Modezeitschrift und Zuschneidewerk - Kurt Dröge - E-Book

Modezeitschrift und Zuschneidewerk E-Book

Kurt Dröge

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Beschreibung

Geradezu legendenartig gilt Aenne Burda als Erfinderin der Schnittmuster-Zeitschrift, die Modejournal und Schnittmusterbogen medial vereint. Sie ist es nicht. Denn zuvor gab es diverse Unternehmungen, die bestimmte Methoden des Kleidungszuschnitts mit der jeweils aktuellen Mode zu verknüpfen wussten. Zu ihnen gehörte Gustav Frohne in Schötmar (Lippe), der sich ein innovatives Zuschneidewerk patentieren ließ, den sogenannten Storchenschnabel. Das Modejournal 'Frohne Modelle' half in Verbindung mit praktikablen Schnittmustern über fast 50 Jahre hinweg, diesen Zuschneideapparat erfolgreich zu vermarkten. Zahlreichen Schneiderinnen und vor allem selbstschneidernden Frauen bot er wirkungsvolle Hilfestellung, um aktuelle Mode für die eigenen Bedürfnisse umzusetzen. Die Darstellung begleitet die Entwicklung des Modeverlages Frohne von 1932 bis 1978. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frühgeschichte mit der Modezeitschrift 'der neue Schnitt' als Vorgängerin, die bisher unbekannt war. In den Blick kommt auch das Modegeschehen im Alltag breiter Bevölkerungskreise in den Jahrzehnten um den 2. Weltkrieg.

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Das niedere Bild

Inhalt

Die

Frohne Modelle

in Schötmar (Lippe): Einführung

Gustav Frohnes patentierte Erfindungen

Warenzeichen und Corporate Design

Zur Funktion und Geschichte der Modezeitschriften

„Mode für die Hausfrau“: Schnittmuster-Zeitschriften

Der Mythos Aenne Burda

Die Situation der Mode 1932 in Deutschland und Europa

der neue Schnitt

Modezeichner, Redakteur und Konkurrent: Fritz Warling

Übergänge zum Nationalsozialismus

Erfolg und rasches Wachstum (1935/36)

Vertriebsfakten – Vertreter-Struktur – Konkurrenz-Probleme

Die Modezeichnerin Hildegard Feller

Frohne Modelle

Konzeptionelle Fragen eines kleinen Modejournals

Modegeschehen und Modeblätter bei Kriegsbeginn

Mode von Frohne im 2. Weltkrieg

Créations Frohne

Übergänge zur Nachkriegszeit

Eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte:

Frohne Modelle

von ca. 1950 bis 1978

Zur Kontinuität von Mode und Modezeitschriften vor und nach 1945

Anmerkungen

Nachwort

Die Frohne Modelle in Schötmar (Lippe): Einführung

Mit dem Modegeschehen in den Jahrzehnten um den 2. Weltkrieg beschäftigt sich diese dokumentarische Darstellung am Beispiel eines kleinen Modeverlages. Beispielhaft dafür, wie die Aktivitäten von Haute Couture und Modewirtschaft in den 1930er bis 1970er Jahren in der breiten Bevölkerung, ankamen, kann der Verlag Frohne in der seinerzeitigen lippischen Kleinstadt Schötmar stehen, der durchaus als „provinzielles“ Exemplar seiner Gattung bezeichnet werden darf.

Sein Inhaber, Gustav Frohne, erfand eine neue Zuschneidemethode und vermochte diese in Verbindung mit von ihm selbst publizierten Modeheften über einen längeren Zeitraum hinweg sehr erfolgreich zu vermarkten. Damit gelang es ihm, nicht nur zahlreichen Schneiderinnen, sondern auch allen Frauen, die selbstschneidernd versuchten, tagesaktuelle Mode für ihre Bedürfnisse umzusetzen, wirkungsvolle Hilfestellung zu geben. Im Rahmen eines ausgeklügelten Produktions-, Werbe- und Vertriebssystems ist der von Frohne entwickelte Zuschneideapparat in Verbindung mit Schnittmustern und konkreten modischen Modellentwürfen vieltausendfach verkauft worden.

Dass dies recht bald nach dem Ende des 2. Weltkriegs stattgefunden hat, erweisen etliche konkrete Objekte und Belege aus der Produktion des Verlages Frohne aus den 1950er bis 1970er Jahren. Es war aber bisher unbekannt, dass es in dessen Entwicklung eine erste Phase in den 1930er und 1940er Jahren gegeben hat, welche die Kriegs- und Nachkriegsjahre und damit eine Zeit einschloss, die in der allgemeinen Modegeschichte (sowie in der Geschichte der getragenen Bekleidung) nach wie vor recht schwierig zu fassen und zu beschreiben ist.

Obgleich die Konzeption des Frohne Verlages in exemplarischer Form im Mittelpunkt der monografisch angelegten Darstellung stehen soll, bleibt der Blick doch gerichtet auf das modische, mehr noch auf das modebezogene mediale Gesamtgeschehen eines hoch interessanten Zeitraums. Denn die Geschichte der Modezeitschrift Frohne Modelle (oder besser: des geschäftlichen „Modells Frohne“) beginnt noch in der gemeinhin als frei und emanzipiert apostrophierten Zwanzigerjahremode, um dann rasch und durchaus eindrucksvoll einen Übergang in die 1930er Jahre mit ihrer Beeinflussung durch den Nationalsozialismus zu markieren.

Es folgten – auch hier – eine NS-Mode, die beim näheren Hinsehen gar keine war und ihre Internationalität beibehielt, das modegeschichtlich spannende Hineinlaufen in die Kriegsjahre, ein deutliches und in gewisser Weise erzwungenes Bestreben, Kontinuität zu erhalten, sowie gelungene Versuche und Anstrengungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, wirtschaftlich und modisch daran anzuknüpfen. Dass dies ab den 1940er bis weit hinein in die 1970er Jahre erneut in eindrucksvoller Form gelang, ist bemerkenswert und geschah in einem größeren Kontext, der als Burda- und Brigitte-Zeit bekannter geworden ist.

Modeentwürfe auf einer beispielhaften Modellseite, 1932/33

Verschiedene erkenntnisinteressierte Perspektiven haben sich bei der Beschäftigung mit der Verlagstätigkeit von Gustav Frohne von Beginn an mit einander verbunden. Die erste, allgemeinste Perspektive gilt der Modeentwicklung, konkreter der Frage, wie Bekleidungsmode in verschiedenen historischen Epochen medial vermittelt und damit vermarktet worden ist. Diese Richtung zielt also auf „Modekupfer“ und Modezeichnung, Modefotografie und Modezeitschrift mit all ihren Facetten.

Eine zweite Erkenntnisorientierung richtet sich auf die Geschichte des Zuschnitts. Mit welchen Verfahren und Geräten der schneidernde Mensch, ob Professionalist/in oder Hausfrau, gut sitzende Kleidung verfertigen konnte, bildet eine Fragestellung, die nicht so eng auf das betroffene Fachgewerbe beschränkt (gewesen) ist, wie es vielleicht den Anschein hat. Denn das, was heute als Do-it-yourself (DIY) schlagwortartig immer wieder neu propagiert wird, hat kulturkundlich betrachtet eine lange Tradition und vielfach gewandelte Geschichte, und das nicht nur in „echten“ Zeiten der Not.

In direkter Verbindung damit steht das Schnittmuster. Immer wieder ist, mindestens seit dem 19. Jahrhundert, versucht worden, einfachere, praktikablere, verkäufliche – papierene und andere – Zuschnittformen zu entwickeln. Die Erfindung von Gustav Frohne hat an dieser Stelle auf überzeugende Weise innovativ gewirkt, freilich – wie praktisch alle anderen Verfahren auch – ohne den „ganz großen Erfolg“ zu haben.

Den hat in gewisser Weise und bekanntermaßen, die drei genannten Aspekte gleichsam global playing mit einander verbindend, Aenne Burda gehabt. Die berühmte Verlegerin gilt geradezu legendenhaft als Erfinderin der „Schnittmuster-Zeitschrift“ – die sie nicht ist. Denn es hat vor ihr Menschen wie Gustav Frohne und andere gegeben, die mit unterschiedlichem Erfolg dieses Metier betrieben haben. Ihnen fehlte allerdings wohl durchgängig die Möglichkeit, ein werbendes Zeitschriften-Periodikum für Mode regelmäßig redaktionell zu erstellen, erscheinen zu lassen und auf den eingespielten Wegen des Zeitschriftenmarktes großmaßstäblich zu vertreiben. Hier hatte Aenne Burda das Glück, die Gattin eines Großverlegers zu sein.

Ein letztes Erkenntnisinteresse kommt noch hinzu. Es ist die Neugier eines in Schötmar aufgewachsenen Jungen, die sich fortsetzt als lokalhistorische Wissensbegierde. Vor fast 15 Jahren wurden im Internet-Auktionshaus ebay einige Hefte Frohne Modelle aus den 1950er Jahren entdeckt und erworben. Sie weckten Erinnerungen, auch an Frohne-Druck als Konkurrent des druckereibetreibenden Großvaters. Von den seinerzeit aktiven Schötmaraner Lokalhistorikern Kurt Wallbaum1 und Karl Heinz Paetzold2 wurden einige Auskünfte zum Frohne Verlag und zur Person seines Inhabers nach dem 2. Weltkrieg übermittelt, die geeignet waren, das Interesse an der Vorgeschichte zu bestärken.

Dabei blieb es zwar für eine längere Zeit, aber es verfestigte sich die Frage oder bald auch Vermutung, dass die Frohne Modelle auch bereits vor dem Krieg eine Rolle gespielt haben könnten. Zu finden war darüber anfangs allerdings nichts. Der ehemalige Verlag selbst befand sich gerade in einem Konkursverfahren und sehr viele Dinge waren ungeklärt. Immerhin tauchte im Antiquariatshandel ein singuläres Modeheft von Frohne aus dem Jahr 1941 auf und ein frühes Grundbuch mit Anleitung für das Zuschneidewerk konnte nachgewiesen werden.3

Erst mehrere Jahre später wurde es dann möglich, vorhandene Hinterlassenschaften des Verlages, soweit sie nicht zu den Familienunterlagen gehörten, zu sichten und geschichtlich interessante Teile zu sichern.4 Sie befanden sich, wie so häufig in einem völlig ungeordneten Zustand und materiell großenteils stark angegriffen, auf dem riesigen Dachboden der ältesten der ehemaligen Fabrikhallen.

Neben zahllosen Hinterlassenschaften aus jüngerer Zeit lagerten dort auch Geschäftsunterlagen der 1930er und 40er Jahre, vor allem Abrechnungen mit Vertretern und eine unglaublich große Zahl an Belegen für Verkaufsvorgänge an private Abnehmer. Das frühe Ausmaß des wirtschaftlichen Erfolges wurde rasch deutlich.

Eine lange Suche war jedoch erforderlich, um auch „anschauliche“ und „originale“ Belege für das Frohnesche Geschäftsmodell zu erhalten. In Pappkartons der Zeit fanden sich, sozusagen in der letzten Ecke des Dachbodens, archivierte Belegexemplare der Modell-Zeitschrift von Frohne seit 1932 und in der entgegengesetzten Ecke eine Art Prototyp des zuvor entwickelten neuen Zuschneideapparates, des durchaus berühmten Storchenschnabels von Frohne. Diese Funde gaben letztlich den Ausschlag, das Thema weiter zu verfolgen. Sie bilden einen singulären und museumswürdigen Gesamtbestand eines nicht unbedeutenden regionalen Modeverlages.

Pappkartons der Zeit mit Belegexemplaren der Modezeitschrift von Frohne ab 1932

Gustav Frohnes patentierte Erfindungen

Mit Wirkung vom 2. März 1928 erlangte Gustav Frohne in Schötmar (Lippe) das reichsweit patentierte Recht, seine Erfindung eines neuen Wäschestampfers zu etablieren und in Serie zu produzieren. „Die Erfindung“, so wurde in der Patentschrift formuliert, „bezieht sich auf Wäschestampfer mit unter Federdruck stehendem beweglichem Innenkörper. Sie ist eine Verbesserung gegenüber bekannten Wäschestampfern, weil durch sie bei leichterem Arbeiten mit dem Stampfer nicht nur ein Luftstrom, sondern auch ein kräftiger Waschlaugenstrom unmittelbar erzeugt wird und der Luft- und Waschlaugenstrom gemeinsam voll zum Einwirken auf die Wäsche kommen.“

Auf der Grundlage dieses Patentes vermochte Gustav Frohne, Sohn eines einheimischen Schmiedes, seine Erfindung überregional zu vermarkten, musste sich dabei jedoch mit Hilfe mehrfacher rechtlicher Auseinandersetzungen gegen lästige Konkurrenten zur Wehr setzen. Er wurde dabei ein reicher Mann. Seine Schötmaraner Mitbürger, die es gewohnt waren, jeden Wäschestampfer als Pömpel zu bezeichnen, gingen rasch dazu über, den Unternehmer als Pömpel-Frohne oder alternativ als Millionen-Frohne zu titulieren. Als solcher ist er im Ort bis heute bekannt.

Weniger bekannt sind mehrere weitere Erfindungen, die dem Tüftler Frohne gelangen, indem er sich immer wieder neuen alltäglichen Verrichtungen vor allem im Haushalt zuwandte, um ihren technischen Ablauf und ihre funktionale Bewältigung zu optimieren. Den Ausgangspunkt bildete zumeist der erfahrungsreiche, kompetente und phantasievolle Umgang mit Werkstücken aus Metall. Bezeugt ist beispielsweise das Patent für einen freilich nicht erhalten gebliebenen, innovativen Dosenöffner. Ein ideenreich verbesserter Toilettenpapierhalter mit automatisierter Abreißfunktion etwa schaffte es ebenfalls bis zur Patentierung (1929). Ihm blieb aus unbekannten Gründen allerdings die Serienreife versagt.

Werbeblatt für den von Gustav Frohne patentierten und vertriebenen Wäschestampfer

Nicht nur die Serienreife, sondern eine außerordentlich große Verbreitung erlangte kurz danach eine – neben dem Wäschestampfer: zweite – ungemein erfolgreiche Erfindung von Gustav Frohne. Die von ihm entwickelte „Vorrichtung zum Aufzeichnen von Schnittmustern“ wurde unter den Nummern 565 891 (Hauptpatent) und 655 898 (verbessernder Zusatz) vom Reichspatentamt am 27. Oktober 1931 beurkundet. Sie stellt eine Übertragung des Pantographen auf das Gebiet des textilen Zuschnitts von Bekleidung dar.

Patentschrift zum „Verfahren und Vorrichtung zum Aufzeichnen von Schnittmustern“

Urkunde zu einem verbessernden Zusatz-Patent des Zuschneideverfahrens, 1931

Versandkarton mit Pantograph, Grundalbum, Anleitungen, Modeheft und Zuschneidehilfe, um 1960

Als Pantograph wird seit dem 17. Jahrhundert ein präzises mechanisches Instrument zur Übertragung von Zeichnungen in andere Maßstäbe bezeichnet, etwa beim Skalieren von Landkarten oder auf anderen Anwendungsgebieten. Bekannt geworden ist das Werkzeug für diese spezifische Zuschneidemethode unter dem Namen Storchenschnabel von Frohne.

Der heraus zu hebende, wesentliche Vorteil der damit begründeten Zuschneidemethode bestand darin, dass zur Herstellung von Schnittmustern für verschiedene Körpergrößen keine Vorlagen mit Maßzahlen mehr benötigt wurden. Stattdessen konnten von einer einzigen, fast miniaturartigen Grundschablone einschließlich aller Feinheiten exakte proportionale Schnittmuster in vergrößertem Maßstab, also für praktisch alle erdenklichen Körpergrößen, angelegt werden. Der Frohnesche Stoff-Pantograph ist in der Folgezeit zu einem sehr erfolgreichen der „vielen Patente auf Vorrichtungen, genaues Maß zu nehmen“, geworden.5

Werbetext für eine schablonenartige Zuschneidehilfe, um 1935

Eine noch weiter verbesserte Form fand als Pantograph III am 23. März 1934 reichsweite Patentierung. Ihm gesellte sich kurze Zeit später eine schablonenartige Zuschneidehilfe hinzu, die dazu diente, ein Verrutschen zwischen Zuschneideapparat und Schnittmusterblatt zu verhindern und dem ganzen zeichnerischen Vorgang des ausgreifenden Markierens und Übertragens mehr Halt zu geben. Diese Zuschneidehilfe wurde etwa drei Jahrzehnte später noch einmal technisch und materiell verbessert und kam als Frohne-Boy auf den Markt.

In den mehr als 40 Jahren seines Bestehens, nämlich seiner Fertigung und seines Vertriebs, ist das Zuschneidewerk Frohne mehrfach, ja man kann sagen: ständig, verändert und technisch verbessert worden. Bestanden in den ersten Jahren praktisch noch alle seine Einzelteile, also Schienen und Verbindungsteile, aus Metall (und phasenweise wohl zum Teil aus Holz), so erwies sich die eingesessene Schötmaraner Celluloidwarenindustrie in der Folgezeit als Faktor einer innovativen Modernisierung. Mit der Fertigung der Schienen und Leisten des Apparates aus Celluloid oder aus neueren, thermoplastischen Kunststoffen bekam dieser ein leichteres Gewicht und auch seine Handhabung wurde weiter vereinfacht. Auch die aufwendige Produktion der Metallkonstruktionen in relativ weit entfernten Metallwerken entfiel zugunsten einer wohl auch preiswerteren Herstellung vor Ort in Schötmar. Nach 1945 traten weitere Verbesserungen hinzu.6

Während der gesamten Laufzeit des Zuschneidewerkes wurde durchgehend großer Wert darauf gelegt, dass jede selbstschneidernde Frau eine genaue Anleitung in Wort und Bild bekam, wie mit dem Schnittzeichner umzugehen war. Man wandte sich expressis verbis zwar auch an Schneiderinnen (vor allem an „weniger tüchtige“), hauptsächlich aber an alle Frauen, denen größere Kompetenzen und intensivere Fähigkeiten zum Berechnen und Zeichnen von Schnittmustern fehlten und die nun in die Lage versetzt wurden, viele Arbeiten von professionellen Schneidern und Schneiderinnen selbst zu leisten.

Modejournalheft und zugehörige Schnittmusterbögen für das Zusschneidewerk „Frohne“ zur Anwendung des Schnittzeichners

Frühe Form des Stoff-Pantographen aus Metall

Zwischenzeitliche Variante des Pantographen mit Hauptstäben aus Holz

Pantograph aus Aluminium

Anleitungshaftes, großformatiges Werbeplakat für den Schnittzeichner von Frohne aus den 1930er Jahren

Dies führte dazu, dass seitens der Schneider-Innungen, Handwerkskammern und weiterer Standesorganisationen das System von Frohne mit großem Aufwand, heftig und dauerhaft als lästige Konkurrenz bekämpft wurde. Insbesondere die Damenschneider-Innungen setzten sich gegen werbende Vorführungen des Zuschneidewerkes „mit allen Mitteln“ zur Wehr. Man versuchte, dem Verlag Frohne jegliche Werbung und Verkaufstätigkeit untersagen zu lassen. Dieser wehrte sich vehement und nicht ohne Erfolg, unter anderem, indem er sich mit den großen Firmen mit Schnittmuster-Publikationen wie Vobach, Beyer, Lyon und Ullstein gleichzustellen versuchte.

Das geschäftliche Konzept von Frohne sah vor, dass Grundalben mit Basis-Modell-Entwürfen für Frauen, Männer und Kinder in Einheit mit minutiösen Anleitungen zur Handhabung kontinuierlich allen Sendungen für Neukunden beigelegt wurden. Diese Grundalben erlebten eine Vielzahl von Auflagen, bei denen es sich in der Tat nicht nur um Nachdrucke, sondern häufig um verbessernde Bearbeitungen in der Beschreibung des Umgangs mit dem Schnittzeichner gehandelt hat. Dass neben den allgemeinen Gebrauchsanweisungen den „abweichenden“ Körperfiguren, etwa mit „stärkeren oder schwächeren Ärmeln“, durchgängig eine betonte Aufmerksamkeit galt, hat den Erfolg des ganzen Unternehmens im Sinne von einer Art identifikatorischer Kundinnenbindung sicher positiv beeinflusst.

Protestschreiben der Firma Frohne gegen „unlauteren Wettbewerb“ seitens der Damenschneider-Innung Detmold, 1937 (Ausschnitt)

Gustav Frohne hat zwar auch mit seinem Wäschepömpel, mehr noch aber mit seinem Storchenschnabel sehr viel Geld verdient. Es gelang ihm, sein spezifisches Gerät zum Aufzeichnen von Schnittmustern nahezu europaweit patentieren zu lassen. Zu den Ländern, in welchen die Übernahme des Reichspatents, einschließlich der verbessernden Erweiterungen, bezeugt ist, gehörten Ungarn, Polen, Belgien, Holland, England, Norwegen, Schweden, Dänemark, Frankreich und Italien. Aussagen darüber, wie weit der Vertrieb in diesen Ländern entwickelt und vonstattengegangen ist, gibt es bisher nicht.

In der Tschechoslowakei und in Österreich, aber auch in der Schweiz, gelang es Gustav Frohne darüber hinaus, zumindest in Ansätzen ein eigenes Vertriebssystem aufzubauen und damit den Direktvertrieb wie im Deutschen Reich zu ermöglichen. Viele Tausend Hausfrauen, aber auch zahlreiche Schneiderinnen haben die Vorrichtung erworben und in der Kleidungsschneiderei genutzt in den 1930er bis 1970er Jahren. Im Rahmen der Do-it-yourself-Selbstschneiderei heutiger Tage mit ihrem verbreiteten Wunsch nach Vintage-Schnitten erlebt das Gerät im übrigen derzeit wieder eine regelrechte Renaissance.7 (Um einen modernen Nachfolger des Pantographen von Frohne scheint es sich beim Variator zu handeln, der in der jüngeren Vergangenheit in der Schweiz auf den Markt gebracht worden ist.)

Den Vertrieb seines Zuschneidegerätes unterstützte Frohne von Beginn an durch eine Mode- und Schnittmusterzeitschrift, die im betriebsinternen Sprachgebrauch meistens als Saisonalbum bezeichnet wurde. Sie erschien bis 1944, wurde mit wohl nur kurzer Unterbrechung über das Kriegsende hinweg weitergeführt und ab 1950 in der bewährten und zugleich in einer immer weiter modernisierten Form fortgesetzt. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs ist dieses Modeperiodikum Frohne Modelle ähnlich weit verbreitet gewesen wie zuvor. Dass es, zu Beginn unter dem Titel der neue Schnitt, bereits ab 1932 erschienen ist, war bisher unbekannt, und in einer öffentlichen Sammlung, ob Archiv, Museum oder Bibliothek, existierte bislang kein einziges, diese modepublizistischen Aktivitäten bezeugendes Heft, auch nicht in der Form eines Belegexemplares in einer der Nationalbibliotheken.