Sommernachtsmagie - Eine Heimat für das Herz in Dancing Coons - Band 3 der Dancing-Coons-Reihe - Isa Day - E-Book

Sommernachtsmagie - Eine Heimat für das Herz in Dancing Coons - Band 3 der Dancing-Coons-Reihe E-Book

Isa Day

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Beschreibung

Dancing Coons, eine Kleinstadt im Adirondacks-Gebirge.

Die Ex-Soldatin Mikell Irvine verbringt mit Freunden einen zauberhaften Sommerabend im Wald, als ein unerwarteter Gast auftaucht. Wolf Henry, den ein Unglück Jahre zuvor in die Einsamkeit trieb, ist nach Coon County zurückgekehrt. Mit seinem tiefgründigen Wesen und seiner Naturverbundenheit zieht er Mik in seinen Bann. Doch in Miks Seele verbirgt sich ein qualvolles Geheimnis und auch Wolfs Trauma scheint unüberwindlich — gäbe es da nicht ihre treuen Freunde. Gegen sie, die heilende Kraft der Musik und die ganz besondere Coon-County-Magie haben selbst die finstersten Dämonen der Vergangenheit keine Chance.

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"Sommernachtsmagie" -- Genieße eine wundervolle kleine Auszeit in Dancing Coons

Du liebst humorvolle und warmherzige Kleinstadt-Romane zum Wohlfühlen?
Romantische, tiefgründige Liebesgeschichten für Erwachsene?
Und die Natur und Tiere?

Dann komm mit nach Dancing Coons im hintersten Winkel des Staates New York, erlebe die wilde, von den Legenden der amerikanischen Ureinwohner durchdrungene Natur der Adirondacks-Berge und verliebe dich in meine zwei- und vierbeinigen Protagonisten.

Jeder der Dancing-Coons-Romane erzählt eine romantische Komödie mit metaphysischen Elementen, ist herzerwärmend, spannend und vollgepackt mit Kleinstadt-Charme.

Das erwartet dich:

Eine amerikanische Kleinstadt zum Verlieben, deren Einwohner ein möglichst ursprüngliches Leben führen und bedingungslos zusammenhalten.

Sympathische und vielschichtige Hauptpersonen mit Geek-Faktor, die sich den gravierenden Problemen ihrer Vergangenheit stellen.

Liebenswerte tierische Protagonisten, mit einem zauberhaften zahmen Stinktier namens Libby als Star.

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Einordnung von "Sommernachtsmagie" in die Dancing-Coons-Reihe:

Band: 3
Liebespaar: Mikell Irvine, Sheriff's Deputy und Kellnerin, und Wolf Henry, Musiker
Tierische Protagonisten: Baby-Wölfe, Hunde, Katzen und (natürlich) Libby
Jahreszeit: Sommer

Jeder Roman der Dancing-Coons-Reihe ist in sich abgeschlossen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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BISHER ERSCHIENEN

Dancing Coons

Stürmische Verzauberung

Wintermärchen

Sommernachtsmagie

Urban-Fantasy-Serie «Sternenmagie»

Sternenstaubkind

Abschied

Verbannung

Wandelstern

Kollisionskurs

Isolation

Augenstern

Herzensband

Fantasyserie «Die Treppen der Ewigkeit»

Faya Namenlos (Prequel)

Wolf des Südens

Raghi der Schatten

Fantasyserie «Der Weg des Heilers»

Der verletzte Himmel

In den Tiefen der Ewigkeit

Bis das Eis bricht (Tantans Geschichte)

Die Nacht des Vergessens (Tantans Geschichte)

SOMMERNACHTSMAGIE

EINE HEIMAT FÜR DAS HERZ IN DANCING COONS

ISA DAY

PONGÜ

1. Auflage 2023

© 2023 Isa Day und Pongü Text & Design GmbH, Meilen, Schweiz

Kontakt: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG («Text und Data Mining») zu gewinnen, ist untersagt.

Umschlaggestaltung: Isa Day

Bildquellen Depositphotos: eriklam, kotenko, lifeonwhite, seregraf, svittlana

Weitere Bildquellen: TVartworks

ISBN 978-3-906868-41-7 (eBook)

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Eine Bitte

Lizenzerklärung

Über Isa Day

Isas Bücher

Bisher erschienen

1

Mik stellte das Plastikbecken mit der Seifenlauge auf die Bar, presste das Wasser aus dem Putzlappen und führte ihn über das alte, zernarbte Holz.

Der Mittagsansturm im Grilled Moose war vorbei. Zu dieser Jahreszeit fand er hauptsächlich draußen statt, wo eine mächtige alte Hängebuche die Tische wie ein lebendes Zelt überspannte. Das sommerliche Blätterdach war so dicht, dass selbst ein plötzlicher Sturzregen, wie er in der vergangenen Stunde niedergegangen war, den Gästen nichts anhaben konnte. Am Abend wiederum, wenn sich die Lichterketten und Laternen in den Ästen einschalteten, wurde das Gartenrestaurant zu einem magischen Ort, der nicht von dieser Welt schien.

Mik liebte es, dann Schicht zu haben. Die Menschen waren entspannt und glücklich und niemanden kümmerte es, wenn alle Tische besetzt waren. Stattdessen gingen die Leute zum Anbau des traditionell amerikanischen Gebäudes und holten Kissen, Sitzsäcke oder Kisten, mit denen sie sich an einer freien Stelle einrichteten.

Im Moment war diese Improvisation nicht nötig. Draußen saßen nur noch einige Einheimische und eine Touristenfamilie, die sich mit Genuss über ihre substanziellen Eisbecher hermachte, während bereits wieder Sonnenstrahlen durch das Blätterdach blitzten. Bear, der Besitzer des Grilled Moose, schaute nach dem Rechten.

Mik hatte den Innenbereich für sich. Wie an jedem Arbeitstag nutzte sie die ruhige Zeit, um alle Oberflächen zu waschen, den Boden zu wischen und die Sitzkissen aufzuschütteln, damit auch die nächsten Gäste ein blitzblankes Restaurant vorfanden, in das sie gerne einkehrten.

Sie liebte diese einfachen, repetitiven Tätigkeiten, die andere als langweilig erachteten und möglichst vermieden.

In ihrer Zeit als Special-Forces-Soldatin hatte sie schlimme Dinge gesehen. Nicht unbedingt Kampfhandlungen. Ihre Spezialeinheit hatte andere Aufträge ausgeführt. Aber auch so gab es viel zu viel Elend und Trauriges auf der Welt.

Diese Erinnerungen suchten sie regelmäßig heim — im Wachen, wenn völlig unerwartet irgendein Bild vor ihrem inneren Auge aufblitzte, wie im Schlafen, wenn grausige Albträume sie hochschrecken ließen.

Augenblicke, in denen ihr Geist leer war und es nur sie, das alte Plastikbecken und den nach Orangenöl riechenden Putzlappen gab, waren kostbar und es galt sie auszukosten.

«Miss Mikell?»

Mik erkannte die raue, leicht brüchige Stimme, obwohl sie diese einen Monat lang nicht mehr gehört hatte. Mit einem Lächeln wandte sie sich um. «Eustis, wie schön, Sie zu sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass Sie Coon County verlassen haben, ohne sich zu verabschieden.»

Eustis war einer der Oldtimer des Bezirks, ein liebenswerter Mann um die Sechzig mit den Manieren einer früheren Zeit. Gerade hielt er seine verblasste Schildmütze mit beiden Händen an die Brust gepresst. Sein graues Haar war lang geworden und stand ihm etwas wild vom Kopf. Die Falten in seinem von Sonne und Wind zerknitterten Gesicht wirkten tiefer, doch seine Augen strahlten so warm und schüchtern wie in Miks Erinnerung.

«Das habe ich auch. Den Bezirk verlassen, meine ich. Doch nun bin ich zurück und möchte meine Schulden bezahlen. Haben Sie einen Moment Zeit dafür, Miss Mikell?»

Das kam überraschend. Vergangenes Halloween hatte ein Orkan Eustis übel zugesetzt. Die heftigen Winde hatten einen schweren Ast abgerissen und auf sein Dach geschleudert. Und wie viele ärmere Leute im Bezirk verfügte er über keine Versicherung.

Mik, die erst Mitte Februar nach Coon County gezogen war, hatte den Sturm nicht miterlebt, doch einige Häuser zeigten immer noch die Schäden jener Nacht. So war das einstöckige Blockhaus von Eustis im Moment mit einer Plastikplane und Moossoden gedeckt. Flache Steine — jeder davon so groß, dass ein Mann ihn knapp hochzuheben vermochte — hielten den Aufbau selbst bei heftigem Wind an Ort und Stelle.

Wie die Einheimischen Mik erklärt hatten, ließ es sich in so isolierten Behausungen angenehm leben, bis man sich wieder ein modernes Dach leisten konnte.

«Natürlich, Eustis. Ich hole Bears Buch. Möchten Sie hier abrechnen? Wir könnten sonst nach hinten. Alle Veranstaltungsräume sind frei.»

Die Menschen waren stolz auf ihre Unabhängigkeit. So empfanden es viele als peinlich, wenn ihre Geldnot bekannt wurde, obwohl insgeheim jeder davon wusste. In Coon County blieb kaum etwas verborgen.

«Hier ist gut.»

«Ich bin gleich wieder da.» Mik ging in die Küche, wo sie das A4-große Buch aus dem Safe holte.

Etwas vom ersten, was Bear ihr erklärt hatte, waren die Coon-County-spezifischen Codes und Regeln rund um die Essensausgabe. So durfte sie an der Hintertür jederzeit gratis Kaffee, Getränke und Essen an die First Responder vom Sheriff’s Department, der Feuerwehr und den Rangern abgeben — der Beitrag der lokalen Restaurantbesitzer an die Sicherheit im Bezirk. Auch gab es großzügige Essensspenden für die armen Familien. Und alle Einheimischen durften anschreiben lassen. Die Regeln, die diese Prozesse steuerten, waren verblüffend simpel und schienen Mik während ihrer ersten Zeit ein Garant dafür, dass Bear im Nullkommanichts Konkurs ging.

Was nicht eintrat. Das System funktionierte erstaunlich reibungslos — vielleicht, weil niemand es ausnutzte oder sich daran bereicherte.

Mik öffnete das Buch auf der richtigen Seite und legte es auf die Bar. Rechnen musste sie nicht. Es wurde wie ein altes Kontobuch geführt. Eine Spalte für den Betreff, je eine für Soll und Haben und eine für den Saldo.

«Hier sehen Sie das Total, Eustis.» Sie drehte das Buch so, dass er die Zeilen normal lesen konnte, und zeigte auf die Zahl.

Er nickte und zog ein Bündel Scheine aus der Tasche, das mit gefalteten Notizzetteln in kleinere Beträge unterteilt war. «Hier.» Er reichte Mik den obersten Betrag. «Das ist für Bear. Stimmt so. Und hier das Trinkgeld für Ihre Kolleginnen und Kollegen im Service. Auf den Notizzetteln habe ich jeweils vermerkt, für wen der Betrag gedacht ist. Und das ist Ihr Trinkgeld, Miss Mikell. Es tut mir leid, dass ich es Ihnen erst jetzt geben kann.» Mik erhielt ihren eigenen kleinen Stapel überreicht, auf dem in korrekter Schulhandschrift Miss Mikell stand.

Sie brauchte nicht nachzuzählen. Dank ihrer von Militär umfassend geschulten Beobachtungsgabe wusste sie, dass Eustis ihr mehr als die für Amerika typischen fünfzehn bis zwanzig Prozent gegeben hatte.

Eine normale Servierkraft war darauf angewiesen, weil die Löhne so tief waren. Mik verdiente durch ihren anderen Teilzeitjob als Sheriff’s Deputy jedoch ordentlich und wohnte ausgesprochen günstig. Zudem verfügte sie über Rücklagen aus ihrer Militärzeit.

«Eustis, Sie sind ein Schatz, aber benötigen nicht eher Sie diesen Betrag? Im Winter müssen Sie wieder ein richtiges Dach über dem Kopf haben.»

Er reckte die Schultern. «Und das werde ich auch haben. Verpflichtungen müssen eingehalten werden. Das ist ehrenhaft.»

Mik erkannte den Tonfall. Sie hörte ihn tagtäglich von den Einheimischen und wusste, dass er nicht nachgeben würde. «Dann müssen Sie mir erlauben, Ihnen auf Kosten des Hauses ein Getränk zu spendieren. Möchten Sie einen Kaffee? Oder etwas anderes?»

Seine Augen leuchteten auf. «Kann ich ein kleines Glas von Bears wunderbarem Eistee mit Apfelbeerensaft haben? Das entspricht von Preis her doch etwa einem Kaffee, richtig?»

Seine Begeisterung ließ Mik lächeln und sie legte ihm die Hand auf den Unterarm. «Das können Sie gerne haben und wissen Sie was? Ich habe heute den Kaffee noch nicht gehabt, den ich mir als Angestellte nehmen darf. Wenn ich den oben drauf lege, kann ich Ihnen ein großes Glas spendieren. In Ordnung?»

«Aber Miss Mikell, Sie brauchen doch Ihren Kaffee», versuchte er besorgt zu protestieren.

«Keine Widerrede, Eustis», befahl Mik im gleichen Coon-County-Tonfall, den auch er verwendet hatte, wobei sie ihre Worte mit einem Lächeln milderte. «Wenn Sie mir so viel Trinkgeld geben, dann darf ich Ihnen meinen Kaffee abtreten.»

«Na ja, wenn Sie das sagen.» Er glitt etwas verschämt auf einen Barhocker.

Mik bereitete das Getränk für ihn zu und gab sich besondere Mühe bei der Dekoration. «Darf ich neugierig sein und fragen, wie Sie das hinbekommen haben?»

Normalerweise hielt er sich mit Wartungsarbeiten über Wasser, zog Gemüse in seinem kleinen Garten und jagte, was Saison hatte, so wie die meisten ärmeren Einwohner des Bezirks.

Eustis legte seine Schildmütze auf die Bar und richtete sie so aus, dass das ausgebleichte Label eines bekannten Landmaschinenherstellers zu ihm zeigte. «Es war ein glücklicher Zufall. Ich hatte vor einigen Monaten in der Künstlerkolonie drüben zu tun. Dort begegnete ich Travis, dem Jungen mit diesem unförmigen kleinen Auto, das in den See rollte.»

Wie auch der Orkan hatte dieses lokale Drama vor Miks Umzug nach Dancing Coons stattgefunden, aber es handelte sich um eine Geschichte mit Happy End, sodass die Einheimischen sie gerne erzählten. Dark, einer von Miks ehemaligen Militärkameraden, kam als Held prominent darin vor. Und der knallrote Citroën 2CV, wie die korrekte Bezeichnung des unförmigen kleinen Autos lautete, war ein häufiger Anblick auf den Straßen des Bezirks. Mik fand den Oldtimer fast so süß wie die handtaschengroßen Fiat Topolinos, die sie während ihrer Einsätze in Italien bewundert hatte.

«Travis kenne ich», bestätigte sie.

Der junge Mann stammte aus einer steinreichen kanadischen Familie, wohnte im Moment in der lokalen Künstlerkolonie und verhielt sich so bescheiden und anständig, dass ihn die Einheimischen ins Herz geschlossen hatten. Seine künstlerischen Arbeiten konnten sich sehen lassen.

«Er arbeitete in einem der Freiluftateliers mit einer Motorsäge und — bitte entschuldigen Sie meine harsche Aussage, Miss Mikell — tat es derart falsch, dass erhebliche Verletzungsgefahr für ihn bestand. Ich ging hin und fragte ihn, ob ich ihm ein paar Tricks zeigen darf. Am Ende wurde ein ganzer Nachmittag daraus. Der Junge hatte tausend Fragen.»

Mik musste schmunzeln. Travis war lernbegierig und an den Menschen interessiert. Wahrscheinlich hatte er keine Ruhe gegeben, bis Eustis ihm sein ganzes Leben erzählt hatte.

«Als wir uns schließlich verabschiedeten, sagte er unerwartet: ‹Eustis, falls Sie bereit wären, diesen Bezirk für einige Wochen zu verlassen, kann ich Ihnen eine temporäre Stelle als Holzfäller in der Firma meines Großvaters anbieten. Wir suchen immer fähige Leute und besitzen Wälder in Maine, sollte es Probleme mit der kanadischen Arbeitserlaubnis geben.›»

Das war typisch Travis. Der Junge hatte ein gutes Herz. «Er wusste von den Orkanschäden an Ihrem Haus?»

«Ja, weil Darren, der Leiter der Künstlerkolonie, mich darauf ansprach, als er sich kurz zu uns gesellte. Und dass ich viele Jahre lang Holzfäller war, habe ich Travis während des Nachmittags selbst erzählt.» Eustis klang verlegen.

«Dann haben Sie angenommen?»

Eustis kratzte sich am Kopf. «Angenommen ist etwas viel gesagt. Ich erwiderte etwas wie: ‹Das wäre ein Segen.› Und vergaß sein Angebot gleich wieder. Die meisten Menschen versprechen alles und halten nichts. Aber wenige Tage später klopfte Travis an meine Tür und hielt mir das ausformulierte Arbeitsangebot und einen Vertrag hin.»

Inzwischen hatte Mik das Getränk fertig. Sie nahm einen kleinen Teller und arrangierte einige Zitronenkokoskekse darauf, die Eustis liebte.

Als sie beides vor ihn hinstellte, leuchteten seine Augen auf. «Oh! Nicht, dass Sie meinetwegen Probleme bekommen.»

«Werde ich nicht», beruhigte sie ihn. «Genießen Sie Ihren Erfolg, Eustis. Ich freue mich für Sie.»

Er schenkte ihr ein zurückhaltendes Lächeln. «Vielen Dank, Miss Mikell.»

Mik ließ ihn allein. Für seine Verhältnisse hatte Eustis gerade unglaublich viel gesprochen und sie wusste, dass er sein Essen und seine Getränke gerne in Stille genoss.

In der Küche legte sie das Kreditbuch zurück in den Safe. Bears Summe kam in einen Briefumschlag, auf den sie «Zahlung Eustis» und das Datum schrieb. Er zeigte mehrere Kolonnen früherer Vermerke, die alle durchgestrichen waren, damit man den neusten sogleich erkannte. Etwa fünf weitere Einträge hatten Platz, dann war jeder Zentimeter Papier gefüllt.

Was dann wohl geschah? Nahm Bear einen neuen Umschlag oder musste wieder ein gebrauchter aus seiner Post herhalten?

Mik schmunzelte. Schon verrückt, dass sie überhaupt über so etwas nachdachte. Coon County veränderte jeden. Dabei war sie erst vier Monate hier.

Die Trinkgelder sortierte sie den Namen nach in die persönlichen Fächer, auch ihr eigenes, und schloss den Safe wieder ab. Dass jemand vom Servierpersonal oder gar Bear die anderen beklaute, musste sie nicht befürchten.

Sie trat an die Tür zum Restaurant und schaute durch den schmalen Spalt, den sie offen gelassen hatte. Eustis saß direkt in ihrem Blickfeld. Gerade schob er sich mit verzückter Miene einen Keks in den Mund und schien vor Glück zu seufzen.

Mik freute sich, dass sie ihm mit einfachen Dingen eine solche Freude bereitet hatte.

Sie hörte Schritte in ihrem Rücken. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. «Das hast du gut gemacht», sagte Bear nahezu tonlos. «Und deinen Kaffee nimmst du dir natürlich noch. Verstanden?»

«Den brauche ich gar nicht. Es gibt kein besseres Koffein als das», erwiderte Mik ebenso leise und nickte zu Eustis hin.

Bears Zähne blitzten auf. «Ich weiß. Willkommen in meiner Welt.»

Mik folgte Bear zum Schreibtisch, der in einer Ecke stand, wo er die Dienstpläne und Aufgabenlisten überflog. Aufzuräumen gab es in der blitzblanken Küche im Moment nichts.

«Bist du nachher wie geplant weg?», fragte er.

«Wenn es für dich in Ordnung geht.»

Bear nickte. «Klar. Das haben wir so abgesprochen. Falls möglich, möchte ich dich jedoch um etwas bitten. Euer Treffen findet bei der Blockhütte der Warners statt. Korrekt?»

Tat es das? Mik überlegte. «Da bin ich mir nicht sicher. Die Wegbeschreibung von Betty lautete ‹zur Rennstrecke der Kids hinter der Künstlerkolonie, bei der toten Hemlocktanne in den Wald abzweigen und so lange weiterfahren, bis der Dreckpfad aufhört›. Liegt da die Blockhütte?»

«Ja, das kommt hin. Wäre es möglich, dass du Moonshine mitnimmst? Dann könnte sie mit Bettys Hunden spielen und im See baden.»

Mik staunte. «Du vertraust mir deinen Hund an?» Bear liebte das blinde und taube weiße Mischlingsweibchen über alles und behütete sie wie seinen Augapfel.

Er atmete tief durch. «Wenn es für dich in Ordnung geht. Seit ihr liebster Spielgefährte letztes Jahr gestorben ist, kommt der Spaß in ihrem Leben zu kurz. Du bist sehr verantwortungsbewusst und ich denke, bei dir passiert ihr nichts.»

Mik fühlte sich geehrt und zugleich besorgt. Sie liebte Tiere, besaß jedoch nur wenig Erfahrung in ihrer Haltung und Pflege. «Was muss ich beachten?»

«Du darfst sie auf keinen Fall von der Leine lassen. Weil sie nichts sieht und hört, erschrickt sie vor Dingen, die wir nicht nachvollziehen können. Sie trägt zwar einen GPS-Tracker am Geschirr, aber du weißt selbst, wie lückenhaft die Abdeckung bei uns ist. Wenn sie in die Wälder flieht, finden wir sie nicht wieder, und sie ist eine leichte Beute für die Wölfe und Pumas, von denen viele gezielt Hunde angreifen.»

Wölfe und Pumas jagten Hunde? Mik hatte beim Militär umfassende Überlebenstrainings absolviert und konnte sich in jeder Art von Wildnis durchschlagen. Trotzdem lernte sie jeden Tag Neues von den Einheimischen. «OK, was sonst?»

Bear rieb sich nervös die Hände. «Sie erkältet sich rasch, rascher jedenfalls als andere Hunde, scheint es mir. Falls ihr baden könnt, wäre ich froh, wenn du sie nachher abtrocknest und sicherstellst, dass sie nicht friert. Ich gebe dir ein Tuch und eine Decke für sie mit.»

«Mache ich. Braucht sie spezielle Nahrung oder darf sie alles haben? Betty ernährt ihre Hunde artgerecht, aber ein Rädchen Wurst fällt schon einmal ab.»

Nun lächelte Bear. Er wirkte erleichtert, dass Mik seine Bedenken ernst nahm. «Was Betty ihren Tieren gibt, darf auch Moonshine haben. Ich gebe ihr manchmal selbst etwas, wobei ihr liebstes Menschenessen für die Hundegesundheit sogar positiv ist. Sie liebt Hüttenkäse. Falls welcher auf der Picknickdecke steht, musst du ein Auge darauf haben. Sie mag blind und taub sein, aber ihre Nase ist erstklassig und ihre Manieren sind flexibel.»

«Schlaues Mädchen. Ich mache den Innenbereich fertig, sobald Eustis gegangen ist, und bin dann weg. Wie handhaben wir die Übergabe von Moonshine?»

«Lass mich rasch in den Garten schauen.» Bear ging zur Tür und überprüfte die Situation. «Alle scheinen zufrieden. — Doreen?»

«Ja?», antwortete eine etwas heisere Stimme von draußen. Sie gehörte einer liebenswerten älteren Dame, die mit ihrem Mann etwa einmal in der Woche im Grilled Moose aß. Mik bediente die beiden regelmäßig. Bash, Doreens Ehemann, trug Brillengläser so dick wie Flaschenböden. Mik gab sich immer besondere Mühe, ihm seine Bestellung so auf den Tisch zu stellen, dass er alles möglichst gut erkennen konnte und deshalb nichts umstieß.

«Moonshine begleitet heute Mik und wir möchten uns kurz in meinem Büro absprechen. Könntest du neuen Gästen sagen, dass ich in fünf Minuten zurück bin?»

«Kein Problem.»

«Danke.»

Bears Büro lag im selben Anbau wie der Lagerraum mit den improvisierten Sitzgelegenheiten für den Garten, der das Grilled Moose L-förmig erweiterte. Vom Gästebereich aus gab es keinen Zugang. Man erreichte das Büro entweder über die Lieferantenzufahrt oder durch die Tür im hinteren Bereich der Küche, zu der Mik ihrem Boss gerade folgte. Sie öffnete sich in einen schmalen, von Regalen gesäumten Gang, der hinter dem Lager hindurch in den schlicht eingerichteten Raum führte.

Von zwei Seiten fiel Licht herein. Links flankierte eine Reihe kleiner Fenster den Ausgang zur Lieferantenzufahrt und dem Pausentisch der Mitarbeitenden. Geradeaus eröffnete eine raumhohe, nach Norden ausgerichtete Glaswand den Blick auf einen eingezäunten Garten. Bears Schreibtisch stand direkt davor, sodass er jederzeit hinausschauen konnte. An den Arbeitsplatz schloss ein knöchelhohes hölzernes Podest mit einem weichen Kissen an — Moonshines Bett, wo sie meistens schlief.

Nur war sie nirgends zu sehen.

«Sie wird im Garten sein», sagte Bear und schob die halb offene gläserne Schiebetür weiter auf. «Komm mit.»

Mik folgte ihm und schaute sich neugierig um. Hier draußen war sie noch nie gewesen.

Der Garten erwies sich als kleines Paradies. Überall blühte etwas und entlang des zwei Meter hohen Lattenzauns reihten sich Spalierobstbäume, ihre Zwischenräume gefüllt mit Insektenhotels. Ein stetiges Summen erfüllte die Luft.

Rechts hinter dem Zaun ragte die Hängebuche auf, die das Gartenrestaurant überspannte. Ihre braunvioletten Blätter glitzerten silbern, wo sie die Strahlen der Mittagssonne einfingen, und Mik hörte die leisen Unterhaltungen der Gäste.

«Wow! Jemand hat einen grünen Daumen. Unglaublich, dass ein nordseitiger Garten so gut funktioniert», sagte Mik. Bei diesem Thema kannte sie sich aus. In ihrer Jugend hatte sie viele Stunden mit Pflanzen, Jäten und Ernten zugebracht.

Bear schmunzelte. «Meine Frau Susan.» Er zeigte zu einem nahen Haus, das Mik bei ihren früheren Besuchen im Büro bemerkt hatte. «Wir wohnen gleich da und sie betrachtet dieses Areal als Erweiterung unseres Gartens. Was übrigens stimmt. Du hast nie danach gefragt, aber das Grilled Moose samt Grundstück gehört mir. So wie das Haus und Grundstück direkt dahinter. Beides befindet sich seit mehreren Generationen im Besitz meiner Familie.»

Mik nickte nachdenklich. «Das ergibt Sinn. Man spürt eure liebevolle Hand bei den beseelten wie unbeseelten Dingen.» Sie schaute zur Hängebuche. Bäume waren von Natur aus prachtvoll, aber kein Baum wuchs ohne achtsame Pflege so perfekt.

«Da ist Moonshine», sagte Bear. «Ach herrje, und sie liegt im Sonnenlicht. Da habe ich nicht gut auf sie aufgepasst.»

Mik stutzte. Hunde vertrugen kein Sonnenlicht?

Bear bemerkte ihre Verwirrung. «Moonshine hat schneeweißes Fell und rosa Haut. Dort, wo das Fell dünn, kurz und exponiert ist wie an den Ohren oder auf dem Nasenrücken, kann sie Sonnenbrand und über die Jahre Hautkrebs bekommen. Ich hätte ihr diese Stellen heute mit Sonnencreme einreiben sollen. Weil es am Morgen bedeckt war, habe ich es vergessen.»

Bear kniete sich bei der Hündin hin, die auf einer kleinen Fläche aus Steinplatten lag und klopfte auf die Platte direkt neben ihr. Moonshine, die offenbar die Vibrationen gespürt hatte, öffnete die Augen, hob den Kopf und wedelte. Dazu stieß sie ein Winseln aus, das anders klang als das ihrer Artgenossen.

Miks Verstand, vom Militär auf kontinuierliches Beobachten getrimmt, schloss daraus, dass Hunde ihre Sprache zumindest teilweise über das Gehör erlernten und Moonshine durch ihre Taubheit kein korrektes Hund sprach.

Dafür war sie im Schmusen Weltmeisterin. Ihre Begrüßung für Bear fiel äußerst liebevoll und begeistert aus. Dabei schien es sie überhaupt nicht zu stören, dass sie ihn nicht sehen konnte.

«Kniest du dich neben mich, Mik, und streckst die Hand in ihre Richtung aus?»

Sie gehorchte.

Bear legte Moonshine sanft die Hand auf die Nase. «So sage ich ihr, dass ich etwas von ihr erwarte. Wenn ich — wie jetzt — ihre Nase hinabstreiche, weiß sie, dass das Ziel des Befehls vor ihr liegt.» Er führte seine Hand zu Miks.

Moonshine folgte Bears Bewegung. Als sie Miks Hand aufmerksam beschnüffelte, zog er seine zurück.

«So stellst du ihr neue Menschen vor, denen sie vertrauen kann.»

Die Hündin schien großen Gefallen an Mik zu finden, denn sie erhielt eine fast ebenso liebevolle Begrüßung wie zuvor Bear.

«Einmal sanft auf den Kopf tippen bedeutet Sitz. Ein längeres Tippen bedeutet Platz. Wenn sie spielen und herumtollen darf, greifst du in ihre Mähne und bewegst die Hände vorsichtig auf und ab, sodass ihr Kopf wackelt.»

«Verstanden. Was noch?»

«Zweimal rasch, aber sanft an der Leine ziehen bedeutet, dass sie zu dir kommen muss. Mit diesen Befehlen solltest du durchkommen. Sie ist erstaunlich klug. Wenn du einmal nicht weiter weißt, leg ihr die Hand auf die Schnauze. Dann unterbricht sie, was sie tut, und bleibt bei dir. Oder du fragst Josie. Ihre Mutter Rose hat mir geholfen, unsere Kommunikation durch Berührung zu entwickeln.»

Reichten diese Anweisungen wirklich aus? Mik versuchte, ihre Erfahrung als militärische Ausbilderin auf Hunde anzuwenden. Nein, da fehlte ein unverzichtbares Kommando. «Wie stoppe ich sie, wenn sie etwas absolut nicht darf?»

«Oh ja, das ist wichtig. Von Ferne nutzt du den gleichen Befehl wie für Komm, ziehst aber heftiger an der Leine, sodass sich der Impuls auf ihren Körper überträgt. Stehst du neben ihr, legst du ihr die Hand über die Augen. So kannst du sie zum Beispiel von etwas Suspektem, das sie gefunden hat, wegdrücken. Das ist dann aber ein scharfer Verweis, auf den sie stark reagiert. Tut sie etwas Harmloses, wie vom Hüttenkäse stibitzen, kannst du ihr den Zeigefinger quer über die Nase legen.»

Inzwischen saß Mik auf den Steinplatten und hielt die begeistert wedelnde Hündin in den Armen. «Alles klar, damit sollten wir durchkommen. Nun muss ich mich nur noch davon abhalten, sie zuzutexten.»

Bear wirkte plötzlich nachdenklich. «Mmh. Kommt darauf an, wie du das genau meinst. Ich spreche die ganze Zeit mit ihr. Klar, kann sie mich nicht hören. Dafür spürt und riecht sie meinen Atem, wenn ich ihr nahe bin. Vielleicht empfängt sie auch Vibrationen über ihre Barthaare oder Fußballen. Ich denke, ohne all das würde ihr etwas fehlen.»

Mik schmunzelte und verwuschelte der Hündin die Mähne. «Dann muss ich mich nicht zurückhalten.»

Menschen bewegten sich hinter dem Zaun. «Bear kommt gleich wieder. Er schaut nur rasch nach Moonshine», erklärte Doreen.

«Alles klar, danke.» Stühle kratzten über den Boden. Mik hatte die Stimme des Mannes erkannt und ahnte, wer die zweite Person war. Es handelte sich um Angestellte des lokalen Entsorgungsunternehmens Warner & Sons, die oft spät Mittagspause machten und nur wenig Zeit dafür hatten.

Bear zeigte zum Büro zurück.

Mik nickte und erhob sich. Bear legte Moonshine die Hand auf die Schnauze und ging los. Sie folgte ihm bei Fuß, ihr Gesicht in seiner Handfläche.

«Ich sage ihr, dass sie sich auf ihr Bett legen soll. Wenn du nachher gehst, holst du sie einfach hier ab. Da hängt der Rucksack mit ihrem Spielzeug, ihrem Tuch und ihrer Decke und gleich daneben ihre lange Spielleine.» Er zeigte zur Wand. «Und nimm den Ausgang zur Lieferantenzufahrt. Als Hund darf sie nicht in die Küche eines Restaurants.»

«Okay, und wie bringe ich sie am Abend heim?»

«Ich lasse die Hintertür meines Wohnhauses offen. Der Lichtschalter befindet sich links.»

Damit eilte Bear zu seinen Gästen zurück.

2

Mik fühlte sich etwas mulmig, als sie kurz nach drei Uhr zu ihrem Auto ging. Mit Kindern konnte sie umgehen, selbst mit Neugeborenen. Das hatte sie von klein auf gelernt. Aber mit einem Hund? Und dazu einem blinden und tauben?

Moonshine schien sich keine Sorgen zu machen. Willig trippelte sie an Miks Seite und hielt über die Nase Kontakt zur menschlichen Hand. Was für ein Glück, dass das von der Höhe her so perfekt passte.

Die feingliedrige Hündin war recht hochgewachsen und langbeinig. Mik, die sich mit Hunderassen kaum auskannte, wunderte sich, was alles drinsteckte.

Moonshine besaß ähnliche Merkmale wie Iggy, Bettys Australischer Schäferhund. Ihr schneeweißes Fell war halblang und zeigte eine Halskrause. Und wie Iggy verfügte sie über Stehohren, deren oberstes Viertel überhing. Insgesamt war ihr Körperbau jedoch deutlich feiner, was sich nicht allein durch das unterschiedliche Geschlecht erklären ließ.

Beim Auto angekommen, erlebte Mik ihr erstes logistisches Problem. Sie fuhr einen älteren Toyota-Kombi mit zuschaltbarem Allradantrieb, das verlässlichste und langweiligste Fahrzeug der Welt. Als Viertürer bot es direkten Zugang zum Rücksitz. Nur musste sie gleichzeitig den Hund kontrollieren, die Tür öffnen und Moonshine damit möglichst nicht abschießen.

Nach kurzer Überlegung ließ Mik sie bei den Hinterrädern Sitz machen. So konnte sie die Tür problemlos aufziehen. Danach strich sie der Hündin sanft über die Schnauze und wies ihr den Weg ins Wageninnere.

Ganz klappte es nicht, aber Moonshine stand am Sitz hoch, sodass Mik ihre Pfoten richtig platzieren und danach ihren Hintern hochheben konnte, was auf Anhieb funktionierte. Mik improvisierte einen Sicherheitsgurt, indem sie die Leine mit etwas Spiel um die Kopfstütze des Rücksitzes wickelte. Moonshine konnte sich hinlegen, aber bei einer Vollbremsung durch die Leine und das gepolsterte Geschirr, das sie trug, nicht abstürzen. Als zusätzliche Sicherheit stellte Mik den Rucksack mit den Hundeutensilien in den Fußraum der Rückbank.

Hoffentlich war die Kleine eine geübte Autofahrerin und behielt ihren Mageninhalt bei sich. Halb verdautes Hundefutter auf den Sitzen musste Mik nicht haben.

Bevor sie losfuhr, legte sie ihr privates Funkgerät griffbereit neben sich. Falls sie auf der Fahrt zur Blockhütte der Warners eine ungewöhnliche Beobachtung machte, konnte sie diese sogleich dem Sheriff’s Department melden. Auf dem Land war ein Deputy nie außer Dienst.

An der Einfahrt zur Straße bremste Mik und schaute nach links und rechts. Außer ihr war kein anderes Fahrzeug unterwegs. Die Schuld daran trug der ungewöhnlich drückende Juninachmittag. Wie Mik nach ihrer Ankunft Ende Februar festgestellt hatte, zählten die Einheimischen zu den Eisbären.

Den Müll zum Sammelcontainer bringen bei minus zehn Grad? Dazu war keine Jacke nötig. Als unverzichtbar galt hingegen das Gewehr, weil sich immer wieder mal Wölfe bis in die Stadt trauten.

Mik schüttelte lächelnd den Kopf. Die Leute hier waren ein besonderer Schlag.

Sie erinnerte sich an etwas. Sollte sie?

Die leere Straße bot ihr die Gelegenheit für ihr eigenes kleines Ritual, das sie sich in ihrer Kindheit angeeignet hatte.

Mik bog ein, hielt vor der nach Süden ausgerichteten Hauptfassade des Grilled Moose an und betrachtete das Gebäude. Bewusst erinnerte sie sich an all das, wofür sie in genau diesem Augenblick dankbar sein durfte.

Und weil sie sich an dem frei stehenden alten Haus nie sattsehen konnte, eignete sich dieser Ort bestens dafür.

Das Grilled Moose war im traditionell-amerikanischen Stil erbaut. Saloon-Stil hatte Bear diesen einmal scherzhaft genannt. Der Eingang lag genau in der Mitte, flankiert von Fensterreihen. Über das gesamte Obergeschoss erstreckte sich ein von Säulen gestützter Balkon. Die Holzfassade war in einem zarten Wasserblau gestrichen, der Balkon und die Säulen weiß lackiert. Alle beweglichen Fassadenteile wie die Fensterläden und die Flügel der Eingangstür zeigten heitere Pastellfarben quer durch den Regenbogen.

Mik kam es wie das fröhlichste Gebäude der Welt vor und das wollte in Dancing Coons mit seinen vielen im Zuckerbäckerstil erbauten Häusern etwas heißen.

Rechts vom Restaurant lag der Gästeparkplatz, der mehrere Reihen von Parkfeldern umfasste.

Entlang der linken Seite erstreckte sich die Lieferantenzufahrt. Nahe bei der Frontfassade führte eine Außentreppe zu den Räumen im Obergeschoss, die im Moment an drei kleine Firmen vermietet waren. Direkt darunter, und dadurch vor den schlimmsten Wettereinflüssen geschützt, lag die Tür zum Getränkelager. Weiter hinten befanden sich der Personaleingang zur Küche und der Anbau mit Bears Büro.

Mik schloss die Augen.

Anfang Jahr, kurz vor Darks Anruf, hatte sie ihre Dienstzeit beim Militär mit einem ehrenhaften Ausscheiden beendet — und fühlte sich furchtbar. Desorientiert und verwirrt. Die Army hatte ihr über ein Jahrzehnt lang eine Familie und ein Zuhause geboten. Ein gutes, erstaunlich faires Zuhause — insbesondere wenn Mik die Tatsache berücksichtigte, dass sie eine Frau und zudem eine Frau von schwarzer Hautfarbe war.

Chancengleichheit und Diversity mochten in den Armeegesetzen verankert sein, doch dauerte es lange, bis die Barrieren in den Köpfen der Menschen fielen. Gerade in Amerika, das von so vielen ideologischen Grenzen durchzogen wurde. Die Nord- und Südstaaten mit der Mason-Dixon-Linie dazwischen. Der Bibel-Gürtel, der fast deckungsgleich mit den Südstaaten verlief. Das eher freigeistige Kalifornien an der Westküste. Die Neu-England-Staaten im Osten, wo die Mentalität europäisch geprägt war. Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, ethnischer Herkunft und Motivation. Manche fühlten sich berufen, Amerika und die Freiheit zu verteidigen. Andere flohen vor etwas, versuchten ihr Leben auf die Reihe zu kriegen oder trieben sich durch den beinharten Drill Süchte aus.

Ihnen allen diente die Army als Schmelztiegel.

Eine abgeschottete Parallelgesellschaft mit knallharten Regeln, die im Idealfall bedingungslos zusammenhielt.

Mik hatte diesen Idealfall erlebt. Sie war bestens gefördert worden, hatte tiefe Freundschaften geschlossen und würde der Army ihr Leben lang für die erhaltenen Chancen dankbar sein.

Nur leider hatte die perfekte Familie mit der Zeit Risse bekommen, ausgelöst durch den Tod ihres Kameraden Mac.

Gefallen im Einsatz. Der Stoff für Albträume.

In den darauffolgenden Jahren musste sie beobachten, wie einige ihrer hochdekorierten Freunde wie der letzte Dreck durchgereicht wurden. Darunter Dark.

Miks Vertrauen ins Militär begann zu erodieren, bis sie erkennen musste, dass sie der Army alles gegeben hatte, was ihr möglich war.

So quittierte sie den Dienst. Eine Alternative gab es für jemanden mit ihrem Verantwortungsbewusstsein nicht.

Und fiel in ein Loch.

Um etwas Sinnvolles zu tun, war sie an den Ort ihrer Kindheit zurückgekehrt, hatte dort gearbeitet und sich insgeheim gefragt, ob sie überhaupt irgendetwas in ihrem Leben erreicht hatte. Ein Waisenkind blieb nun mal für immer ein Waisenkind.

Dann die völlig unerwartete Chance und der Umzug hierher als willkommene Zwischenlösung. All die neuen Eindrücke. Dazu die wochenlange quälende Sorge um Dark. Trotzdem verging die Zeit wie im Flug.

Dark kehrte lebend von seinem Hochrisikoeinsatz zurück und als der Frühling sich zum Sommer wandelte, erkannte Mik, dass ihr Herz voll war wie nie zuvor. Mit Freundschaft, Lebensfreude und einer leisen Hoffnung, dass es für sie vielleicht doch einen Platz außerhalb des Militärs gab.

Vielleicht hier. Vielleicht woanders. Plötzlich schien es möglich.

Mik legte die Hand aufs Herz.

Danke!

Sie öffnete die Augen und fuhr mit einem warmen Gefühl in der Brust weiter. Noch immer war kein anderes Auto unterwegs und sie kam rasch voran. Bald erreichte sie die Ausläufer des Ortes, die nahtlos in ein lockeres Waldstück übergingen, in dem nur vereinzelt Häuser standen. Dahinter eröffnete eine Hügelkuppe den Ausblick hinab auf die Künstlerkolonie des Bezirks, die sich über ein weitläufiges ehemaliges Fabrikareal erstreckte.

Farbenfrohe Sonnenschirme zeigten das dortige Café an, dessen selbst gemachtes Eis zum Sterben lecker war. Mik entdeckte eine beachtliche Anzahl Beinpaare, die sich im Schatten der Schirme unter den Bistrotischen ausstreckten, vermutlich alles Touristen. Toll für die Kolonie, die dadurch substanzielle Einnahmen generierte.

Bald erreichte Mik die tote Hemlocktanne und bog auf den Dreckpfad ab. Ein Blick in den Rückspiegel — sicher der zwanzigste — zeigte, dass Moonshine zusammengerollt auf dem Rücksitz lag und sich durch nichts stören ließ. Sie hatte den Kopf auf die Hinterpfoten gelegt, hielt die Augen halb geschlossen und atmete entspannt.

Mik fuhr langsam, damit das Auto nicht zu sehr rüttelte. Dreckpfad war eine zu positive Bezeichnung für diese Zufahrt. Wahrscheinlich beließen die Warners sie so, um Neugierige abzuhalten. Da der Familie das lokale Kieswerk und ein riesiger Fuhrpark gehörten, lag das Problem keinesfalls bei der Beschaffung des Materials und der Maschinen.

Der Pfad endete auf einer Waldlichtung, wo mehrere bekannte Fahrzeuge parkten.

Mik erkannte Bettys zivilen Einsatzwagen, zwei Pick-ups der Warner-Brüder und Ashs alten Truck. Ash, der an der Ladefläche stand und mit einer Kühlbox hantierte, winkte ihr zu.

Als Mik neben ihm parkte und ausstieg, kam er zu ihr, um sie kurz zu umarmen.

«Hi, Q’Sheba, dann hat Bear dich also gehen lassen», scherzte er. «Und wie sich sehe, bringst du einen kleinen Gast mit.» Sein Blick war durch das Seitenfenster auf die Rückbank gerichtet.

Wie so oft, wenn kein Uneingeweihter zuhörte, nannte Ash sie bei ihrem militärischen Einsatznamen — eine Erinnerung an ihre gemeinsamen Dienstjahre. Mik hoffte, dass er niemals damit aufhörte. Ash stammte aus den Bayous von Louisiana, wo die alteingesessene Bevölkerung Französisch sprach, und trotz all der Zeit in der Fremde prägte immer noch ein leiser Cajun-Singsang seine Stimme. Niemand sprach das Q’Sheba aus wie er.

«Ja. Und ich habe ordentlich Muffensausen. Rein habe ich sie gekriegt, aber raus verursacht mir Bauchschmerzen. Blind, wie sie ist, kann sie die Distanz bis zum Boden nicht abschätzen.»

Ash musterte den Hund, der die Aufmerksamkeit zu spüren schien und den Kopf hob. «Ich glaube mich zu erinnern, dass Bear sie zum Aussteigen hochnimmt und auf die Pfoten stellt, damit sie nicht springen muss.»

Darauf hätte sie selbst kommen können.

«Du sagst, wenn du Hilfe möchtest», bot Ash an.

Mik zögerte nur kurz. «Gern. Du hast ja dank Josies Katzen Übung.»

Ash grinste. «Josies Katzen sind etwas kleiner und leichter.»

«Das stimmt. Versuchst du es trotzdem?»

«Klar.» Ash öffnete vorsichtig die Tür und klopfte mit den Fingerspitzen auf die Rückbank. Dann hielt er Moonshine die Hand zum Beschnuppern hin. Die Hündin wedelte und quietschte begeistert.

Ash begrüßte sie liebevoll und achtete gleichzeitig darauf, dass sie nicht aus dem Auto fiel. «Weißt du, wie man Tiere sicher hochhebt?», wandte er sich an Mik.

«Nicht so richtig. Ich habe immer das Gefühl, sie fallen mir kopfüber aus den Händen und Armen.»

«Dafür gibt es einen Trick. Bei kleineren Vierbeinern wie einer Katze kannst du das Tier von unten greifen und dabei den Zeigefinger zwischen den Vorderbeinchen durchschieben. So fällt es dir nicht nach vorn runter und empfindet den Griff als angenehm, weil sein Brustkorb auf deiner Handfläche ruht und nichts klemmt.»

Ash wartete, bis Mik bestätigend nickte.

«Bei größeren Tieren kannst du es ähnlich machen. Nur schiebst du da die ganze Hand zwischen den Vorderbeinen durch und stützt mit der anderen Hand den Hintern ab. Was übrigens auch bei kleineren Tieren wichtig ist. Keins davon hängt einem Menschen gerne von der Hand.»

Ash löste die Leine von der Kopfstütze und bekam das Hebemanöver trotz der beengten Platzverhältnisse erstaunlich flüssig hin. Gleich darauf stand Moonshine neben ihm und lehnte sich wedelnd an sein Bein.

«Denkst du, sie lässt mich das kurz an ihr üben?»

Ash schaute zum Hund hinab. «Klar. Sei dabei vorsichtig mit dem Schwanz. Du darfst ihn auf keinen Fall stauchen oder verdrehen.»

Etwas mulmig suchte Mik Kontakt zu Moonshine und bemühte sich, Ashs Instruktionen wortgetreu umzusetzen. Kurz darauf trug sie den Hund auf den Armen und erhielt ihr Gesicht abgeleckt.

«Wow! Sie ist groß und recht schwer, aber ich habe das Gefühl, dass mein Griff sicher ist.»

«Das sieht auch gut aus. Solltest du sie einmal länger tragen müssen, kannst du versuchen, dir ihre Vorderbeine über die Schulter zu schieben. So hält sie selbst einen Teil ihres Gewichts.»

Auch das klappte.

«Tiere handhaben sich ganz ähnlich wie Babys», sagte Mik nachdenklich.

Ash hob eine Braue. «Dafür muss ich dich beim Wort nehmen.»

«Hey, du lebst in einer festen Partnerschaft. Vielleicht hast du bald die Gelegenheit, es zu lernen», zog Mik ihn auf und bereute ihre Worte sogleich, denn Ash erblasste.

«Entschuldige. Schwieriges Thema», konstatierte sie und bezog sich damit auch auf sich selbst.

«Ja», erwiderte Ash knapp.

Und doch wurde Dark, von dem sie das am wenigsten erwartet hatten, bald Vater.

Welche Ängste er wohl durchstand? Mik kannte Darks familiären Hintergrund, ebenso wie den von Ash. Beide waren unter schwierigsten Umständen aufgewachsen — bei Eltern, denen sie nicht vertrauen konnten.

Mik hatte es da besser. Sie erinnerte sich nicht an ihre Erzeuger, nur an das Waisenhaus, wo die Schwestern sich mit vollem Einsatz um ihre Schützlinge kümmerten. Mik hatte liebevolle Förderung erfahren. Immer war jemand für sie da gewesen und ihr hatte es an nichts gefehlt.

Eine gute Kindheit, aus der sie in schwierigen Zeiten Kraft zog.

Eins jedoch hatten die Nonnen ihr nicht geben können — Wurzeln.

Oder war das nur sie? Erwies sie sich als undankbar und fokussierte auf das, was sie nicht haben konnte?

Moonshine bewegte sich in ihren Armen. Sie wollte runter und ihre Auszeit im Wald genießen. Vorsichtig stellte Mik sie auf die Pfoten und achtete gleichzeitig darauf, dass sie die Leine fest im Griff hielt.

«Lass mich kurz ein paar Dinge holen», erklärte Ash, ging zu seinem Pick-up und kehrte mit einer Kühlbox und zwei hohen Thermosflaschen mit Henkel und Pumpe zurück.

«Ihr habt mir gar nicht gesagt, dass man etwas beisteuern kann», beklagte sich Mik, holte Moonshines Rucksack aus dem Fußraum und ihre eigene Sporttasche vom Sitz daneben. Beides schlang sie sich über die Schulter. «Gib mir wenigstens einen der Getränkebehälter zum Tragen.» Sie streckte die freie Hand aus.

«Hier.»

Sie folgten einem kaum erkennbaren Pfad in den Wald hinein.

«Tiefe Gedanken?», fragte Ash.

«Ja. Kann man Wurzeln haben, ohne seine Abstammung zu kennen?»

Das trug ihr einen aufmerksamen Blick ein. «Da ich meine Abstammung kenne, bin ich nicht qualifiziert, das zu beurteilen. Was denkst du?»

Mik schüttelte nachdenklich den Kopf. «Keine Ahnung.»

Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Ash wusste nahezu alles von ihr, so wie sie von ihm. Eine Konsequenz der Umstände, unter denen sie gedient hatten.

«Seit ich hier im Bezirk lebe, frage ich mich, ob Wurzeln zwingend in der Kindheit liegen müssen. Ich denke, ich habe meine hier geschlagen. Nach Louisiana zieht mich nichts zurück.»

Nun war es an Mik, Ash zu mustern. Unter seiner üblichen zurückhaltenden Ernsthaftigkeit schimmerten Glück und Wohlbefinden. Sie freute sich für ihn. «Das ergibt Sinn. Vielleicht muss ich, bevor ich die Frage überhaupt stelle, über meine Definition von Wurzeln nachdenken. Geht es mir um die Verbundenheit mit einem Ort? Um einen ethnisch-familiären Hintergrund? Oder um das Psychologische — die Tatsache, dass ich mich oft wie ein Blatt im Sturmwind fühle?»

Sie erreichten eine von mächtigen Bäumen umgebene Lichtung. Mik staunte. Hier war es wunderschön.

Vor ihr erstreckte sich eine mit Wildblumen bewachsene Wiese. Auf der fernen Seite, wo das Gras wieder in den Wald überging, erhob sich die Blockhütte. Sie war größer als erwartet, fast ein kleines Haus.

Rechts, von der Wiese durch einen flachen Sandstrand getrennt, dehnte sich ein großer Waldsee aus, der sich in einer sanften Biegung an den dahinterliegenden Hügel schmiegte. Die lichten Bäume, mehrheitlich Buchen, wuchsen direkt bis ans Ufer und filterten das Sonnenlicht zu einzelnen Strahlen, die auf dem Wasser glitzerten.

So atemberaubend die Umgebung war, Mik freute sich noch mehr über die Anwesenheit ihrer Freunde. Zwar begegnete sie ihnen jeden Tag, aber so ein Treffen war etwas Besonderes.

«Hey, Mik!» Betty, die auf einer Decke auf dem Sandstrand saß und bis eben auf den See hinausgeschaut hatte, winkte.

Als Undersheriff des Bezirks war Elizabeth Warner, wie Betty mit vollem Namen hieß, Miks Vorgesetzte. Ihre Autorität kam so natürlich und der Umgang mit ihren Untergebenen verlief so herzlich, dass Mik diesen Umstand manchmal fast vergaß.

Gerade erinnerte nichts an Bettys berufliche Funktion. Die amazonenhafte junge Frau trug einen türkisfarbenen Bikini und hatte die braunen Haare zu einem wilden Dutt hochgebunden. Sie gehörte zu den glücklichen Frauen, die in ihrer Schwangerschaft schöner wurden. Dabei war ihr Bauch für den sechsten Monat erstaunlich klein.

«Einfaches Prinzip», hatte Betty vor nicht allzu langer Zeit gescherzt. «Ein Medizinball fällt an einer Maus nun mal stärker auf als an einer Giraffe. Bei mir hat das Baby viel Platz. Einen Vorteil muss meine Körpergröße ja haben.»

Josie, Ashs Freundin, saß neben Betty. Weil sie eine Katzenzucht mit angeblich magischen Katzen betrieb, galt sie im Bezirk als Tierflüsterin, was Mik seltsam fand. Josie erschien ihr im Umgang äußerst erdverbunden und vernünftig — und liebenswert ungeschickt, was sie gerade wieder unter Beweis stellte, als sie winkte und sich dabei selbst den Strohhut vom Kopf schlug.

Betty hob ihn auf und gab ihn ihr zurück.

Vor der Blockhütte hackten Billy und Dave, Bettys ältere Brüder und eineiige Zwillinge, Holz. Hoffentlich hörten sie nicht allzu bald auf. Mit ihren durchtrainierten Körpern boten sie die reinste Augenweide.

Ein Plätschern auf dem See erregte Miks Aufmerksamkeit und sie entdeckte, was die Frauen vor ihrer Ankunft beobachtet hatten. Dort trieb Dark auf einem Surfbrett sitzend. Gerade legte er das Paddel ab und langte ins Wasser, um einen Hund vor sich auf das Surfbrett zu heben — Iggy, Bettys pfeffer- und salzfarbenen Australischen Schäferhund. Dann war der dunkle Schatten neben dem Surfbrett Boo.

Mit den Pfoten auf dem Trockenen nutzte Iggy die Chance, sich ausgiebig zu schütteln. Er verlor das Gleichgewicht und wäre wieder ins Wasser gerutscht, hätte Dark ihn nicht blitzschnell stabilisiert.

Mik erreichte die ausgebreiteten Decken und Kissen und stellte das Thermosgefäß und ihr Gepäck ab. «Hallo zusammen. Darf ich fragen, was Dark mit den Hunden da macht?»

Betty schaute auf den See hinaus. «Als Malinois ist Boo mit elf Monaten alt genug, um erste leichte Trainings zu absolvieren. Weil sie noch wächst, natürlich nur Dinge, die ihren Körper nicht allzu sehr belasten. Dabei haben wir bemerkt, dass Iggy nur schlecht schwimmen kann und über keinerlei Ausdauer verfügt. Seither trainiert Dark jeden Tag mit ihnen. Das waren gerade eineinhalb Seelängen von Iggy. Begonnen haben wir mit einem Fünftel.»

«Das ist beachtlich. Und Iggy macht mit?» Mik empfand den Australischen Schäferhund als zurückhaltend.

«Ja. Für Dark würde er alles tun. Und Boo liebt das Wasser und will meistens gar nicht mehr raus. Ich bin total stolz auf die drei. Sie machen das toll.»

Mik schreckte zusammen, als Moonshine unvermittelt ihr seltsames Jaulen ausstieß. Der Grund dafür war jedoch ein schöner. Josie hatte Kontakt zu ihr aufgenommen. Bereits entwickelte sich ein inniger Schmusemoment zwischen den beiden.

«Bear hat mich gebeten, sie mitzunehmen, damit sie mit deinen Hunden spielen kann», erklärte Mik für Betty. «Ich hoffe, das geht in Ordnung.»

«Natürlich. Meine Tiere werden sich freuen.»

«Ich kann Moonshine für dich halten, dann kannst du dich einrichten und umziehen», bot Josie an.

Mik musterte Josies Kleidung. «Ihr habt Badeanzug gesagt, aber du trägst Shorts und Tunika.»

Josie schaute an sich hinab, dann zu Ash, der alles abgestellt hatte und in der Nähe der Decken eine sichere Feuerstelle baute. «Ich weiß. Ich brauche noch etwas Anlauf. Weil dieser Mann da so wunderbar kocht, habe ich einige Pölsterchen zu viel.»

Ash hob kurz den Kopf, um Josies Blick mit einem verschmitzten Lächeln zu erwidern, und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.

War das ernst gemeint? «Du siehst genauso aus wie im Februar, als ich dich kennengelernt habe», sagte Mik.

Betty lachte hell heraus.

«Was ist?»

«Ich glaube, du bist gerade in einen Fettnapf getappt.»

Ja, das konnte sein. Frauengespräche waren nicht so Miks Ding. Dafür war sie zu verstandesbetont.

«Entschuldige», wandte sie sich an Josie.

Die winkte ab. «Die Pölsterchen waren vorher schon da. Ich wollte Ash verlegen machen. Aber mich im Badeanzug zu zeigen, braucht Mut. Ihr seid alle so durchtrainiert. Als Schreibtischjockey kann ich da nicht mithalten.»

Josie arbeitete als Grafikerin und verbrachte viele Stunden vor dem Bildschirm. Dafür hielt sie sich beachtlich in Form, wie Mik fand.

«Die Welt würde viel verlieren, wenn wir alle gleich wären», erinnerte sie sich an einen Leitspruch aus ihrer Kindheit. Das hatten die Schwestern immer gesagt. Sie reichte Josie die Leine. «Das mit dem Halten nutze ich gerne. Du kennst Bears Regeln?»

«Ja.»

Mik hatte sich vor der Hinfahrt auf der Personaltoilette des Grilled Moose umgezogen. So konnte sie ihren kurzen Rock und ihr T-Shirt einfach abstreifen, ohne dass jemand zu viel sah.

«Oh, hast du einen hübschen Badeanzug», sagte Josie. «Und die Farbe ist perfekt für dich.»

Mik schaute an sich hinab. Weil ihr Körperbau nicht allzu weiblich war — als ehemalige Elitesoldatin hatte sie ein Sixpack und kein Fettgewebe an der Brust —, war ihr liebster Badeanzug ein knallpinker Tankini, dessen Oberteil in sanften Falten ihre Hüften umschmeichelte. Die Farbe kontrastierte auf attraktive Weise mit ihrer tiefschwarzen Haut und der weiche, verspielte Schnitt ließ sie zugleich jung und weiblich wirken.

«Vielen Dank. Ich brauche immer Überwindung, ihn anzuziehen. Im Militär waren wir alle gleichgeschaltet und die Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden so weit als möglich ausgeblendet. Der kleine Dämon, der für meine Schuldgefühle zuständig ist, flüstert mir ins Ohr, was mein Ausbilder bei diesem Anblick sagen würde.»

«Klar. Konditionierung. Damit kämpfen wir alle», sagte Josie und seufzte. «Dann will ich auch tapfer sein.»

Mik nahm die Leine von ihr zurück und setzte sich auf die freie Decke neben den beiden Frauen.

Josies Badeanzug bestand aus einem geknoteten Bikinitop und einem Höschen mit Rock, alles farbenfroh wie von den Hippies gemacht. Mik fand, dass sie darin toll aussah. Und die Pölsterchen waren kaum der Rede wert.

Inzwischen hatte Dark das Ufer erreicht. Er kontrollierte die Hunde mit einem kurzen Befehl und entfernte ihre Leinen. Sie setzten sich auf ihre Hinterteile und warteten, während er das Surfbrett auf den Strand zog. Dabei wedelten ihre Ruten wie verrückt über den sandigen Boden.

Als es ihr zu lange ging, begann Boo zu quietschen.

«Nein, Boo», sagte Dark. Sein leiser Befehl ließ sie sogleich verstummen. Er suchte Bettys Blick.

Betty nickte.

Mik beobachte die wortlose Interaktion zwischen den beiden fasziniert.

«Kommst du mit Moonshine zu uns?», wandte sich Dark an Mik. «Dann wird die Dynamik weniger wild.»

«Okay, aber du musst mir sagen, wenn ich etwas Spezielles tun muss.»

Mik erhob sich und strich Moonshine über die Nase. Die Hündin folgte ihr willig, was sie mit Stolz erfüllte. Schließlich basierte alles, was sie tat, auf blitzschnell durchdachter Improvisation.

Dark kauerte sich zwischen Iggy und Boo hin und fasste die Tiere an ihren Führungsgeschirren. «Ruhig», sagte er leise.

Es lief viel besser, als Mik erwartet hatte. Ein kurzes Vorstellen und die Hunde steuerten das Kennenlernen selbst. Es schien aus wildem Wedeln, am Hintern des anderen riechen und ersten Aufforderungen zum Spiel zu bestehen.

«Wenn du willst, übernehme ich Moonshine für eine Weile und spiele mit den Hunden. Allzu lange werden sie bei der Hitze nicht durchhalten», bot Dark an.

«Macht es dir nichts aus? Dann gerne. Ich bin seit vor dem Morgengrauen auf den Beinen. Und Servieren ist anstrengender als alles, was das Militär uns an den Kopf geworfen hat, sei es in den Trainings oder Einsätzen.»

Dark schmunzelte und nahm die Leine von ihr entgegen. Gleich darauf fing er etwas mit der freien Hand. Einen aus Seilen geknüpften Oktopus, den Betty ihm zugeworfen hatte.

«Gut gemacht», raunte Josie, als Mik sich wieder auf die Decke setzte.

«Was meinst du?»

Josie machte eine Kopfbewegung zu Dark und den Tieren hin. «Na das.»

Noch ein Anblick, an dem Frau sich kaum sattsehen konnte. Dark trug nur knielange Badeshorts im Camouflagemuster und synthetische Reisesandalen, die sich für Wasser und Land eigneten. Ansonsten war sein hochgewachsener athletischer Körper nackt. Bei jeder Bewegung spielten die Muskeln unter seiner bronzefarbenen Haut und die langen blauschwarzen Haare umspielten seine Schultern. Das Ende von Moonshines Leine hatte er sich um die Hüfte gebunden, während er mit einer Hand die nicht verwendete Länge wie bei einem Lasso kontrollierte.

«Wie ein Kriegstanz», sagte Josie andächtig.

«Ja, oder eine Szene aus dem Dschungelbuch», fügte Betty ebenso versunken an.

Ash, der die Feuerstelle beinahe fertig gebaut hatte, gluckste leise, das Geräusch fast unhörbar. Als Mik zu ihm schaute, zwinkerte er ihr zu.

Sie erwiderte sein Lächeln.

Während ihrer gemeinsamen Dienstjahre hatte sie diese Jungs in allen möglichen Stadien zwischen voller Kampfmontur und nackt gesehen. Klar schaute auch sie sehr gerne hin, doch die perfekten männlichen Körper übten auf sie nicht die gleiche Faszination aus wie auf andere Frauen.

Wahrscheinlich wussten sie einfach zu viel voneinander. Das ergab sich automatisch, wenn man Situationen wie tödliche Gefahr, nervtötende Langeweile, wochenlangen quälenden Hunger, eklige tropische Krankheiten und Blut gefrierende Eiseskälte gemeinsam durchgestanden hatte.

Nein, wenn Mik an Dark im Moment etwas bewunderte, dann war es nicht sein perfektes Äußeres, sondern die Mühelosigkeit, mit der er das Spiel der Hunde in sichere Bahnen lenkte. Alles geschah wortlos, abgesehen von einigen knappen Befehlen an Iggy oder Boo.

Er schaffte es, dass Moonshine den ganzen Spielraum ihrer Leine nutzen konnte, ohne sich je darin aufzuhängen. Für die Hündin musste es sich wie ein freies Spiel anfühlen. Als wäre sie ein normaler Hund, der sein Leben ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen führen durfte.

Mik zückte ihr Smartphone und nahm ein Video für Bear auf.

«Einfach toll, wie Dark das macht», kommentierte in dem Moment auch Josie. «Moonshine geht völlig aus sich heraus. So glücklich habe ich sie lange nicht mehr erlebt.»

Mik erinnerte sich an etwas. «Wer war ihr Spielgefährte? Bear hat erwähnt, dass er vor einiger Zeit starb.»

«Er hieß Odin, ein Alaskanischer Malamut, der lange als Leithund gearbeitet hat», erklärte Josie.

Mik starrte sie an. «Kannst du das in eine Sprache übersetzen, die ich verstehe?»

«Oh, entschuldige. Ein Malamut ist ein stämmiger arktischer Arbeitshund, der oft als Schlittenhund eingesetzt wird. Die Grundfarbe seines Fells ist weiß, mit einem grauen bis schwarzen Sattel auf dem Rücken und einer Gesichtsmaske in der gleichen Farbe, wobei es auch wildere Zeichnungen gibt. Die Augen können blau oder braun sein. Ein Leithund läuft zuvorderst bei einem Schlittenhundeteam. Leithunde müssen besonders intelligent und charakterstark sein. Teils folgen sie den Befehlen des Mushers, also des Hundeschlittenführers, teils müssen sie selbst entscheiden, was sicher ist. Odin war unglaublich.» In Josies Stimme schwang leise Trauer mit. Sie schien den Hund geliebt zu haben.

«Ja, das war er», fügte Betty an. «Und man konnte sich bedingungslos auf ihn verlassen. Bear befestigte Moonshines Leine an Odins Führungsgeschirr, selbst als sie ein kleiner Welpe war, und ließ die beiden frei spielen. Natürlich nur an Orten, wo sich die Leine nirgends verfangen konnte. Odin hat in jedem Moment perfekt auf Moonshine aufgepasst. Er schien zu verstehen, dass sie blind und taub ist.»

«Dann gehörte Odin Bear?» Miks Boss hatte noch nie erwähnt, dass er Hundeschlitten fuhr.

Josie wackelte mit dem Kopf. «Jein. Odin war eigentlich Sues Hund. Du weißt schon — Consuelo, die Chefin der Ranger. Sie züchtet und trainiert Schlittenhunde und hat mit ihrem Team schon am berühmten alaskanischen Iditarod-Rennen teilgenommen. Odin war noch recht jung, als er konstante Probleme mit den Pfoten und Beinen entwickelte. Sue versuchte ihn zu schonen und gleichzeitig im Rudel zu behalten, aber ohne seine Aufgabe war er todunglücklich. Als Notfallmaßnahme nahmen Bear und seine Frau ihn auf. Der Test verlief gut und Odin blieb bei ihnen, auch wenn es Sue fast das Herz brach. Sie versucht immer, das Richtige für ihre Hunde zu tun.»

Mik schluckte. Das war ein Grund, der gegen die Anschaffung eines Tieres sprach. Es ins Herz zu schließen geschah fast von allein — wie sie bei sich selbst beobachten konnte. Iggy und Boo waren vierbeinige Arbeitskollegen und doch hatte Mik sich direkt beim Kennenlernen in sie verliebt, so wie nun auch in Moonshine.

Wie ging man mit dem Schmerz um, wenn ein Tier krank wurde oder altersbedingt starb? Hunde- und Katzenleben waren kurz. Wogen die schönen Momente den Schmerz auf oder war das ein Verlustgeschäft?

In den vergangenen Minuten waren die Aktivitäten langsamer und die Hechelpausen dazwischen länger geworden. Dark beendete das Spiel und führte die Hunde zu den Decken. Moonshine und Boo hielten je einen Arm des Oktopus im Fang und trugen ihn stolz wie eine Trophäe. Iggy folgte ihnen.

Billy und Dave gesellten sich zur Gruppe, jeder mit einem Stapel Brennholz auf dem Arm.

«Wer hat Hunger?», fragte Betty.

Die Antwort bestand aus einem mehrstimmigen «Ich!»

3

Die Zeit verging wie im Flug mit Grillen, Essen, Baden, Spielen, Scherzen und animierten Gesprächen. Mit dem Einbruch der Nacht wurde es kühl und die Freunde legten die Decken um das Lagerfeuer aus. So konnten sie das Anziehen zusätzlicher Kleidungsschichten noch eine Weile hinauszögern.

Die Pausen zwischen den Unterhaltungen wurden länger. Mik streichelte Moonshine, die neben ihr auf der Decke lag, den Kopf auf ihrem Oberschenkel.

---ENDE DER LESEPROBE---