St. Hedwig als überforderte Kultfrau? - Kurt Dröge - E-Book

St. Hedwig als überforderte Kultfrau? E-Book

Kurt Dröge

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Beschreibung

Hedwig von Andechs, bekannter noch als Herzogin Hedwig von Schlesien, wurde zu einer wichtigen mittelalterlichen Heiligenfigur. Mit der Flucht und Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg sind der hl. Hedwig neue Bilder, Vorstellungen und symbolhafte Bedeutungen zugewiesen worden. Deren Bandbreite reichte vom personifizierten Vorbild eines einfachen Lebens, der Patronin Schlesiens, Schutzfrau des deutschen Ostens oder gar des christlichen Abendlandes bis hin zu einer Brückenheiligen für deutsche und polnische Menschen. Vor allem mit Hilfe von Abbildungen, vornehmlich Grafiken, aber auch Gemälden, veränderte die katholische Vertriebenenseelsorge das Hedwigsbild in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Landesmutter über das Vertreibungssymbol bis zur Integrationsfigur. Mit der Darstellung der zugrunde liegenden ikonografischen Entwicklung dieser gleichsam verordneten Heiligen wird die Frage verbunden, ob solch vielfältige Bedeutungszuschreibungen bis hin zur Ausrufung eines Hedwigsjahres 2017 in Polen die Kultfrau als Gegenstand von persönlicher und Volksfrömmigkeit letztlich überfordern.

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Seitenzahl: 49

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Inhalt

St. Hedwig: Bilder, Briefmarken, Geschichte und Legenden

Einschub: Ein Versuch moderner Legendenbildung

Vertreibung, Hedwigswerke und Hedwigskreise

Das Hedwigsbild in der Zeitschrift

Heimat und Glaube

(1949-2000)

Vier Phasen der Bildüberlieferung

Zur Bildtradition der hl. Hedwig

Übertragungen und Bedeutungszuweisungen

Hedwig als Schutzmantelheilige und Schutzfrau des ostdeutschen Landes

Die Brückenheilige und Patronin der Völkerversöhnung: Überforderungstendenzen

Nachwort: Zu diesem Buch in einer kleinen Reihe

Anmerkungen

Zeitgleich in Polen und Deutschland erschienene und motivgleiche Briefmarke mit einer Szene aus der ältesten Bilderhandschrift zum Leben der hl. Hedwig, 1993

St. Hedwig: Bilder, Briefmarken, Geschichte und Legenden

Am 14. Oktober 1993 gaben die Deutsche Bundespost und die Poczta Polska anlässlich des 750. Todestages von St. Hedwig eine motivgleiche Briefmarke heraus, die eine – relativ wenig geläufige – Szene aus dem Schlackenwerther Codex von 1353 zeigt, der ältesten Bilderhandschrift zum Leben der Heiligen.

Die aus dem bayerischen Andechs stammende hl. „Hedwig von Schlesien“ erfuhr mit dieser Briefmarke eine durchaus konsequente Ehrung, denn dieser Person ist seit ihrer Heiligsprechung im Jahre 1267 vielfältige Bedeutung in historischer und religiöser Hinsicht zugekommen oder besser: zugesprochen worden, sowohl in Deutschland als auch in Polen, und besonders ausgeprägt nicht zuletzt in der Gesellschaft der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland.

Bereits 1955 wurde anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Bistums Berlin eine Hedwigs-Briefmarke herausgegeben (Abb. S. 30). Darauf hält die Heilige in einer Hand das Modell des St.-Hedwigs-Domes in Berlin. Auf diesen Zweig der Bildtradition wird nachfolgend nicht eingegangen, eben so wenig auf die Bedeutung Hedwigs in den Bereichen der protestantischen Religiosität sowie preußischen Kirchen- und Staatspolitik.1

Der Begleittext auf einem „Künstler-Ersttagsblatt“, das 1993 die Herausgabe der deutschen Briefmarke begleitete und weitere acht, nicht zur Ausgabe gelangte Marken-Entwürfe abbildet, zählt die hl. Hedwig „bis heute wohl zu den volkstümlichsten Heiligengestalten des deutsch-böhmisch-polnischen Raumes“.

Hier drängt sich – auc wenn man an die reichhaltige Literatur2 zum Leben, zur Wirkung und zum Erscheinungsbild der Heiligen denkt – die Frage auf, was unter dem Begriff volkstümlich im Zusammenhang mit der hl. Hedwig verstanden wird und wie er gemeint ist – oder auf welche Weise er in unterschiedlichen Zeiten bedeutungsmäßig gefüllt war und wurde.

Zu einer möglichen Beantwortung der Frage mag an dieser Stelle die gleichsam sekundäre bildliche Überlieferung Hedwigs herangezogen werden. Gemeint ist damit die populare, wenn man so will: „volkskünstlerische“ Bildtradition der hl. Hedwig in den letzten etwa 50 Jahren in Deutschland, die zwar in enger Abhängigkeit von der älteren Ikonografie3 steht, jedoch auch eigene Wege gegangen ist – mit Wechselwirkungen, die im Vordergrund des vorliegenden Interesses volkskundlicher Bildanalyse stehen sollen. Deren Hintergrund bilden die Flucht– und Vertreibungsgeschehnisse im Anschluss an den Nationalsozialismus in Deutschland und das Ende des 2. Weltkriegs.

Die vorliegende Darstellung will somit kein „Corpus imaginum St. Hedwigis“4 erstellen, aber doch die vorerst letzte Abteilung eines solchen nach wie vor nicht vorliegenden Gesamtverzeichnisses5 in groben Umrissen skizzieren – zumal diese wohl auch in Zukunft keine Chance haben wird, in kunsthistorische Rezeptionszusammenhänge aufgenommen zu werden.

Künstler-Ersttagsblatt für Briefmarkensammler mit den Motiven des realisierten und der nicht ausgewählten Entwürfe

Hedwig von Schlesien, 1353, Miniatur aus der Hedwigslegende, Schlackenwerther Handschrift (Paul Getty Museum, Malibu, USA)

St. Hedwig als Herzogin von Schlesien, als historische Persönlichkeit also und als Heiligenfigur, als schlesisch zwischen Völkern und Nationen: Dieses Zusammenspiel hat zu einer breiten, überaus reichhaltigen schriftlichen und bildlichen Überlieferung geführt, bei der jedoch auffällt, dass die Untersuchung der älteren Zeitabschnitte von Mittelalter und Früher Neuzeit bedeutend intensiver erfolgt ist als die Betrachtung der letzten etwa 250 Jahre. Dies trifft nicht nur, aber auch auf die Bildüberlieferung zu, an deren Spitze gleichsam das „Urbild“ der Heiligen aus der sogenannten Schlackenwerther Handschrift steht.

Bis zum 2. Weltkrieg ist die hl. Hedwig vornehmlich in Teilen Schlesiens als Vorbild eines einfachen Lebens voll Barmherzigkeit und Mildtätigkeit verehrt worden, als Friedensbotin, vielleicht als eine geradezu klassische Caritas-Heilige.

Über die Verbreitung bestimmter Brauchformen der Verehrung der 1243 verstorbenen hl. Hedwig in Kirche und Bevölkerung ist wenig bekannt. Noch im Spätmittelalter wurde Hedwig in Schlesien, wo sie 1186 als Zwölfjährige mit dem späteren Herzog Heinrich („der Bärtige“) von Schlesien verehelicht worden war, in Verbindung weltlicher mit religiösen Aspekten zur Landespatronin erklärt in Fortführung ihrer Funktion als „Landesmutter“ oder „Mutter eines ganzen Landes“6.

Denn bereits im 14. Jahrhundert stellte sie Herzog Ludwig I. von Liegnitz-Brieg – zweifellos politisch motiviert – als Landespatronin und Mutter des regierenden Piasten-Geschlechtes heraus. Seiner Initiative ist auch der Schlackenwerther Codex mit seiner über das Mittelalter hinaus zwar nicht verbindlichen, aber doch vorbildhaften Ikonografie zu verdanken: „Im Jahre 1353 wurde im Skriptorium in der Lübener Vorstadt für Herzog Ludwig der mit 61 Miniaturen umfangreichste Bilderzyklus zur Vita der hl. Hedwig vollendet. Er zeigt Szenen aus dem Leben der Heiligen, ihre Wundertaten und schließlich ihren Tod. Die Illuminationen hat ein Künstler angefertigt, der zweifellos die italienisierende böhmische Malerei der Mitte des 14. Jahrhunderts gut kannte. Dabei hielt er sich ziemlich genau an den Text der ‚Legenda maior Sancte Hedwigis‘“7 (entstanden um 1300).

Hedwigsmedaillen des Erzbistums Berlin in Silber und Bronze als Auszeichnungen für engagierte Angehörige der katholischen Kirche

Das Hedwigs-Bild der Patronin Schlesiens wurde von der Kanzel verkündet und wohl seit dem 19. Jahrhundert auch im schulischen Geschichtsunterricht vermittelt8, um nicht lange danach in ein „Vollbild der schlesischen Frau und Mutter“9 einzumünden.

Als Hedwig 1243 nördlich von Breslau im schlesischen Kloster Trebnitz starb, welches von ihr begründet worden war, hatte sie ein Leben strengster Askese und, so lauten einhellig die Geschichtsschreibung und die Legendenbildung, aufopfernder Sorge für Arme, Kranke und Hilfsbedürftige hinter sich. Nachdem sie sieben Kinder zur Welt gebracht hatte, legte sie 1209 ein Keuschheitsgelübde ab.

Von ihrem Wirken künden verschiedene Hedwigslegenden seit etwa 1300. Nach wie vor beschäftigen sich historische Forschungen10 angelegentlich mit der Frage nach „Dichtung und Wahrheit“ in der Überlieferung ihrer Vita, nach quellenmäßig belegbaren Fak