Die Menschenfänger - Willy Rencin - E-Book

Die Menschenfänger E-Book

Willy Rencin

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Beschreibung

Da sah ich, eigentlich ganz zufällig, einen älteren Mann in den Laden hineingehen, der trotz der sommerlichen Temperaturen einen Mantel trug, einen ziemlich schäbigen. Es bedurfte keines Scharfsinns zu erkennen, dass es sich um einen der Penner handelte, die heute wie Pilze aus der Erde schießen. Ich weiß nicht, wie ich überhaupt dazu gekommen bin, dem Mann meine Beachtung zu schenken, aber ich tat es, obwohl ich – weiß Gott – genug mit mir zu tun gehabt hätte. Schon als er sich dem Laden näherte, läuteten in mir die Alarmglocken – sinnbildlich natürlich. Schwer erklärbar, aber es ähnelt dem Geräusch, als würde man hauchdünnes Seidenpapier in Stücke reißen. Das Gefühl war mir keinesfalls neu und ich wusste, dass es kein gutes ist. Der Mann verschwand also im Laden, und auf mein heiligstes Ehrenwort, er kam nie wieder von dort heraus. Bis zum späten Nachmittag habe ich aus einer inneren Unruhe heraus alles genau überwacht. Ich wusste natürlich noch nichts Genaues, wie auch. Dann habe ich mich überwunden und bin in den Laden gegangen. Kaufte Zigaretten, um keinen Argwohn zu erwecken, obwohl ich mir schon vor Jahren das Rauchen abgewöhnt habe. Von dem Manne keine Spur, er war wie in Luft aufgelöst. Es gab keine Hintertür oder einen Ausgang, den ich nicht von meiner Bank aus gesehen hätte. Selbstverständlich habe ich die Toilette überprüft. Ja, selbst die "Für Damen"! Nichts! Er war und blieb verschwunden. In der Folge habe ich dann den Laden beinahe täglich überwacht. Und, ahnen Sie, was passierte? Jawohl; es kam zu Wiederholungen! Ich habe genau Buch geführt. Aufzeichnungen gemacht, die mit Tag und Stunde beweisen, dass in diesem Laden Menschen verschwinden. Menschen, die anscheinend keiner vermisst.

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Willy Rencin

Die Menschenfänger

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Die Menschenfänger

 

 

 

Wie es anfing

 

...Nicht, dass ich etwas gegen religiös Andersdenkende hätte. Was denken Sie, nein – ich bin durchaus tolerant. „Liebe deinen Glauben, aber verurteile den eines Anderen nicht!“

So, meine Herren, lautet die Devise. Dieser Ausspruch soll auf den Propheten Mohammed zurückgehen, sagt man.

Nun, wie auch immer – ich komme schnurgerade zum Kern der Sache, also der Aufgabe, der ich mich mit Leib und Seele verschrieben habe.

Es geht keineswegs um Religion. Nein, ich bin nicht gläubig, nicht im herkömmlichen Sinn. Dieses ewige Emporschauen ist mir unmöglich.

Ich befinde mich nicht in dem Zustand, der Gnade vorbehaltlos glauben zu können bzw. in Zwängen dies unbedingt tun zu müssen.

Nun ja, wenn die Zeit reif ist, erscheint der Lehrer. Warten wir es ab!

Wussten sie übrigens, dass Dante und Vergil beim Durchstreifen der Hölle immer linksherum gehen?

Man überlegt und überlegt, warum sie das tun. Sie könnten ja auch rechtsherum gehen, sollte man meinen. Ich werde nicht in den Fehler verfallen, mir darüber den Kopf zu zermartern.

Wegen solcher – eigentlich Kleinigkeiten – sind schon Menschen verrückt geworden. Die Verwahranstalten sind voll von ihnen. Das kann ich bezeugen. War ich doch... Nun ja, ich habe einige dieser armen Irren aus nächster Nähe – bei... Bei einer Führung zu sehen bekommen. Konnte mir ein Bild machen!

Es ist nichts für zarte Nerven und die Pfleger und Schwestern, ganz in Weiß und mit Stiernacken, jeder Pitbull nähme vor Schreck Reißaus.

Die jungen Leute halten sich heute solche Tiere. Man liegt vor den Kaufhallen herum und lässt die kleinen Bestien nach den Passanten schnappen. Ich bin aber nicht so beschränkt, in ihre Nähe zu kommen, obwohl die Tiere für mich keineswegs... Sie würden mir nichts tun, aber es wird gepöbelt und da umgehe ich diese Gruppen.

Es gibt da auch Bettler, die selbst bei Regen und in eisiger Kälte fast im bloßen Hemd auf Knien gehockt die Hand nach einer milden Gabe ausstrecken. Kleine Pappschilder vor ihnen. Darauf steht: „Ich habe Hunger!“ und solche Sachen. Es wird ihnen gegeben.

Meist alte Leute, die Mitleid haben und nicht wissen, dass sich diese Schlaumeier stündlich abwechseln. Sie machen das nicht ungeschickt; der eine geht von dannen und ein paar Schritte weiter lässt sich der andere nieder.

Ich selbst spende gelegentlich auch.

Nicht aus Mitleid, nein. Ich drücke meine Anerkennung für die famose Inszenierung aus.

Ein ganz besonders Gewitzter ist selbst im Hochsommer in einem Mantel gehüllt – eine Stützkrücke unter der Schulter. Der Bursche kniet und hat seine zwei kerngesunden Beine solcherart unter dem herabhängenden Mantel versteckt, dass man meint, sie seien ihm tatsächlich abhanden-gekommen...

Es gibt aber wirklich arme Teufel... In der Stadt treibt sich ein junger Mensch herum, der auf einem kleinen Handwagen eine Kiste mit Welpen hinter sich herzieht.

Er spielt Mundharmonika – nicht gut, wie ich glaube, aber die Tierchen bewegen die Leute, ihm etwas in seinen Hut zu werfen. Was ich sagen wollte, ist, dass man sich einbringen muss.

Zugegeben, es ist nicht einfach und vielleicht auch nicht jedem X-Beliebigen vergönnt. Mir schon, obzwar ich mich keineswegs für etwas Besonderes oder gar für einen Auserwählten halte.

Hat man es aber geschafft, sich vorurteilsfrei einzubringen, dann kann man mit einigem Geschick hinter den großen Vorhang schauen.

Man hat Möglichkeiten, Dinge zu tun, die anderen auf ewig verschlossen bleiben. Leider, und das ist sicher nachteilig, kann man sich ab einer gewissen Stufe der Reife niemanden mehr mitteilen, keinem teilhaben lassen an den entdeckten Wunderwelten.

Ganz am Anfang stand bei mir (unter anderem) eine kleine Übung und ich will versuchen, sie so einfach wie möglich zu erklären. Man kann – das muss als unumstößliche Tatsache anerkannt werden – seine Gedankenkraft oder Energie, wie immer dies auch benannt wird, konzentrieren, zu einer Art (allerdings unsichtbaren) Strahl bündeln, um damit gewisse Dinge zu tun oder auch nicht zu tun.

So setzt man sich beispielsweise in einem Park auf eine Bank, konzentriert sich und erdenkt sich dann eine Schnur, die etwa in Fußhöhe über den Weg gespannt ist. Den Blick immer fest auf diese imaginäre Schnur gerichtet, wird man feststellen, dass die Vorübergehenden fast ausnahmslos vor dieser stoppen, den Fuß heben, als wollten sie Seilhüpfen, um dann mit einem meist irgendwie verärgerten Kopfschütteln schneller als vorher weiterzugehen.

Ich bin über ein Vierteljahr wie ein Idiot in den Anlagen und Parks herumgesessen, bis mir endlich der erste Treffer gelang.

Dieses erste für mich so wichtige Erfolgserlebnis verdanke ich einem kleinen Hündchen. Vor meiner gedachten Schnur blieb das winzige Fellbündel plötzlich stehen. Es verbellte und machte dann für seine geringe Größe einen Riesensatz, sodass er der alten Dame, die ihn Gassi führte, fast die Hundeleine aus der Hand riss. „Haben sie das gesehen, das hat er noch nie gemacht“, sagte sie fragend bei mir vorbeikommend.