Die Firma des Piloten - K.B. Stock - E-Book

Die Firma des Piloten E-Book

K. B. Stock

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Hauptkommissar Michael Wagner ist seit fast 8 Jahren Pilot bei der Polizeihubschrauberstaffel Bayern. Er fliegt mit seinem Kollegen und Freund Markus Leitner spektakuläre Rettungseinsätze, macht aber mit seinem Hubschrauber 'Edelweiß 3' noch viel öfter Jagd auf Verbrecher aus der Luft. Bei einem solchen Einsatz im Mai 2013 kommen die beiden Heli-Cops allerdings zu spät, um die mit dem Raubüberfall auf einen Geldtransport verbundenen, viel ernsteren Folgen verhindern zu können. Tragischerweise sind die Eltern von Michael Zufallsopfer der bei ihrer Flucht brutal handelnden Verbrecher, die unerkannt entkommen können. Da die millionenschwere Spedition seiner Eltern einen neuen Chef braucht, muss Michael jetzt wohl oder übel in die Fußstapfen seines Vaters treten. Hierbei hilft ihm nicht nur seine Tante Waltraud, sondern er findet in der Firma auch ein Team vor, das mit ihm zum Erhalt der Wagner Logistik GmbH durchs Feuer gehen will. Besonders ist er dabei von seiner schönen Assistentin Anna Baur fasziniert, die er schon seit seinen Schultagen kennt, die er aber wegen seiner Pilotenkarriere aus den Augen verloren hatte u. in die sich der ewige Single Michael Hals über Kopf verliebt. Vor allem wegen der ca. 200 Mitarbeiter in der väterlichen Firma beschließt Michael letztlich, vorläufig aus dem Polizeidienst auszuscheiden. Mithilfe seiner Mitarbeiter und seiner Tante sowie mit Unterstützung seines alten Freunds Matthias Debus, einem ehemaligen Hubschrauberpiloten der Bundeswehr, gelingt es ihm zudem, die Firma seines Vaters um den neuen Geschäftszweig 'Wagner Air Charter' zu erweitern. Doch dann holt den Ex-Polizisten im August 2013 das an seinen Eltern verübte Verbrechen wieder ein. Denn einer seiner Sicherheitstransporte wird in Italien mit Waffengewalt gestoppt und danach bei Bad Reichenhall ausgeraubt. Sein Fahrerteam wird dabei schwer verletzt. Und am Ort des Verbrechens finden sich DNA-Spuren, die die Polizei schon vom Erdinger Raubüberfall her kennt ...

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Seitenzahl: 420

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1Millionenraub in Altenerding

Kapitel 2Notfalleinsatz an der Donau

Kapitel 3Beerdigung und vorläufiger Abschied

Kapitel 4Der neue Anfang als Juniorchef

Kapitel 5Das Projekt ‚Wagner Air Charter’

Kapitel 6Ein spektakulärer Samstag

Kapitel 7Kein Sonntag, wie jeder andere

Kapitel 8Eine überraschend erfolgreiche Woche

Kapitel 9Gesprächstermine in München

Kapitel 10Der Besuch bei Annas Eltern

Kapitel 11Amoklauf im Landkreis Starnberg

Kapitel 12Die Gründung der Wagner Air Charter

Kapitel 13Safe Cargo Transport 03 – Der Überfall

Kapitel 14Erste Ermittlungen am Tatort

Kapitel 15Die Nacht im Klinikum Traunstein

Kapitel 16Ein unvergesslicher Sonntag

Kapitel 17Erste Zwischenbilanzen

Kapitel 18Treffen im Polizeipräsidium München

Kapitel 19Ein alter Bekannter der Polizei

Kapitel 20Anschlag auf Pirol 7

Kapitel 21Das Ende der Mafia-Grafen

Kapitel 22Abschlussbesprechung im Präsidium

Nachwort des AutorsMünchen im Dezember 2015

Namensverzeichnis der handelnden Personen

Impressum

Copyright © 2015 by K. B. Stock, München

Verlag: epubli GmbH, Berlin www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-8327-5

Anmerkung des Verfassers:

Handlung und Personen dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten oder Namensgleichheiten mit tatsächlichen Ereignissensowie lebenden Personen oder Organisationen sind zufällig und daherin keiner Weise beabsichtigt.

Titelabbildung Einband:

„Hubschrauber“

Quelle: www.pixabay.com

Die Firma des Piloten

Ein Kriminalroman

von K. B. Stock

Zum Inhalt des Buchs:

Der 28-jährige Hauptkommissar Michael Wagner ist im Mai 2013 bereits seit fast 8 Jahren Pilot bei der Polizeihubschrauberstaffel Bayern und fliegt von deren Stützpunkt am Münchner Flughafen mit seinem Kollegen und Freund Markus Leitner nicht nur spektakuläre Rettungseinsätze, sondern wird mit seinem Hubschrauber mit dem Funkrufzeichen ‚Edelweiß 3’ noch viel öfter zur Verbrecherjagd aus der Luft hinzugezogen.

Bei einem solchen Einsatz kommen die beiden Heli-Cops allerdings zu spät, um die mit dem Raubüberfall auf einen Geldtransport verbundenen, viel ernsteren Folgen noch verhindern zu können. Und tragischerweise sind die Eltern von Michael, ein in Altenerding lebendes Unternehmerehepaar, die Zufallsopfer der bei ihrer Flucht brutal agierenden Verbrecher, die noch dazu zunächst unerkannt entkommen können.

Da das millionenschwere Speditionsunternehmen seiner Eltern nun einen neuen Chef braucht, muss Michael als Juniorchef jetzt wohl oder übel in die Fußstapfen seines Vaters treten. Hierbei hilft ihm nicht nur seine Tante Waltraud, sondern er findet in der vormals ziemlich ungeliebten Firma auch ein Team vor, das mit ihm zum Erhalt der Wagner Logistik GmbH durchs Feuer gehen will. Besonders ist er dabei von der schönen Assistentin seines Vaters, Anna Baur angetan, die er eigentlich schon seit seinen Schultagen kennt, die er aber in Folge seiner Pilotenkarriere vollkommen aus den Augen verloren hatte. Und es ist Anna, in die sich der ewige Single Michael Hals über Kopf verliebt.

Nicht nur deshalb, sondern vor allem wegen der rund 200 Mitarbeiter in der väterlichen Firma beschließt Michael Wagner letztendlich, zunächst aus dem Polizeidienst auszuscheiden.

Mithilfe seiner Mitarbeiter und seiner Tante Waltraud sowie mit Unterstützung seines alten Freunds Matthias Debus, einem ehemaligen Hubschrauberpiloten der Bundeswehr, gelingt es ihm schließlich, die Speditionsfirma seines Vaters um den neuen Geschäftszweig ‚Wagner Air Charter’ zu erweitern.

Doch dann holt den ehemaligen Polizisten im August 2013 das damals an seinen Eltern verübte Verbrechen wieder ein. Denn einer seiner Sicherheitstransporte wird auf dem Weg von Italien nach München mit Waffengewalt gestoppt und danach ausgeraubt. Sein Fahrerteam wird im Zuge der LKW-Entführung schwer verletzt. Und am Ort des Verbrechens nahe Bad Reichenhall finden sich DNA-Spuren, welche die Ermittler der Polizei schon vom Erdinger Raubüberfall her kennen ...

Kapitel 1Millionenraub in Altenerding

Der Frühsommer hatte in diesem Jahr vielversprechend begonnen. Bis weit in den Mai 2013 hielt sich das überraschend vorhergesagte Hoch über Oberbayern und lockte die Menschen bei angenehmen Temperaturen unter weißblauem Himmel zu Spaziergängen und Wanderungen in die nahen Berge und sogar in die zum Teil bereits geöffneten Biergärten.

Leider hatte es zum Ende des Monats aber wieder eingetrübt und das schöne Wetter wurde schon Ende Mai von jahreszeituntypischer Kälte und Regen abgelöst.

Polizeihauptkommissar Michael Wagner wirkte an diesem Freitagmorgen sichtbar nachdenklich, als er gegen 09:00 Uhr in den Bereitschaftsraum der Polizeihubschrauberstaffel Bayern auf dem Flughafen Franz-Josef Strauß zurückkehrte.„Na, was guckst du so bedröppelt? Wir haben doch heute – trotz des Nieselregens – ganz passables Flugwetter. Oder hat der Alte seinem Lieblingsbeamten etwa eine Rüge erteilt?“, fragte der grinsende Flugtechniker, Polizeihauptkommissar Markus Leitner seinen Hubschrauberführer sofort.

„Nein, ich hatte ja selbst um diese Unterredung gebeten“, erwiderte Hauptkommissar Wagner. „Du weißt doch, dass mich unser Chef schon seit Wochen nervt, weil er mir unbedingt den Weg in den höheren Dienst schmackhaft machen will. Und da wollte ich mal hören, was er sich da so vorstellt.“„Das ist doch sehr nett von ihm, oder etwa nicht?“ „Ja sicher, aber dann wäre es bei mir mit der Fliegerei vorbei. Es gibt halt so gut wie keine Stellen für aktive Hubschrauberpiloten bei uns und selbst bei den Kollegen der Bundespolizei sitzt der höhere fliegerische Dienst meistens am Schreibtisch.“

„Heißt dann wohl, du musst dich entscheiden, was dir wichtiger ist. Die Fliegerei oder deine berufliche Karriere“, meinte Markus sogleich. „Aber neben Aktenschieben, Lochen und Abheften gibt’s doch da trotz alledem noch ein paar Tätigkeitsfelder bei der Polizei, die auch ziemlich fordernd sind.

Du musst ja nicht überall hinter ’nem Schreibtisch sitzen. Die Kripo1 München zum Beispiel oder unser LKA2 wäre doch für dich als Single vielleicht das Passende. Dazu müsstest du dich halt nur von der Bereitschaftspolizei in die entsprechende Dienststelle versetzen lassen.

Und zu guter Letzt ist da ja auch noch dein alter Herr mit seiner großen Spedition. Will er dich nicht schon seit langem dazu überreden, deinen derzeitigen Job an den Nagel zu hängen und als Nachfolger bei ihm in die Firma einzusteigen?“

„Hör mir bloß auf damit. Vater bekniet mich – wie du weißt – schon seit mindestens drei Jahren mit dieser Idee. Er hat ja damals, schon gleich nach dem Abitur, vehement dagegen protestiert, dass ich meinen Berufswunsch, Hubschrauberpilot bei der Polizei zu werden, tatsächlich durchgesetzt habe.“

„Tja, Eltern kann man sich halt nicht aussuchen – auch wenn ich wüsste, was ich angesichts unseres eher bescheidenen Gehalts, an deiner Stelle tun würde. Dein Vater ist doch inzwischen bestimmt mehrfacher Millionär und hat eine großartige Firma. Was hindert dich also daran, dich ins gemachte Nest zu legen?“

„Das mag ja alles sein, aber sein Geld steckt in der Firma – oder denkst du er hat das auf der Bank rumliegen?“ Noch während Michael Wagner bei dieser Antwort mit gerunzelter Stirn nachdenklich in seine Kaffeetasse starrte, erklang das – wie immer Nerv tötende Alarmhorn durch den Hangar.

„Einsatz für Edelweiß drei! Überfall auf einen Geldtransport. Tatort ist die Raiffeisenbank am Bahnhof in Altenerding“, tönte es blechern über die Rundsprechanlage.

„Die beiden Täter haben in der Liefereinfahrt der Bank ein gepanzertes Fahrzeug überfallen und dessen Fahrer sowie den Beifahrer niedergeschossen. Die Kollegen von der Streife sind bereits auf dem Weg dorthin. Bei dem flüchtigen Fahrzeug soll es sich nach Zeugenaussagen um einen dunklen Sportwagen handeln, der auf der Münchner Straße in südlicher Richtung flieht.“

„Das ist ja mal gleich bei uns um die Ecke, den werden wir bald haben“, rief PHK3 Leitner seinem Piloten zu, während er mit ihm gemeinsam in den vor der Halle geparkten, weißblau lackierten EC-135 kletterte und seinen Fliegerhelm aufsetzte.

Anstelle einer Antwort meldete sich Hauptkommissar Wagner mit dem Satz „München Radar, this is Edelweiß three. We are ready for Emergency-Take-Off“ beim Tower des Münchner Flughafens, während er die Turbine des Airbus EC-135 P2 auf Touren brachte.

„Edelweiß three, you are cleared for Emergency Take-Off – proceed as requested. No crossing aircraft-traffic within the next 10 minutes“, antwortete die rauchige Stimme der Controllerin in der Flugsicherungszentrale, die alle Edelweiß-Crews per Funk sehr gut kannten. Nur hatte sich bisher noch niemand von den Hubschrauberbesatzungen getraut, ein Date mit ihr auszumachen.

„Sind in der Luft“, meldete sich der polizeiliche Einsatzleiter Markus Leitner wenige Minuten später auf der Funkfrequenz der Einsatzzentrale seiner Staffel.

„Okay, passt mal auf“, kam es von dort umgehend zurück.

„Der flüchtige PKW hat soeben auf der Schlossallee in Höhe Bergham Fußgänger angefahren und ist Zeugen zufolge, ohne anzuhalten, weiter in südlicher Richtung unterwegs. Feuerwehr und Rettungskräfte sind alarmiert.“

„Sag mal, das ist doch ganz in der Nähe eurer Spedition.“ „Ja, ich kenn’ mich da gut aus, schließlich bin ich da ja auch ganz in der Nähe daheim.

Ich denke die wollen zur Flughafentangente und dann entweder zum Flughafen oder zur Autobahn – also Kurs 135 Grad. Wollen doch mal sehen, wer schneller ist – wir, oder diese Mistkerle“, knurrte PHK Wagner zurück, während er den Hubschrauber nach dem Passieren der südlichen Landebahn des Münchner Flughafens in eine leichte Linkskurve zog.

„Wir sind jetzt über der Schlossallee und erreichen gleich Bergham. Siehst du schon was auf deinem neuen Wunderbildschirm?“, fragte Michael Wagner seinen Kollegen wenige Minuten später.

„Nein, nichts bis jetzt. Doch, Moment mal, das da vorne muss die Unfallstelle sein, von der die Zentrale gesprochen hat.“ Damit deutete PHK Markus Leitner voraus, wo inzwischen viele blitzende Blaulichter am Boden zu sehen waren.

„Gut, dann folge ich jetzt der Schlossallee weiter in Richtung Flughafentangente“, meinte PHK Wagner, als er schon von seinem Kollegen unterbrochen wurde. „Ein paar Knoten mehr wären gut – wir wissen ja nicht, wie weit diese Verbrecher noch mit ihrem Sportwagen fahren.“

„Okay, aber zu schnell dürfen wir auch nicht fliegen, weil wir sie sonst möglicherweise übersehen“, erwiderte Michael Wagner sogleich.

Doch die Suche aus der Luft erbrachte nicht den gewünschten Erfolg. Als der Hubschrauber Edelweiß 3 die Flughafentangente überflogen hatte und dieser Schnellstraße noch einige Minuten nach Süden und dann nach Norden gefolgt war, schimpfte Michel Wagner mit zorniger Stimme: „Mist verdammter, wir haben sie anscheinend verpasst. Soweit können sie selbst mit einem schnellen Sportwagen noch nicht gekommen sein.“

„Die Schweine haben wahrscheinlich das Fahrzeug gewechselt. Wir brechen ab und sehen uns nochmal die Waldgebiete vor der Einfahrt zu Flughafentangente näher an“, erwiderte PHK Leitner, während sein Flugzeugführer den EC-135 wieder in eine enge 90°-Kehre Richtung Erding zog.

„Ich funk’ mal die Kollegen an der Unfallstelle in Bergham an, vielleicht haben die ein paar neue Details zum gesuchten Fluchtfahrzeug“, meinte PHK Leitner. „Mach das, aber schalt mich dazu, damit ich deren Antwort mithören kann.“

„Hier spricht Oberkommissar Schmidt von der PI4 Erding“, kam die Stimme des vor Ort befindlichen Streifenführers kurz darauf über Funk.

„Wir haben hier einen Zeugen, der Stein und Bein schwört, dass es sich bei dem Sportwagen um einen dunkelgrauen Porsche Cayenne mit Starnberger Kennzeichen gehandelt hat. Und ich denke, dass er weiß, von was er spricht, denn er arbeitet als Verkäufer in einem hiesigen Autohandel.“

„Danke Kollege Schmidt, wir suchen jetzt die Waldgebiete entlang der Schlossallee ab. Wenn wir was finden, melden wir uns wieder bei euch“, erwiderte Markus Leitner.

„Moment noch, da wäre noch was. Mehrere Leute, die den Unfall beobachtet haben, sagen aus, dass der Porsche scheinbar ohne Grund auf den Fußgängerweg gefahren ist – ganz so, als ob er die beiden älteren Personen mit Absicht aufs Korn genommen hätte“, ergänzte POK5 Schmidt seine Nachricht per Funk.

„Das wäre dann ja wohl versuchter Mord und kein Unfall mehr. Möglicherweise wollten die beiden Täter auf diese Weise die sie eventuell rasch verfolgenden Streifenwagen aufhalten, um sich damit Zeit zu verschaffen“, entgegnete Markus Leitner.

„Ja, das könnte sein – ich habe deshalb auch bereits die Kollegen von der Kripo angefordert.“ „Und wie geht’s den beiden Unfallopfern?“, fragte Markus Leitner zurück. „Leider sind beide aufgrund ihrer massiven Schädelverletzungen noch am Unfallort verstorben.

Die Notärzte konnten nichts mehr für sie tun. Wir sprechen demzufolge jetzt von Mord und nicht mehr nur von einem Mordversuch. Tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten habe.

Wir konnten übrigens die Opfer bisher noch nicht identifizieren, da sie keine Ausweispapiere bei sich hatten. Es handelt sich um ältere gut gekleidete Leute, wahrscheinlich ein Ehepaar, das bei dem schönen Wetter auf einem Mittagsspaziergang war.“

PHK Leitner schaute zu seinem Piloten, der just in diesem Moment bleich geworden war. „Meine Eltern, sie lieben die frische Luft“, sagte er leise. „Unser Haus steht da ja ganz in der Nähe – und Mutter und Vater gehen bei jedem Wetter in ihrer Mittagspause vom Betrieb aus zu Fuß nachhause, um dort auf die Schnelle etwas zu essen.“

„Nun mal’ mal den Teufel nicht gleich an die Wand, Michael. Spazierengehen, selbst bei so einem Nieselwetter – das tun doch viele andere Leute auch“, erwiderte Markus Leitner beruhigend.

„Lass uns lieber nach dem verschwundenen Porsche suchen. Ich schalte jetzt unsere IR6-Sensoren ein. Das Fahrzeug dürfte ja noch Restwärme ausstrahlen – uns so finden wir es am Schnellsten.“

Noch nicht einmal 15 Minuten später war es soweit. „Da vorne hab’ ich was auf dem Bildschirm meiner FLIR7-Anzeige. Dreh’ mal auf 11 Uhr und geh’ ein bisschen tiefer. Siehst du das dort in diesem Bachbett unter den Bäumen.“

„Ich glaub’, ich sehe was du meinst. Das könnte tatsächlich unser gesuchter Porsche sein. Sieht eher so aus, als ob die Gangster den Wagen absichtlich in diesen Graben gestürzt hätten. Kann ich hier irgendwo landen?“

„Da vorn auf der abgemähten Wiese am Waldrand, aber warte noch ’nen Moment, ich geb das erst noch an die Kollegen von der Streife durch.“ Sofort rief Markus Leitner in sein Headset: „Kordon 13/11 von Edelweiß 3, kommen!“ „Hier Kordon 13/11, wir hören Sie“.

„Haben verdächtiges Fahrzeug ca. 500 Meter südwestlich Schloss Aufhausen geortet. Ist offenbar in den Bach am Hutgraben gestürzt. Wir landen am Waldrand in rund 100 Meter Entfernung von der ausgemachten Position.“

„Verstanden, Edelweiß. Seid vorsichtig und geht nicht allzu nah ran – wir sind in fünf Minuten bei euch. Vielleicht sind die Insassen ja noch im Fahrzeug.“

„Sind ja nicht lebensmüde, wir sehen uns gleich – Ende und aus“, erwiderte PHK Leitner, als sein Pilot auch bereits zur Landung auf dem bezeichneten Wiesenstück ansetzte.

Als die beiden Turbinen des Hubschraubers langsam ausliefen, machten sich die beiden Helikopterpolizisten zu Fuß, allerdings mit gezogener Waffe, in Richtung des entdeckten Fahrzeugs auf den Weg. Und schon wenige Augenblicke später erschienen etliche Streifenwagen mit Martinshorn und Blaulicht auf der Bildfläche.

„Na wenigstens wissen jetzt alle, dass wir kommen“, meinte PHK Wagner etwas säuerlich.

„Hast’ ja recht, aber ab jetzt sind wir Viele und wie du siehst, kommen wir dort vorne auch gar nicht alleine runter. Da geht’s nämlich ganz schön in die Tiefe. Außerdem ist der Bach da unten durch den tagelangen Regen schon ziemlich angestiegen. Wenn da noch einer an Bord war, als der Wagen da runter ins Gestrüpp-überwachsene Bachbett gestürzt ist, hat der momentan andere Probleme, als sich mit uns anzulegen.“

„Hallo Kollegen“, rief PHK Leitner den hinter ihnen herbeieilenden Streifenwagenbesatzungen zu. „Da vorne müssen wir hin. Links vom Waldweg liegt das gesuchte Fahrzeug in dieser Senke.“

Als die Polizisten am Rand des tiefergelegenen Bachbetts standen und auf das blickten, was einmal ein schicker Sportwagen gewesen war, meinte der Streifenführer POK Walter Schmidt: „Scheint niemand mehr drin zu sein.

Den Wagen da unten bekommen wir ohne schweres Bergegerät nicht nach hier herauf – ich fordere schon mal die Feuerwehr und einen Kran an.“

„Hier sind frische Reifenspuren am Wegrand“, rief PHK Wagner in diesem Moment. „Durch das nasse Wetter sind sie noch ganz gut sichtbar. Sieht ganz so aus, als ob hier ein zweites Fluchtfahrzeug gestanden hätte.“

„Okay, wir brauchen hier sowieso die Spurensicherung. Fotografiert schon mal die Reifenspur, bleibt aber ansonsten von dieser Stelle weg – vielleicht können wir ja den zweiten Fluchtwagen anhand des Reifenprofils identifizieren”, wies POK Schmidt seine Beamten umgehend an.

„Und wir schauen uns mal die Bildaufzeichnung unsere Außenkamera an. Möglicherweise haben wir die Mistkerle mit ihrem zweiten Fluchtfahrzeug ja auf Video – hier können wir euch ja im Moment eh’ nicht weiterhelfen“, meinte Michael Wagner als er sich zu den Streifenbeamten umdrehte, um sich dann zusammen mit seinem polizeilichen Einsatzleiter auf den Rückweg zum Hubschrauber zu machen.

„Wir melden uns dann bei euch, wenn wir die Videobilder in unserer Zentrale ausgewertet haben“, fügte er abschließend noch hinzu.

Damit verabschiedeten sich die beiden Flieger händeschüttelnd von POK Schmidt. „Sorry, aber wir hätten euch gerne ein besseres Fahndungsergebnis geliefert“, meinte PHK Leitner zornig.

„Da könnt ihr beide doch nichts dafür – die Zeit war schließlich auch für euch mit eurem Heli zu knapp. Und alles spricht dafür, dass die zwei Gangster ihren Coup minutiös vorbereitet hatten.

Übrigens haben die Kerle rund 2,5 Millionen Euro abgegriffen, da die alten Scheine der Erdinger Banken heute ausgetauscht werden sollten – und die Raiffeisenbank Altenerding war die erste auf der Tour des Geldtransporters.“

„Das bedeutet dann ja wohl, dass die Kerle das wahrscheinlich gewusst haben müssen und sich diesen Überfalltag nicht rein zufällig ausgesucht haben“, meinte PHK Leitner, der sich noch einmal zu den Erdinger Beamten umgedreht hatte.

„Davon kann man meines Erachtens ausgehen“, erwiderte POK Schmidt prompt, als er von Michael Wagner spontan unterbrochen wurde.

„Ich hab’ da noch eine Idee“, sagte PHK Wagner nachdenklich. „Wenn die Gangster nicht zur Autobahn, sondern zum Flughafen gefahren sind, wäre es sicher gut, wenn wir die Bundespolizei am Flughafen mit in die Fahndung nach diesen beiden Männern einschalten würden.“

„Guter Gedanke“, erwiderte POK Schmidt. „Soweit wir das bisher von den Augenzeugen des Überfalls wissen, waren die Kerle ziemlich jung, dunkelhaarig und vornehm gekleidet. Und beide scheinen südländische Typen gewesen zu sein.“

„Gut, das hilft den Kollegen am Flughafen sicher weiter – wir melden das gleich an unsere Zentrale“, entgegnete PHK Leitner. Und jetzt Tempo Michael. Wir müssen diese Info rasch absetzen. Euch sehen wir in dieser Sache sicher später nochmal auf der Wache. Also, Servus Kollegen.“

Damit rannten die beiden Beamten zu ihrem Hubschrauber. Während Michael den EC-135 startete, war Markus Leitner schon am Funk, um die Beschreibung der beiden Gangster an die Bundespolizei am Flughafen durchzugeben.“

„Ein echter Scheißtag – entspricht dem Nieselwetter“, meinte er danach zu seinem Hubschrauberführer. „Dann mal ab nach Hause, damit sich unsere Spezialisten das Video vornehmen können.“

Während Markus Leitner sofort nach der Landung auf der Einsatzbasis noch beim Ausbau der Kamerakassette war, wurde Michael Wagner schon von einem herbeigeeilten Beamten des Bodenpersonals gerufen.

„Du sollst gleich zum Chef kommen“, sagte der junge Hubschraubermechaniker hastig. „Lass alles stehen und liegen – er will dich sofort sehen.“

Bei diesen Worten wurde Michael Wagner aschfahl im Gesicht. Mit einem ziemlichen Kloß im Hals betrat er kurz darauf das Büro seines Einsatzleiters, in dem dieser bereits mit einem zweiten Mann in Zivil auf ihn wartete.

„Michael, das ist Dr. Werner Hofmann von unserem polizeiärztlichen Dienst“, stellte Polizeioberrat Heinrich Wolf den fremden Zivilisten vor. „Aber nimm doch bitte zuerst mal Platz.“

„Ich stehe lieber beim Anschiss – wir haben’s nämlich versemmelt“, erwiderte Michael Wagner mit fahriger Stimme, während er nervös spürte, wie seine Knie weich wurden. Tief in Inneren wusste er nämlich, dass das nicht der Grund für das unvermittelte Herbeizitieren sein konnte.

„Jetzt setz’ dich erst mal hin Micha. Und Anschiss ist Quatsch, und das weißt du auch.“

Nachdem sich Michael Wagner auf den Stuhl vor dem Schreibtisch seines Chefs begeben hatte, fuhr Oberrat Wolf schluckend fort. „Micha, mein Junge – ich hab’ leider sehr schlechte Nachrichten für dich.“

„Meine Eltern!“, platzte es sogleich aus dem jungen Piloten heraus. „Sie sind die zwei Opfer in Bergham“, murmelte er mit zitternder Stimme.

„Ja Michael, so leid es mir tut, aber sie sind es. Sie wurden erst vor wenigen Minuten identifiziert.“

Michael Wagner schien in ein tiefes Loch zu fallen. Heftig atmend und kalkweiß im Gesicht fragte er dann mit brüchiger Stimme: „Seid ihr euch wirklich sicher?“

„Ja, Herr Wagner“, mischte sich jetzt Dr. Hofmannmit leise in das Gespräch ein.

„Eine hinzugekommene Passantin, die in der Firma Ihres Vaters arbeitet, hat die beiden einwandfrei erkannt. Ich habe eben mit dem Notarzt telefoniert. Ihre Eltern sind mittlerweile auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Aber soviel kann ich Ihnen schon sagen – sie mussten nicht leiden. Und kein Notarzt dieser Welt hätte ihnen angesichts ihrer massiven Kopfverletzungen noch helfen können.“

„Ich will sie sehen – und zwar jetzt sofort“, schrie Michael Wagner wie ein waidwundes Tier auf, während er an allen Gliedern zitternd aufsprang.

„Das geht jetzt noch nicht, Micha. Dafür bleibt später noch genug Zeit. Ich fahr’ dich nachher selber in die Gerichtsmedizin rüber nach München“, nahm POR8 Wolf das Gespräch wieder auf, während Michael Wagner die Tränen seiner Trauer nicht mehr zurückhalten konnte.

„Wir werden diese brutalen Schweine kriegen“, fuhr POR Wolf fort. „Inzwischen ist das ein Fall für die Münchner Kripo und du brauchst jetzt erstmal Zeit, um wieder zu dir zu kommen. Deshalb wird dich Dr. Hofmann gleich auf unbestimmte Zeit krankschreiben.

Er und ich wollen nämlich, dass du dich von diesem Schicksalsschlag erholst und keinen Schaden nimmst. Und ich weiß, was da angesichts Trauer und Beerdigung demnächst auf dich zukommt.“

„Bitte nicht“, flüsterte Michael heiser. „Ich muss bei der Jagd auf diese Drecksschweine helfen. Das bin ich meinen Eltern schuldig.“

„Später Michael, später. Ich halte dich auf dem Laufenden, aber versprich mir, dass du jetzt nichts Unüberlegtes tust.“

„Aber ich bin doch mit schuld daran, dass sie überfahren wurden. Wir waren einfach nicht schnell genug vor Ort.“

„Hör’ endlich auf mit diesem Scheiß“, entgegnete POR Wolf vehement. „Du weißt sehr gut, dass ihr in Rekordtempo zur Stelle wart. Und nichts und niemand auf dieser Welt hätte den Mord an deinen Eltern verhindern können. Auch ihr mit eurem Hubschrauber nicht.“

Gleich darauf nahm Heinrich Wolf seinen Piloten freundschaftlich in den Arm.

„Du bist nicht alleine, Micha, auch wenn im Moment die ganze Welt über dir einzustürzen scheint. Glaub’ mir, wir alle hier werden dir helfen und die Kollegen von Bundespolizei und der Kripo tun das ganz bestimmt auch.“

Doch bereits in den nächsten Tagen wurde klar, dass die Verbrecher durch das aufgespannte Netz der Fahnder geschlüpft waren. Zwar hatte man in dem geborgenen Porsche DNA-Spuren und auf der Innenseite des Tankdeckels zwei Teilabdrücke sichern können, diese waren aber polizeilich nicht erfasst.

Und inzwischen wusste man anhand der auf dem Waldweg aufgefundenen Reifenspuren, dass es sich bei dem mutmaßlichen zweiten Fluchtfahrzeug um einen VW Touran gehandelt haben musste, der dann auch auf dem von Edelweiß 3 beim Überflug der Schlossallee aufgenommenen Video ausgemacht werden konnte.

Allerdings blieb unklar, in welche Richtung dieses silbergrau lackierte Fahrzeug auf die Flughafentangente eingebogen war. Außerdem blieb der VW Geländewagen sowohl bei der unmittelbar nach dem Vorfall durchgeführten Kontrolle der Parkplätze am Flughafen, als auch bei den sofort an den benachbarten Grenzen eingerichteten Kontrollen zunächst einmal verschwunden.

Erst gut drei Wochen später fand ein Landwirt in einem Steinbruch an der deutsch-österreichischen Grenze bei Bad Reichenhall ein ausgebranntes Wrack, das kurze Zeit später als das gesuchte Fahrzeug identifiziert wurde.

Daraus zog man den Schluss, dass die Täter wahrscheinlich über Österreich nach Italien oder in Richtung Balkan entkommen waren. Und da es sich bei dem VW – genauso, wie bei dem Porsche Cayenne – um ein in Starnberg gestohlenes Fahrzeug handelte, führte auch diese Spur nicht wirklich weiter.

Der einzige – zu diesem Zeitpunkt aber unbeachtete – Hinweis fand sich erst sehr viel später in den Einsatzberichten der sofort an den Abfluggates des Münchner Flughafens durchgeführten Personenfahndung.

Hier hatten Beamte der Bundespolizei u.a. auch zwei, den Ausweisen und Polizeidaten nach, bislang unbescholtene junge Männer aus der Münchener Promiszene kontrolliert, die – begleitet von zwei nicht minder prominenten Damen – auf dem Weg in den Italienurlaub gewesen waren.

Da die Personaldaten absolut stimmig schienen – und weil auch das Gepäck der jungen Leute keinen Anlass zur Beanstandung gegeben hatte, ließ man die beiden Pärchen aber letztendlich ziehen.

Kapitel 2Notfalleinsatz an der Donau

In den ersten beiden Tagen nach dem brutalen Überfall hielt sich Michael Wagner meist in seinem großen, an das Haus seiner Eltern angebauten Junggesellenappartement auf.

Das tiefe Loch, in das er wegen der Ermordung seines Vaters und seiner Mutter gefallen war, wurde durch das nasskalte Sauwetter, das sich zum Beginn des Monats Juni mit Sturzregen und kühlen Temperaturen noch intensiviert hatte, zusätzlich verstärkt.

Schon am Samstagmorgen nach dem Anschlag auf seine Eltern, war seine einzige Verwandte, die Schwester seines Vaters, bei ihm eingetroffen und hatte mit ihm zusammen die so plötzlich aus dem Leben Gerissenen beweint und ihn – wenn auch ohne Erfolg – zu trösten versucht.

Aber wie es ihre anpackende Art war, hatte Tante Waltraud, die nach dem frühen Krebstod ihres Ehemanns ihren früheren Mädchennamen ‚Wagner’ wieder angenommen hatte, sich sofort danach der Situation gestellt und auf Michaels Bitte hin in der Firma ihres Bruders vorläufig das Steuer in die Hand genommen.

Als sich Michael Wagner am 04. Juni 2013 bei einem späten Frühstück gerade eine Nachrichtensendung im Morgenfernsehen anschaute, in der über die rapide steigenden Flusspegel in ganz Bayern und Österreich berichtet wurde, klingelte Michaels Smartphone.

„Michael, Wolf hier. Wir haben hier in der Staffel ein Problem. Ich weiß, dass du im Moment wahrlich anderes um die Ohren hast, aber wir könnten dich heute hier gut gebrauchen.“

„Das Hochwasser, stimmt’s?“, fragte Michael sofort. „Gut geraten, damit hat’s zu tun“, erwiderte POR Wolf augenblicklich.

„Wir haben im Moment beinahe alle Kollegen im Einsatz. Nur für Markus fehlt uns momentan der Pilot, weil dein Nachfolger noch im Auslandsurlaub ist und deshalb erst ab der nächsten Woche verfügbar sein wird.

Heute Morgen hat uns Innenminister Karl Schwarz angerufen, weil er sich gerne aus der Luft ein persönliches Bild von der augenblicklichen Hochwasserlage an der Donau machen würde.

Da unsere übrigen Hubschrauber und auch die der Bundespolizei bereits seit Samstag alle im Einsatz sind, lautet meine Bitte: Wärst du trotz allem bereit, ab heute Mittag bei uns einzuspringen, um den Herrn Minister zusammen mit Markus über Regensburg und Deggendorf bis nach Passau und danach wieder hierher zurück zu fliegen?“

„Klar Heinrich. Einverstanden – ich komme gern. Hier fällt mir sowieso allmählich die sprichwörtliche Decke auf den Kopf. Vielleicht ist da ein wenig Ablenkung ganz nützlich. Meine Tante ist schon wieder in der Firma und hilft dort aus, weil ich mich dazu noch nicht aufraffen konnte.“

„Gut, aber fühlst du dich fit genug für diesen Einsatz?“, fragte POR Wolf zurück. „Sicher, das ist kein Ding. Am Nachmittag soll ja zumindest der Starkregen, dem Wetterbericht zufolge, ein wenig nachlassen.

Ich mach’ mich dann nachher gleich auf den Weg, will vorher nur noch meiner Tante Bescheid sagen. Markus soll schon mal unseren Heli vorbereiten – und sage ihm bitte, er soll voll auftanken. Ich hätte bei einem VIP-Transport bei diesem Wetter nämlich gern ausreichend Reserve an Bord.“

„Richte ich ihm aus, Michael – also dann bis nachher“, beendete Heinrich Wolf an dieser Stelle das Gespräch.

Schon eine gute Stunde vor dem geplanten Starttermin, kam Michael Wagner in der Einsatzbasis der Polizeihubschrauberstaffel an. Als er den Hubschrauberhangar betrat, lief ihm gleich sein Freund Markus entgegen.

„Am Freitag warst du ja gleich weg. Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, dir meine tiefempfundene Anteilnahme auszudrücken“, sagte PHK Markus Leitner, während er seinen Kollegen tröstend umarmte.

„Wenn ich dir bei irgendwas helfen kann, rufst du mich gefälligst an. Dafür sind Freunde schließlich da“, fügte er dann noch hinzu.

„Danke Markus, vielen Dank. Ich bin am Freitagnachmittag mit unserem Chef gleich in die Gerichtsmedizin nach München gefahren. Und die machen um 16:30 Uhr zu. Deshalb konnte ich nicht mehr bei dir vorbeikommen“, erwiderte Michael Wagner mit tränenfeuchten Augen, die er sich aber sogleich verstohlen wieder abwischte.

„Nun, wir haben zu tun – wie weit bist du mit der Flugvorbereitung?“, fragte PHK Wagner, nachdem er sich wieder gefasst hatte.

„Fast fertig, Start ist in ca. einer halben Stunde. Der Heli ist einsatzklar – ich lass ihn gleich rausschieben – und den Flugplan hab’ ich auch bereits eingereicht.“

„Okay, dann geh’ ich jetzt mal zum Boss und kümmere mich danach um die neuesten Wetterdaten für unser Strecke“, erwiderte PHK Wagner prompt.

Als Michael wenige Minuten später im Büro seines Chefs eintraf, wurde er von diesem schon erwartet. „Danke Micha, dass du uns zur Hilfe kommst. Innenminister Schwarz ist schon auf dem Weg hierher und wird wohl in Kürze eintreffen.

Ach so, ehe du fragst – es gibt leider noch nichts Neues zu dem Anschlag auf deine Eltern. Inzwischen hat die Mordkommission im K 119 der Kripo München die Ermittlungen aufgenommen und ich stehe mit deren Chef, einem EKHK10 Kurt Schröder, bereits in Kontakt. Wenn du in den nächsten Tagen mal Zeit hast, würde er übrigens gern einmal mit dir sprechen.

Ich kenne übrigens seinen Abteilungsleiter, den Leitenden Polizeidirektor Hans Breitner, ziemlich gut. Wir sind schon seit einiger Zeit befreundet und er hat mir versichert, dass der Fall bei Kommissar Schröder und seinen Leuten in den besten Händen ist.“

„Danke Heinrich, ich werde gleich morgen mal mit ihm telefonieren“, entgegnete Michael Wagner mit belegter Stimme, fasste sich aber sofort wieder und sagte: „Ich geh’ dann jetzt mal und hol’ mir das neueste Wetter für den heutigen Einsatz.“

„Habe ich schon für dich erledigt Micha“, erwiderte POR Wolf und drückte seinem Piloten eine Reihe von Ausdrucken und einen Datenträger in die Hand. „Musst du nur noch in deinen Navigationscomputer laden“, fügte er gleich noch hinzu.

Noch ehe PHK Wagner antworten konnte, riss POR Wolfs Sekretärin die Tür zu dessen Büro auf. „Die Herren sind da“, rief sie ganz aufgeregt, als hinter ihr auch schon Innenminister Schwarz mit seinem Personenschützer hereinkam.

„Grüß Gott meine Herren,“ sagte Karl Schwarz mit seiner bekannt sonoren Stimme, während er den beiden anwesenden Männern der Hubschrauberstaffel die Hand schüttelte.

„Ich hoffe, mein so kurzfristig erbetener Flug macht Ihnen nicht allzu viele Umstände. Aber unser Ministerpräsident Hofer möchte, dass auch die Politik bei dieser Hochwasserkatastrophe Flagge zeigt.

Er selbst und Finanzminister Sandner sind mit zwei Helikoptern von der Bundespolizei ebenfalls unterwegs und schauen sich die Lage entlang der A8 im deutsch-österreichischen Grenzgebiet bzw. entlang der Isar an.

Wir wollen uns dann am späteren Nachmittag in Passau zu einer improvisierten Pressekonferenz treffen. Dazu müssen wir aber zunächst mal mit eigenen Augen sehen, wie schlimm die Lage, insbesondere in Passau tatsächlich ist.“

In diesem Moment fiel der Blick von Karl Schwarz auf Michaels Namensschild. „Ach du liebe Zeit – sind Sie der Beamte, dessen Eltern am Freitag bei diesem hinterhältigen Anschlag in Erding ihr Leben verloren haben?“, fragte er sichtbar bestürzt.

„Ja Herr Minister, das waren meine Eltern. Sie waren wohl, wie es immer so schön heißt, zur falschen Zeit am falschen Ort“, erwiderte Michael Wagner mit belegter Stimme.

„Mein allerherzlichstes Beileid, Herr Wagner“, entgegnete Karl Schwarz, während er nochmals Michaels Hand ergriff und diese ziemlich teilnahmsvoll drückte.

„Polizeidirektor Breitner von der Abteilung Einsatz im Münchner Präsidium hat mich über den Fall noch am Freitagabend informiert. Und ich verspreche Ihnen hoch und heilig, dass er und seine Leute keine Ruhe geben werden, bis wir diese Verbrecher gefasst haben.“

„Danke Herr Minister“, sagte Michael knapp, als Minister Schwarz auch schon weiter fragte. „Aber warum sind Sie heute hier – ich dachte man hätte Sie erstmal beurlaubt? Sie haben doch sicher eine ganze Menge an wichtigeren Dingen zu regeln, als mich bei diesem Mistwetter durch die Gegend zu fliegen.“

„Nun, wenn Sie gestatten Herr Minister, das kann ich wohl am besten beantworten“, meldete sich jetzt POR Wolf zu Wort.

„Wir sind im Moment ein wenig knapp an Piloten und deshalb habe ich Hauptkommissar Wagner gebeten, heute einzuspringen. Und er hat zugestimmt und ist gleich hergekommen. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie sind bei ihm als erfahrenem Profi – trotz des erlittenen herben Schicksalsschlags in den allerbesten Händen.“

„Im übrigen gibt’s im Moment für mich noch nichts zu regeln, weil die Obduktion meiner Eltern noch nicht abgeschlossen ist“, warf Michael jetzt mit betont leiser Stimme ein. „Außerdem habe ich in der Firma meines Vaters jetzt Unterstützung durch meine Tante und zuhause sitze ich doch bloß unnütz in der Gegend herum.“

„Gut Herr Wagner, aber wann immer Sie von mir Hilfe benötigen, melden Sie sich bitte. Ihren Beruf und die Firma unter einen Hut zu bringen, wird auf Dauer schließlich nicht gehen. Versprechen Sie mir daher, dass Sie mein Angebot annehmen, sobald Sie sich entschieden haben, wie es bei Ihnen beruflich weitergehen soll. Und das ist nicht nur eine so dahingesagte Floskel meinerseits.

Auch wenn ich nur ungern fähige Beamte verliere, hat die Politik schließlich auch ein Interesse daran, dass Ihre Firma und all die Arbeitsplätze, die da dranhängen, weiterbesteht.“

„Danke Herr Minister, ich verspreche es“, sagte Michael Wagner tief berührt. „Aber jetzt sollten wir so langsam mal losfliegen.“

Als Michael Wagner mit seinen beiden Passagieren das Vorfeld betrat, war dort, außer Markus Leitner, noch ein weiterer Beamter der Staffel anwesend, der sich offenbar ebenfalls zum Mitflug fertigmachte.

„Grüß dich Dirk“, rief Michael dem jungen Polizeihauptmeister entgegen, der gerade die elektrooptischen Sensoren des Hubschraubers vom Platz hinter dem Piloten aus klarmachte.

„Was macht den Dirk hier?“, fragte PHK Wagner indessen seinen Kollegen Markus Leitner.

„Na ja, ich hab’ schon heute Morgen unseren Boss gebeten, uns bei diesem Flug einen EOS-Operator11 mitzugeben, da ich bei dieser prominenten ‚Fracht’ auf Nummer sicher gehen will und gerne eine gescheite Navigationsunterstützung hätte“, meinte PHK Leitner leise.

Dem hat Heinrich sofort zugestimmt und unser Dirk hier ist der Beste. Außerdem ist er ein fähiger Rettungssanitäter, falls sich unsere Gäste bei deinen Flugkünsten mal wieder übergeben müssen“, erwiderte Markus Leitner sofort.

„Ganz schön vorlaut, der Herr Kollege“, meinte Michael zum ersten Mal an diesem Tag leise grinsend zu seinem Freund.

„Ist aber dennoch eine gute Idee, mein Lieber – dann lass uns mal so langsam aufbrechen. Und schnall’ unsere beiden Passagiere bitte gescheit fest, es dürfte bei diesen Windverhältnissen heute etwas ruckelig werden. Und leg’ ihnen ein Headset an, damit man nachher mit ihnen reden kann.“

Nur wenig später war der Hubschrauber Edelweiß 3 in Richtung Regensburg in der Luft. „Müssen wir bis Passau unterwegs noch irgendwo zum Tanken heruntergehen?“, erkundigte sich Minister Schwarz mit Blick auf das leicht angespannte Gesicht seines Personenschützers.

„Nein Herr Minister“, beantwortete Markus Leitner die Frage über die Bordsprechanlage. „Wir haben mit dem EC-135 eine Standardreichweite von rund 600 Kilometern, deshalb könnten wir den Flug sogar komplett ohne Auftanken bestreiten.

Da es aber heute in der Luft ziemlich unruhig ist und wir deshalb deutlich mehr Sprit verbrauchen, als normal, wollen wir lieber auf Nummer sichergehen.

Wir werden Sie deshalb in Passau, wie vorgesehen, auf einem Sportfeld in der Nähe des Stadtzentrums absetzen, damit Sie den Herrn Ministerpräsidenten treffen können. Ein Fahrzeug, das Sie zu ihm bringt, wird dort bei unserer Ankunft bereits auf Sie warten. Wir fliegen derweil – da der Flugplatz in Vilshofen bereits überflutet ist – weiter zum Flugplatz Fürstenzell, tanken dort auf und kommen dann wieder zurück.

Ich habe jetzt übrigens gerade die Katastrophenleitstelle der Landkreise über Funk am Ohr. Wenn Sie mithören oder mit denen sprechen möchten, schalte ich Sie dazu.“

„Sehr gerne, Herr Leitner, aber ich will im Moment nur zuhören“, entgegnete der Minister sogleich. Doch ehe er sich noch auf den Sprechfunkverkehr konzentrieren konnte, blickte Karl Schwarz ungläubig auf die Bildschirme des seitlich neben ihm sitzenden EOS-Operators Dirk Petersen.

„Das ist wirklich heftig, mein Gott – das da unten sieht ja aus, wie nach einem Krieg“, murmelte er in sein Headset, als der Hubschrauber in diesem Moment das Donaugebiet erreichte.

„Ja, Regensburg hat’s anscheinend ordentlich erwischt, aber im Landkreis Deggendorf und vor allem in Passau sind den Einsatzmeldungen zufolge noch schlimmere Verwüstungen zu verzeichnen“, meldete sich jetzt wieder PHK Leitner zu Wort.

„Wenn Sie genug gesehen haben, drehe ich jetzt in eine Rechtskurve und folge der Donau in Richtung Deggendorf“, schaltete sich der Pilot des Hubschraubers in diesem Augenblick in die Bordkonversation ein.“

„Okay, machen Sie das Herr Wagner“, sagte Karl Schwarz, dessen anfängliches Erstaunen nun einem zunehmenden Entsetzen Platz gemacht hatte.

„Sieht wirklich nicht gut aus“, merkte Markus Leitner in diesem Moment an, während der EC-135 sich gegen die Sturmböen entlang der A3 nach Südosten kämpfte.

„Aber der Wind flaut langsam ab und wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, beginnt auch der Donaupegel bei Passau inzwischen wieder langsam zu fallen“, sagte PHK Michael Wagner gerade über die Bordsprechanlage, als er kurz nach dem Überfliegen der Stadt Deggendorf auf ein akustisches Notsignal der örtlichen Rettungsleitstelle Hengersberg aufmerksam wurde.

„Was ist das?“, fragte Minister Schwarz besorgt. „Keine Sorge, das kommt nicht von unserer Maschine, aber da vorne scheint jemand in Not geraten zu sein“, erklärte PHM12 Dirk Petersen umgehend.

„Und immer, wenn so etwas geschieht, bekommen wir hier an Bord eine optische und akustische Warnanzeige.“

„Tut mir leid, Herr Minister. Aber wir sind jetzt gefordert – auch wenn wir dadurch möglicherweise ein bisschen zu spät nach Passau kommen“, rief Michael Wagner in sein Headset, während Markus Leitner bereits auf die Sprechfrequenz der örtlichen Rettungsleitstelle wechselte.

„Rettungsleitstelle, hier Edelweiß 3 – wir empfangen ihr Notsignal – wie können wir helfen?“, fragte er in den Äther.

„Edelweiß 3, hier Florian 14/30, Rettungsleitstelle Hengersberg. Ein Donaudamm bei der Gemeinde Winzer ist vor wenigen Minuten gebrochen und hat einen unserer Feuerwehrkameraden mitgerissen, der gerade auf der Dammkrone war. Er hängt jetzt an einer Treibgutinsel ca. 800 Meter vor dem nächsten Wehr fest. Könnt ihr helfen – wir kommen mit unseren Booten nämlich bei dieser Strömung nicht dorthin.“

„Florian 14/30, verstanden. Wir gehen jetzt kurz runter und bereiten eine Außenbergung vor. Melden uns gleich wieder!“, rief Markus Leitner in sein Mikro, ehe er sich auch schon von seinem Sitz losschnallte und die Seitentür des Hubschraubers aufschob.

„Das muss jetzt perfekt klappen. Dirk, du suchst einen Absetzpunkt, wo unsere Gäste aussteigen können und ich mich ans Außenseil einklinken kann. Ich trenne jetzt die Kabelverbindung zur Sprechanlage und schalte auf Helmfunk um.“

„Halt Markus!“, rief Michael Wagner in diesem Moment. „Der Landepunkt, den mir Dirk grade gibt, ist viel zu gefährlich. Der Boden dort direkt am scheinbar festen Ufer ist eindeutig zu glitschig und der Boden viel zu aufgeweicht.

Wir machen das deshalb so – du steigst am Landepunkt aus und ich halte unseren Heli knapp über dir, damit du die Traglast-Seilwinde aktivieren kannst. Dann hängst du dich ein und ich ziehe dich wieder hoch.“

Kurz nach hinten gewandt, fuhr PHK Wagner fort: „Sorry, Herr Minister – aber so wie es aussieht, werden Sie beide wohl an Bord bleiben müssen.“

Obwohl die entsetzten Augen von Innenminister Schwarz etwas Anderes ausdrückten, sagte er dennoch ruhig: „Verstanden Herr Wagner, machen Sie weiter – ich vertraue auf euer Können.“

„Bin am Seil!“, meldete sich wenige Minuten später PHK Leitner, dem es nach zwei erfolglosen Versuchen endlich gelungen war, sich an der von ihm zuvor freigelegten Außenlastwinde des Hubschraubers festzuklinken.

„Zieh langsam hoch, damit ich über die Bäume da vorn komme – und halt unseren Heli endlich mal gerade“, schimpfte er gleich hinterher.

„Halt die Klappe Markus, ich bin ja schon dabei!“, antwortete Michael, ehe er auch schon rief: „Dirk, gib mir die Richtung!“ „Bleib so, du bist genau auf Kurs“, antwortete PHM Petersen trocken.

„So, bin jetzt über diese Scheißbäume drüber – du kannst mich jetzt langsam wieder tiefer durch die Luft rudern lassen“, knurrte Markus Leitner kurz darauf an seinem Seil unter dem Hubschrauber.

„Dreh’ noch ein bisschen mehr nach 1 Uhr, genau – da vorn hängt der Feuerwehrmann – ich hab’ ihn genau im Visier“, meldete Dirk Petersen in diesem Moment.

„Danke Dirk. Markus siehst du ihn – er trägt ’ne orangegelbe Rettungsweste!“

„Ziel erfasst“, kam es umgehend von Markus zurück. „Wir sind genau auf Kurs – und jetzt – mach’ langsamer und lass mich vorsichtig runter. Mist, er kann sich scheinbar kaum noch halten,“ kam es gleich darauf von PHK Leitner.

Doch es benötigte nach dem ersten, noch einen weiteren Versuch, ehe PHK Leitner den inzwischen wild um sich rudernden Feuerwehrmann zu fassen bekam.

„Scheißdreck, diese Treibinsel scheint langsam auseinander zu brechen“, alarmierte Markus im gleichen Augenblick per Funk und auch vom knapp über der Wasseroberfläche äußerst niedrig fliegenden Hubschrauber konnte man sehen, dass sich das Konglomerat aus Ästen, kleinen Stämmen und sonstigem Treibgut durch den Rotorabwind langsam aufzulösen begann.

Während Markus den verunglückten Feuerwehrmann an sich krallte und dessen Hüftgurt in rasender Geschwindigkeit per Karabinerhaken an seiner Tragschlaufe befestigte, brach das Treibgut in der immer noch rasenden Strömung mit einem lauten Knall entzwei.

„Hoch, hoch – mach schon!“ rief Markus seinem Freund und Piloten Michael zu, der den EC-135 sofort ein ganzes Stück weit anhob. „Haben wir euch beide sicher am Seil?“, fragte er gleichwohl mit ruhiger Stimme. „Ja, alles klar – das war ziemlich knapp, mein Lieber“, erwiderte Markus Leitner per Funk.

„Dirk – Meldung an Florian 14/30 – wir haben ihn“, sagte Michael Wagner zu seinem dritten Besatzungsmitglied, während er den Hubschrauber behutsam in Richtung Donauufer drehte.

„Die sollen uns jetzt sofort einen nahegelegenen Landeplatz zuweisen, wo wir unsere ‚Außenfracht’ vorsichtig absetzen können.“

„Hier Florian 14/30. Wir haben mitgehört“, meldete sich der Einsatzleiter der Rettungsleitstelle in diesem Moment per Funk.

„Leute, ihr habt’s wirklich drauf. Danke, dass ihr unseren Mann gerettet habt. Euer Landepunkt ist der Sportplatz bei der Gemeinde Bergham, nur knapp einen Kilometer von euch entfernt. Ich sende euch gerade einen Positionsmarker. Zwei RTW13 von uns sind mit Notarzt bereits vor Ort.“

„Danke Florian, wir landen in knapp einer Minute. Stellt euch auf Unterkühlung ein. Und bitte weist eure Rettungskräfte darauf hin, dass die beiden per Seil an unserem Außenlasthaken hängen, und nicht an unserer Rettungswinde – denn dafür hatten wir keine Zeit mehr. Und ehe die zwei da unter uns nicht in Sicherheit sind, kann ich meinen Hubschrauber nicht aufsetzen.“

„Verstanden Edelweiß 3, Rettungskräfte erhalten Kenntnis. Nochmals Danke und viel Glück. Ich bin selbst in ein paar Minuten bei euch vor Ort.“

„Wer war das denn?“, fragte der den Funkverkehr mithörende Innenminister Schwarz in diesem Moment von hinten.

„Das war, der individuellen Funkkennung nach, der Landrat des Kreises Deggendorf höchstpersönlich. Soweit ich aus einem Presseartikel weiß, war er früher Offizier beim KSK14 der Bundeswehr“, antwortete PHM Petersen umgehend.

„Na ja, dieser Kerl ist zwar ein Roter, aber einer von der besseren Sorte. Glaub’ ich wenigstens. Bin mal gespannt, was er sagt, wenn ich gleich mit aus dem Hubschrauber aussteige.“

„Politiker!“, grummelte Michael Wagner leise und innerlich lächelnd vor sich hin, als er den bezeichneten, höher gelegenen Landeplatz mit aller Vorsicht anflog.

Nachdem die Rettungskräfte am Boden die beiden, als ungewöhnlichen Außenlast transportierten Personen, in Empfang genommen hatten, landete er den EC-135 gleich danach sanft auf dem Rasen des Sportplatzes der Berghamer Schule.

„Schon wieder ein Ort namens Bergham, wenn auch ein ganz Anderer“, dachte Michael Wagner, als er die beiden Turbinen des Hubschraubers in den Leerlauf brachte und nach deren Abschalten die Rotorbremse einlegte.

„Aber diesmal haben wir den Wettlauf gegen die Zeit gewonnen“, sagte er sich und war zum ersten Mal froh, dass dieser Tag bislang völlig anders, als der letzte Freitag verlaufen war.“

Als der Hauptrotor des EC-135 zum Stillstand gekommen war, öffnete Michael Wagner seine Cockpittür und sprang auf den Boden, um Dirk Petersen beim Aussteigen seiner Gäste an diesem unvorhergesehenen Landeplatz zu unterstützen.

Den Innenminister dem überaus verblüfften politischen Kontrahenten überlassend, eilte Michael sofort im Laufschritt zum RTW, in dem sein Kumpel Markus inzwischen mit einem Goldfolienumhang unter einer Infrarotlampe aufgewärmt wurde.

„Fehlt ihm was?“, fragte er den anwesenden Notarzt augenblicklich.

„Nein, Ihr Kollege ist nur ein wenig unterkühlt und nass geworden ist er auch. Aber ansonsten ist er unverletzt und wohlauf.“

„Markus, alter Krieger, ich hatte schon gedacht, dass du ernsthaft zu Schaden gekommen wärst. So schnell, wie die Rettungskräfte dich gerade abtransportiert haben, war ich schon aufs Schlimmste gefasst. Aber wie ich sehe, liegst du nur faul unter einer Höhensonne auf einer bequemen Trage“, neckte Michael Wagner seinen Partner.

„Du Spinner!“, grollte Markus Leitner sogleich. „Unkraut vergeht bekanntlich nicht. Aber ich bin nicht nur höllisch nass geworden, sondern ich friere auch noch immer. Lass mich also noch ein paar Minuten in Ruhe.“

Da sich der besorgte Michael Wagner, selbst nach diesem verbalen Ausbruch seines Freunds, keinen Zentimeter von der Trage entfernte, sagte Markus mit entnervten Blick: „Sag mal, haben unsere VIP-Gäste eigentlich begriffen, dass so eine Rettung am Außenlasthaken eines Hubschraubers eigentlich noch nie versucht worden ist, weil sie gegen alle Regeln verstößt?“

„Weiß ich nicht – ist mir aber auch egal. Zumindest war das eine absolut geglückte Premiere, auf die wir alle beide stolz sein können, denn bei dieser Harakiri-Aktion – noch dazu mit unserem obersten Dienstvorgesetzten an Bord – hat die Rettung von Menschenleben ausnahmsweise ja mal geklappt.

Und was die Herren Vorgesetzten später mit mir machen, ist mir eigentlich ziemlich wurscht. Ich werde den Dienst ja sowieso über kurz oder lang quittieren müssen. Also denk dran – ich, und nicht du – habe das heute zu verantworten.“

Doch Michael Wagners Befürchtungen erwiesen sich am Ende als absolut unbegründet. Nicht nur die ungewöhnliche Rettungsaktion seiner Crew ging durch alle Medien, sondern es wurden ihm und seiner gesamten Besatzung auf Veranlassung des Innenministers – nach dem in weiterer Abfolge sehr planmäßig verlaufenen VIP-Transport – viele Wochen später und völlig unerwartet zudem noch die bayerische Rettungsmedaille für den erfolgreichen Einsatz bei Hengersberg verliehen.

Kapitel 3Beerdigung und vorläufiger Abschied

Am Dienstag der zweiten Juniwoche, genau eine Woche nach dem spektakulären Rettungseinsatz an der Donau, fand die Trauerfeier für Michaels Eltern auf dem westlich der Stadt gelegenen Erdinger Friedhof unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt.

Nicht nur viele Kollegen der Hubschrauberstaffel, sondern auch eine große Anzahl von Stammkunden sowie die gesamte Firmenbelegschaft der Wagner Logistik GmbH waren gekommen und standen an diesem noch immer regnerischen Tag mit am Grab.

Und auch seine einzige noch lebende Verwandte, Waltraud Wagner, die jüngere Schwester von Michaels Vater, nahm an der aus Michaels Sicht viel zu pompösen Beerdigung teil und hielt ihn dabei beschützend fest an der Hand.

Michael Wagner gab sich unterdessen sehr wortkarg und einsilbig, als er die Beileidsbekundungen entgegennahm, die er nur für die unvermeidlichen örtlichen Honoratioren zugelassen hatte.

Obwohl er kaum zuhörte, waren ihm dennoch, genauso, wie bei den wenigen Firmenbesuchen der letzten Tage, schon während der Trauerfeier die verstohlenen, zum größten Teil aber auch ängstlichen Blicke der Firmenbelegschaft seines Vaters aufgefallen, da er sich als dessen Erbe bisher in keiner Weise zu einer Übernahme der Spedition geäußert hatte.

„So mein Lieber – und wie soll’s jetzt deiner Meinung nach weitergehen?“, fragte Waltraud Wagner, als man nach dem Beerdigungstrubel am darauffolgenden, noch immer verregneten und für die Jahreszeit zu kühlen Mittwoch im verlassen wirkenden Wohnzimmer der Wagners gemeinsam vor dem entfachten Kaminfeuer beisammensaß.

„Tante Traudel, im Moment weiß ich wirklich nicht, was ich machen soll.“

„Aber die leidenden Mienen unserer fast 200 Mitarbeiter sind dir bei der Trauerfeier hoffentlich nicht entgangen – oder?“

„Nein, liebes Traudchen – ich hab’s gesehen. Und deshalb fühle ich mich ja so mies. Ich wollte immer nur fliegen – und jetzt begreife ich langsam, wie selbstsüchtig das von mir war. Sag mal, könntest du nicht an Vaters Stelle die Firma übernehmen?“

„Du spinnst wohl, Michi. Ich hab’ vom Speditionsgeschäft kaum eine Ahnung. Ich bin schließlich seit Jahren verwitwet und für sowas auch schon viel zu alt. Und nenn’ mich nicht immer ‚Tante Traudchen’ – du weißt, dass ich das schon von deinem Vater nicht leiden konnte.“

„Ist ja gut, Tante Waltraud – ich dachte halt nur.“ „So, mein Neffe kann eigenständig denken, ich glaub’s ja fast nicht“, stellte Waltraud Wagner sichtbar genervt fest.

„Ich will dir mal was sagen, mein lieber Bub. Ich kenne dich jetzt schon seit fast 30 Jahren, hab dich auf den Knien geschaukelt und dich in etlichen Urlauben auf unserem Allgäuer Bauernhof herumtoben lassen.

Allerdings hätte ich – anders als dein alter Herr – dir deine Flieger-Sperenzien schon von Anfang an niemals durchgehen lassen. Doch das ist Schnee von gestern, denn jetzt bist du – und nur du ganz allein – in der Pflicht.

Da draußen gibt es gut 200 Mitarbeiter deiner Spedition. Die haben fast alle Familie und die haben Angst, dass sie über kurz oder lang auf der Straße stehen werden, weil sie fürchten, dass du eventuell vorhast, die Spedition so rasch, wie möglich zu schließen, um das Tafelsilber zu verscherbeln.

Für diese Menschen trägst du Verantwortung, mach dir das endlich mal klar. Also, was ist dir lieber? Willst du das windige Unternehmersöhnchen sein, das dem, was sein Vater in langen Jahren mit vielen Entbehrungen erfolgreich aufgebaut hat, den Todesstoß versetzt, oder willst du dich jetzt endlich mal so langsam zu deinem Erbe bekennen und die Dinge anpacken?“

Michael Wagner überlegte eine ganze Weile, ehe er schließlich mit Bedacht antwortete. „Ich glaube Tante Traudel, du hast Recht. Man kann diese vielen Leute nicht im Regen stehen lassen.“

„Nein, das kann man nicht, bin froh, dass du das endlich begreifst“, bemerkte Waltraud Wagner trocken, als Michael auch schon mit seiner Rede fortfuhr.

„Mir bleibt also – wie es scheint – nichts Anderes übrig, als mich dieser neuen Verantwortung zu stellen. Ich hab’ übrigens ebenfalls – und noch weniger, als du – so gut, wie keine Kenntnisse von den Geschäften meines Vaters.

Deshalb wäre ich sehr froh, wenn du mir zumindest in der ersten Zeit ein bisschen unter die Arme greifen könntest. Deinen Bauernhof hast du ja inzwischen verpachtet und lebst in deiner Pension in Kempten. Und am Ende finden dann zwei blinde Hühner tatsächlich öfter mal mehr, als nur ein Korn.“

„Sei nicht so frech, mein Junge. Man kann alles lernen – und blöd bist du ja schließlich nicht.

Was deine Bitte angeht – sage ich dir nach stiller Beratung mit meinem im Himmel befindlichen Gatten: Ja, ich werde dir in den kommenden Monaten helfen. So gut ich halt kann. Aber erwarte keine Wunder von mir. Und vor allem nicht, dass ich den Betrieb längerfristig für dich übernehme, damit du dich wieder zu deinen Hubschraubern verdrücken kannst.“

„Ich hab’s ja kapiert, Tante Traudel. Ich muss aber erst mal mit meinen Vorgesetzten sprechen, wann und wie ich am besten aus dem Polizeidienst aussteige.

Morgen früh wollte ich sowieso zu meinem Chef fahren, um mich für seine bisherige Unterstützung zu bedanken.“

„Mach das, mein Junge. Und wenn wir schon mal dabei sind, deine Zukunft zu erörtern, solltest du auch mal drüber nachdenken, dir eine nette Frau zuzulegen, ehe du die besten Jahre deines Lebens nutzlos als ewiger Junggeselle vertändelst.“

Michael Wagner war völlig sprachlos, als er seine Tante bei diesen Worten überrascht aus seinen braunen Augen anstarrte.

Er hatte zwar schon ein paar Erfahrungen mit dem angeblich schwachen Geschlecht gesammelt, aber bisher war die Richtige nie dabei gewesen. Vor allem, wenn seine gerade aktuellen Freundinnen von seinen unregelmäßigen beruflichen Dienstzeiten erfuhren, war die jeweilige Beziehung meist sehr schnell wieder in die Brüche gegangen.

„Guck mich nicht so verblüfft wie ein Mondkalb an“, sagte Waltraud Wagner gleich darauf mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du bist jetzt 28 Jahre alt – und da wird’s langsam mal Zeit, dass du dich nicht nur um deine berufliche, sondern auch um deine private Zukunft kümmerst.“

„Okay Tante Traudel, ich hefte dann am morgigen Mittwochnachmittag, wenn ich mit der Belegschaft gesprochen habe, gleich mal ’nen Aushang an unser schwarzes Brett.

Wie wär’s damit: