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Ostern bedeutet Stress ohne Ende. Jedenfalls ist das bei mir so. Erst zwingt meine beste Freundin der Wohngemeinschaft eine österliche Bastelstunde auf, und wenn die Feiertage schließlich vor der Tür stehen, müssen wir natürlich die zuvor gefärbten Ostereier suchen.
Wahrscheinlich werden auch dieses Jahr die Nerven, also meine, völllig blank liegen, weil nicht alle Eier gefunden werden und Kathrin sich nicht mehr an die Verstecke erinnern kann. Wozu hat sie eine Kamera, wenn sie diese nicht benutzt? Um das Chaos zu vervollständigen, steht mein Großonkel vor der Tür, der vor seinem Sohn geflüchtet ist.
Da heißt es, die Osterfeiertage seien nicht anstrengend...
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Ostereier und grinsende Osterhasen wohin das Auge blickt. Kaum ist Weihnachten vorbei, sind die letzten Dekoartikel aus den Läden verschwunden, werden bereits die Regale mit Ostersachen aufgefüllt. Man könnte beinahe denken, dass Weihnachten in Ostern übergeht.
Am interessantesten dabei ist, dass genau dieselben Dinge angeboten werden, wie an Weihnachten, nur dass sie eben eine Eiform haben. Da könnte einem der Verdacht kommen, dass die Dinge, die vor und kurz nach Weihnachten nicht verkauft wurden, in eine andere Form gepresst werden und neu als Osterware verkauften werden. Bei Schokoladenweihnachtsmännern und den Osterhasen aus demselben Material hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, dass die unverkauften Weihnachtsmänner vom Stanniolpapier befreit werden, die Schokolade eingeschmolzen wird und als Osterhase wieder auferstehen. Natürlich liegt es im Interesse der Hersteller, dass dieses Gerücht nie bestätigt wird. Dann stößt man auf einen Leserbrief, der von ebendiesen Machenschaften berichtet. Was ist nun wahr und was gelogen? Das weiß niemand so genau und die Schokoladenhohlkörper werden auch weiterhin verkauft, ob sie nun frisch oder alt sein mögen. Kinder sind da nicht so anspruchsvoll im Geschmack. Ich hingegen habe die Dinger noch nie leiden können, weil sie aus purer Vollmilchschokolade bestehen und von der wird mir immer übel.
Ostern ist auch ein Fest, wo heute praktisch kaum noch jemand weiß, wieso das eigentlich gefeiert wird. Die meisten denken, wenn sie Ostern hören, dass man buntgefärbte Eier suchen muss, die der Osterhase versteckt hat. Wieder andere freuen sich einfach auf ein paar schöne Feiertage, wenn sie nicht gerade eine Stelle haben, wo es nicht interessiert, ob nun Feiertag ist oder nicht.
Ich jedenfalls freue mich über die Feiertage. Über irgendein paar zusätzliche freie Tage mehr muss man sich schließlich freuen können. Der Ernst des Lebens kommt früh genug.
Für Kathrin hingegen bedeutet Ostern, dass sie mal wieder so richtig aus dem Vollen schöpfen kann, wie sie uns am besten auf die Nerven geht.
Es beginnt damit, dass sie meine Wohnung zu dekorieren beginnt.
Dazu kommt sie mit jeder Menge ausgeblasener Eier an, die wir bemalen sollen. Wie alt bin ich eigentlich, dass ich so etwas noch machen muss? Als Kind findet man so etwas ungeheuer spannend, aber doch nicht mehr als Erwachsene, außer man will die bunten Eier verkaufen. Will ich das? Nein, dazu reicht mein Talent leider nicht. Ich bin froh, wenn ich ein Motiv aufmale, das man halbwegs erkennen kann.
Leider interessiert meine beste Freundin sich dafür nicht. Ihrer Meinung nach muss man den Garten oder Balkon mit selbst bemalten Eiern schmücken. Da kann ich noch so sehr protestieren, es hilft alles nichts. Ich muss mich ihrem Befehl widmen, dabei wohnt sie hier nicht einmal. Das hat sie allerdings noch nie gestört.
Bereits in der ersten Januarwoche ahnte ich Böses, als ich in einem Kaufhaus die ersten Ostersachen entdeckte. Der 6. Januar war noch nicht gewesen, geschweige denn der 2. Februar und dennoch konnte man bereits Osterdeko kaufen. Wenn es sich um Frühlingsdeko gehandelt hätte, aber nein, es waren Küken in Ostereiern und bunte Plastikeier. Irgendwann wird Heiligabend noch nicht stattgefunden haben und man kann bereits für das Osterfest planen. Die Weihnachtsnaschereien gibt es schließlich auch in der letzten Augustwoche bereits zu kaufen. Angeblich wünschen sich das die Kunden. Nur wer will bereits im Spätsommer Spekulatius, Lebkuchenherzen und Marzipankartoffeln essen? Bitte die Hände heben! Aha, niemand. Und wieso wird dann etwas anderes behauptet? Ach so, diese Umfrage haben die Ladenketten unter ihren Mitarbeitern gemacht, denen vorher gesagt wurde, was sie antworten müssen. Verstehe, dann kann natürlich nur das herauskommen. Ja, ja, glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast. Wie recht mein Biologielehrer hatte.
Seit dem Augenblick, wo ich die Osterdeko entdeckt hatte, war ich in Alarmbereitschaft versetzt und rechnete jeden Tag damit, dass meine beste Freundin mit mehreren Eierpappen im Gepäck ankommen würde. Erst einmal geschah nichts und als ich gar nicht mehr damit rechnete, wurde ich von Kathrin überrumpelt.
An einem Freitagnachmittag kam ich nichts Böses ahnend nach Hause, als mir bereits im Flur der Geruch nach frisch gebackenem Kuchen in die Nase weht. Das konnte nur bedeuten, dass Kathrin sich in der Wohnung befand und meine Küche in Beschlag genommen hatte. Hoffentlich hatte sie kein Schlachtfeld hinterlassen.
Meine Befürchtung stellte sich glücklicherweise nicht ein, dennoch blieb ich wie erstarrt in der Tür stehen, als ich drei Kuchen auf dem Tisch stehen sah. Im Backofen wurde das vierte Exemplar gebacken. Was war hier schon wieder los?
"Wozu brauchst du die ganzen Kuchen?", will ich wissen. "Willst du ein Cafė beliefern?"
"Nö, ich wollte dir bloß ein Freude machen", erwidert Kathrin.
"Aber nicht mit Kuchen für eine ganze Kompagnie. Wer soll denn das alles essen?"
"Schenk deinen Nachbarn einen, vielleicht sind sie dann freundlicher gestimmt."
Meinen Nachbarn einen Kuchen schenken, so weit kam das noch. Als Dank bekäme ich zu hören, dass sie einen allergischen Schock bekommen hätten wegen irgendeiner Zutat. Oder sie würden behaupten, ihnen wäre nach dem Verzehr schlecht geworden und ich hätte versucht, sie zu vergiften. Die straft man am besten mit Nichtachtung, damit kommt man am weitesten.
"Ich will weder was verschenken noch mich einen Monat von Kuchen ernähren. Was hast du damit vor?"
"Nichts", sagt meine beste Freundin nur.
Ich kann es nicht fassen. Kathrin bäckt nur einfach aus Spaß ein paar Kuchen? Dass sie verrückt ist, wusste ich bereits, allerdings so verrückt, ist mir neu. Mit ihr kann man immer was Neues erleben.
Was macht sie überhaupt in meiner Wohnung, wo ich sie nicht eingelassen hatte? Wer hatte sich einfach über meinen Kopf hinweggesetzt? Ich ahne es bereits. Mein Mitbewohner, der zu naiv ist, als das er erkennt, was Kathrin für Chaos anrichtet, wenn man sie für wenige Sekunden aus den Augen lässt.
"Was willst du mit den Kuchen?", frage ich noch einmal.
"Essen", bekomme ich dieses Mal zu hören.
Ganz toll. Damit dürfte klar sein, dass die Kuchen in dieser Wohnung bleiben werden. Wenigstens handelt es sich um ganz langweilige Napfkuchen, denn Blechkuchen mit Obst mag ich überhaupt nicht. Die habe ich bereits als kleines Kind verabscheut. Leider gibt es so was immer bei meinen Großeltern zu essen. Ich würge mir das jedes Mal mit viel zu viel Sahne und Kaffee hinunter. Wobei ich noch anmerken muss, dass ich Kaffee genauso wenig mag wie Obstkuchen. Manchmal muss man dem Teufel eben mit dem Beezelbub austreiben.
Aber nun die nächsten Wochen zu jeder Tageszeit Napfkuchen zu essen, ist nicht das, was ich mir unter einer ausgewogenen Ernährung vorstelle.
Wenn Kathrin die Kuchen nicht für irgendeinen Wettbewerb gebacken hat und sie auch nicht verkaufen will, muss es dennoch einen Grund geben. Nur warum rückt sie nicht mit der Sprache hinaus? Sie plant irgendwas, ganz klar!
"Wozu hast du die Kuchen nun eigentlich gebacken?", versuche ich es noch einmal.
Meine beste Freundin holt gerade den vierten Kuchen aus dem Backofen und stellt ihn auf der Herdplatte ab. Glücklicherweise hat irgendjemand daran gedacht, das gesamte Kochfeld mit Küchenpapier abzudecken. Nicht auszudenken, wenn ich darauf einen Kratzer entdecken würde.
"Ich brauche die leeren Eierschalen, damit wir sie bemalen können. Ich habe zu Hause schon zwei Kuchen gebacken, aber dann ist meine Mutter sauer geworden. Zwei seien bereits zu viel, bekam ich zu hören. Deshalb bin ich zu dir gekommen."
Aha, anscheinend besitze ich nicht die nötige Autorität, um meiner besten Freundin klarzumachen, dass ich auch keine vier Kuchen haben will. Soll ich die Exemplare erst vom Tisch fegen, damit ich meinen Standpunkt klar ausdrücke? Nur irgendwie wäre es schade um die Kuchen. Eine unnötige Zerstörung von Ressourcen muss nicht sein. Dennoch sollte ich mir dringend etwas überlegen, damit ich nicht weiter in Napfkuchen verschiedenster Art ersticke.
"Wieso verkaufst du die nicht? Ich wette, man würde sie dir aus den Händen reißen. Erinnere dich nur daran, wie die Lehrer in der Schule bei der Schlange gestanden haben. Jeder wollte ein Stück haben."
"Bessere Noten haben sie mir dennoch nicht gegeben", folgt die prompte Erwiderung.
"Ist das keine Idee? Du verkaufst deine Kuchen und nimmst damit Geld ein. Deine Mutter wird sich freuen."
"Damit sie mir noch mehr Miete abknöpft? Nee, darauf kann ich verzichten."
Nein, ich werde jetzt nicht erwähnen, dass hier noch ein Zimmer auf Kathrin wartet. Mir ist ohnehin schleierhaft, wie ich jemals auf die Idee verfallen konnte, mit ihr eine WG aufzumachen. Das wäre in einer Katastrophe geendet. Oder auch nicht. Weiß man's? Könnte möglich sein, dass Kathrin nicht so planlos geworden wäre. Wobei planlos vielleicht das falsche Wort ist. Sie macht einfach nicht das, was man von ihr erwartet. Was man von jedem jungen Menschen erwartet, der die Schule verlassen hat und nicht auf die Universität zum Studieren geht.