Die goldenen Bücher und der Illustrator Hugo Wilkens - Kurt Dröge - E-Book

Die goldenen Bücher und der Illustrator Hugo Wilkens E-Book

Kurt Dröge

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als im Jahr 1925 eine kleine Buchreihe Die goldenen Bücher im Berliner Verlag Morawe & Scheffelt erschien, reihte sie sich ein in die verlegerischen Versuche, klassische deutsche Literatur in bebilderten, sogenannten wohlfeilen Volksausgaben zu verbreiten. In der Reihe erschienen nur zehn Bücher, die von dem Zeichner Hugo Wilkens gestaltet und illustriert wurden. Trotz oder vielleicht gerade wegen ihres Anspruchs, die goldenen und damit gemeint: wertvollsten Bücher ihres Metiers zu präsentieren, blieb die Reihe relativ erfolglos, wie auch zahlreiche vergleichbare Unternehmungen einer ästhetisierenden Popularisierung von belletristischer Literatur. Die Darstellung zeichnet die Geschichte der Buchreihe und ihres Verlages nach und nimmt den Illustrator Wilkens mit seinem auch über die Buchreihe hinausgehenden Werk in den Blick.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 67

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Das Goldene Buch

Die goldenen Bücher: zehn Titel und ein Illustrator

Der Verlag Morawe & Scheffelt in Berlin

Zur Biographie des Zeichners Hugo „Hugh“ Wilkens

Das illustratorische Werk von Hugo Wilkens

Gebrauchsgraphik zwischen Kunst und Reklame

Das Goldene Buch

Im Jahr 1925 erschien im Verlag Morawe & Scheffelt in Berlin eine neue Buchreihe unter dem Reihentitel Die goldenen Bücher. Beworben wurde die Reihe als „neue Auswahl der besten Erzählungen und Novellen“. Es handelte sich um festgebundene, kleinformatige Bändchen (Klein-Oktav) mit zumeist sehr bekannten, ja klassischen literarischen Kleintexten in ausgesucht hochwertiger, wenngleich nicht bibliophiler Ausstattung. Dazu gehörten einzelne Illustrationen im Text sowie eine Titelzeichnung, die auf den Inhalt verwies und mit der Titeltypographie eine gestalterische Einheit bildete. Der serielle Charakter der Reihe wird auf der Grundlage der einheitlichen Ausstattung und eines geschlossenen graphischen Konzeptes rasch ersichtlich.

Um die Reihe als solche auf dem Buchmarkt zu etablieren, erschienen wohl nahezu zeitgleich zehn Bände. Ihnen sind keine weiteren mehr gefolgt, was dazu geführt hat, dass die kleine Reihe einschließlich der Akteure, die an ihr beteiligt waren, rasch in Vergessenheit geriet. Beiden, der Reihe wie den Akteuren, mag an dieser Stelle eine gewisse Aufmerksamkeit zuteilwerden. Den Ausgangspunkt bilden Sammlerlust und Freude an der seriellen Ästhetik der Bände.

Wenn ein Verlag eine Buchreihe mit literarischen Erzählungen überschaubarer Länge von bekannten Autoren unter dem Titel Die goldenen Bücher herausbringt, beabsichtigt er, sich werblich von konkurrierenden Unternehmungen gleichen Inhalts abzusetzen, und setzt oder besser: suggeriert damit in mehrerlei Hinsicht hohe Maßstäbe. Der Anspruch, die besten Exemplare einer Gattung anzubieten, kann heute leicht als Hybris oder auch als Marktschreierei verstanden oder auch missverstanden werden.

Wenn diese Bücher ganz real, materiell wie visuell, als kleine, aber zur Gänze geradezu glänzend-goldfarbene Bändchen daherkommen, kann sich in der Wahrnehmung freilich ein zwiespältig erscheinendes Element hinzugesellen: Ist der mit dem Reihentitel sinnbildlich gemeinte hehre Anspruch, den Goldschatz der „schönen deutschen“ Literatur neu zugänglich zu machen, vielleicht nicht so ganz ernst gemeint oder entbehrt zumindest nicht einer gewissen ironischen Note angesichts der „Notwendigkeit“, das „Goldige“ auch haptisch wirksam mit zu nutzen?

Solche Fragen können sich aufdrängen seit einigen Jahrzehnten, in welchen die Nutzung des Allerweltsbegriffes Goldenes Buch sich zu einem multifunktionalen Allzweck-Werbevehikel für jedes Überblicks- oder Komplettwissen in Verbindung mit dem Anspruch auf maximal gesteigerte Sinnenfreude entwickelt hat. Die Titulierung als Goldenes Buch wird schon lange nicht mehr mit der Bibel, dem Buch der Bücher, verbunden, und zugehörige volkstümliche Merkverse sind in den letzten hundert Jahren vollständig in Vergessenheit geraten: „Die Bibel ist ein goldnes Buch, ein Edelstein ist jeder Spruch. Wo keine Bibel ist im Haus, da sieht es öd‘ und traurig aus.“

Eine Titulierung als Goldenes Buch ist, wohl schon seit langem, für jede Publikation zugänglich und gänzlich ungeschützt, wie der geradezu inflationäre Gebrauch dieses vermeintlich „höchstwertigen“ Gehaltes an Text und Bild beweist. Waren die goldenen Bücher wohl ursprünglich seit dem Mittelalter italienische Adelsregister, so hat heute jede Stadt ihr Goldenes Buch, in das sich Ehrengäste während ihres Besuches eintragen dürfen. Auch dieses Buch trägt nicht selten, obgleich sinnbildlich gemeint, ganz konkret-wörtlich Vergoldungen am Einband oder einen Goldschnitt der Buchseiten.

Jedes irgendwie denkbare Sachmetier, und sei es noch so abseitig oder abwegig, kann oder konnte zumindest eine Zeitlang mit einem sich omnipotent gerierenden Goldenen Buch attraktivitätssteigernd – und zugleich in seiner Wertigkeit nicht mehr steigerungsfähig – beworben und kommerziell vermarktet werden.

Sicherlich darf als einer der frühen Wegbereiter einer solchen konsumorientierten Entwicklung der Hl. Ludwig Maria Grignion von Montford betrachtet werden, dessen „Goldenes Buch der vollkommenen Hingabe an Maria“ seit etwa 1700 als zentrales kirchlichliterarisches Beispiel für die katholische Marienverehrung gilt. Ihm folgte, mit zeitlichem und gehaltlichem Abstand, im 20. Jahrhundert eine unüberschaubar große Anzahl von „Goldenen Büchern“: der Ewigkeit, der Liebe, der Mutter, der Weisheit, aber auch der Kochkunst, der Singvögel oder Alpentiere und aller möglichen weiteren Interessensgebiete in einer schier unbegrenzten Anwendbarkeit, vom Familienratgeber der 1920er Jahre bis zum „Karatejournal“: Bruce Lee.

Das Goldene Buch (1977). Literarische Bearbeitungen, etwa in Romanform, die sich des aufmerksamkeitsheischenden und beliebten, allmählich aber zur Floskel verkommenden Begriffes bedienten, erfolgten parallel, wenn auch in geringerer Zahl.

Die Idee, dem Goldenen Buch Reihencharakter zu verleihen, machte sich in den 1960er Jahren der Stuttgarter Hallwag-Verlag zu eigen. Bis weit in die 1970er Jahre hinein publizierte er nach dem Motto „die Welt entdecken“ eine Vielzahl von Bildbänden als touristische Führer mit Erinnerungsfunktionen durch die Städte, Länder und Kulturregionen der ganzen Welt. Die goldenen Bücher des Hallwag-Verlages, der bis heute Reiseführer in großem Maßstab produziert und vertreibt, wurden später von zahlreichen anderen Reihen abgelöst. Sie trugen, an dieser Stelle nun nicht mehr überraschend, eine goldfarbene breite Schmuckfläche unter Einschluss des Buchrückens als deutlich sichtbares (Wieder-)Erkennungszeichen. (Später ist die Werbewirksamkeit des Reihentitels der Goldenen Bücher zumindest noch vom Verlag O’Brien Press in einer neugestalteten und nunmehr, wie üblich, nur sinnbildlich gemeinten Form weitergeführt worden.)

Ob im Hallwag-Verlag seinerzeit die Reihe des Berliner Verlages Morawe & Scheffelt, die etwa 40 Jahre zuvor erschienen war, bekannt gewesen ist, mag dahin gestellt bleiben. Jedenfalls wurde mit den opulent ausgestatteten Reiseführern, die ansehnlichen wirtschaftlichen Erfolg einheimsten, eine ältere Idee der 1920er Jahre wiederaufgegriffen, die zuvor, mit ganz anderen Inhalten, kurzzeitig realisiert worden war, sich als Verlagsprojekt aber als ein ziemlicher Flop erwiesen hatte.

Die goldenen Bücher: zehn Titel und ein Illustrator

Von der Reihe des Verlages Morawe & Scheffelt in Berlin, die 1925 erschien und durch ihr äußeres Erscheinungsbild mit leuchtend-goldfarbenen Covern auffällig bis seltsam wirkt, sind nur insgesamt zehn Bändchen herausgekommen. Für jeweils fünf Bücher sollte ein Schuber zum Sammeln ermuntern, der verlagsseitig bereitgestellt worden ist. Der Pappschuber, der ganzflächig mit einem gold-bunten, mit geometrischem Muster versehenen Überzugpapier beklebt war, konnte, wenn er nicht in seiner Verwendung auf eine subjektive Auswahl begrenzt werden sollte, für den sechsten bis zehnten Band ebenso genutzt werden – ein andersfarbiger Schuber für die zweite „Portion“ von fünf Bändchen ist bisher nicht bekannt.

Als unverkennbar stellt sich die Absicht dar, eine wertige Reihe kleiner Bücher mit möglichst bekanntberühmter, klassischer Erzählliteratur überschaubarer Länge zu schaffen. Auf editorische Bemerkungen, Hinführungen, Vorworte oder jeglichen Kommentar wurde vollständig verzichtet und es findet sich auch dann, wenn in mehreren Fällen Kürzungen vorgenommen wurden, kein Hinweis darauf. Eine editorische Begleitung der Reihe fehlt also vollständig.

Als verbindendes inhaltliches Element der getroffenen literarischen Auswahl darf das Thema Liebe mit einem mehr oder minder ausgeprägten Schuss Erotik ausgemacht werden. Es lässt sich sagen, dass dadurch die schöngeistigen Themen der literarischen Klassik wohl sehr bewusst in eine Beziehung zur volkstümlichen Unterhaltungsliteratur der 1920er Jahre gesetzt wurden – als eine von zahlreichen vergleichbaren Unternehmungen.

Fünf Bände der Bücher goldenen im Schmuckschuber

Man versuchte mit der im Vergleich zu der zeitgenössischen Buchproduktion auffällign kleinen Reihe, sich sozusagen rein äußerlich vom massenhaften Angebot abzuheben, das in den Jahrzehnten um den Ersten Weltkrieg der stetigen Edition von Texten der „Klassiker des 19. Jahrhunderts“ seitens einer Vielzahl von Verlagen gewidmet war. Denn die opulente Ausstattung der Büchlein mit ihrem goldfarbenen Buntpapier-Bezug, der nur vom Leinenrücken unterbrochen wird, unterschied sich zweifellos von derjenigen vieler anderer, vergleichbarer und häufig auflagenstarker Reihen. In diesem Fall wird man vermutlich von einer recht überschaubaren Auflage ausgehen dürfen, deren Abverkauf in der gewählten „großspurigen“ Ausstattungsform sicher insgesamt mäßig war.

Werbung für die goldenen Bücher, zumeist in Verbindung mit der Bewerbung der Reihe der „Klassiker-Urausgaben“ des Verlages

Die Bändchen tragen keinerlei Datierung, um die überzeitliche Bedeutung ihres literarischen Inhalts statt einer – in der Tat vollständig fehlenden – Aktualität der Einzelherausgabe zu suggerieren. Die Datierung 1925 für alle Bände beruht auf bibliothekarischer Erschließung und es deutet alles darauf hin, dass tatsächlich alle zehn Bände in zeitlich kurzer Abfolge 1925 erschienen sind, also gleichsam „auf einmal“. Als Indiz dafür darf gelten, dass in allen Bänden am Schluss in Gestalt einer auch typographisch (als Stehsatz) unverändert bleibenden Eigenanzeige die Bewerbung aller zehn Bändchen vorgenommen worden ist, verbunden mit dem Hinweis auf ein – gewünschtes, aber nicht realisiertes – weiteres Erscheinen: „Die Sammlung wird zwanglos fortgesetzt“.