Der verletzte Himmel - Der Weg des Heilers - Band 1 - Isa Day - E-Book

Der verletzte Himmel - Der Weg des Heilers - Band 1 E-Book

Isa Day

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Beschreibung

Zwei Brüder mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, eine verlorene Generation von Drachenkindern und eine große Bestimmung.

In den magischen Wäldern Erriadas lebt ein Volk von Kindern und Jugendlichen völlig auf sich allein gestellt. Die jungen Menschen meistern ihr Dasein mit Mut und Schlauheit, doch als sich die fremdartigen Wesen, die ihnen einst die Eltern raubten, plötzlich auch gegen sie wenden, droht ihre Gemeinschaft zu zerbrechen.

Der siebzehnjährige Joshi macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Dafür muss er seinen eigenen Weg gehen — gegen seinen geliebten Bruder Marcin und gegen alle Loyalität und Traditionen. Doch wie soll er die Rätsel der Vergangenheit lösen, nachdem die Menschen einst ihre gesamte Geschichte vergaßen? Und wie sehr darf er seiner Intuition vertrauen? Schließlich fließt in seinen Adern nicht nur das Blut der Menschen, sondern auch das ihrer Feinde.

__

Die Fantasy-Reihe Der Weg des Heilers erzählt ein Märchen für Erwachsene. Darin erwarten dich zauberhafte Welten mit Bäumen als Behausungen, vielschichtige Hauptpersonen und die liebenswert-nervigsten Haustiere des Weltengefüges.

Gemeinsam mit den jugendlichen Protagonisten träumst du dich in das Staunen und den Zauber deiner Kindheit zurück, folgst Joshi und Marcin auf ihrer gefährlichen Reise, die sie zu den tiefsten Geheimnissen des Weltengefüges führen wird, und erlebst dabei ein spannendes Abenteuer voller Magie und Drachen.

Eine Bemerkung zur Struktur der Reihe:

Bei Der verletzte Himmel handelt es sich um Band 1 der Reihe. Er erzeugt seine Spannung aus den Rätseln und den wechselnden Beziehungen der Kinder und Jugendlichen untereinander. Auch ist lange nicht klar, wer gut und wer böse ist.

Falls du handlungsgetriebene Spannung mit klaren Fronten bevorzugst, kannst du direkt mit Band 2 «In den Tiefen der Ewigkeit» in die Reihe einsteigen. Er beginnt mit einer umfassenden, in die Geschichte eingeflochtenen Zusammenfassung, die dir die Protagonisten vorstellt und dich in die Zusammenhänge einführt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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BISHER ERSCHIENEN

Dancing Coons

Stürmische Verzauberung

Wintermärchen

Sommernachtsmagie

Urban-Fantasy-Serie «Sternenmagie»

Sternenstaubkind

Abschied

Verbannung

Wandelstern

Kollisionskurs

Isolation

Augenstern

Herzensband

Fantasyserie «Die Treppen der Ewigkeit»

Faya Namenlos (Prequel)

Wolf des Südens

Raghi der Schatten

Fantasyserie «Der Weg des Heilers»

Der verletzte Himmel

In den Tiefen der Ewigkeit

Bis das Eis bricht (Tantans Geschichte)

Die Nacht des Vergessens (Tantans Geschichte)

DER VERLETZTE HIMMEL

DER WEG DES HEILERS (BAND 1)

ISA DAY

PONGÜ

1. Auflage 2016

© 2016 Pongü Text & Design GmbH, Meilen, Schweiz

Kontakt: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG («Text und Data Mining») zu gewinnen, ist untersagt.

Umschlaggestaltung: L1graphics

Bildquellen: Ficus777/Shutterstock.com

ISBN: 978-3-9524326-4-8 (eBook)

ISBN: 978-3-906868-03-5 (Print)

INHALT

Personen- und Stichwortverzeichnis

1. Die Verbindung der Liebenden

2. Die Chronik der Ratgeberin

3. Die verwundete Heilerin

4. Des Königs Wahnsinn

5. Lebensstränge

6. Der Fluch der Berufung

7. Der knirschende Himmel

8. Rufer im Sturmwind

9. Die Saat des Hasses

10. Die Weisheit der Heiler

11. Ungleiche Zwillinge

12. Liebesbande

13. Lichtgeister

14. Die Beobachtung der Lehrerin

15. Unheimlicher Besuch

16. Die Frage der Aura

17. Eine andere Welt

18. Marcins Entscheidung

19. Joshis Verrat

20. In der Höhle des Drachens

21. Die Stunde der Erkenntnis

22. Königsbürde

23. Das Ende aller Träume

24. Joshis Plan

Eine Bitte

Lizenzerklärung

Über Isa Day

Isas Bücher

Bisher erschienen

PERSONEN- UND STICHWORTVERZEICHNIS

DIE KINDER DER ARRYA (nach Reihenfolge der Geburt)

Geborene des ersten Jahres

— Marcin Artum (Ratgeber)

— Sinjhar und Tantan Arreidas (Könige), Zwillinge

des zweiten Jahres

— (Shi)Joshi Artum (Ratgeber)

— Jenna Jinell (Heiler)

— Ilenia Barga (Weber), blind

— Sara Patri (Färber und Näher)

— Tara Inrelli (Lehrer)

— Xinea Laangaard (Bäcker/Verwalter der Vorräte)

des dritten Jahres

— Ora Ciiern (Gerber)

— Ruan Havgar (Astronomen)

— Sorel und Jorgu Enris'har (Baumeister), Zwillinge

des vierten Jahres

— Anjari Anyrai (Jäger und Fährtenleser)

— Ella Enris'har (Baumeister)

des fünften Jahres

— Lael Anyrai (Jäger und Fährtenleser)

des sechsten Jahres

— Kaya Rutyan (Fischer), das erste der «wilden Kinder»

des siebten Jahres

— Siro Sykar (Seidenspinner)

— Naje Enskrin (Glasbläser)

— Etalin Amson (Schreiner)

des achten Jahres

— Lona Tamskor (Sprachkundige)

— Naghor Aranay (Illustratoren)

— Inel Llym (Gold- und Silberschmiede)

— Lana Syrde (Handelsleute)

des neunten Jahres

— Talis Amson (Schreiner)

— Tamae Sykar (Seidenspinner)

— Estrel Rughi (Bauern)

— Myro Ta'tani (Schmiede)

— Nilo Ssorda (Seefahrer)

des zehnten Jahres

— Kitra Amson (Schreiner)

des elften Jahres

— Umo Takskjr (Erkunder)

des zwölften Jahres

— Selmina Shaintar (Töpfer)

— Riri Sionell (Hafenmeister)

— Tura Ar'huin (Mathematiker und Schatzmeister)

ERWACHSENE MENSCHEN

Artar Ar'huin (Mathematiker und Schatzmeister)—Zeitgenosse von Eriann, Großvater von Tura Ar'huin

Astor Arreidas (Könige) — Großvater von Sinjhar und Tantan, Vater von Sorar, König zur Zeit des Feuerregens

Elio Sovhar (Naturwissenschaftler und Philosophen) — historische Person; versuchte die Existenz höherer Mächte zu beweisen, was ihm nicht gelang

Elya Jinell (Heiler) — Großvater von Joshi und Marcin, Großonkel von Jenna, gestorben in der alten Heimat

Elyana Artum (Ratgeber) — Mutter von Joshi und Marcin, Tochter von Eriann, gestorben bei Joshis Geburt

Eriann Artum (Ratgeber) — Großmutter von Joshi und Marcin, Mutter von Elyana

Esrai Jinell (Heiler) — Großvater von Jenna, Großonkel von Joshi und Marcin

Harra Sovhar (Naturwissenschaftler und Philosophen) — Vater von Joshi und Marcin

Horvar Arreidas (Könige) — historische Person; erster König der Arrya, berief Inanna Artum zu seiner Ratgeberin

Ilen Shaintar (Töpfer) — bricht sich den Rücken; wird aufgrund der Gesetze der Arrya getötet

Inanna Artum (Ratgeber) — historische Person; Urmutter des Hauses Artum, erste Ratgeberin der Arrya

Iszra Leniard (ohne Berufung) — Schwester von Thel Leniard

Kira Leniard (ohne Berufung) — Mutter von Thel Leniard

Metar Inrelli (Lehrer) — Vater von Eriann Artum

Mutter Barga (Weber) — passt auf die kleinen Kinder der Arrya auf

Mutter Patri (Färber und Näher) — passt auf die kleinen Kinder der Arrya auf

Myro Inrelli (Lehrer) — Onkel von Tara Inrelli, von Baum erschlagen

Rohan Leniard (ohne Berufung) — Zeitgenosse von Eriann, Onkel von Thel Leniard

Roman Havgar (Astronomen) — Zeitgenosse von Eriann

Simaen Sionell (Hafenmeister) — bei der Flucht der Menschen vor dem Feuerregen einhundert Jahre alt, erinnert sich an die Gegebenheiten der alten Heimat

Sorar Arreidas (Könige) — Vater von Sinjhar und Tantan, gegenwärtiger König der Arrya

Sinta Ar'huin (Mathematiker und Schatzmeister) — Gefährtin von Thel Leniard, Mutter von Tura Ar'huin

Tatinka Artum (Ratgeber) — Mutter von Eriann Artum

Thar Ciiern (Gerber) — Vater von Ora Ciiern

Thel Leniard (ohne Berufung) — dem König abgeneigt

Vater Havgar (Astronomen) — Vater von Ruan Havgar, Getreuer von Sorar Arreidas

ASJADAI

Damion dia Asjadai — König der Asjadai

Isabel — Marschallin der Burg

Lukian — Ratgeber von König Damion

Mischa — einst bester Freund von Damion

Niniuk dja Asajadaia — Sohn von Damion, Prinz der Asjadai

Solrech — Wächter

Tess dje Asjadaia — Tochter von Damion, Prinzessin der Asjadai

Yonei — uralte Greisin

DRACHEN

Asjadura — Namensgeberin von Asjadu, Granatdrache, rote Schuppen, goldene Augen und Flügelspitzen

Tjiarri — Sohn von Asjadura, Saphirdrache, blaue Schuppen mit grüngoldenen Reflexen, goldene Augen

Tasjar — Gefährte von Asjadura, Smaragddrache

BEZEICHNUNGEN

Arriada —alte Heimat der Menschen, ging im Feuerregen unter

Arrya —das Volk der Menschen

Asjadai —die anderen Bewohner der neuen Heimat, von den Menschen auch Geister, weiße Schatten oder Weise genannt

Asjadu —Name der Asjadai für ihr Land, entspricht der menschlichen Bezeichnung Erriada

Baumwohnung —Behausung der Menschen, geschaffen in den Stämmen von Baumriesen mit der Zustimmung des Baums

Berufung —Aufgabe, die ein Mensch von seinen Eltern erbt; folgt im Volk der weiblichen, bei der Herrscherfamilie der männlichen Linie

Erriada —Name der Menschen für ihre neue Heimat zu Ehren von Ratgeberin Eriann Artum

Feuerregen — Naturkatastrophe, die Arriada zerstörte und die Menschen zur Flucht zwang

Frostzeit/Kaltzeit —das kalte Halbjahr, siehe auch Warmzeit

Heilerbaum —seltenerBaum, dessen Blätter und Früchte hohe Heilkraft besitzen; dienen Heilerbäume als Behausung der Menschen, interagieren sie auf liebevolle und unterstützende Weise mit ihren Bewohnern

Irrfitz — aufdringlichesHaustier, das sich seinen Besitzer selbst aussucht

Lichtschale —magisches, meist kalt brennendes Licht; von den Menschen als Beleuchtung verwendet

Lichtfeuer —magisches wärmendes Feuer; brennt lautlos und ohne Ruß

Nacht —Zeiteinheit, besteht aus einer Lichtzeit und einer Dunkelzeit/Schlafenszeit

Schwelle — das Portal zwischen zwei Welten

Sijerida — «Das Land der Liebenden», neuer Name von Erriada/Asjadu

Sijeridai — «Das Volk der Liebenden», gemeinsame Bezeichnung für Asjadai und Menschen

Verblendung —unerklärtes Ereignis in der Vergangenheit der Arrya; löste die Geschichtsschreibung der Arrya aus

Warmzeit —das warme Halbjahr, siehe auch Frostzeit/Kaltzeit

Weltengefüge —Universum, das alle verschiedenen Welten beinhaltet

Weltenwandern —aus einer Welt in eine andere wechseln

1

DIE VERBINDUNG DER LIEBENDEN

Im Alter von siebzig Jahren aus einem langen, erfüllten Leben zu scheiden schien fair. Mit siebzehn zu sterben war einfach nur grausam.

Joshi wartete, bis die brennenden Schmerzen in seinem Körper nachließen. Mit jedem vergehenden Mond dauerte das Abebben länger. Seine Zeit auf dieser Welt ging zu Ende.

Endlich war der Anfall vorbei. Joshi seufzte. Sorgfältig prüfte er seine Umgebung mit allen Sinnen und löste sich aus dem Baum, der ihm Zuflucht gewährt hatte. Das Holz ließ ihn nur ungern gehen. Die meisten Bäume von Erriada waren den Menschen freundlich gesinnt und dieser wollte helfen Joshis Pein zu lindern.

Leider war das unmöglich. Nichts und niemand war dazu in der Lage.

Mit einem einfachen Zauber hüllte sich Joshi in Schatten und nahm seinen Weg durch das Unterholz wieder auf. Die Nacht war mild. Der Wind spielte in den Blättern der Bäume und Büsche, die in allen Schattierungen von Violett, Purpur und Blau schimmerten, und trieb den Duft ihrer farbenfrohen Blütenpracht vor sich her. Bald würde die Lichtzeit zu Ende gehen und das bläulich-weiche Zwielicht von Erriadas Zwillingsmonden der Schwärze der Dunkelzeit und dem kalten Schein von Millionen Sternen weichen.

Joshi hielt inne und lauschte. Als Ausgestoßener durfte er nicht riskieren, dass ihn jemand in der Nähe des Dorfes entdeckte. Unglücklicherweise half ihm sein Aussehen nicht, sich in den Schatten von Erriadas Wäldern zu verstecken.

Joshis hüftlanges Haar leuchtete so weiß wie Sternenlicht auf Schnee, seine fast transparente Haut war nur wenig dunkler – die Farbe von neuem Pergament. Nur seine Augen schienen zu diesem Land zu gehören. In ihnen fanden sich alle Farben des Blattwerks, so als würden sich Erriadas ewige Wälder darin spiegeln.

Eine Gruppe farbenfroh blühender Büsche zog Joshis Blick auf sich. In dem kurzen Moment der Unachtsamkeit blieb der Ärmel seines dunkelgrauen Oberteils an einem dornenbewehrten Ast hängen. Er verharrte und löste behutsam den Stoff.

Das Wissen der Spinn- und Webkunst war verloren gegangen, als die Geister die Erwachsenen geholt hatten – darunter Ilenia Bargas Mutter, welche aus der Familie der Weber stammte. Sie hatte gezögert ihre blinde Tochter in die Kunst ihres Handwerks einzuführen, wie die Tradition es verlangte. Seither bemühte sich Sara Patri, die letzte aus der Familie der Färber und Näher, die wenige erhaltene Stoffkleidung der Kinder zu bewahren und nähte und färbte sie immer wieder um.

Für Joshi hatte sie aus vielen einzelnen Stofffetzen das aschfarbene Oberteil und das Lendentuch gefertigt, die er gerade trug. Nicht mehr lange und er würde zu der verhassten Kleidung aus Leder wechseln müssen wie schon andere Kinder zuvor. Damit wurden sie dann endgültig zu Barbaren.

Aber vielleicht waren sie das auch schon. Aus Einsamkeit hatte Joshi einen Teil der Lichtzeit damit zugebracht, heimlich die Vorgänge im Dorf der Kinder zu beobachten und ihm war davon angst und bange geworden.

Joshi erreichte Jennas Behausung, die ein ganzes Stück außerhalb des Dorfes lag. Es handelte sich um einen jahrtausendealten Heilerbaum von immensem Umfang. Nun, zum Höhepunkt der Warmzeit, bogen sich seine Äste unter der Last von unzähligen rosa Blütensternen bis zum Waldboden. In der Kaltzeit, wenn die Schneestürme an den Hängen des Mondgebirges fangen spielten, würde der Baum voller kleiner Früchte stehen. Richtig zubereitet ergaben sie einen wirkungsvollen Heiltrank gegen Fieber und Erkältungen.

Joshi prüfte ein letztes Mal seine Umgebung und ging dann zum Baum und legte die Handflächen auf die Borke des Stammes. Sogleich zog der Baum ihn ins Innere.

Jenna war so konzentriert darauf, Salbe in Tiegel abzufüllen, dass sie ihren Besucher zuerst gar nicht bemerkte. Sie stand neben der Feuerschale an ihrem großen Tisch mit den Apparaturen, darunter ein Brenner zum Kochen von Salbe, ein Destilliergerät und eine Presse. Entlang der Wände zogen sich Regale, auf denen sich Tiegel, Fläschchen und Tonbehälter aneinanderreihten. Ganz hinten in der Baumwohnung murmelte sanft das Wasserbecken – eine Besonderheit der Heilerbäume. Darüber erhob sich Jennas Bett, ein rundes, weich gepolstertes Nest. Alle Möbelstücke waren direkt aus dem lebenden Holz des Baumes geformt.

Joshi öffnete den Schutzwall um seinen Geist.

Jenna schaute auf. Ihre grünen Augen begannen zu strahlen. «Joshi.» Sie eilte zu ihm und umarmte ihn. «Ich habe dich vermisst.»

Joshi genoss ihre Nähe, seine Hände auf ihren Schulterblättern, seine Wange in ihr langes blondes Haar geschmiegt. Jenna war so groß wie er und hatte den gleichen zerbrechlich wirkenden Körperbau, war dabei aber sehr stark.

Sie stützte ihn denn auch, als plötzlich eine dieser seltsamen schwarzen Wellen durch seinen Geist lief, die ihn taumeln und für Augenblicke die Orientierung verlieren ließen.

«Komm.» Sie führte ihn am Tisch und der Feuerschale vorbei zum großen Wasserbecken, vor dem sich eine Art Bank aus dem Holzboden erhob.

Während sie sich darauf setzten, begann das Holz sich zu bewegen, formte eine Rückenlehne und eine Unterlage für Joshis Beine und kippte ihn leicht zurück, bis das Sitzen keinerlei Anstrengung mehr erforderte. Jennas Teil der Bank blieb ein einfacher Hocker.

Sie nahm seine Hände. «Wie geht es dir? Und bitte behaupte nicht, dass alles in Ordnung ist. Ich habe deinen Anfall gespürt.»

Joshi versuchte zu lächeln. «Die Krankheit wird immer schlimmer. Ich denke nicht, dass ich noch lange leben werde.»

Eine Träne fiel aus Jennas Augenwinkel. Sie berührte Joshis Wange. «Es tut mir so leid. Wenn nur …»

*Bitte nicht*, sprach Joshi direkt über sein Bewusstsein zu ihr.

Ihre Gedanken waren immer oberflächlich verbunden, wie es zwischen sehr guten Freunden normal war. Wie Blitze flammten Jennas Erinnerungen auf, an die Lichtzeit vor bald sieben Jahren, kurz nach dem Tod der Erwachsenen, als der Himmel aufbrach und Sonnenlicht eine Schneise der Zerstörung durch die verletzliche Welt von Erriada zog. Jenna war damals wie erstarrt auf der Lichtung bei den Waldseen gestanden, direkt im Weg der tödlichen Strahlen.

Joshi erinnerte sich an seine eigene lähmende Angst. Fast schon zu spät war er aus der Deckung des Waldes gehechtet und hatte Jenna von der Lichtung und aus der Falllinie eines umstürzenden Baumes geschleudert. Sich selbst konnte er nicht mehr retten. In Jennas Geist hörte er seinen eigenen Schrei und fühlte erneut, wie das Sonnenlicht die rechte Seite seines Körpers verbrannte. Die Erinnerungen verschlugen Joshi den Atem und vor seinen Augen wurde es dunkel.

Sogleich war Jenna da. Sie kühlte seinen Schmerz mit ihren Gedanken und ließ beruhigende Energie auf ihn überfließen.

Als Joshi sich seiner Umgebung wieder bewusst wurde, lag er in Jennas Armen, sein Kopf auf ihrer Schulter, während ihre Hände Kreise auf seinem Rücken zeichneten. Der Baum hielt sie beide zärtlich in einer Art Nest.

Eine Träne benetzte seine Stirn. «Es ist so ungerecht, dass du für meine Dummheit leiden musst», wisperte Jenna. «Und es ist noch ungerechter, dass ich deine Krankheit nicht heilen kann. Ich bin eine berufene Heilerin. Ich habe alle Fähigkeiten meiner Vorfahren und meines Blutes. Wie kann das sein?»

«Ich bin das Gewissen des Königs. Das heißt nicht, dass ich alles weiß.»

«Das hier ist anders. Jede Krankheit hat ihren Auslöser. Und auf diesen Auslöser kann ich einwirken. Ich mag mehr oder weniger erfolgreich sein, aber ich kann immer damit arbeiten. Deine Krankheit ist unberührbar.»

Joshi erwiderte nichts. Jenna war immer schon sehr hart mit sich gewesen, obwohl sie wie er gerade mal siebzehn Jahre alt war.

*Darf ich sehen?* Sie berührte seine Schläfe.

Joshi streifte ihre Gedanken bestätigend mit seinen, verschob den Schutzwall in seinem Geist und sah, was sie sah: die strahlend weiße Sphäre und leuchtenden, federartigen Ausläufer seines Bewusstseins. Um beides wanden sich dicke schwarze Tentakel wie eine bösartige Würgepflanze, die alles Leben erstickte.

Jenna stieß den Atem aus. *Du hast recht. Das Fremde in dir wird stärker.*

Sie lagen still beieinander, während Jenna zärtlich seinen Nacken streichelte und Joshis Herz heftig zu klopfen begann. Ihre Nähe war gleichzeitig schön und beunruhigend. Sie trug nur ein dünnes hellgrünes Kleid, das ihr bis Mitte Oberschenkel reichte. Ihre Haut roch nach den Blüten des Heilerbaums, die sie wegen ihrer schmerzstillenden Wirkung verschiedenen Salben beimischte.

Sanft löste er sich von ihr und setzte sich auf.

«Was ist?»

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Ich mag dem Tod geweiht sein, aber ich habe trotzdem Träume und Sehnsüchte.»

Kaum hatte er das gesagt, bewegte sich der Baum heftig unter ihnen. Joshi beobachtete, wie hölzerne Arme Jenna umfingen, während sie zitternd das Gesicht in den Händen verbarg.

Joshi horchte mit seinem Geist, aber sie hatte ihn ausgeschlossen. «Dein Hüter ist sehr besorgt um dich», sagte er leise.

Als Jenna nicht reagierte, hüllte er sie vorsichtig in seine Gegenwart. Die liebevollen, beruhigenden Gedanken verfehlten ihre Wirkung nicht. Bald straffte Jenna die Schultern und setzte sich langsam auf.

Der Baum gab sie frei, suchte aber weiterhin ihre Nähe.

Sie strich sich die Tränen aus den Augen. «Er war gestern Zeuge einer Szene, die alle meine Befürchtungen wahr werden ließ. Sinjhar war hier und ließ keinen Zweifel an seinen Absichten. Er wird mich dazu zwingen, seine Gefährtin zu werden.»

Joshi wartete.

«Du weißt, ich mag Sinjhar aus der Zeit, als er sich noch nicht wie ein kriegsverliebter Idiot benahm und wir alle Freunde waren. Trotzdem kann ich niemals seine Gefährtin werden.»

Joshi schluckte. «Es ist der König, der über die Gefährten für Heiler wie dich und Ratgeber wie mich bestimmt. Und Sinjhar ist unser König.»

«Die Tradition verbietet es dem König und allen Mitgliedern seiner Familie, eine Verbindung mit einem Ratgeber oder einem Heiler einzugehen. Es ist das einzige unumstößliche Verbot unseres Volkes.»

Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Sie waren nur noch so wenige, vierunddreißig Kinder im Alter von sieben bis achtzehn Jahren, die auf sich allein gestellt ums Überleben kämpften. Jenna, Joshi, sein Bruder Marcin sowie die Königszwillinge Sinjhar und Tantan gehörten zu den ältesten der Kinder und somit zu jenen, die eine einigermaßen umfassende Einführung in die Traditionen der Arrya, ihres Volkes, erhalten hatten. Und Joshi glaubte sich aus den Unterrichtsstunden mit seiner Großmutter zu erinnern, dass selbst absolute Regeln ausgesetzt werden konnten, wenn die Situation es erforderte.

«Ich weiß, dass Sinjhar als König meinen Körper fordern kann. Meinen Geist aber bekommt er nicht.» Jenna suchte seinen Blick. «Würdest du dich mit mir verbinden, Joshi?»

Hatte er sie richtig verstanden? «Die vollständige Verbindung?»

«Ja.»

Er nahm ihre Hände und küsste die von Kräutern und Harzen verfärbten Knöchel. Jenna bot ihm die Erfüllung seines Traums an. Trotzdem schüttelte er den Kopf. «Ich möchte das nicht. Wenn wir das tun, spürst du meine Krankheit, wie wenn sie deine wäre. Und wenn ich sterbe, stirbst du auch.»

«Ich weiß.»

Sie schauten sich an, verbunden über ihre Blicke und Gedanken, bis die Energie zwischen ihnen knisterte. Dann – völlig unerwartet – senkte Jenna alle mentalen Mauern. Joshi fiel in ihr Bewusstsein und jede Facette ihres Wesens lag für ihn offen.

*Jenna?*

Ihre Lippen zitterten und sie konnte nur mit Mühe seinem Blick standhalten, aber sie ließ die Mauern unten.

Sie schien ihm etwas zeigen zu wollen. Behutsam schaute Joshis geistiges Ich sich im leuchtenden Nebel ihres Bewusstseins um. Er fand die Erinnerung an ihre Begegnung mit Sinjhar. Sie lief vor ihm ab, wie wenn er dabei gewesen wäre, und er musste erkennen, dass Jenna die Böswilligkeit darin deutlich heruntergespielt hatte. Unter anderem drohte der verrückte Königssohn damit, ihn – Joshi – wie auch seinen Bruder Marcin zu töten, wenn Jenna ihm nicht gehorchte.

*Geh weiter*, forderte Jenna ihn auf.

Er bewegte sich auf das Zentrum ihres Bewusstseins zu. Je näher er der leuchtenden Kugel kam, desto intensiver stürzten Eindrücke auf ihn ein. Nur mit Mühe hielt Joshi der Flut der Bilder und Gefühle stand, bis er einen völlig ruhigen Bereich erreichte.

Es war ihre Liebe für ihn.

Er atmete überrascht ein. Ihre Gefühle durchliefen ihn wie seine eigenen und ließen die Wärme in sein Gesicht steigen.

Jenna nutzte diesen Moment, um ihn zu küssen.

Joshi vergaß die Zeit, seine Umgebung, jeden Gedanken, den er gerade noch gehabt hatte – einfach alles. Als Jenna ihn schließlich wieder Luft holen ließ, lagen sie eng umschlungen in der Umarmung des Baums.

Jenna lächelte und zupfte einige trockene Blätter aus Joshis Haaren.

*Was …?*

*Die hast du von draußen mit reingebracht.* Sie suchte seinen Blick, eine Frage in den Tiefen ihrer wunderschönen grünen Augen.

*Die Antwort ist ja, Jenna. – Wenn du mich wirklich willst.* Joshi senkte die Barrieren um sein Bewusstsein entschlossen, aber auch besorgt. Nun würde sie auch alles sehen, von seinen Träumen, die um sie kreisten, zu seinen mutigen Taten bis zu all dem Kleinlichen und Kindischen, das auch zu seiner menschlichen Existenz gehörte.

Vorsichtig bewegte sie sich in seinem Geist.

*Oh …* Ihre zarte Berührung ließ sein Begehren und seine Verlegenheit aufflammen.

Jenna schmunzelte. Er fühlte es, bevor sich ihre Mundwinkel hoben.

Dann drängten ihre Ängste in den Vordergrund – vor den möglicherweise gravierenden Konsequenzen, die ihnen von Sinjhar drohten. Gleichzeitig verhinderte die Verbindung die schlimmste davon: Der Königssohn konnte Joshi nichts mehr antun, denn sonst starb auch die einzige Heilerin seines Volkes.

*Ist es das wirklich wert, Jenna? Für die wenigen Monate, die ich so vielleicht länger lebe? Zum Preis deines Todes, weil du mit mir sterben wirst?*

*Ja.*

Sie holte eine Befürchtung ins Zentrum ihres Bewusstseins, die sie beide seit Jahren mit sich trugen und gleichzeitig zu ignorieren versuchten: dass die vergangenen Jahre geschenkte Jahre waren und Jenna auf der Lichtung im Sonnenlicht hätte sterben sollen. Damals hatte sich etwas verändert. Er war, als hätten sich ihre Heilkräfte von ihr gelöst, ganz so als würden sie nicht mehr wirklich zu ihr gehören.

Joshi lehnte seine Stirn an ihre. *Die vollständige Verbindung wurde seit Generationen nicht mehr versucht.*

*Und Sinjhar wird toben.* Jennas Gedanken waren nur ein Wispern.

Joshi hielt es nicht mehr aus. Er umhüllte ihren Schmerz tröstend. Der Baum nutzte den Moment, um Jenna bemüht beiläufig auf Joshis Schoss zu heben. Joshis Wangen wurden heiß.

Jenna begann zu kichern und gab dem lebenden Holz einen mahnenden Klaps. *Jetzt hör schon auf.* Es gab sie frei.

Joshi stand auf, zog Jenna hoch und erwiderte ihren Blick. *Ich bekomme die Vorbereitung hin. Kannst du …?*

*Den zweiten Teil führen? Aber ja, das gehört zu meinen Fähigkeiten als Heilerin.*

Joshi horchte ein letztes Mal seiner Entscheidung nach. Als Ratgeber war er dazu verdammt, die verschiedenen Konsequenzen einer Handlung zu erkennen. Er war vor Jahren bereit gewesen, sein Leben für Jenna zu geben, weil ihre Gegenwart sein Herz mit Licht erfüllte. Was war dieses Mal der Preis? Die Verpflichtung, die er als Ratgeber und Gewissen des Königs gegenüber dem Volk der Arrya hatte?

Jenna wartete, bis sie wieder im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stand, dann entkleidete sie ihn langsam. Weil ihr Bewusstsein immer noch völlig offen war und es durch ihre Verbindung auch bleiben würde, fühlte er jeden ihrer Gedanken wie seine eigenen.

Ihr gefiel sehr, was sie sah, auch wenn sein Körperbau viel schlanker war als der eines normalen Menschen und seine Haut und Haare dieses unnatürliche Weiß aufwiesen.

Ihre Hände fanden die kaum noch sichtbaren Narben auf seiner rechten Körperseite. Traurigkeit über seine Verletzungen vermischte sich mit der Freude, dass es ihr so gut gelungen war, die grauenhaften äußeren Anzeichen zu heilen. Und dann waren da ihre Liebe und ihr Begehren, die zunehmend die Oberhand über alle anderen Gedanken gewannen.

*Jetzt du.*

Er ließ sich Zeit, trotzdem war das Kleid nur zu schnell fort.

*Wie geht es jetzt weiter?*, fragte Jenna.

Joshi führte sie in das mild temperierte Wasserbecken. *Zuerst waschen wir uns gegenseitig. So können wir die Verbindung ohne die Last des Gewesenen eingehen.*

Joshi kniete sich hin und wartete, bis Jenna es ihm gleichtat. Die Wasseroberfläche kräuselte sich, als der Baum die Tiefe des Beckens so anpasste, dass sie bis zu den Schultern eintauchten.

Jenna nahm Seife und ein Tuch vom Beckenrand und reinigte Joshis Gesicht, seinen Körper und seine Haare. Filigranes weißes Licht, ähnlich ihren Gedanken, bildete sich um ihn herum. War es zuerst kaum zu erkennen, wurde es mit jeder ihrer Berührungen heller, bis es die Baumwohnung und das Wasser des Beckens erleuchtete.

Jenna reichte Joshi das Tuch. Liebevoll begann er sie zu waschen und fast sogleich entstand das Licht auch um sie herum. Mit der inzwischen gleißenden Helligkeit kam ein Sog, der bis tief in Joshis Seele reichte und dem er sich nicht entziehen konnte.

*Es hat begonnen.* Staunen schwang in Jennas Gedankenstimme. Ihre Augen suchten seine. Als ihre Blicke sich trafen, wurde das Licht um sie herum zu Energie und geriet in Bewegung.

Joshi schluckte leer und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Nur mit Mühe hielt er den Weg seiner Hände unter Kontrolle.

Jenna ging es nicht anders. Sie schmiegte sich in seine Arme, während er als Letztes ihre Haare benetzte, nahm ihm dann das Tuch weg und legte es beiseite. *Was ist der nächste Schritt?*, fragte sie erwartungsvoll.

*Wir schneiden uns gegenseitig die Haare. Damit setzen wir ein Zeichen, dass wir nun erwachsen sind*, erklärte Joshi.

Jenna nahm seine Hand. Gemeinsam stiegen sie aus dem Becken, während die Energiewirbel um sie tanzten.

Jenna setzte sich nass, wie sie war, auf den Hocker, den der Baum für sie bildete.

---ENDE DER LESEPROBE---