Der Sukkubus - Julian Bates - E-Book

Der Sukkubus E-Book

Julian Bates

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Beschreibung

Erinnert ihr euch noch an die wunderbare Schulzeit? Das einzig nervige waren Lehrer und Mitschüler, die einfach nicht das taten, was ihr von ihnen erwartet habt. Tief in eurem Herzen wusstet ihr ganz genau, dass dies die schönste Zeit in eurem Leben war. Um nichts in der Welt würdet ihr diese Erlebnisse gegen irgendetwas eintauschen wollen. Nicht so für Alex. Dafür begibt sich Alex nach der Schulzeit auf eine abenteuerliche Reise, die deutlich erotischer ist, als es jemals zu vermuten gewesen wäre. Die Suche nach der wahren Identität erweist dabei sich dabei als ziemlich aufregend.

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Der Sukkubus

 

Von Julian Bates

 

 

 

 

 

Buchbeschreibung:

Erinnert ihr euch noch an die wunderbare Schulzeit? Das einzig nervige waren Lehrer und Mitschüler, die einfach nicht das taten, was ihr von ihnen erwartet habt. Tief in eurem Herzen wusstet ihr ganz genau, dass dies die schönste Zeit in eurem Leben war. Um nichts in der Welt würdet ihr diese Erlebnisse gegen irgendetwas eintauschen wollen.

Nicht so für Alex.

Dafür begibt sich Alex nach der Schulzeit auf eine abenteuerliche Reise, die deutlich erotischer ist, als es jemals zu vermuten gewesen wäre. Die Suche nach der wahren Identität erweist dabei sich dabei als ziemlich aufregend.

 

 

 

 

 

 

 

Über den Autor:

Wo liegen die Grenzen der Fantasie? Das ist eine Frage, die mich immer wieder einmal beschäftigt hat, welche Grenzen sollte man sich persönlich setzen? Die Grenzen, die einem von der Familie angeraten werden? Die von der allgemeinen Gesellschaft da draußen? Die von den diversen religiösen Gruppierungen? Die, die einem das Gesetz vorschreibt?

 

Irgendwann im Laufe eines Lebens kommen die meisten zu dem Schluss, man kann es nicht allen recht machen, und man muss sich seine eigenen Grenzen ziehen. Meine Fantasie hat natürlich überhaupt keine Grenzen, aber ich habe einige Dinge, die ich persönlich einfach nicht gut finde, und andere, die ich mag. Ich respektiere das Gesetz, ich füge niemand anders Schaden zu, und versuche, so vorausschauend zu leben, dass ich das auch unbeabsichtigt nicht tue.

 

Ich respektiere andere Menschen und ihre Würde, egal wie sie aussehen, welche sexuelle Ausrichtung sie haben oder welcher Religion sie angehören. Ich habe keinen Respekt vor Menschen, die andere Menschen schlecht behandeln, warum auch immer sie glauben das tun zu müssen.

 

Genau da setze ich auch die einzigen Grenzen meiner Fantasie, und zwar auch der sexuellen. Also respektieren meine Charaktere, abgesehen von den Bösewichten natürlich, das Gesetz und andere Menschen, und fügen niemandem mit Absicht Schaden zu. Sadismus und Erniedrigung wird man ebenfalls nicht in meinen Geschichten finden, Freiwilligkeit, Respekt und Liebe für den/die Partner ist die Basis für alle meine Geschichten.

 

Geschlechter sind für mich ein Kontinuum, ein dreidimensionales Gebilde, in dem sich irgendwo die tatsächlichen Geschlechter einer Person befinden. Meiner Ansicht nach sind sie nicht einmal sonderlich konsistent, sondern eher fluktuös und verändern sich mit der Zeit.

 

 

 

 

 

 

Der Sukkubus

 

Das fehlgeschlagene mRNA Experiment

 

Von Julian Bates

 

 

 

Impressum:

Verlegt durch:

Dirk Jost

Am Mühlbach 5

64853 Otzberg/Habitzheim

Version: 1.2

Rechte des Covers: Shutterstock

 

 

 

 

Autor-Email: [email protected]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Auflage, 2022

© 2022 Julian Bates – alle Rechte vorbehalten.

Impressum:

Verlegt durch:

Dirk Jost

Am Mühlbach 5

64853 Otzberg/Habitzheim

Version: 1.2

Rechte des Covers: Shutterstock

Selbstverlag

Autor-Email: [email protected]

 

Wortzähler: 87631

 

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Eine schöne Kindheit

Kapitel 2 Meine erste WG

Kapitel 3 Die Villa

Kapitel 4 Gefühle

Kapitel 5 Das Erwachen

Kapitel 6 Der Sukkubus

Kapitel 7 Ein Handel

Kapitel 8 Maja

Kapitel 9 Social Media

Kapitel 10 Die Suche

Kapitel 11 Haare oder nicht, das ist hier die Frage

Kapitel 12 Der Wald

Kapitel 13 Alexandra

Kapitel 14 Das Abendessen

Kapitel 15 Du bist eklig

Kapitel 16 Brunch

Kapitel 17 Die allerletzte Verwandlung. Oder so.

Kapitel 18 Die Villa

Kapitel 19 Sukkuben

Kapitel 20 Nachwort des Autors

Kapitel 1 Eine schöne Kindheit

hatte ich tatsächlich so in etwa bis zur vierten Klasse, danach ging es auf einmal nur noch abwärts. Aus irgendeinem Grund war ich in das Fadenkreuz des Klassentyranns geraten, und seine Quälereien erwiesen sich in den folgenden Jahren als genauso unumgänglich wie ein Nutellabrot, mag es auch noch so umweltunfreundlich sein, absolut unersetzlich zum Frühstück gehört. Außerdem war ich völlig unfähig, mich dagegen zu wehren. Verbal war ich ihm zwar durchaus überlegen, denn sein Licht war nicht unbedingt eines der Hellsten, was allerdings im Endeffekt eher für noch mehr Probleme für mich sorgte, da er gewalttätig wurde, sobald er ausgelacht wurde. Und danach hatte er die Lacher wieder auf seiner Seite, sobald ich am Boden lag, mich vor Schmerzen krümmte oder irgendwo blutete.

Meine Wehrlosigkeit hatte einen ganz einfachen Grund, ich war sehr schlank, zierlich gebaut, unsportlich und hatte ein prinzipielles Problem damit, andere zu verhauen. Seit der dritten Klasse schon, davor ging es noch. Da habe ich nämlich einem Mitschüler mal fest auf die Nase gehauen. Mit fatalen Folgen, da der Junge ein Bluter war, wovon ich keine Ahnung hatte. Ich wusste ja nicht einmal, was das war, ein Bluter. Das Bild, als er sich sein weißes T-Shirt immer weiter voll blutete, ohne dass es jemals aufhörte, ging mir allerdings nach der Erfahrung nie wieder aus dem Kopf.

Worum es bei unserem Streit ging, und warum ich ihn geschlagen hatte, hatte ich längst verdrängt. Vielleicht war es auch gar nicht so wichtig. Was ich aber nicht vergessen habe, ist, dass es unter Umständen eine sehr, sehr schlimme Sache sein kann, jemandem Gewalt anzutun. Diese Einstellung änderte sich erst sehr viel später in meinem Leben wieder, nämlich als mir klar wurde, das man einem Menschen deutlich furchtbarere Dinge antun kann, als ihm oder ihr auf die Nase zu hauen.

Dummerweise hielt sich der Ruf, das Opfer zu sein, auch noch auf all dem, schulisch durchaus herausfordernden, Weg bis ins Gymnasium, weshalb ich dort ebenfalls ständig verhauen wurde, obwohl es um sich um eine renommierte Schule der Geisteswissenschaften handelte. Angeblich. Die Pubertät gab mir dann endgültig den Rest, denn als die Klassenkameraden immer kräftiger, behaarter und brutaler wurden, blieb mein Körperbau zierlich, schlank und größtenteils haarlos. Was erwartungsgemäß auch wieder Zündstoff bot, denn ziemlich schnell hatte ich zusätzlich noch den Ruf als Mädchen weg, vor allem während des Sportunterrichts. Ich heiße Alexander, die lieben Mitschüler nannten mich jedoch nur Alexandra.

Diejenigen, die sich bei der Sache raushielten, bevorzugten Alex, was natürlich ganz wunderbar neutral für beide Geschlechtsformen in Ordnung war. Es traf mich nicht besonders, als ein Mädchen beschimpft zu werden, denn eigentlich hatte ich mich schon immer im falschen Körper gefangen gefühlt. So richtig schlimm war es daher für mich insgeheim ebenfalls nicht, als die üblichen, maskulinen Pubertätsmerkmale bei mir ausblieben. Was mich jedoch bis ins Mark traf, war das verächtliche Lachen der Mitschüler, für die ich offensichtlich eine völlige Missgeburt war.

Der Name Freak wurde von ihnen regelmäßig benutzt, vermutlich weil die Lehrer selten darauf reagierten. Als Missgeburt wurde ich nur dann bezeichnet, wenn kein Erwachsener in der Nähe war. Was es nur unwesentlich besser für mich machte. Ein Schulwechsel wurde mir seitens meiner Eltern verboten, sie meinten, ich solle endlich mal Kraftsport betreiben, und mich wie ein richtiger Mann verhalten, anstatt die ganze Zeit nur endlos herumzujammern. Also fing ich irgendwann, seelisch völlig ausgelaugt und verzweifelt, genau damit an, mich mit Muskelaufbau zu beschäftigen, wie Gewichte heben, und darüber hinaus auch zu Joggen.

Die Hobbys gab ich dafür mehr oder weniger vollständig auf, da ich schlicht und einfach keine Zeit mehr übrig hatte. Bis zum Abitur bekam ich noch zusätzlich den Ruf als Streber weg, da ich seit der neunten Klasse ziemlich dicht an einem Vierzehn Punkte Schnitt landete. Der Sport hatte durchaus Auswirkungen, allerdings nicht wirklich die, die sich die Eltern erhofft hatte. Ich wurde zwar deutlich kräftiger, was irgendwann, jedenfalls für eine kurze Zeit, sogar den Vater beeindruckte, aber leider nicht unbedingt muskulöser, was ihn dazu bewegte, sehr bald schon wieder in seine alten Muster zurückzufallen.

Der Körperbau blieb trotz allen Kraftsports genau so, wie er war. Zierlich und feminin. Mittlerweile hassten mich nicht nur die Jungs, weil ich so weiblich erschien, sondern auch noch sehr viele der Mädchen in der Klasse, da ich, abgesehen von meinem fehlenden Vorderbau, schlanker und hübscher als jede Einzelne von ihnen geworden war. Mutter schleppte mich schließlich zu einem Arzt, der mich dann weiterverwies, bis ich irgendwann, nach vielen weiteren Überweisungen, an den Einen geriet, der mir hochdosierte Testosterontabletten verschrieb.

Die Eltern zahlten brav dafür, allerdings blieben selbst diese völlig wirkungslos. Was nur mich nicht überraschte, da ich sie regelmäßig in den Abguss schmiss, anstatt sie zu nehmen. Ich behielt den heimlichen Wunsch für mich, ein Mädchen zu sein, sorgfältig und ohne Ausnahme tief in meinem Inneren verschlossen, da ich niemandem mehr in meiner Umgebung traute. Weder den Mitschülern, noch den Eltern, die sich oft genug auf die Seite der Peiniger schlugen, wenn ich zuhause darüber berichtete, dass ich wieder einmal misshandelt worden war. Ich solle mich halt nicht so anstellen, war die Standardantwort.

Mit achtzehn, ich war nur zwölf Jahre zur Schule gegangen, machte ich endlich das Abitur. Es wurde eine glatte Eins, also vierzehn Punkte, und ging erfolgreich mit dem Abschluss von der Schule ab. Ich nahm an keiner einzigen Abiturfeier teil, und auch zur Abschlussklassenfahrt in der Elften war ich bereits „leider“ erkrankt. Mir schwindelte der Kopf vor Glück, als ich endlich die Schulzeit und vor allem die verhassten Mitschüler hinter mir lassen konnte. Ich hatte mich an einer Uni beworben, und zwar in Hessen, in Darmstadt, was von meinem Heimatort in Unterhaching weit genug entfernt war.

Mit dem Notendurchschnitt wurde ich dort sofort genommen, wobei zur Verwunderung aller die anderen Bewerbungen in München und Umgebung keinerlei Ergebnisse hervorbrachten. Was vielleicht damit zusammenhängen könnte, dass ich sie im Altpapiermüll entsorgt hatte, anstatt sie wegzuschicken. Eine bezahlbare Wohnung in einer WG war nicht unbedingt leicht zu bekommen, allerdings war ich trotzdem erfolgreich. Es war eine Vier-Zimmer Wohnung in Griesheim, ein kleiner Vorort von Darmstadt, der sehr gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angeschlossen war.

An dem Tag, an dem ich auszog, eröffnete ich den Eltern und Geschwistern, dass ich mich als Mädchen fühlte und eine Geschlechtsumwandlung anstreben würde. Das Ergebnis war genau wie von mir erwartet, sie wünschten sich, nicht mehr von mir behelligt zu werden, und hofften, dass ich auf meinem weiteren Lebensweg dermaßen gründlich scheitern, bis mir endlich klar werden würde, wie sehr ich mit all dem falschlag, an das ich glaubte. Sie überreichten mir zum Abschied sogar sämtliche Papiere, inklusiver der Geburtsurkunde, falls ich diese irgendwann noch benötigen würde, vermutlich um sicherzustellen, dass ich sie nie wieder behelligen musste.

Es war zwar nicht unbedingt, was ich mir erhofft hatte, aber durchaus das, was ich befürchtet hatte, wenn ich zwischendurch wieder einmal ehrlich zu mir selbst gewesen war. Ich suchte also als Erstes in Darmstadt einen Job, was eine weitere Herausforderung darstellte, und bot mich zusätzlich noch bei diversen Firmen als Versuchsobjekt für Medikamente an, die teilweise sehr gut dafür zahlten. Jedenfalls verglichen mit den anderen Jobs, wie zum Beispiel als Kassierer*in im Supermarkt oder so. So kam ich durch die Runden, ohne Bafög zu beantragen, da dieses eventuell vom Staat von meinen verhältnismäßig gutverdienenden Eltern zurückverlangt werden würde, und ich mit ihnen absolut nichts mehr zu tun haben wollte.

Natürlich ärgerte ich mich sehr darüber, dass sie für mich noch Kindergeld kassierten, allerdings brach ich trotzdem sämtliche Kontakte nach Bayern ab. Darmstadt und Umgebung waren deshalb ideal gewesen, da keiner der Mitschüler*innen auf die Idee gekommen wäre, sich so eine Gegend auszusuchen, denn es gab deutlich attraktivere und vor allem lässigere Universitätsstädte in Deutschland, falls man nicht in München studieren wollte. Die Miete reinzuholen, stellte sich schon bald als das schlimmste Problem von allen heraus, obwohl meine Bude sogar relativ günstig war, verglichen mit Münchner Verhältnissen jedenfalls.

Ich musste sehr viel dafür arbeiten, was mir die ersten drei durchgefallenen Prüfungen im ersten Semester einbrachte. Also suchte ich besser bezahlte Jobs, wie zum Beispiel Nachhilfe für reiche Kinder, die natürlich noch schwieriger zu bekommen waren, und außerdem experimentellere und riskantere medikamentöse Versuche als Versuchsobjekt. Ich war in den Monaten nach meiner Ankunft immer tiefer in die Branche vorgestoßen, als ich mit meinem Laptop, für das ich drei Wochen sehr hart gearbeitet hatte, beim Frühstück in dem winzigen Zimmer, welches jetzt mein Zuhause darstellte, auf etwas stieß, was für einen Moment lang dafür sorgte, dass ich vergaß zu atmen. Eine kleine, und ziemlich unbekannte, Firma machte eine Versuchsreihe mit einem mRNA Medikament.

Die beabsichtige Wirkung war jedoch nicht, irgendeine Krankheit zu kurieren, oder eine Nutzung als Impfstoff, sondern es ging um etwas völlig anderes. Es ging darum, einen Körper dazu anzuregen, das Geschlecht zu wechseln. Gewünscht waren laut der Anzeige möglichst androgyne Männer im Alter von bis zu zwanzig Jahren. Die Geschlechtsumwandlung würde von einem amtlichen Arzt begleitet werden, und auf Wunsch auch die Änderung desselben von Amts wegen im Ausweis vorgenommen werden.

Seitdem ich in Darmstadt angekommen war, hatte ich die Haare auf dem Kopf nicht mehr geschnitten, weshalb sie mir mittlerweile bis zur Schulter reichten. Die Behaarung auf meinem restlichen Körper, inklusive der Bart- und Achselhaare, hatte ich mit einem Epilator beseitigt, dessen Benutzung mit der Zeit deutlich erträglicher wurde, da nach einer Weile nur noch so wenige nachwuchsen. Den Sport hatte ich auf Joggen reduziert, und als Kleidung trug ich immer geschlechtsneutrale Turnschuhe, Jeans und T-Shirt.

Ich hielt mich durchaus selbst für ziemlich androgyn, aufgrund der Historie und da mich Verkäufer*innen auch hier in der Stadt häufig genug als Frau oder, die Älteren jedenfalls, Fräulein ansprachen. Also schrieb ich die in der Anzeige angegebene E-Mail-Adresse an, wobei mir vor lauter Nervosität und Aufregung das Herz so heftig in der Brust klopfte, dass ich das Gefühl hatte, ich würde gleich ohnmächtig werden. Sicherlich war ein Teil dadurch begründet, dass ich damit meiner Familie endgültig Lebewohl sagte, denn nach der Nummer würden weitere Besuche in der Heimat seitens der Eltern garantiert völlig ausgeschlossen sein.

Sobald ich die Anfrage losgeschickt hatte, bekam ich so schnell eine Antwort, dass ich schon einen BOT vermutete, allerdings war es eine Terminanfrage für den nächsten Morgen um neun Uhr dreissig. Ich hatte an dem keine Vorlesungen, also sagte ich zu. Der Ort war zwar ein gutes Stück weg, trotzdem aber einigermaßen gut zu erreichen. Ich würde nicht früher als sieben Uhr aufstehen müssen, was mir gelegen kam, denn ein Frühaufsteher war ich nicht mehr, seitdem ich fünf Jahre alt geworden war.

Diesmal wäre es mir allerdings sogar wert gewesen, wenn ich so richtig früh hätte aufstehen müssen, denn aus lauter Nervosität fand ich in dieser Nacht eh nicht mehr sehr viel Schlaf. Meine Hauptsorge bei der ganzen Geschichte war, ob ich wirklich das Richtige tat. Ich war mir unsicher, ob die Umwandlung nicht einfach nur eine Trotzaktion gegen die Eltern und Mitschüler*innen war, oder ob es tatsächlich eine Sache war, die tief aus meinem Inneren kam. Irgendwann schlief ich doch noch mit dem Gedanken ein, dass ich meine wahren Wünsche und Bedürfnisse so tief in mir begraben hatte, dass ich jetzt Probleme hatte, sie wieder zu finden.

Am nächsten Morgen stand ich völlig übermüdet und immer noch ziemlich zittrig und nervös, aber dafür trotzdem ziemlich pünktlich, vor dem schweren Tor, welches von einer mit einem Schlagstock bewaffneten Wache geschützt wurde. Fast wäre ich davongelaufen, dann fasste ich mir jedoch ein Herz. Der kräftige Mann wollte mich in einem ersten Impuls spontan wegschicken, mit der Bemerkung:

„Wir brauchen hier heute keine Mädchen, das hat mir die Chefin gesagt.“

Ich drehte mich um und wäre beinahe davon gelaufen, dann seufzte ich, nahm den ganzen Mut zusammen, kehrte um, holte meinen Ausweis raus, und zeigte das kleine Stück Plastik, welches mich nach wie vor als Mann auswies, dem störrisch dreinschauenden Angestellten. Er zog die Augenbrauen hoch, sah mich noch einmal zweifelnd mit stark zugekniffenen Augen an, was ich dermaßen betont schon wieder als beleidigend empfand, dann winkte er mich hinein und deutete auf eine große Glastür. Dort angekommen öffnete sie sich automatisch, als ich hindurch wollte, und schloss sich erwartungsgemäß hinter mir. Selbsttätige Türen sind heutzutage weiß Gott keine ungewöhnliche Sache mehr, trotzdem zuckte ich zusammen und stellte mir einen Moment lang vor, dass sie mich nie wieder hinaus lassen würde.

Schließlich sammelte ich sämtlichen Mut, den ich irgendwo in einer sehr verstaubten Ecke tief in mir noch finden konnte, ging zu der Empfangsdame, und stellte mich vor. Sie lächelte mir zu, hieß mich freundlich willkommen, und rief auf der Stelle jemanden mit dem Telefon an, der kurze Zeit später auch erschien. Der Mann trug einen weißen Kittel, was ich als völliges Klischee empfand, denn diese Leute hier hatten doch garantiert kein Labor mehr, oder? Er stellte sich als Dr. Jürgen Reynhard vor, schüttelte mir die Hand, ließ sich ebenfalls meinen Ausweis zeigen, und führte mich danach tatsächlich in ein Laboratorium, in dem erwartungsgemäß viele Computer standen, sich aber auch einige Bereiche mit merkwürdigen Geräten befanden, die mir größtenteils nicht vertraut waren.

Er erklärte mir, was das alles war, hatte jedoch nicht die Gabe, das auf eine Art und Weise zu tun, dass es irgendjemand begriff, der nicht vom Fach war. Genau wie einige Professoren an der Uni, wobei das in meinem Studium mit der Zeit besser geworden war. Was die Sprache angeht, sind Informatiker wenigstens einigermaßen stringent und verständlich. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Informatik studiere? Naja, wie gesagt, von den ersten fünf Klausuren habe ich drei nicht geschafft, was die Mindeststudiendauer schon mal um mindestens ein Semester erhöhen dürfte. Sehr viele Gedanken machte ich mir aber nicht darum, denn von irgendetwas musste ich ja schließlich leben, weshalb eine Reduktion der Jobs, die Geld hereinbrachten, nicht in Frage kam.

Inzwischen kamen wir in einem Konferenzraum an, in dem eine ältere Dame saß. Sie war offenbar eine Transsexuelle. Oder sah wenigstens danach aus. Für mich persönlich waren die Anzeichen schon immer so eindeutig wie starker Wind und dunkelgraue Wolken bei einer Wetteränderung in Richtung Regen gewesen, vielleicht weil ich mich so intensiv damit beschäftigt hatte. Es gibt körperliche Merkmale, die es einem relativ einfach machen, das Geschlecht zu bestimmen. Bei ihr war es, abgesehen von den breiten Schultern, das Kinn, welches sie sofort verriet. Ansonsten war sie allerdings adrett, professionell und eindeutig weiblich gekleidet.

Sie erhob sich und reichte mir ebenfalls die Hand, die ich sachte schüttelte. Sie hatte einen recht kräftigen Händedruck, den ich daher ebenso kräftig erwiderte. Sie lächelte mich an und drehte anschließend meine Hand nach oben und sah sich die Gelenke an der Unterseite für einen winzigen Moment genauer an, was mir nicht entging. Vielleicht wollte sie überprüfen, ob ich suizidal veranlagt war.

„Hallo, schön, dass du es so schnell einrichten konntest. Ich bin Sabine Mann und Geschäftsführerin der Firma mRNAPharma. Dr. Reynhard hat sich sicherlich erklärt, worum es bei unseren Experimenten geht?“

Ich nickte schüchtern.

„Hast du es auch verstanden?“

Ein wenig verlegen schüttelte ich den Kopf, weshalb Dr. Reynhard zuerst die Augen verdrehte, dann allerdings ergeben grinste und sich mit einem höflichen Kopfnicken verabschiedete.

„Ich hoffe, ich habe ihn nicht verletzt.“, meinte ich.

„Ach was, das ist er gewohnt. Er ist der Kopf hinter dieser ganzen Sache. Es ist nicht einfach für ihn, sich auf unseren Level herunter zu begeben. Bei mir musste er sich damals aber sehr viel mehr Mühe geben, weshalb ich jetzt versuchen kann, es dir ein wenig genauer zu erklären.“

Sie deutete auf einen Stuhl und setzte sich selbst daneben.

„Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen neidisch, Alexander, du siehst absolut umwerfend aus. Ich hoffe, wir können uns Duzen?“

Verunsichert nickte ich ihr zu.

„Nenn mich einfach Sabine. Wir experimentieren hier mit mRNA, das sind quasi die Boten der Zellen, also diejenigen, die bestimmen, was, wo und wie in unserem Körper wächst. Der Hauptnutzen dieser Technik wird zukünftig vermutlich in der Herstellung von Impfstoffen liegen, oder der Krebsbekämpfung. Wir arbeiten hier jedoch noch an etwas völlig anderem, was wirtschaftlich gesehen schon eher ein Hobby von mir ist, weshalb ich dafür auch nicht so viel Budget kriege, wie ich gerne hätte. Trotzdem habe ich, mehr oder weniger jedenfalls, hierfür freie Hand bekommen.“

Ich nickte, bisher klang es durchaus vernünftig, was sie hier erzählte, denn einen riesigen Markt gab es für Geschlechtsumwandlungen garantiert nicht.

„Also schickt ihr Boten in meinen Körper, die ihm sagen, wie ich mich entwickeln soll?“

Sie nickte und erklärte weiter.

„Genau, anstatt die DNA direkt zu verändern, was erst einmal gar nichts bewirken würde, schicken wir Botenstoffe, die den Körper ganz präzise anweisen, das zu tun, was auch immer wir von ihm wollen. Das Problem dabei ist, dass die Ergebnisse nicht immer exakt das sind, was wir wollten. Ich bin ganz ehrlich zu dir, die mRNA-Technik ist bereits fünfundzwanzig Jahre alt, allerdings haben wir bisher immer noch nicht die durchschlagenden Erfolge erzielt, die wir uns damit erhofft haben. So wie ich es verstehe, ist die Sprache dafür überaus kompliziert. Schon einige wenige Veränderungen auf Molekülebene können drastische Konsequenzen hervorrufen.“

„Weshalb ihr jemanden braucht, der von vornherein nicht sehr weit weg von einer Frau ist. Weil es sonst zu aufwändig für euch wäre. Zu viele Veränderungen gleichzeitig im Körper und so.“

Lächelnd sah sie mich an.

„Genau das ist es. Wir werden also zuerst einmal eine umfangreiche Bestandsaufnahme deines Körpers machen, und dann mit deiner Zustimmung ausschließlich die Dinge verändern, die du an dir verändert haben möchtest.“

Sie sah mich noch einmal abschätzend an.

„Ich vermute mal, deine Entscheidung in Richtung einer Geschlechtsumwandlung steht fest? Ansonsten hättest du doch ganz bestimmt nicht so viel unternommen, um da zu landen, wo du offensichtlich mittlerweile bereits angekommen bist.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Genau genommen habe ich mich nur ein paarmal epiliert, mehr war es nicht. Ich habe schon immer so ausgesehen.“

„Ernsthaft? Dann vermute ich bei dir einen genetischen Defekt, denn eigentlich hätte die Pubertät doch deutlich mehr maskuline Veränderungen hervorrufen sollen. Hast du in deinem Leben schon einmal Zweifel gehabt? Was aus dir werden soll, ob das alles noch Sinn ergibt?“

Ich erinnerte mich an ihren kritischen Blick auf meine Handgelenke, die sehr schlank und daher eher weiblicher Natur waren.

„Nein, bisher nicht, obwohl es nicht wirklich problemlos war. Vielleicht bin ich einfach nur sensationell stur, was mein Geschlecht angeht.“

Sie lächelte und zuckte mit ihren Schultern.

„Nun, wie auch immer, ich bin sicher, wir bekommen das hin. Für dich konkret sehen das Experiment und vor allen die Risiken folgendermaßen aus. Falls es in die Hose geht, können wir dir selbstverständlich eine Entschädigung anbieten, aber die Veränderungen trotzdem nicht mehr rückgängig machen. Deine Entscheidung, bei uns mitzumachen, wird absolut unwiderruflich sein. Du solltest es dir die ganze Sache also sehr gut überlegen. Dafür kann ich dir jedoch als Kompensation eine Pauschale von achttausend Euro offerieren, wenn du mitmachst. Falls es wider Erwarten schief geht, kann ich, je nachdem was und wie schlimm es schiefgegangen ist, bestimmt das Zehnfache heraushandeln.“

Ich schluckte einen Kloß hinunter.

„Das Ganze ist also ziemlich experimentell und das Risiko nicht ganz unerheblich.“

Sie nickte.

„Du wärst das allererste, menschliche Versuchsobjekt. Ich würde es gerne persönlich übernehmen, jedoch wurde es mir nicht erlaubt. Ich bin zu alt dafür, leider ist das Risiko zu hoch, dass es bei mir nicht mehr funktioniert und all unsere Arbeit umsonst war. Ich hoffe aber darauf, dass zukünftige Medikamente einen deutlich wirkungsvolleren Schub liefern, um selbst davon profitieren zu können. Das Mindeste, was ich erreichen möchte, ist, Transsexuellen die Art von Behandlung zu ersparen, die ich erlebt habe, und teilweise heute noch erlebe.“

Der letzte Teil ihrer Rede war es dann letztlich, der mich endgültig überzeugte.

„Ich mache mit.“

Sie hob ihre linke Augenbraue.

„Bist du sicher, willst du dir es nicht vorher noch einmal gründlicher überlegen?“

„Ich habe ebenfalls bereits eine Geschichte hinter mir. Und dass mich meine Eltern nicht wiedersehen wollen, ist noch der harmloseste Teil davon. Ich möchte helfen.“

Ihre Augen verrieten all den Schmerz, den sie selbst erlitten hatte, und sahen mich trotzdem noch mitfühlend an. Sie war offenbar eine sehr toughe Frau, die niemals aufgab.

„Also, meiner persönlichen Meinung nach, ist das Schlimmste, was dir widerfahren könnte, dass gar nichts passiert. Ein paar Schwellungen an den Geschlechtsorganen sind bei den meisten Tierversuchen aufgetreten und sollten vorübergehend sein. Was für dich vielleicht viel spannender sein dürfte, ist, was wir versuchen zu erreichen. Im Idealfall hoffe ich auf Brüste, eine Vagina und noch weiblichere Körperformen, und zwar inklusive von merklichen Veränderungen im Knochenbau. So wie du jetzt schon aussiehst, wirst du danach nie wieder als Mann verwechselt werden.“

Unsicher sah ich sie an.

„Ich bin ein Mann.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Warst du nie, Schätzchen. Trau mir, mit so etwas kenne ich mich aus.“

Ich versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die mir vor Rührung in die Augen traten.

„Und mein Glied?“

„Wirst du behalten, vielleicht wird es anschließend höchstens ein bisschen kleiner als jetzt sein. Ob es danach noch richtig funktioniert, kann ich jedoch nicht garantieren, denn erektile Störungen sind nach einer Geschlechtsumwandlung durchaus normal. Diesen Preis musste ich ebenfalls zahlen. Mit einem entsprechenden Vibrator kann ich aber jederzeit kommen. Sobald ich eine gute visuelle Vorlage habe und erregt bin.“

Ich lief knallrot an, ich spürte es genau in den Wangen.

Sie kam plötzlich sehr nahe und sah mich neugierig an.

„Du hattest doch bereits Sex oder nicht?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Hast du denn wenigstens schon mal onaniert?“

Wieder verneinte ich die Frage mit der gleichen Geste.

„Sehr ungewöhnlich. Als hättest du die Pubertät völlig ausgelassen. Nun, ich kann dir etwas empfehlen, einen Vibrator für Männer. Das solltest vor der Behandlung noch einmal ausprobieren, damit du zumindest weißt, worum es bei dieser Sache geht.“

Ich lächelte sie an.

„Ich bin mir ganz sicher, dass ich es will, Sex interessiert mich nicht besonders.“

Sie sah mich einen Moment lang forschend an, zuckte mit den Schultern, erhob sich und bedeutete mir, ihr zu folgen.

„Dann fangen wir sofort damit an, denn das Erste sind eh nur Untersuchungen, und anschließend musst du so oder so vier Wochen warten. Falls du es dir anders überlegst, sag uns bitte rechtzeitig Bescheid, die Vorbereitungen sind noch recht aufwendig, was sich aber hoffentlich bald schon ändern wird.“

Energiegeladen ging ich ihr hinterher, so langsam aber sicher war ich absolut davon überzeugt, genau das Richtige zu tun. Hatte sie gerade angedeutet, dass ich sogar eine Vagina bekommen könnte? Schwellungen gefielen mir natürlich nicht so gut, aber vielleicht konnte ich ja ein paar Tage zuhause bleiben. Sie brachte mich zurück zu dem Doktor im Laborkittel, der mich gründlich untersuchte, wofür ich mich völlig ausziehen musste, was mir, aufgrund ihrer Gesellschaft, deutlich weniger unangenehm als befürchtet war.

Als er mich an meinem Geschlecht berührte, bekam ich allerdings eine Erektion, die mir doch ziemlich peinlich war. Er lächelte jedoch nur und erklärte mir:

„Das ist eine völlig normale, körperliche Reaktion in deinem Alter. Mach dir keine Gedanken. Wenn du ein wenig Glück hast, dann sollte das hinterher auch weiter völlig einwandfrei funktionieren. Das ist der Unterschied zu hormonellen Behandlungen, die üblicherweise erektile Störungen verursachen.“

Sabine seufzte und meinte:

„Um ganz ehrlich zu sein, bin ich ziemlich neidisch auf dich, ich würde sehr gerne mit dir tauschen. Es wird bestimmt alles gut gehen.“

Der Doktor nahm noch ein paar Gewebeproben, was ein wenig schmerzhaft war, dann durfte ich mich wieder anziehen und verabschieden. Die beiden waren ziemlich nett, ich fühlte mich bei ihnen sehr gut aufgehoben. Als ich das Gebäude verließ, ging ich beschwingt nach Hause und verbrachte den Abend mit einer Flasche Rotwein, die ich mir zur Feier des Tages gönnte. Ich war mangels Erfahrung nach einer halben Flasche bereits so betrunken, dass ich den Rest in den Kühlschrank stellte und sehr früh schlafen ging, da eh noch Schlaf nachzuholen hatte.

Mein Leben ging vorerst genauso weiter wie gehabt, sehr viel Arbeiten, ein bisschen Laufen und versuchen das aufzuholen, was ich im ersten Semester versäumt hatte. Ich machte mir durchaus keine Illusionen, ein Universitätsstudium war zweifelsohne sehr hart, aber trotzdem war ich mir ziemlich sicher, es mit ein wenig Arbeitsaufwand schaffen zu können. Immerhin hatte ich systemisches und objektorientiertes Programmieren mit einer glatten Eins bestanden, was ich als ein gutes Zeichen dafür wertete, dass ich mir wenigstens nicht ein völlig falsches Studium herausgesucht hatte.

 

Kapitel 2 Meine erste WG

Warum ich mir ausgerechnet eine Wohngemeinschaft ausgesucht hatte, kann ich ziemlich schnell erklären. Es war mehr oder weniger reine Verzweiflung meinerseits gewesen. Natürlich hätte ich gerne ein Ein-Zimmer Apartment ganz für mich alleine gehabt, die waren aber viel zu teuer. Meine Mitbewohner waren zwei stille und zurückgezogene junge Männer, die viel zu schüchtern waren, um mir gefährlich zu werden. Ich fühlte mich bei ihnen ziemlich entspannt und oft genug sogar richtig wohl. Vielleicht, weil sie ähnlich einsiedlerisch wie ich waren.

Von Anfang an hatte ich ihnen gegenüber eindeutig klargestellt, dass ich eine Geschlechtsumwandlung anstrebte, womit sie keine Probleme hatten. Ganz im Gegenteil, sie sprachen mir Mut zu und meinten beide, dass sie den Schritt für sehr mutig hielten und unterstützten, falls ich jemals etwas brauchte. Wir hatten eine einfache Regel, wir ließen einander in Ruhe und wenn jemand im Gemeinschaftsbereich etwas schmutzig machte, machte er es wieder sauber. So konnten wir uns regelmäßige Putzaktionen, üblicherweise einmal die Woche oder so, sparen, was ich überaus angenehm fand.

Bis auf das Treppenhaus mussten wir so nur recht wenig putzen, da der Einzige, der mal mit schmutzigen Schuhen vom Joggen kam, ich war, und ich achtete sehr penibel darauf, keinen Dreck zu hinterlassen. Meine Mitbewohner verließen das Haus eh nie, außer hin und wieder für die Uni, was den gleichen Effekt hatte. Partys gab es bei uns ebenfalls nicht, also hielt sich das Reinigen echt in Grenzen. Zusammengefasst bedeutete das zwar nicht, dass ich Menschen irgendwie näher kam, woran ich auch gar nicht interessiert war, aber dafür völlig in Ruhe gelassen wurde.

Ich hätte es deutlich schlechter treffen können.

Die kommenden vier Wochen vergingen für mich wie im Flug, ich stand wie unter Strom aus lauter Vorfreude. Ich sagte mir zwar schon ständig, dass bei dieser Sache genug schiefgehen konnte, ignorierte diese leise, warnende Stimme jedoch dermaßen konsequent, dass sie irgendwann verstummte. Es konnte nicht mehr schlimmer werden, ich würde endlich als echte Frau leben können und würde so beschützt vor den Anfeindungen meiner Mitmenschen existieren dürfen. Ich ignorierte die andere, ebenso leise, Stimme, ebenfalls, dass ich mich ja eigentlich bereits geschützt hatte. Niemand belästigte mich dieser Tage noch, hier in Darmstadt als Mädchen in der Öffentlichkeit durchzugehen fiel mir deutlich leichter, als ich es befürchtet hatte.

Als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass die Allgemeinheit ja auch bisher nie mein Problem gewesen war, sondern ausschließlich die Leute, die mich kannten und irgendetwas von mir erwarteten. Die Arbeit als Zeitarbeiter machte mir nur sehr wenig Spaß, allerdings konnte ich so einige verschiedene Jobs durchprobieren. Derzeit hatte ich eine Tätigkeit in der IT Abteilung der Deutschen Telekom inne und betreute Arbeitsplatzsysteme, was sogar relativ gut bezahlt wurde.

Die Telekom erwies sich mir, ganz entgegen meiner Erwartung, als sehr modern und aufgeschlossen, und zwar auch, was das Thema Diversität anging. Die Kollegen waren ebenfalls nett, weshalb ich ziemlich viele Stunden bei ihnen abriss. Ich musste mich sozialversichern, konnte aber trotzdem so ein finanzielles Polster schaffen, was ich sicherlich bald schon benötigen würde.

Dann kam der Moment, den ich so sehr herbeigesehnt hatte. Sabine hatte mich angeschrieben und um einen Termin gebeten. Ich meldete mich bei den Kollegen also für einen Urlaub und an der Uni für acht Wochen ab und marschierte drei Tage später wieder auf das Gelände der Firma, die so entscheidend für meine Zukunft sein würde. Der Vorgang selbst war äußerst ernüchternd. Ich musste seitenweise Verträge unterzeichnen, die ich in der kurzen Zeit nicht hätte durchlesen können, wenn ich Dr. Who persönlich als Gefährten gehabt hätte, dann bekam ich eine Spritze, was es dann auch schon gewesen war. In dieser Spritze war nicht einmal sehr viel drin, ein paar Milliliter einer durchsichtigen Flüssigkeit, nicht mehr.

Irgendwie hatte ich mir die Sache aufwändiger und komplexer vorgestellt. Große und laute Maschinen, in deren Bauch ich für eine Weile verschwand und dann nach einer intensiven Licht- und Geräuschkulisse verwandelt herauskam, oder irgend so etwas in der Art. Ein paar Stunden später, die ich auf einer langweiligen, strahlend weißen Ruheliege verbringen musste, wurde ich nach Hause geschickt, mit der Bitte, in nächster Zeit doch einmal die Woche vorbeizukommen. Den kommenden Termin machten wir sofort fest. Das Geld bekam ich auf der Stelle, komplett, was leider bei der Summe bedeutete, dass ich auch dafür erst einmal Steuern zahlen musste, hatte allerdings inzwischen den Lohnsteuerjahresausgleich bereits im Blick, denn da sollte ich eigentlich den größten Teil wieder zurückbekommen, da ich trotz aller Jobs mit meinem Verdienst nicht deutlich über dem Mindesteinkommen pro Jahr lag, für das man Steuern entrichten muss.

Zumindest hoffte ich das, sonst würde ich das Studium noch mehr in die Länge ziehen müssen. Jetzt hatte ich erst einmal ein paar Wochen Zeit, sehr viel für die Uni zu machen, was ich auch tat. Den Sport musste ich trotz der Behandlung nicht einstellen, das hatte mir Dr. Reynhard versichert, also ging ich weiter Joggen und erhöhte sogar die Schlagzahl vorsichtshalber ein wenig.

Die ersten Veränderungen an meinem Körper ließen nicht lange auf sich warten, teilweise waren es auch die erhofften, teilweise aber auch nicht. Von wegen Schwellungen, die Eier schrumpelten mir irgendwie in den Körper hinein, und das nicht mal einmal innerhalb von einer einzigen Woche. Dafür bekam ich aber wenigstens Brüste, was für mich in Summe also eine positive Entwicklung war.

Dr. Reynhard war ein wenig zwiegespalten wegen der Veränderungen, nicht unbedingt, weil er sie als negativ empfand, sondern weil er sie so nicht erwartet hatte. Ich nahm es ebenfalls eher als beunruhigend auf, jedoch verlief alles Weitere die nächsten Wochen und Monate größtenteils wie vorhergesagt. Es gab lediglich zwei Nebenwirkungen, die allerdings für Sabine und den Doktor bedeuteten, dass sie das Experiment gemeinsam als völligen Fehlschlag werteten. Mein Penis wurde nicht kleiner, sondern sogar größer, und zwar sowohl länger und als auch dicker. Zum Schluss war er auf glatte fünfundzwanzig Zentimeter angewachsen. Nicht erigiert.

Was für mich natürlich erstmal kein Beinbruch war, jedenfalls auf den ersten Blick. Er wurde allerdings auch nicht mehr hart, egal, wie intensiv ich ihn stimulierte. Die zweite Nebenwirkung war die deutlich Schlimmere, da ging es nämlich um meine Gefühle. Die verschwanden in den sechs Monaten, die dieser Versuch insgesamt andauerte, mit der Zeit immer weiter, bis sie völlig verschwunden waren.

Und nicht nur das, ich empfand kein Interesse mehr an Sex, und zwar überhaupt keins, nicht einmal das bisschen, was ich davor gehabt hatte. Trotz der Vagina, die zum Schluss noch mit einer kleinen Operation befreit werden musste, da sich die Schamlippen unter der Haut befunden hatten und mein Körper sich nicht von alleine öffnete. Ich hatte danach also als Ergebnis aus der ganzen Sache relativ beschauliche Brüste, eine Vagina, einen Personalausweis und Reisepass auf den Namen Alexandra ausgestellt bekommen. Allerdings darüber hinaus noch einen riesigen, unbenutzbaren Penis und keinerlei Lust mehr auf eine Beziehung mit wem auch immer.

Sabine stellte das Experiment ein und eröffnete mir unter Tränen, dass ich das Doppelte des versprochenen Schmerzensgeldes erhalten würde, solange ich die Firma nicht verklagte. Dankbar nahm ich es an, da es mich durch das Studium bringen würde, ohne dass ich die nächsten vier Jahre oder so arbeiten gehen musste, wenn ich sparsam genug blieb. Was mich selbst anging und meine Einschätzung bei der ganzen Sache, war ich merkwürdig gelassen. Es wurde im Laufe der folgenden Monate immer offensichtlicher, dass das Experiment meine Emotionen völlig auf Eis gelegt hatte, was für Sabine ein völliger Schock gewesen war, und letztendlich ihre Entscheidung zementierte, das Projekt endgültig einzustellen.

Meine Garderobe blieb also so, wie sie gerade war, abgesehen von ein paar Strumpfhosen, die ich beim Tragen trotz meiner Emotionslosigkeit als merkwürdig befriedigend empfand. Weite Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt waren mein normales Outfit gewesen, und dabei blieb es auch. Die Kopfhaare ließ ich mir weiter lang wachsen, und die Körperbehaarung epilierte ich hin und wieder, allerdings wurde selbst das mit der Zeit immer seltener, denn sehr viele wuchsen nicht mehr nach, was mir recht gelegen kam, denn mein Interesse an solchen Dingen nahm mehr und mehr ab. Die Periode bekam ich zum Glück nicht, die reproduktiven Geschlechtsorgane dazu fehlten mir nach wie vor, ich nannte lediglich eine Vagina und eine Klitoris mein eigen.

Die Jungs in der WG waren anfangs begeistert von dem neuen Aussehen. Als sie jedoch das unterkühlte Wesen mitbekamen, bildete sich unsere Beziehung glücklicherweise schnell wieder zum alten Stand zurück. Wir hatten alle drei noch einige Jahre zu studieren, was wir auch fleißig taten, jeder von uns auf seine eigene Art und Weise.

Nachhilfe wurde von manchen Eltern in Darmstadt relativ gut bezahlt, wenn man das entsprechend gut benotete Abitur dazu vorweisen konnte. Ich bewarb mich also immer wieder einmal und war auch durchaus erfolgreich mit meinen Lehrmethoden, denn die Schüler vertrauten mir, vermutlich wegen des Alters, und fokussierten sich auf das Lernen. Was vielleicht bei den energiegeladenen Teenagern darüber hinaus auch noch dadurch gefördert wurde, weil ich ständig zu ihnen so kühl und abweisend war, egal wie gut und verführerisch sie aussahen.

Die ganze Sache sprach sich in den richtigen Kreisen herum, bis ich irgendwann eine feste Stelle bei einer wohlhabenden Familie angeboten bekam, die ein sechzehnjähriges Mädchen hatten, was ich auf ihren letzten Schuljahren bis zum Abitur begleiten sollte. Sie hatte den Rest der vollen dreizehn Jahre noch vor sich, da sich die Regelungen dafür seit dem eigenen Abi wieder geändert hatten. Wir profitierten zu meiner Genugtuung beide von der Nachhilfe, da ich einige Themen, vor allem die Mathematik, auch wieder auffrischen konnte, die mich für das Studium interessierten, denn sie besuchte ein technisches Gymnasium.

So vergingen die kommenden Monate für mich, ohne irgendwelche Beziehungen oder Freunde. Diese Dinge reizten mich schlicht nicht mehr genug, für mich gab es nur das Studium und die Nachhilfe.

Natürlich konnte es so ausgeglichen und entspannt nicht bleiben, und es wurde schlimmer, wie so oft im Leben.

Die Veränderung kam mit einem ziemlich heftigen und furchteinflößenden Donnerschlag, der sämtliche Nachrichtensendungen überflutete. Eine weltweite Pandemie brach aus, wegen einer grippeähnlichen Erkrankung, an der sehr viele Leute starben. Die Krankheit hieß Corona. Die Menschen erstickten in ihren Krankenbetten, da der Virus die Lunge angriff und teilweise dermaßen schädigte, dass sie sich davon nicht wieder erholten. Es gab anfangs nur einige, relativ unbeholfene Maßnahmen dagegen. Die Übliche war eine Maskenpflicht und ein sogenannter Lockdown, der bedeutete, dass man das Haus nur noch selten oder gar nicht verlassen durfte.

Nach einigen Wochen im ersten Lockdown lud mich die Familie Wagner überraschend zu sich nach Hause ein. Das waren die Eltern von meiner Nachhilfeschülerin Maja, die ich bis zu ihrem Abitur begleiten sollte. Wir saßen alle an einem großen Tisch in ihrem riesigen Esszimmer, als ihre Mutter mir eröffnete, warum sie mich eingeladen hatte.

„Also, wir haben uns in der Familie unterhalten, und wir sind der Meinung, dass diese Pandemie nicht einfach so wieder aufhören wird. Ganz im Gegenteil, es wird alles in den kommenden drei oder vier Jahren noch schlimmer werden. Ich vermute, dass Prüfungen ausfallen, Schuljahre verloren gehen werden, und im Großen und Ganzen wird es eure Generation sein, die den bittersten Preis dafür zahlen wird.“

Ich nickte und sah sie abwartend an.

„Du hast bald Prüfungen, Alexandra, oder? Wann bist du denn fertig mit dem Studium?“

„Ich habe noch eineinhalb bis zwei Jahre, wenn alles gut läuft. Das letzte dreiviertel Jahr ist dann eh nur noch die Bachelorarbeit, die kann ich größtenteils zuhause machen.“

„Also musst du mindestens fast ein Jahr lang Vorlesungen besuchen. Falls diese online stattfinden. Deutschland ist eine IT Wüste in der Bildung, das wird alles eine ziemliche Katastrophe werden, vermuten wir jedenfalls. Es gibt aber noch einen Punkt. Wir möchten gerne, dass du weiter Maja unterstützt, allerdings ist uns das Ansteckungsrisiko zu hoch, wenn du ständig mit der Straßenbahn kommst.“

Ich zuckte mit dem Schultern.

„Das verstehe ich selbstverständlich. Ich würde nur um ein gutes Zeugnis bitten.“

Sie runzelte die Stirn und sah mich dann nachdenklich an.

„Wir hatten eher eine andere Lösung im Blick. Wir haben hier mehrere Gästezimmer, die wir nicht nutzen. Wieso ziehst du nicht bei uns ein, bis das alles vorbei ist? Dann sparst du dir die Straßenbahn zu uns, und die Miete, und wir bekommen eine zuverlässige Nachhilfekraft ins Haus, die sich um Maja kümmert und dafür sorgt, dass sie nicht zu viel verpasst. Umsonst Essen darfst du bei uns natürlich ebenfalls, solange du hier wohnst.“

Ich sah sie verwundert an.

„Vertrauen sie mir denn so weit, mich bei ihnen aufzunehmen? In ihr Zuhause?“

Sie nickte.

„Ich kenne dich inzwischen gut genug, es gibt wenige Menschen, denen ich so sehr vertraue, wie dir. Es gibt aber einen großen Nachteil bei der Sache, wie immer. Wir bitten darum, dass es in dieser Zeit keinen Männerbesuch hier bei uns gibt. Falls du dich in einen Mann verliebst, und mit ihm Zeit verbringen möchtest, müsstest du das Haus räumen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Selbstverständlich, damit werde ich sehr wenige Probleme haben. Ich kenne derzeit keinen einzigen Mann, der mich interessiert.“

Ihr Nicken sah mir eher danach aus, als hätte ich etwas bestätigt, was sie selbst bereits wusste.

„Außerdem mag Maja dich und vertraut dir ebenfalls. Sonst hätten wir dich nicht die letzten zwei Jahre lang behalten. Ihre Leistungen haben alle unsere Erwartungen deutlich übertroffen.“

Maja saß daneben und sagte nichts dazu, merkwürdigerweise. Ich fand es angebracht, etwas zu ihren Gunsten zu sagen.

„Sie arbeitet bei mir immer sehr gut mit, ich persönlich habe eher das Gefühl, dass es davor an zwischenmenschlichen Problemen in der Schule gehakt hat. Auch wenn sie zugegebenermaßen nicht über die Ursachen für ihre schlechten Zensuren vor der Nachhilfe bei mir spricht.“

Ihre Mutter lächelte und nickte mir zu.

„Ja, das sehe ich genauso. Also, was sagst du dazu?“

Ich atmete tief ein und aus, denn das Nächste würde, auch rein logisch und emotionsfrei betrachtet, sehr schwierig werden. Und zwar für mich. Ich würde mich das erste Mal wieder Menschen annähern, seitdem ich zuhause ausgezogen war. Was bedeutete, dass ich ihnen reinen Wein einschenken musste.

„Bevor ich hier einziehe, muss ich aber eine sehr wichtige Sache mit ihnen klären. Wir sollten alle darüber im Klaren sein, wo wir stehen.“

Ich atmete noch einmal tief ein und aus, während Frau Wagner mich ansah und ganz leicht ihren Kopf schüttelte. Ich war verwirrt, wusste sie etwas und wollte sie, dass ich es verschwieg?

Ich ignorierte die Geste jedoch und meinte:

„Ich habe eine Geschlechtsumwandlung hinter mir, ich war früher einmal ein Junge.“

Majas Vater lief rot an und sah mich wütend an:

„Wieso hast du uns das vorher nicht erzählt?“

Ich antwortete ihm kühl:

„Weil es meine Leistungen in der Nachhilfe nicht beeinträchtigt. Ich habe vor Maja sowohl Jungs als auch Mädchen Nachhilfe gegeben, und es gab nie ein Problem wegen meiner Diversität. Warum sollte ich also so etwas herumerzählen? In meiner Vergangenheit gibt es sowohl mehr als nur ausreichende als auch zahlreiche Gründe dafür, diese Information für mich zu behalten. Mit ihrer aufbrausenden Reaktion geben sie mir bereits Recht damit, es weiterhin geheim zu halten.“

Ich erhob mich.

„Dürfte ich jetzt um mein Zeugnis bitten? Ich entnehme dieser Reaktion, dass hiermit unser Gespräch ein negatives Ende gefunden hat.“

Sowohl Maja als auch ihre Mutter sahen den Mann an, und ich konnte nicht genau sehen, wie ihre Blicke aussahen, er wurde jedoch plötzlich sehr kleinlaut.

„Es tut mir leid, Alexandra. Bitte verzeih mir. Deine Offenbarung hat gerade Bilder in meinem Kopf hervorgerufen, die absolut nicht zu dir passen. Bitte setz dich wieder hin und lass uns weiterreden.“

Sein plötzlicher Stimmungsumschwung traf mich so unvorbereitet wie ein verschlafenes Kaninchen, das aus seinem Bau herauskommt und als allererstes einen Wolf anstarrt, der die Zähne fletscht und sich bereit zum Sprung macht. Also gehorchte ich und setzte mich erneut hin. Frau Wagner sah mich wieder an, lächelnd, wobei das Lächeln nicht ihre Augen erreichte, die zornig funkelten. Ob sie aufgrund der Reaktion ihres Mannes oder mir wütend war, konnte ich nicht erkennen.

Bis sie weitersprach.

„Mein Mann wurde sehr konservativ erzogen, und ich entschuldige mich ebenfalls dafür. Ich verspreche dir jedoch, dass du hier bei uns völlig sicher bist. Niemand wird dir wegen deines Geschlechts oder deiner sexuellen Vorlieben irgendwelche Vorwürfe machen.“

Ich seufzte und erklärte ihr:

„Das dürfte bei Zweiterem auch sehr schwierig werden, ich bin nämlich seit meiner Geschlechtsumwandlung fast völlig frei von jeder Art von Gefühlen. Die Umwandlung war erfolgreich, es gab jedoch ein paar unerwartete Nebenwirkungen.“

Sie unterbrach mich, bevor ich weitersprechen konnte.

„Alexandra, dürfen wir dich überhaupt weiter so nennen? Oder willst du lieber Alex genannt werden?“

Ich zuckte mit den Schultern und sie sprach weiter.

„Also, ich bin zugegebenermaßen nicht darauf vorbereitet gewesen, dass die Verhandlungen hier so schwierig werden ...“

Sie warf ihrem Mann einen schnellen Seitenblick zu, der allerdings lediglich ergeben nickte.

„..., bin jedoch willens, als zusätzliches Bonbon, dir für jede Stunde, die du mit Maja verbringst, deinen üblichen Lohn weiterzuzahlen. Was sagst du, wäre das ein Deal für dich?“

Ich nickte überwältigt.

„Ja, selbstverständlich. Wenn ich mein Studium schaffe, bis Maja ihr Abi hat, könnte ich ...“

Frau Wagner unterbrach mich.

„Ich heiße übrigens Johanna. Ich würde allerdings dafür zumindest von dir erwarten, dass du solange bei uns bleibst, bis die Pandemie vorbei ist. Egal, ob du oder Maja eure Abschlüsse bestehet oder nicht. Es geht mir hier um das Wohlergehen meiner Tochter. Und da verlange ich ein gewisses Commitment von dir. Eventuell sogar über deinen eigenen Abschluss hinaus.“

Majas Vater sah sehr zufrieden aus, als sie mir diese Rede hielt. Ich fragte mich, welche Emotionen hier in dieser Familie mir bisher entgangen waren. Mittlerweile hatte das Lächeln auch die Augen von Johanna erreicht, weshalb ich auf ihr Angebot einging.

„Ich würde mich sehr freuen, die Pandemie mit Maja zu verbringen, so lange sie anhalten mag. Ich muss sie aber darauf hinweisen, dass Kritik oder Vorwürfe wegen meines ehemaligen Geschlechts von mir als Kündigung dieser Vereinbarung angesehen werden würden.“

Johanna sah ihren Mann an, der erneut knallrot anlief, diesmal jedoch aus Scham.

„Ich verstehe das. Ich möchte dich, falls so etwas noch einmal vorfallen sollte, darum bitten, erst einmal bei mir Rücksprache zu halten. Ich verspreche dir, ich werde mich dann entsprechend darum kümmern. Falls das so nicht zu unserer aller Zufriedenheit funktioniert, würde ich natürlich deine Entscheidung respektieren.“

Sie drehte sich zurück zu mir um, sah mir tief in die Augen, und ergriff meine Hand, die ich ihr reichte, mit beiden Händen.

„Hab keine Angst, Alexandra, wir werden dich hier gut behandeln. Ich verspreche es dir.“

Maja erhob sich und sah alle am Tisch vorwurfsvoll an.

„Schön, dass sich alle hier einig sind. Werde ich zu dem Thema irgendwann auch einmal gefragt?“

Ich öffnete den Mund, kam jedoch nicht mehr dazu, irgendetwas zu sagen, da Maja aus dem Raum rannte. Ich blickte Johanna fragend an, die mir zunickte. Also erhob ich mich und folgte ihr, nicht ohne Majas Vater einen letzten, misstrauischen Blick zuzuwerfen. Ich fragte mich, ob er so wie die Jungs war, die mich in der Schule verprügelt hatten. Oder wenigstens früher einmal so gewesen war.

Als ich an Majas Zimmer ankam, klopfte ich vorsichtig an.

„Geh weg!“, rief sie so laut, dass ich es hören konnte, obwohl sie es anscheinend in ihr Kissen geschrien hatte.

Also antwortete ich ihr durch die geschlossene Tür.

„Natürlich, Maja. Wie du möchtest.“

Dann drehte ich mich um und ging Richtung Haustür. Eine Hand ergriff mich jedoch, bevor ich auch nur zwei Schritte weit gekommen war, und zog mich in ihr Zimmer. Dann warf sie die Tür so fest zu, dass ich fürchtete, sie würde aus den Angeln fliegen, und drehte den Schlüssel zweimal lautstark um. Sie sah mich zornig an.

„Nicht du, natürlich. Ich dachte, es wäre mein Vater. Aber mit dir muss ich auch noch mal reden.“

Ich sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Selbstverständlich, Maja. Worüber möchtest du gerne sprechen?“

Sie stellte sich direkt vor mich und sah mich funkelnd an, ihre Augen zuckten, nicht wütend, aber kurz davor.

„Wieso hast du es ihnen so schwer gemacht? Ich dachte, du magst mich mittlerweile ein bisschen?“

Ich lächelte sie an.

„Natürlich mag ich dich, Maja. Aber bei dem Gespräch ging es nicht um dich.“

Sie sah mich stirnrunzelnd an.

„Ging es nicht?“

„Nein, es ging dabei lediglich um das Verhältnis zwischen deinem Vater und mir.“

„Warum?“

Ich schluckte einen Kloß hinunter. Völlig ohne Emotionen war ich nicht, denn hin und wieder übermannten mich die ganz besonders Intensiven, und dies war eindeutig so ein Moment.

„Ich habe Angst vor Menschen, die mich deswegen ablehnen, was ich in der Hose habe und mein wahres Geschlecht nicht anerkennen.“

Sie umarmte mich mitfühlend, weshalb ich eine Hand auf ihre Schulter legte.

„Es tut mir leid, hast du sehr gelitten in deiner Jugend?“

„Ich werde dir einmal bei Gelegenheit die Narben zeigen, wenn du es wirklich möchtest. Diese Unterhaltung wird aber nicht angenehm werden.“

Ihr Atem stockte einen Moment lang, dann flüsterte sie leise weiter.

„War es so schlimm?“

Ich nickte, streichelte ihr über den Handrücken und meinte:

„Oh ja, das war es. Für mich jedenfalls. Vielleicht wäre ein richtiger Mann damit besser klar gekommen, nur ich eben leider nicht.“

Sie schnaubte.

„Was ist das schon, ein richtiger Mann.“

Ihre Gedanken hielten sich, wie immer, nicht an dem Thema, sondern schweiften ab. Das war etwas Wichtiges, was ich über sie herausgefunden hatte, weshalb ich ihr einige Methoden beigebracht hatte, wie sie sich besser auf ein Thema konzentrieren konnte, beziehungsweise zu diesem gedanklich zurückzukehren.

„Hast du dir schon ein Zimmer ausgesucht?“

Diesmal ließ ich ihr den Themenwechsel durchgehen, und fragte sie lächelnd:

„Gibt es denn sogar eine Auswahl? Ich nehme gerne eines im Keller.“

Völlig entsetzt sah sie mich an.

„Spinnst du? Was ist, wenn ich dich mal spontan besuchen möchte? Also, ich zeige dir die Zimmer, komm mit.“

Sie zog mich mit sich, obwohl ich zögerte.

„Nun komm endlich, es wird Zeit, dass wir dir ein echtes, richtiges, gemütliches Zuhause aussuchen.“

Sie strahlte mich dabei dermaßen entwaffnend an, dass ich keine andere Wahl mehr hatte, außer der, ihr zu folgen.

Kapitel 3 Die Villa

Wir waren mittlerweile beim siebten Zimmer angekommen, als ich plötzlich einen sehr lautstarken Ruf vernahm.

„ALEXANDRA!!“

Es war ihre Mutter, die mich so laut rief, dass ich erschrak und zusammenzuckte.

„Immer mit der Ruhe.“, meine Maja und schrie genauso laut zurück:

„WAS IST?“

„KOMMT MAL HER.“

Ich zuckte mit den Schultern und trottete los, wobei ich mir nicht einmal ganz sicher war, ob ich auf dem richtigen Weg war.

„Du musst noch deutlich lockerer werden, Alex. Also, das Haus ist ziemlich groß, weshalb man hier auch mal laut werden muss. Das ist aber alles kein Grund, sich dermaßen abzuhetzen.“

„Deine Mutter würde dich sicher nicht so laut rufen, wenn es nicht wichtig wäre?“

„Doch, würde sie. Es sei denn, wir lernen, dann würde sie uns nicht stören. Solange das Haus nicht brennt. Egal, wir sind ja mittlerweile schon fast da.“

Nach der nächsten Biegung kamen wir tatsächlich in dem Flur heraus, der zur Haustür führte.

„Ah, da seid ihr ja.“, meinte die hochgewachsene Frau, die fast genauso groß wie ich war.

„Wir brauchen deine Schlüssel, Alexandra, sonst kann das Umzugsunternehmen die Sachen nicht holen.“

Ich fing an zu stottern.

„Äh, ah, oh, sollte ich den Umzug nicht lieber selbst erledigen? Außerdem kann ich mir das nicht leisten.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, du hast genug zu tun. Du musst deine Wohnung kündigen, den Telekomvertrag, falls du einen hast, die Entega, dir ein Zimmer hier bei uns aussuchen, und dann die Umzugsleute beim Einräumen und Aufbauen navigieren, damit sie alles richtig machen. Die Kosten übernehmen wir, was bei einem arbeitgeberverursachten Umzug völlig normal ist. Oh und natürlich noch deine Mitbewohner anrufen, damit die bei dir die beiden Arbeiter dirigieren. Sie müssen ihnen nur sagen, was sie mitnehmen und dalassen sollen, den Rest machen sie schon. Meinst du, die tun das für dich?“

Überwältigt nickte ich, denn wir waren immer gut ausgekommen. Dann reichte ich ihr den Wohnungsschlüssel, griff zum Handy und rief Gunther an, der vermutlich um diese Uhrzeit noch nicht zockte, sondern lernte und daher für jede Unterbrechung überaus dankbar sein würde.

Meistens jedenfalls.

Er ging tatsächlich sofort ran.

„Hallo Alex? Ist alles in Ordnung bei dir?“

Er machte sich nicht wirklich Sorgen um mich, er war es schlicht und einfach nicht gewohnt, dass ich ihn anrief. Es war erst das zweite Mal oder so, das wir überhaupt telefoniert hatten.

„Gunther, gleich kommen Umzugsleute, die würden gerne mein Zeug abholen. Kannst du ihnen das richtige Zimmer zeigen und erklären, was dableiben muss und was mir gehört? Ich schaue später nochmal vorbei, falls etwas fehlen sollte oder zu viel eingepackt wurde. Ach ja, und ich ziehe übrigens aus.“

„Was Besseres gefunden?“, fragte er ein wenig säuerlich.

„Etwas deutlich Billigeres. Sorry, es tut mir leid, dass es so kurzfristig ist, ich habe das Angebot gerade eben erst bekommen.“

„Ach schon gut, wir haben uns bereits gefragt, wie lange du es noch mit uns aushältst. Du bist eine echt Hübsche geworden, Alex.“

„Nein, so eine Sache ist es nicht. Ich habe einen langfristigen Job als Nachhilfe angenommen und ziehe bei der Familie ein, bis die Pandemie vorbei ist.“

Er sagte einen Moment lang nichts mehr, ich konnte jedoch seine Angst vor Corona durch die Leitung spüren.

„Meinst du, sie schließen die Uni?“

„Keine Ahnung. Vielleicht eine Weile. Muss ich mir Sorgen um euch machen?“

„Ach was, selbst wenn wir keinen Nachfolger finden, können wir die Bude halten. Wir werden ja von zuhause unterstützt. Ganz im Gegensatz zu dir. Ich gebe ihnen auch dein Geschirr mit. Halt die Ohren steif, Alex, und lass dich mal blicken. Don’t be a stranger!“

Wir wussten beide, dass keiner von uns wirklich an einem Besuch interessiert war, trotzdem meinte ich:

„Ja klar, mach ich. Wie viel Miete soll ich euch noch zahlen?“

„Egal, diesen Monat, das langt. Ach, stimmt ja, hast du bereits. Passt schon, mach dir keine Gedanken. Hoffentlich finden wir noch mal so jemand wie dich.“

„Machs gut, Gunther, und bleib gesund.“

„Du auch, Alex.“

Ich nahm mir vor, die beiden trotzdem noch einmal zu besuchen. Johanna war inzwischen mit meinem Schlüssel verschwunden, während Maja meine Hand ergriff und mich wieder hinter sich herzog.

„Das schönste Zimmer habe ich mir natürlich bis zum Schluss aufgehoben. Bitte mach mal deine Augen zu.“

„Muss ich?“, fragte ich ein klein wenig genervt.

„Ja, musst du.“, antwortete sie schnippisch.

Seufzend gab ich nach und schloss die Augen, dann wurde ich von ihr zu einer Tür geführt, die sie erst aufschloß und mich anschließend hineinschob, bevor sie mir mitteilte, dass ich die Augen wieder öffnen konnte. Das Zimmer war riesig, meiner Schätzung nach fast so groß wie unsere gesamte WG-Wohnung und kam mir darüber hinaus verdächtig bekannt vor. Es war Majas Zimmer, nur spiegelverkehrt, aber abgesehen davon völlig identisch. Sie hatte sogar die eine Tür ganz hinten, hinter der sich bei Maja ihr persönliches, privates Bad verbarg.

„Das ist zu groß, ich nehme lieber etwas Kleineres, eines von den Anderen.“

„Unsinn, es ist gerade richtig, außerdem liegt das hier direkt neben meinem. Wir sparen also sehr viel Zeit dadurch.“

Ich schüttelte den Kopf, sie ließ mich jedoch nicht zu Wort kommen.

„Das Bad ist für dich ein ziemlicher Vorteil. So begegnest du niemandem, wenn du aus der Dusche kommst.“

Ich schluckte und musste ihre Bemerkung verdauen. Ich stellte mir ein Treffen mit ihrem Vater auf dem Gang vor, nur mit einem Handtuch bekleidet, und nickte daher ergeben.

„Falls deine Mutter zustimmt, machen wir es so. Das Bett hier würde mir auf jeden Fall schon einmal gelegen kommen, denn ich besitze keine Möbel.“

Sie sah mich stirnrunzelnd an.

„Dann werden wir sehr viel Zeit in meinem Zimmer verbringen müssen, bis wir dir welche besorgen können. Das ist aber in Ordnung, ich mag mein Zimmer. Fragen wir Mama. Obwohl sie prinzipiell schon ja gesagt hat. Sie meinte ja, du sollst dir eins aussuchen.“

Tatsächlich blickte mich Johanna einen Moment lang ziemlich nachdenklich an, bevor sie nickte, weshalb ich nachhakte.

„Das Zimmer ist zu groß, oder? Das sagte ich zu Maja auch bereits.“

Sie lächelte mich freundlich an und erklärte:

„Nein, das ist es nicht. Das Zimmer war ursprünglich einmal für Majas Zwillingsschwester gedacht gewesen, die jedoch nicht das Licht der Welt erblickte. Ich musste gerade an sie denken. Ich glaube, es würde Lara freuen, wenn jemand das Zimmer bekommt, der ihrer Schwester so sehr hilft, wie du es tust, Alexandra. Natürlich darfst du das Zimmer gerne nehmen. Jetzt aber zu etwas Wichtigem. Wir essen immer um Punkt neunzehn Uhr. Wenn du mit uns essen möchtest, komm bitte pünktlich. Wenn nicht, kannst du selbstverständlich einfach fern bleiben. Alle anderen Mahlzeiten bereiten wir uns individuell zu, da mein Mann und ich gemeinsam arbeiten gehen und meistens unter der Woche gar nicht hier sein werden.“

Meine Gefühle waren zu gedämpft, weshalb ich weder Dankbarkeit noch Scham empfand, allerdings war mir schon klar, was sie mir da anbot, sie nahm mich nämlich gerade in ihre Familie auf, selbst wenn es nur vorübergehend war.

„Ich danke dir herzlich, Johanna, für alles. Es tut mir sehr leid, dass Majas Schwester gestorben ist. Du kannst du nicht vorstellen, wie viel mir das alles hier bedeutet. Bitte sag es mir, falls ich euch zur Last falle. Bist du sicher, dass du mir wirklich so viel Stundenlohn wie vorher zahlen möchtest? Ich würde mich auch mit deutlich weniger zufriedengeben, denn schließlich wohne ich hier ja offenbar völlig kostenfrei.“

Sie lachte und zwinkerte mir zu.

„Ah, das ist so eine Sache mit deinem Gehalt. Diese Kosten wird mein Mann übernehmen. Weil er dich vorhin so verängstigt hat. Das ist durchaus eine gerechte Strafe. Es wird ihn daran erinnern, an seiner Toleranz zu arbeiten. Aber das bleibt bitte unter uns.“

Sie legte den Zeigefinger auf ihre Lippen und betrachtete das Thema damit wohl als abgeschlossen an. Maja zog mich schon wieder mit sich davon, diesmal in ihr Zimmer. Ich fragte mich, wo Umzugsfirmen quasi Leute auf Abruf bereitstellten, um Menschen wie den Wagners von einem Augenblick auf den anderen aushelfen zu können. Oder ob sie das Ergebnis bereits vorhergesehen hatten? Vermutlich eher Zweiteres, ich hatte schließlich Maja gegenüber aus meiner finanziellen Situation nie einen Hehl gemacht.

Maja schubste mich auf ihr Bett, nahm sich das Mathebuch und setzte sich neben mich. Dann stöhnte sie theatralisch auf, hielt sich den Handrücken an die Stirn und seufzte:

„Ich bin zu aufgeregt, so kann ich unmöglich Mathe lernen.“

Dann sah sie mich ein wenig ernster an.

„Sag mal, bist du nicht auch aufgeregt? Wie kommt es, dass dich das alles so kalt lässt?“

Ich drehte die Handflächen nach oben und sah mir meine Hände an. Es waren schöne, schlanke und eindeutig weibliche Hände.

„Das ist der Preis, den ich hierfür bezahlt habe, Maja. Den weiblichen Körper. Es hat bei mir nicht nur die Libido eingefroren, sondern weitestgehend auch alle anderen Gefühle. Ich fühle nur noch selten etwas, meistens allerdings gar nichts. Keine Freude, keinen Triumph, keine Liebe, keine Freundschaft, keine Dankbarkeit, nichts mehr. Dafür bleibe ich aber auch größtenteils vor den negativen Emotionen verschont, wie zum Beispiel Angst, Panik, Scham, oder Furcht.“

Sie zwickte mich in den Arm und ich nickte ihr nachdenklich zu, als ich fortfuhr.

„Bis auf körperliche Schmerzen, die sind mir vollständig erhalten geblieben, ist das nicht merkwürdig?“

„Ich kann mir so ein Leben kaum vorstellen. Meine Gefühle sind so übermächtig, meistens jedenfalls. Meine Mutter meint, es liegt an der Pubertät. Wenn ich ehrlich bin, und du kannst dir gar nicht ausmalen, wie viel mich es kostet, das zuzugeben, hat sie vermutlich gar nicht mal so unrecht. Mein Leben ist seitdem viel intensiver als vorher geworden.“

Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, sie unterbrach mich jedoch.

„Wenn du das irgendwem erzählst, bringe ich dich um und schände anschließend dein Grab.“

Ich schloss aus der Bemerkung, dass sie es wohl offenbar ernst meinte.

„Keine Sorge, ich stehe hinter dir.“

Sie grinste mich an.

„Ist mir aufgefallen. Warum eigentlich?“

Ich sah ihr in die Augen.

„Das weißt du ganz genau, du hast es vorhin ja bereits gesagt.“

Sie erhob sich auf ihre Knie und kam auf mich zu, bis sich unsere Nasen berührten.

„Vielleicht will ich es ja von dir hören.“

„Das wäre aber ziemlich zickig von dir.“

„Na und, ich bin in der Pubertät und darf das.“

„Und was ist mit meinen Rechten?“

„Du hast keine mehr, du gehörst jetzt mir, mit Haut und Haaren.“

„Dann brauche ich dir auch nicht mehr zu antworten.“