Die Hansischen Volkshefte und Hermann Entholt - Kurt Dröge - E-Book

Die Hansischen Volkshefte und Hermann Entholt E-Book

Kurt Dröge

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Beschreibung

Zwischen 1923 und 1929 erschienen 18 Titel der Hansischen Volkshefte, einer kleinen Heftreihe, die vom Hansischen Geschichtsverein herausgegeben wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg sollten die Hefte eine Breitenwirkung erzielen, um unter vaterländischen Gesichtspunkten die Geschichte der Hanse in der Schul- und Erwachsenenbildung bekannter zu machen. Dieses Ziel erreichten sie nicht. Die Darstellung vermittelt ein Bild der Heftreihe selbst, ihrer äußeren Gestaltung, ihrer Entstehungsumstände in der Inflationszeit sowie ihres Herausgebers, des Archivars Hermann Entholt in Bremen, bis hin zur Frage, warum dieser Popularisierungsversuch historischer Forschung scheiterte.

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Das niedere Bild

Inhalt

Einführung: eine Heftreihe der Zwischenkriegszeit

Der Hansische Geschichtsverein

Die Vorgeschichte der Reihe

Hansische Volkshefte

mit den

Pfingstblättern

Vorarbeiten und Beginn der Reihe

Die Umstände der 1920er Jahre

Der Herausgeber Hermann Entholt

Das Vorwort zu allen Heften

Die vier Phasen des Erscheinens von 1923 bis 1929

Statt Öffentlichkeitswirkung: eine zweiteilige Rezension als Ausnahme

Populäre Verlagsreihen als Vorbilder

Autorinnen und Autoren

Der Problemfall Jürgen Wullenwever

Die Illusion des frischen und volkstümlichen Stils

Die beteiligten Verlage und Druckereien

Die Gestaltung der Umschläge und ihr Reihencharakter

Eine kleine Reihe in der Zeit: abschließende Bemerkungen

Anmerkungen

Liste der 18 erschienenen Hefte

Die Autorinnen und Autoren der Reihe

Einführung: eine Heftreihe der Zwischenkriegszeit

Eine geschichtswissenschaftliche Vereinigung legt bei der Veröffentlichung ihrer Forschungsarbeiten und Arbeitsergebnisse auf die äußere Form keinen Wert: Diese Feststellung darf pauschal für das 20. Jahrhundert getroffen werden. Am Beispiel des Hansischen Geschichtsvereins, der in diesem Fall stellvertretend für das Metier der Geistes-, insbesondere der Geschichtswissenschaften steht, kann die Feststellung sogar noch erweitert werden: Nach dem Selbstverständnis der historischen Forschung ging es allein um die Inhalte für ein „verständiges“ Fachpublikum und es war durchgehend und über lange Zeit, bis in die letzten Nachkriegsjahrzehnte hinein, geradezu verpönt, Fachpublikationen eine ästhetisch ansprechende Form zu geben oder sie gar mit informierenden oder illustrierenden Bildern zu versehen. Abbildungen galten, so darf pointiert, wenngleich kaum überspitzt, formuliert werden, als unwissenschaftlich. Von diesem Urteil ausgenommen wurden allenfalls die Kunstgeschichte berührende Untersuchungen.

Das Publikationswesen des Hansischen Geschichtsvereins ist ohne Einschränkung diesem Grundsatz verpflichtet gewesen. Die Zeitschrift Hansische Geschichtsblätter sowie die „großen“ wissenschaftlichen Reihen wie die Hansischen Studien und zahlreiche Einzelveröffentlichungen legen davon, in ihrer Konzentration auf (wissenschaftlich fundierten) Text und Inhalt, in einer grundsätzlichen Form beredtes Zeugnis ab.

Daneben gab es, für kurze Zeit und eher in Episodenform, eine kleine Reihe von Veröffentlichungen, die konzeptionell und in ihrer Ausführung von der Grundlinie abwichen. In der Reihe der Hansischen Volkshefte erschienen zwischen 1923 und 1929 insgesamt 18 verschiedene Titel. Herausgeber der Reihe, deren Beginn vor genau 100 Jahren erfolgte, war der Hansische Geschichtsverein, der mit einem Verlag in Bremen kooperierte. Bei den Autorinnen und Autoren handelte es sich nicht um Schriftsteller, die sich der Vermittlung historischer Themen zugewandt hätten, sondern um in sachlich-fachlicher Hinsicht einschlägig ausgewiesene Archivare und Geschichtskundler.

Es dürfte der Vereinsführung trotz gegenteiliger Absichtserklärungen schwergefallen sein, unter den besonderen Umständen der 1920er Jahre zumindest auf dem Umschlag ihrer als populär gedachten Reihe wenigstens eine kleine, historisierende, zitierende und durchweg grob gezeichnete Abbildung zuzulassen. Es dauerte nicht mehr als sechs Jahre, bis auch dieses Zugeständnis an den vermeintlichen Massengeschmack mit der Beendigung der Reihe wieder zurückgenommen wurde. Wissenschaft musste eben (noch) nicht „dem Volke dienen“.

Im Kontext der langen, außerordentlich umfangreichen und zugleich verwickelten, jedoch auch gut untersuchten Geschichte des Hansischen Geschichtsvereins vom 19. bis ins 21. Jahrhundert bilden die Hansischen Volkshefte eine eher unwichtige Marginalie, ein Nebenprodukt mit zusammenfassenden, bekannten Inhalten ohne eigenen Erkenntnisgewinn. Nähert man sich dieser nebensächlich erscheinenden kleinen Heftreihe aus verschiedenen inhaltlichen Blickwinkeln, so offenbart sie freilich nicht nur ihre Zeitgebundenheit in fachwissenschaftlicher, publizistischer und kulturpolitischer Beziehung, sondern präsentiert auch einige interessante buchgeschichtliche, popularkulturelle und ästhetische Aspekte. Dieser Bereich soll in der nachfolgenden Vorstellung einer Sammlung der Hansischen Volkshefte und ihres historischen Kontextes zu guter Letzt mit in den Fokus rücken.

Der Hansische Geschichtsverein (HGV)

Bereits 1870 ist der Hansische Geschichtsverein gegründet worden und existiert nunmehr seit 150 Jahren. Mit seiner monopolartigen „Zuständigkeit“ für die Themen Hanse, Hansezeit und Deutsches Mittelalter darf der traditionsreiche und breit vernetzte Verein als wichtiger geschichtsbildender Akteur bezeichnet werden, der nicht zuletzt zu einer immer mehr verfeinerten Definition von Hanse maßgeblich beigetragen hat. Der Zusammenschluss gehört zu den europäisch agierenden und international wahrgenommenen deutschen Geschichtsvereinen, von denen es nur wenige gibt, und besitzt ein großes Renommee, welches auch in den Veröffentlichungen über seine eigene Geschichte zum Ausdruck kommt.1

Der Hansische Geschichtsverein hat sich stets als – dominierende, wenn nicht einzige – Forschungsinstitution zur hansischen Geschichte in einem überregionalen und internationalen Rahmen verstanden, wozu freilich auch gehört, dass sich zahlreiche Forschungsarbeiten mit einzelnen regionalen oder lokal angebundenen hansischen Themen und Inhalten, vor allem der zahlreichen Hansestädte und herausgehobenen Persönlichkeiten, beschäftigen.

So intensiv der Verein europaweit seit langem Einfluss auf die einschlägige Forschung und Vermittlung hansischer Geschichte und zur Ausformung von quellenbezogen durchaus veränderbaren Hansebildern nimmt, so wenig ausgeprägt war und ist sein Interesse, mit eigenen Veröffentlichungsaktionen eine Breitenwirkung zu erzielen, obgleich eine solche Forderung im Verlauf der Vereinsgeschichte immer wieder diskutiert wurde. Ein gewisser elitärer Charakter darf dem Hansischen Geschichtsverein, der immer eng mit der universitären Geschichtsdisziplin sowie mehr noch mit dem Archivwesen verbunden war, in seinem Selbstverständnis und seinen Strukturen zeit seines Bestehens zugesprochen werden.

Die Vorgeschichte der ReiheHansische Volkshefte mit denPfingstblättern

Obgleich auch bereits in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg im Hansischen Geschichtsverein erste Diskussionen über die Frage geführt worden waren, ob und wie man seine Forschungsergebnisse publizistisch auch einer breiteren Leserschaft und Öffentlichkeit öffnen sollte im Sinne eines Volksbildungsauftrags, so konkretisierten sich solche Ideen auf eine neue Weise erst in der schwierigen Gesamtsituation in den Jahren unmittelbar nach dem Kriegsende. Nicht zuletzt die Komponente der deutschen nationalen Befindlichkeit spielte dabei eine Rolle.

Voraus gegangen war freilich ein eigenes Unternehmen mit ursprünglich gleicher Zielsetzung, die Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins, die bereits um 1900 einer als notwendig oder zumindest als sinnvoll erachteten Popularisierung der erarbeiteten Inhalte dienen sollten. Im Rahmen der umfangreichen Publikationstätigkeit des Vereins sollte mit den Pfingstblättern bereits ab 1905 eine Art regelmäßige Plattform des – allerdings selbst definierten – Populären geschaffen werden. Einer der Haupt-Protagonisten des Vereins, Dietrich Schäfer, der wenig später, 1920, eine erste „50-jährige Geschichte“ des Vereins schrieb, machte kurz nach 1900 Vorschläge für die Umsetzung.

„Schäfers Vorschläge wurden ‚von allen Seiten willkommen geheißen‘. Ihrer Präzisierung im einzelnen sollte ein von ihm noch einzureichender Arbeitsplan dienen. Doch beschränkte sich Schäfer im folgenden Jahr (Herbst 1904) zunächst darauf, die Herausgabe einer volkstümlichen kleinen Schriftenreihe nach Art der in der Schweiz üblichen ‚Neujahrsblätter‘ zu empfehlen. Daraus erwuchsen die Pfingstblätter des HGV, deren erstes der fleißige Walther Stein so rasch liefern konnte, dass es schon zur Pfingsttagung 1905 vorlag. Die Reihe hat sich zu einer der vielseitigsten und wertvollsten Schriftenserien dieses Typs überhaupt entwickelt; wegen des geringen Umfanges und der entsprechend niedrigen Herstellungskosten konnte sie auch in der Zwischenkriegszeit als erste wieder aufgenommen und bis 1939 einigermaßen regelmäßig fortgesetzt werden. In den ersten Jahren hat die hiermit erfolgreich eingeleitete Popularisierung hansehistorischen Stoffes gelegentlich freilich auch unerwartete Auswirkungen gehabt.“2

Für die Frage, was unter der „Popularisierung hansehistorischer Stoffe“ zu verstehen und wie damit umzugehen sei, bildeten die Pfingstblätter ein erstes aussagekräftiges Exempel. Sie vermochten zu keiner Zeit die Kluft zwischen der hehren historischen Wissenschaft und einer eher diffus erlebten publizistischen Öffentlichkeit zu überwinden. „Die ersten zehn Pfingstblätter hatten noch einen Durchschnittsumfang von 4 Bogen gehabt, die fünfzehn zwischen den Kriegen erschienenen einen solchen von 6 Bogen. Hielten sich die Pfingstblätter damit auch noch immer im Rahmen der bevorzugten, darstellenden Kurzmonographien, so empfand man doch, dass der ursprüngliche populäre Zweck außer acht gelassen worden war, und daher wiederholte sich noch während der Inflation der Vorgang von 1905: der Vorstand beschloss (im Herbst 1921), mit billigen volkstümlichen Schriften für die hansische Sache zu werben.“3

Obgleich die Pfingstblätter weiterhin fortgesetzt wurden mit guter Akzeptanz innerhalb des Vereins, was freilich nicht zuletzt daran lag, dass sie kostenlos an alle Mitglieder abgegeben wurden, empfand man ihren Charakter, der sich von grundlegenden fachwissenschaftlichen Ansprüchen letztlich in keiner Weise entfernt hatte, unter dem Druck der Nachkriegszeit nicht mehr als ausreichend für die angedachte nationalbildungsbezogene Breitenwirkung. So bildeten die Volkshefte ein zweites kleines, aber wiederum als innovativ angelegtes Nebenprodukt, dem – erneut – mehr oder weniger ein Versuchscharakter zukam. Die vollständig aufgelistete Folge ihres Erscheinens gehört dessen ungeachtet bis heute zu den Publikation(sreih)en, die der herausgebende Geschichtsverein nicht ohne Stolz auf seiner Homepage aus den langen Jahrzehnten seiner Tätigkeit aufführt.4

Vorarbeiten und Beginn der Reihe

Der Vorstand des Hansischen Geschichtsvereins beschloss im Herbst 1921, „volkstümliche Hefte“ zur Hansischen Geschichte in Gestalt einer Serie herauszugeben, um das Geschichtsbewusstsein und auch Selbstwertgefühl breiterer Bevölkerungsschichten zu heben und zugleich die Hanse in ihrer Bedeutung als patriotisch wirkendes Element zu verstärken. „Während die Pfingstblätter in der Weimarer Republik teilweise einen wissenschaftlichen Charakter annahmen, wurde 1921 von Hermann Entholt der Vorschlag gemacht, eine günstig produzierte Reihe in Form von Volksbüchern ‚zum Wiederaufbau unseres Volks‘ herauszugeben. Ohne jeglichen wissenschaftlichen Apparat sollten sie für alle lesbar sein. […] Die Themen umfassten ebenfalls wie die Pfingstblätter zumeist Stadtbzw. Personengeschichte, die auf die Tagungsorte abgestimmt war, aber auch ‚populäre‘ Themen der 1920er Jahre aus der Kolonisations- oder Seegeschichte.“5

Der Name der Hansischen Volkshefte war Programm, denn nach dem Selbstverständnis des Herausgebers sollten sie der volkstümlichen Behandlung der Hansegeschichte oder, mit heutigen Worten wie im Falle der Pfingstblätter, „der Popularisierung der hansischen Geschichte“ dienen und vor allem von Schulen in ihr Lektüreangebot aufgenommen werden.

Vom Vorstand des Vereins wurde eine dreiköpfige Kommission zur Vorbereitung der Hefte eingesetzt, die unter der engagierten Leitung des Bremer Archivars Hermann Entholt (1870-1957) rasch in Aktion trat. Ihr gehörten weiterhin Johannes Kretzschmar als geschäftsführender Vorstand des HGV in Lübeck und Friedrich Techen, Archivar in Wismar, an.

Die Hansischen Volkshefte sollten nicht primär auf Markterfolg im Sinne ökonomischer Zahlenwerke zielen, obgleich man sich in einer gewissen Naivität anfangs große Verkaufs- und Verbreitungszahlen versprach, sondern einem ganz bestimmten politischinhaltlichen Impetus einer ganz bestimmten Zeit folgen. Im Zentrum stand nach dem Kriegsende, das auch von den Vorstandsmitgliedern des Vereins als bitter, schmachvoll, ungerecht und belastend empfunden wurde, eine Rückbesinnung auf die große Zeit der Deutschen Hanse mit dem Mittelalter, das als Epoche deutscher Kulturhoheit denn auch anhand zahlreicher konkreter Beispiele eine überhöhende Darstellung fand.

Zu Beginn der Überlegungen hatte man die Ansprüche sogar noch ein wenig höher angesetzt, wie aus dem Jahresbericht 1921/22 des Vereins hervorgeht, der in den Geschichtsblättern 1922 publiziert wurde. Dort hieß es: „Als ein neues Unternehmen hat der Vorstand beschlossen, eine Serie ‚Hansischer Volksbücher‘ herauszugeben.“ Man wollte ursprünglich also die Tradition der mittelalterlichen Volksbücher, auch mit deren symbolischen Implikationen, wiederaufleben lassen und fortführen – wie dies auch von verlegerischer Seite andernorts häufig versucht und praktiziert worden ist. Heraus kamen aber letztlich „nur“ kleine, dünne Hefte, die sich schwerlich unter dem Rubrum Volksbücher hätten vermarkten lassen (was andernorts im Verlagswesen nicht als Hindernis verstanden worden ist).

Die Titel sollten, so hieß es weiter im Jahresbericht, „in einfacher und volkstümlicher Sprache Persönlichkeiten und Zustände aus der Hansischen Geschichte schildern [und] den Gedanken der Deutschen Hanse in weite und weiteste Kreise tragen. Die ersten Hefte sollen im Laufe des Sommers [1922] ausgegeben werden.“ Dies gelang nicht ganz, denn es gab diverse Verzögerungen.

Hermann Entholt, Archiv-Leiter und „Syndikus“ in Bremen, hatte 1921 damit begonnen, zu dem Plan zu korrespondieren und Autoren einzuwerben. Eine der ersten Antworten stammte vom Autor der die Reihe wenig später einleitenden Hefte, Friedrich Techen (1859-1936), der sich zu Beginn zum wichtigsten Partner von Entholt entwickelte und ursprünglich sogar als Mitherausgeber der Reihe fungieren sollte.6