auch nach 16 Jahren an der Macht wollte es "der Dicke", also Bundeskanzler Helmut Kohl, noch einmal wissen. In seiner Partei, der CDU, hätte man es lieber gesehen, wenn er Wolfgang Schäuble den Vortritt gelassen hätte, aber er traute es nur sich selbst zu, seinen Herausforderer Gerhard Schröder zu besiegen und das aus gutem Grund. Schließlich hatte er schon vier Kanzlerkandidaten der SPD bezwungen, von daher hielt sich der gute Mann womöglich für unbesiegbar.

Die Spannung stieg ins Unermeßliche und war zum Greifen nah. "Historische Wahlen in Deutschland", hieß es in den Medien und alle warteten darauf, welches Votum die Wähler am Sonntag abgeben würden. "Das Duell zwischen KanzlerHelmut Kohl und seinem Herausforderer Gerhard Schröder", war in aller Munde. Wer würde Deutschland ins nächste Jahrtausend führen und mit wem? Nach den letzten Umfragen war alles möglich und Vieles denkbar. Lediglich eine Koalition mit der PDS hatten fast alle Parteien ausgeschlossen, von daher glaubten auch viele Deutsche daran, nach der Wahl von einer Großen Koalition regiert zu werden. Der Wahltag sollte die Entscheidung bringen.

Und was für eine! Helmut Kohl wurde in den verdienten Ruhestand geschickt, an seine Stelle trat Gerhard Schröder und der konnte sogar zusammen mit den Grünen eine Koalition bilden. Ja, das war das eigentlich Überraschende bei der ganzen Angelegenheit gewesen, nämlich daß der Vorsprung von SPD und Grünen auf CDU/CSU und F.D.P. so groß war, daß sogar noch die PDS in den Bundestag einziehen konnte, ohne den Wahlsieg von Rot-Grün zu gefährden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland war eine Regierung abgewählt worden und zwar ganz und gar.

Die Begeisterung bei den Wahlsiegern war grenzenlos, sie konnten es selbst nicht glauben, denn mit einem derartigen Triumph hatten nicht einmal die kühnsten Optimisten im eigenen Lager gerechnet gehabt. Zwar versuchten an jenem Abend, einige Unionspolitiker, die Tür in Richtung Große Koalition offen zu halten, aber im Endeffekt wußten alle, was die Stunde geschlagen hatte. Ein Regierungswechsel stand bevor, nach sechzehn Jahren in der Opposition würde die SPD also wieder auf den Regierungsbänken Platz nehmen und die Grünen würden zum ersten Mal in ihrer Geschichte mitregieren.

Aber auch in Bayern hatte sich Historisches ereignet. Erstmals seit 45 Jahren landete die CSU bei einer Bundestagswahl in Bayern unter der 50 Prozent Marke.

Die Ära Helmut Kohl endete also im Herbst 1998 und vielleicht wäre es nun noch an der Zeit, einen kurzen Blick darauf zu werfen, um zu verstehen, wer und was da nach 16 Jahren im Amt abgelöst wurde.

Helmut Kohl hatte eine steile Karriere hinter sich gebracht. Als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz war er bundesweit bekannt geworden und als er 1976 aus der Opposition heraus sage und schreibe 48,6 Prozent der Wählerstimmen für die CDU bei der Bundestagswahl holte, da glaubten Viele schon daran, den neuen deutschen Bundeskanzler gesehen zu haben. Jedoch schlugen ihm SPD und F.D.P. ein Schnippchen, indem sie ihre Koalition fortsetzten, weshalb sich "die Birne" bis 1982 gedulden mußte. Da wechselte die F.D.P. mit fliegenden Fahnen von der SPD zu CDU/CSU und fortan regierte Helmut. Allerdings nicht unbedingt zur Zufriedenheit des deutschen Volkes, denn Ende der 80er Jahre stand in den Umfragen seine Ablösung bereits unmittelbar bevor. Doch sein Schicksal meinte es gnädig mit ihm und als er die Chance ergriff, den Mantel der Geschichte zu packen und die Deutsche Einheit zustande brachte, mit der niemand mehr auf absehbare Zeit gerechnet hatte, da dankten es ihm die Ostdeutschen bei den ersten gemeinsamen Wahlen zum Deutschen Bundestag und sorgten dafür, daß er weiterhin im Amt bleiben konnte. Ansonsten hätte er wohl spätestens 1991 seine Macht verloren, so aber bekam er nach den ersten, teilweise kuriosen acht Jahren, acht weitere von den Wählern geschenkt, doch nach 16 Jahren war es dann endgültig soweit: Das alte Schlachtroß mußte abtreten und seinen Platz nahm ein dynamisch wirkender, jüngerer Mann ein, von dem man Vieles wußte, jedoch nur nicht, wofür er politisch eigentlich genau stand.

Genau das war letzten Endes auch der Grund dafür gewesen, daß die SPD auf beeindruckende 40,9 Prozent der Wählerstimmen gekommen war. Viele Leute, die laut der Politik zur sogenannten "neuen Mitte" gehörten, die also politisch irgendwo zwischen SPD und CDU standen, hatten sich bei der Wahl 1998 für die SPD und insbesondere für deren Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder ausgesprochen. Der Vorsprung auf die CDU/CSU-Fraktion, die es zusammen auf gerade mal 35,1 Prozent gebracht hatte, war mehr als beachtlich. Die Grünen waren bei 6,7%, die F.D.P. bei 6,2% und die PDS bei 5,1 Prozent der Stimmen gelandet. Daraus ergab sich im Deutschen Bundestag eine Mehrheit von 345 zu 324 Sitzen für Rot-Grün, wenngleich man natürlich noch hinzufügen sollte, daß die PDS links von der neuen Regierung stand, CDU/CSU und F.D.P. eher rechts davon.

In Bayern hatte die neue Situation für große Unruhe und ein zeitnahes Stühlerücken gesorgt. Theo Waigel trat von seinem Posten als CSU-Parteichef zurück und damit war der Weg frei für Edmund Stoiber, welcher sich jene Gelegenheit auch nicht entgehen ließ. Die CSU war von 51,2 Prozent 1994 auf 47,7 Prozent zurückgefallen und jenes Minus von 3,5 Prozent hatte ausgereicht, daß der Vorsitzende Konsequenzen zog, durchaus bemerkenswert. Andererseits war Waigel ja auch als Finanzminister Mitglied der Regierung Kohl gewesen und da er jenen Posten nun nicht weiter ausfüllen konnte, brauchte er auch nicht länger CSU-Parteichef sein. Nein, ganz so einfach war es natürlich nicht gewesen, der Druck von Stoibers Leuten war selbstverständlich auch sehr stark gewesen, jedenfalls bekam Edmund Stoiber zu seinem 57.Geburtstag ein schönes Geschenk, denn die schweren Jahre als Teil einer Doppelspitze (die nicht immer so toll und reibungslos funktioniert hatte) in der Partei würden schon bald ein Ende nehmen.