Schulwandbilder aus dem Verlag Kafemann in Danzig - Kurt Dröge - E-Book

Schulwandbilder aus dem Verlag Kafemann in Danzig E-Book

Kurt Dröge

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Beschreibung

Der Verlag A. W. Kafemann in Danzig entwickelte sich seit dem späteren 19. Jahrhundert bis 1945 zu einem großen Regional- und Heimatverlag mit einem außerordentlich breiten Spektrum an Verlagsobjekten, von Büchern aller Art bis zu Ansichtskarten. Vier großformatige Schulwandbilder mit der Abbildung der vier Jahreszeiten erschienen erstmals 1888 und in einer Überarbeitung 1910. Sie stellen auch innerhalb der Verlagsproduktion eine Besonderheit dar. Von der zeitgenössischen pädagogischen Kritik wurde den bunten Bildern große Anschaulichkeit und ein ostdeutscher Charakter zugesprochen. Worauf diese Zuweisung beruhte und welche Hintergründe sie besaß, wird in der vorliegenden Darstellung angesprochen, die auch den Verlag, curriculare Fragen und vor allem die Komposition der Bilder selbst in den Blick nimmt.

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Seitenzahl: 74

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Das niedere Bild

Inhalt

Einführung: historische Schulwandbilder

Schulische Jahreszeitenbilder aus Danzig (1888)

Der Verlag Kafemann in Danzig

Landleben im Jahresrhythmus: Bildbeschreibungen

Anmerkungen zur Vermittlung, Veranschaulichung und Pädagogik

Einflüsse durch Hugo Conwentz

Die Neubearbeitung der Bilder mit Änderungen und Anpassungen (1910)

Zur Problematik einer „ostdeutschen“ Qualifizierung der Bilderserie

Anmerkungen

Nachwort

Einführung: historische Schulwandbilder

Knapp 150 Jahre lang haben Schulwandbilder den Lehrplan und Lernprozess vor allem in Elementar-, Volks- und Grundschulen maßgeblich mit geprägt. Ihr großes Format erlaubte es, für die ganze Schulkasse sichtbar als Veranschaulichungsmedium und Lernhilfe im Klassenraum aufgehängt zu werden. Nicht selten fanden sie dort auch als ständiger Wandschmuck1 Verwendung, zum Beispiel Märchenbilder, Tiermotive oder Geschichtsdarstellungen. Insgesamt sind Schulwandbilder in außerordentlich großer Zahl erschienen.

Die Entstehung der Gattung des Schulwandbildes als Lehrmittel im sogenannten Anschauungsunterricht sowie auch in bestimmten Sparten des Fachunterrichtes liegt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie hing sowohl mit frühen, aufklärerisch-reformerischen Tendenzen der Pädagogik als auch mit den sich erweiternden Möglichkeiten der Drucktechnik zusammen. Am Schluss der etwa 150-jährigen Entwicklung, ab den 1960er und bis in die 1980er Jahre, wurden solche großformatigen materiellen Darstellungen, zumeist endgültig, abgeschafft.

Immer wieder hatten sie im Verlauf ihres Gebrauches zu teilweise vehementen Diskussionen vor allem in der Pädagogenschaft Anlass gegeben. Man stritt sich insbesondere über die Frage, ob nicht der „Unterricht nach der Natur“ in jedem Fall einer fachlichen Unterrichtung auf der Grundlage von „künstlichen“ Bildern vorzuziehen wäre. Kritisiert wurde phasenweise bis kontinuierlich, bis hin zu moderneren psychologischen Erkenntnissen, dass „tendenziöse“ Bilder im Schulunterricht zu tiefer greifenden Erlebniserinnerungen und bleibenderen Vorstellungsinhalten führen können als Erfahrungen „im wirklichen Leben“, einschließlich einer möglichen Gefährdung durch internalisierte problematische Wahrnehmungsmuster. Ob nicht jeglicher Erstlingsunterricht immer „Anschauungsunterricht“ sei oder sein müsse, bildet darüber hinaus und grundsätzlich einen immer wiederkehrenden Streitpunkt unter den Pädagogen.1a

Eine Deformierung von Erfahrungen aus der kindlichen Lernwelt und eine Auflösung real vorhandener Widersprüche zugunsten harmonisierender und beruhigender Stimmungen wurde, wohl mit Berechtigung, als Gefahr der „künstlichen Bilder“ gesehen. Entsprechende Kritik wurde bereits zu einem Zeitpunkt, hier 1888, geäußert, an welchem die großen Schulwandbilder erst begannen, reale Verbreitung zu finden: „Die Auffassung, die der zeichnende Künstler hatte, wird dem Kinde aufgedrängt, und es kommt Zeit seines Lebens nicht mehr davon los. Die Phantasie des Künstlers legt diejenige des Kindes lahm, das ist die Wirkung solcher Veranschaulichungen. […] Dieser moderne Schulbilderdienst wirkt geistlähmend wie der kirchliche.“2

Methodisch gehörten viele der historischen Schulwandbilder zu den Gruppenbildern, aus denen Sachinhalte verschiedenster Art heraus entwickelt worden sind bis hin zum Erzählunterricht. Um 1900 nahm vor reformpädagogischem Hintergrund die schon zuvor teilweise massive Kritik an dieser Form von Bildern für den Anschauungsunterricht noch weiter zu. Vor allem bekannte Pädagogen wie Fritz Gansberg („Die Gruppenbilder predigen Pedanterie und Schematismus, sie verleiten zur übertriebenen Detailarbeit und zur unnützen Gedächtnisbelastung. Fort mit diesen geschmacklosen, superklugen Bildern!“) und Heinrich Scharrelmann forderten unter anderem die Berücksichtigung auch städtischer Verhältnisse und allgemein eine viel stärkere Fokussierung auf wichtige Inhalte ein, anstatt ermüdende Aufzählungen von Einzelheiten in den Bildern zu erstellen und von den Schülern auswendig lernen zu lassen. Sie befanden sich damit in einer regen Gesellschaft von pädagogischen Neuerern, die gelegentlich auch einen „Gesinnungsunterricht“ statt sprödem, leblosem Sachunterricht anhand von statischen Bildern forderten. Als Leitgedanke galt die bessere Berücksichtigung der Interessengebiete der Kinder, deren Handlung und Selbsttätigkeit statt bloßer Bild-Beschreibung.

Dem Siegeszug des großen Anschauungsbildes in der Schule tat all diese Kritik keinen Abbruch, zumal ihre Argumentation auch umgedreht werden konnte, indem man Schulwandbilder nicht vornehmlich als Belehrungs-, sondern in positiv gemeinter Form hauptsächlich als Erinnerungsmittel aufzufassen suchte.

Das Ziel der allermeisten konkreten Verlagsproduktionen von Schulwandbildern war, vor der Folie pädagogisch-methodischer Vorgaben, neben der eingängigen Wirkung ein überregional anwendbarer Inhalt und damit im Prinzip eine unbegrenzte Verkaufbarkeit. Stilisierte und oft stark komprimierende Darstellungsformen sollten eine Verwendung in zahlreichen Schulklassen und nach Möglichkeit auch Jahrgangsstufen, immer vor dem Hintergrund von zum Teil unterschiedlichen Schulgesetzgebungen, ermöglichen. „Anschauung“ durch zumeist bunte Bilder ersetzte oder ergänzte damit vielfach, vornehmlich unter bestimmten pädagogisch-methodischen Prämissen, die manchmal schwierigere Lehre durch das Wort oder jedenfalls nicht immer mögliche Unterrichtung „nach der konkreten Natur“ selbst, sowohl im Elementarunterricht als auch in Naturkunde, Religion oder Geschichte.

Als Ausnahmen, die ab etwa 1900, nach erneuten schulpädagogischen Reformen, einem heimatlichen bis heimatkundlichen Unterricht dienten, sind solche Schulwandbilder zu sehen, die regionale Verhältnisse und Besonderheiten bewusst in den Vordergrund stellten und deshalb zumeist nur in entsprechend begrenzten Gebieten vertrieben und benutzt wurden. Ihre Zahl ist insgesamt recht klein geblieben. Generell können aber viele Bilder ihre Herkunft aus bestimmten Kulturkreisen sowie auch aus bestimmten Darstellungsauffassungen, die sich der herrschaftlichen und politischen bis hin zur ideologischen Lage entsprechend verändert haben, nicht verleugnen. Wie gerade jene auf den ersten Blick harmlosen, „wertfreien“ oder „objektiven“ Bilder gewirkt haben oder gewirkt haben können, stellt sich in einer rückblickenden, vergleichenden Analyse als besonders interessant dar.

Eine kleine Serie von vier Jahreszeitenbildern aus dem Kafemann-Verlag in Danzig gehört zu solchen Produktionen.3 Die Serie hat, in zahlenmäßig begrenztem Umfang, nicht unbedingt reichsweite, aber doch bemerkenswerte Verbreitung und Anwendung gefunden und wurde im Verlauf ihrer Weiterentwicklung doch in ihrer Anlage von der zeitgenössischen pädagogischen Kritik als „eingeschränkte“ Darstellung gesehen. Denn die Bilder, die 1888 erstmals und 1910 in einer zweiten, kompositorisch überarbeiteten Auflage auf den Markt gekommen waren, wurden hernach gelegentlich als „ostdeutsch“ (ab-)qualifiziert. Ihnen als Objektivationen eines mehrperspektivischen kulturellen Gedächtnisses und dem herausgebenden Danziger Verlag Kafemann gilt die vorliegende Darstellung.4

Schulische Jahreszeitenbilder aus Danzig (1888)

Als in den Jahren nach der Reichsgründung die Produktion größerformatiger Schulwandbilder für den Elementarunterricht vehement zu steigen begann, nachdem zuvor einige wenige Ausgaben überall dominiert hatten, gab der Verlag A. W. Kafemann in Danzig im Jahre 1888 eine Serie von vier „neuen“ Jahreszeitenmotiven heraus, deren Format alle anderen einschlägigen Unterrichtsmittel bis heute übertrifft.

Über symbolische, allegorische und emblematische Implikationen von Jahreszeiten-Darstellungen – in vielen Medien und auf zahlreichen Objektarten – gibt es reichhaltige Literatur, die einen wesentlichen Strang in der Weiterentwicklung der mittelalterlichen Monatsbilder sowie dann in den berühmten Jahreszeiten-Bildern von Pieter Brueghel d. Ä. sieht, ferner auch in der älteren Genremalerei. In diesen Zusammenhang gehören auch die sogenannten Kosmischen Landschaften des 16. Jahrhunderts, die darauf abzielten, die Erde als zusammengehöriges Ganzes darzustellen.

Generell ging es immer um den Umgang mit der Natur und ihrem Kreislauf und um den „Wechsel der Zeiten“ unter wissensbezogenen bis wissenschaftlichen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich in der Neuzeit verändern sollten. In mehrerlei Hinsicht können die Jahreszeiten – und ihre zielgerichtete künstlerische Darstellung – als eine Art gesellschaftliches Ordnungsprinzip aufgefasst werden und sind, von einer historisch-kritischen Warte aus gesehen, auch geradezu als „kulturelles Ordnungsinstrument“ analysiert worden.

Auch über pädagogische Intentionen, die im Rahmen der Verwendung von Jahreszeitenbildern als Lehrmittel zum Tragen gekommen sind, ist bereits viel geschrieben – und in früherer Zeit, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, auch viel diskutiert worden.5 Dazu gehört vor allem eine Diskussion von langer Dauer darüber, wie die anschauliche Vermittlung von gleichsam idealtypischen Tätigkeiten und Eindrücken in den einzelnen Jahreszeiten in Verbindung mit starker visueller Verdichtung und Stilisierung didaktisch zu beurteilen sei. Zwischen „allgemeiner Geistesbildung“ der Schüler und einer lebensnahen, eher „praktischen Ausrichtung“ mit direkterem Bezug zur beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft war diese Vermittlung ausgelegt, je nach pädagogisch-methodischen und auch politischideologischen Schwerpunktsetzungen.

Als allgemeine Grundlage darf dabei gelten, dass die Anschauung und die Sinneswahrnehmung als Basis der gesamten geistigen und vor allem sprachlichen Unterrichtung, mit dem Elementarbereich beginnend, aufgefasst wurden, gemäß der tradierten Unterrichtungsfolge: Beschreibung, Erzählung, Vergleichung, Gespräch, Wiederholung. In neuerer Sicht ist hier von drei didaktischen Prinzipien auszugehen, dem Prinzip der Information mit dem Ziel eines anschaulichen Vortrags der vorgegebenen Lehrinhalte, dem Prinzip der Begriffsbildung, um den Schulkindern das „Festhalten“ begrifflich-sprachlicher Sachverhalte zu ermöglichen, und dem Prinzip der ästhetischen Erziehung, das zwar auf älteren Erziehungsrichtlinien und Wertvorstellungen basierte, aber erst in den Jahren um 1900 in Gestalt einer „ästhetischen Wende“ und der Forderung „Kunst in die Schule“ als eigenständiges Ziel konkretisiert worden ist.6

Die zwar nicht seltenen, aber auch überschaubaren Jahreszeitenserien für die Schule dürfen als Vermittlung von „Landwirtschaft in komprimierter Form“7 aufgefasst werden. Sie betonten die elementare Bedeutung, die dem zyklischen Ablauf des Naturlebens und der landwirtschaftlichen Arbeit im Jahreslauf zukam. „Die unmittelbare Anbindung des Lebensablaufes an den Naturkreislauf, die mit den Jahreszeitendarstellun-gen als gewohnt und selbstverständlich herausgestellt wurde, ist im Sinne des 19. Jahrhunderts nicht als Idylle zu werten, sondern als Abbild der Grunddispositionen einer nach wie vor ländlich-‚natürlich’ geprägten Gesellschaft.“8 Dass dies angesichts der ökonomischen und sozialen Veränderungen zu einer „Idealisierung der zyklischen Zeitordnung“9 – und parallel zu einer „sentimentalischen Überbewertung des Dorfes“10 – führen musste, wurde bereits bald nach 1900 deutlich11