DIE SCHARLACHROTE TRAGÖDIE - Carter Brown - E-Book

DIE SCHARLACHROTE TRAGÖDIE E-Book

Carter Brown

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Mike, der Spieler, setzt alles auf Rot. Sein Geld, seine Freiheit, sein Leben. Nun rollt die Kugel, und er wartet. Zero kommt gleich. Zero muss kommen. Zero... kommt nie. Mike hat verloren. Er verpfändet sein Leben einer Gangsterbande und wird ein anderer: Ein Zuchthäusler, der irgendwo ein Vermögen an Diamanten versteckt hat. Aber während er noch versucht, in die Haut eines anderen zu schlüpfen, entdeckt er, dass er die eigene nicht mehr retten kann: Vor einer Frau, die sich nicht täuschen, einem Polizisten, der sich nicht einschüchtern, und einem Doppelgänger, der sich nicht beseitigen lässt...    Der Kriminal-Roman  DIE SCHARLACHROTE TRAGÖDIE  des australischen Schriftstellers Carter Brown (* 1. August 1923 in London, England unter dem Namen Alan Geoffrey Yates; † 5. Mai 1985 in Sydney, Australien) erschien erstmals im Jahr 1965; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1968 (unter dem Titel  Zero kommt gleich ). 

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CARTER BROWN

 

 

Die scharlachrote Tragödie

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DIE SCHARLACHROTE TRAGÖDIE 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Das Buch

 

 

Mike, der Spieler, setzt alles auf Rot. Sein Geld, seine Freiheit, sein Leben. Nun rollt die Kugel, und er wartet. 

Zero kommt gleich. 

Zero muss kommen. 

Zero... kommt nie. 

Mike hat verloren. Er verpfändet sein Leben einer Gangsterbande und wird ein anderer: Ein Zuchthäusler, der irgendwo ein Vermögen an Diamanten versteckt hat. Aber während er noch versucht, in die Haut eines anderen zu schlüpfen, entdeckt er, dass er die eigene nicht mehr retten kann: Vor einer Frau, die sich nicht täuschen, einem Polizisten, der sich nicht einschüchtern, und einem Doppelgänger, der sich nicht beseitigen lässt... 

 

Der Kriminal-Roman Die scharlachrote Tragödie des australischen Schriftstellers Carter Brown (* 1. August 1923 in London, England unter dem Namen Alan Geoffrey Yates; † 5. Mai 1985 in Sydney, Australien) erschien erstmals im Jahr 1965; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1968 (unter dem Titel Zero kommt gleich). 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  DIE SCHARLACHROTE TRAGÖDIE

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war eins dieser typischen teuren Restaurants, wo man Wahnsinnspreise für das Essen bezahlen musste und dafür noch schlecht bedient wurde. In den letzten sechs Wochen war ich viermal in der Woche hier gewesen, aber gegessen hatte ich noch nie einen Happen. Auch an diesem Abend war es nicht anders; ich setzte mich an die Bar, trank das übliche Glas und verschwand schließlich durch die Tür, die keine Aufschrift trug. Von dort ging es einen langen Korridor entlang bis zu der Stahltür am Ende. Der Fatzke in seinem ewigen Abendanzug lehnte wie üblich an der Wand.

»’n Abend, Mr. Farrel.« Er grinste und zeigte seine lückenhaften gelben Zähne. »Glauben Sie, dass Sie heute Abend Glück haben werden?«

»Das glaube ich jeden Abend«, entgegnete ich trübe.

Er zuckte die Schultern, dann drückte er auf den verborgenen Knopf, und die Stahltür öffnete sich. Ich trat zwei Schritte vor; die Stahltür schloss sich hinter mir, und jetzt war ich in meiner Welt, wo das Schicksal an den Karten hängt, mit den Würfeln rollt oder mit der Kugel fällt. An diesem Abend musste ich das Schicksal herausfordern: Entweder ging ich mit einem Riesengewinn nach Hause, oder...

In dem Glaskasten, der wie ein Banktresor abgesichert war, lächelte mir der Rotschopf mit müden Augen zu. Viel kam nicht dabei heraus, und sie gab es auch schnell auf.

»Hallo, Mr. Farrel.« Das klang vorsichtig. »Wollen Sie heute Ihr Glück probieren?«

»Schuldscheine von mir werden nicht mehr angenommen«, entgegnete ich und sah, dass sie erleichtert aufatmete. »Heute Nacht brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Baby.« Ich öffnete meine Brieftasche und zog ein dickes Bündel Scheine heraus. Ich schob sie ihr unter dem Drahtgitter zu. »Das sind tausend Dollar, und ich möchte dafür zwanzig von den kleinen roten Chips haben.«

Mit geschickten Fingern zählte sie das Geld und schob mir dann einen kleinen Stapel roter Chips zurück. »Darf man Ihnen Glück wünschen, Mr. Farrel?«

»Warum nicht?«, entgegnete ich.

Ich ging auf den nächstgelegenen Roulettetisch zu, meine feuchten Finger spielten mit den Chips. Wenn man bedachte, was sie wert waren - danach fühlten sie sich ganz gewiss nicht an. Diese zwanzig kleinen Plättchen stellten mein gesamtes Bankguthaben dar und den Erlös vom Verkauf meines Wagens. In meiner Brieftasche befand sich noch ein Fünfdollarschein, der mich vor dem Verhungern retten sollte, falls die zwanzig kleinen roten Chips sich in Luft auflösten. Aber das würden sie natürlich nicht. Nach dem Pech, das ich in den letzten sechs Wochen gehabt hatte, musste es heute einfach klappen.

Neben mir am Tisch saß eine Blonde mit tiefausgeschnittenem Kleid. Irgendwelche Drähte und Fischbeinstäbchen mussten im Oberteil ihres Kleides verborgen sein, sonst hätte sie unmöglich einen solchen Busen haben können. Als die Elfenbeinkugel auf Zero liegenblieb, gab sie einen schrillen Begeisterungsschrei von sich. Der Croupier harkte alle anderen Einsätze an sich.

»Ist es nicht verrückt?«, sagte sie. »Ich habe den ganzen Abend auf Zero gesetzt. Wieviel kriege ich dafür?«

»Fünfunddreißigmal den Einsatz«, erklärte ich ihr. »Wieviel hatten Sie denn drauf?«

»Zweihundert Dollar«, entgegnete sie lässig.

»Dann haben Sie eben siebentausend verdient.« Ich knirschte mit den Zähnen. »Mögen sie Ihnen gut bekommen.«

Ich starrte auf den Haufen Chips, den ihr der Croupier zuschob. Ich war wie hypnotisiert. Sieben Tausender auf einen Schlag. Ich pflegte hier in diesen Laden zu kommen, weil es der einzige war, der kein Limit für den Einsatz hatte. In den letzten sechs Wochen hatte ich relativ vorsichtig gespielt, mal mit Fifty-fifty-Chancen, mal mit Sechsernummern oder Zahlenreihen; von den Einzelzahlen hatte ich die Finger gelassen, bis auf ein oder zwei Versuche. Und dabei hatte ich mich ruiniert. Nun saß hier so ein blondes Gretchen, kam mit Zero raus und kassierte fünfunddreißig zu eins. Der Schweiß brach mir aus, als ich mir den Haufen Chips ansah, den sie vor sich aufbaute.

Ich zwang mich, in eine andere Richtung zu blicken; links neben mir saß ein Mann, der mich gemessen anlächelte; aber seine Augen funkelten feindselig.

»Das ist aber eine Überraschung, Mike«, sagte er leise.

»Hallo, Walter.« Ich bleckte meine Zähne. »Für die habe ich bar bezahlt.« Ich öffnete meine Finger und zeigte ihm die roten Chips. »Aber wahrscheinlich weißt du das schon. Du würdest bestimmt nichts dem Zufall überlassen, oder?«

»Ich finde, wir überlassen eine ganze Menge dem Zufall, wenn man bedenkt, dass ich von dir Schuldscheine über zehntausend Dollar angenommen habe. Du hast deine tausend gegen bar gekriegt, okay. Aber uns bleiben die Schuldscheine.«

»Vielleicht wird sich das noch heute Abend ändern.«

»Hoffentlich.« Seine Stimme klang immer noch leise und angenehm, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache.

Ich betrachtete ihn. Er war groß, beinah so groß wie ich, aber etwa dreißig Pfund schwerer; das meiste davon hatte sich um seine Taille angelagert. Sein schwarzes Haar war schon etwas spärlich, und er hatte eine gelbliche Gesichtsfarbe. Walter Arndt war ein Kriecher, aber das musste nicht bedeuten, dass er sich in die Ecke drücken ließ.

»Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich jetzt ein bisschen Roulette spielen.«

»Was sollte es mir ausmachen?« Er grinste schwach und drehte sich weg.

Ich wandte mich wieder an die Blonde mit dem Spielerglück.

»Wie oft haben Sie heute Abend auf Zero gesetzt, ehe es kam«, fragte ich.

»Beinahe den ganzen Abend«, sagte sie. »Genau zwanzigmal, und jedes Mal habe ich meinen Einsatz um zehn erhöht. Das hat mich einen ganzen Haufen gekostet. Die zweihundert waren mein letztes Geld. Können Sie sich das vorstellen?«

»Warum hören Sie nicht auf?«, schlug ich vor.

»Einen kleinen Tausender werde ich noch riskieren«, sagte sie bestimmt. »Fünfmal noch, und dann wird aufgehört.«

Nach den nächsten fünf Runden hatte sie ihren Tausender verloren, dann griff sie sich den immer noch beträchtlichen Stapel und zog ab.

»Sie können jetzt meinen Platz haben«, sagte sie fröhlich. »Ich schenke Ihnen mein Glück zum Abschied.«

Als sie gegangen war, beobachtete ich die Kugel zehn Runden lang, ohne einen einzigen Einsatz zu machen. Zero war kein einziges Mal gekommen, und ich fühlte, wie Erregung in mir aufstieg. Wenn man anstelle von roten Blutkörperchen das Spielfieber in seinen Adern hat, dann ist es, als ob die Schicksalskarten zwei Joker enthielten. Der eine Joker ist das Omen und der andere der Mut. Und man hat die alberne Einbildung, dass irgendwann, irgendwo und irgendwie diese beiden Karten einmal zusammenfallen und man dann das große Glück hat. Ich habe eine ganze Menge über Systeme gelesen und auch ein paar ausprobiert. Dabei bestätigte sich aber nur, was ich schon gewusst hatte: Systeme sind für Leichtgläubige gemacht. Roulette lässt sich mit keinem System zwingen. Man braucht Glück, nichts als Glück.

Die Blonde, die mit ihren letzten zweihundert Dollar auf Zero abgeräumt hatte, war das Omen gewesen. Meine Haut prickelte, mein Blut rann schneller. Es war eine Zero-Nacht, ich wusste es. Sie hatte mit dem einfachen Zero gewonnen, ich würde mein Glück mit dem doppelten machen.

Das Rad war die amerikanische Standardform mit achtunddreißig Vertiefungen - sechsunddreißig Nummern plus Zero und Doppelzero. Wenn Zero oder Doppelzero kamen, gingen alle Einsätze, bis auf die auf Zero oder Doppelzero, an das Haus. Nach dem Wahrscheinlichkeitsgesetz musste Zero oder Doppelzero zweimal innerhalb von achtunddreißig Runden kommen - im Durchschnitt und auf lange Sicht. Die Blonde hatte zwanzigmal auf Zero gesetzt, ehe es fiel, und dann noch fünfmal, ehe sie gegangen war. Ich hatte die nächsten zehn Runden beobachtet, und weder Zero noch Doppelzero waren gefallen. Das bedeutete also fünfunddreißig Runden ohne Zero. Mein Verstand hätte mir sagen sollen, dass meine Rechenkünste nichts mit meinen Gewinnchancen zu tun hatten - Wahrscheinlichkeiten gelten nur für ganz lange Sicht. Aber mein Verstand hatte mich verlassen, und da stand ich nun mit leuchtenden Augen und hoffte auf mein Glück. Es sollte Doppelzero heißen, und es sollte in den nächsten drei Runden herauskommen.

Ich schob zweihundert auf Doppelzero; die Kugel drehte sich und blieb zwei Felder daneben auf der Dreizehn stehen. Das nächste Mal setzte ich dreihundert, und die siebenundzwanzig fiel, genau neben der Doppelzero. Verdammt! Aber dann überlegte ich, dass meine Chance eigentlich nur noch größer geworden war: Ich schob meine letzten fünfhundert, zehn rote Chips, auf die Doppelzero. Die Kugel fiel auf Nummer 36. Meine Augen versuchten zwar, die kleine Elfenbeinkugel noch drei Felder weiterzuschieben, aber sie blieb liegen, wo sie lag.

»Ihr Einsatz, Mr. Farrel?«, fragte der Croupier höflich.

»Nein, ich habe genug für heute Abend«, murmelte ich, zündete eine Zigarette an und kehrte dem Tisch den Rücken; wenn die Blonde in der Nähe gewesen wäre, ich hätte sie erwürgt. Stattdessen landete ich an der Bar und bestellte einen doppelten Whisky, der mich zwei Dollar kostete. Zwei Fünftel meines gesamten Vermögens für einen einzigen Drink war ein bisschen happig, fand ich.

Ich saß da, starrte in den Spiegel hinter der Bar und durchlief sämtliche Stadien des Selbstmitleids, Ekels und Lebensüberdrusses, die den Spieler von Zeit zu Zeit überfallen. Genau das hatte Julie mir vorausgesagt. Ich stierte in das dunkle Gesicht, das mich aus dem Spiegel angrinste. War es wirklich erst sechs Monate her, seit ich Julie Holland kennengelernt hatte?

War es wirklich erst wenige Monate her, seit ich aus dieser Affäre mit den Syndikat-Gangstern an der Westküste herausgekommen war? Die Geschichte hatte mich damals fast das Leben gekostet, und danach hatte ich mich für einen gemachten Mann gehalten. Ich wollte ein bildschönes Mädchen heiraten, Julie, die mich liebte, und wollte zwanzigtausend Dollar in ein anständiges und ehrliches Geschäft stecken und nie im Leben mehr eine Karte anfassen. Und was war passiert?

Julie Hollands klare blaue Augen hatten einen sehr energischen Ausdruck gehabt, als sie mich anblickte - daran erinnerte ich mich noch ganz genau. Und dann hatte sie gesagt: »Bei dir ist es einfach eine Seuche, Mike. Du bist der geborene Spieler und wirst es nie lassen können, genauso wenig wie der Trinker den Alkohol. Es wird dir ewig am Herzen nagen. Du kannst versuchen, dagegen anzugehen, aber es wird dich auffressen; ich will nicht dabeistehen, um das mit anzusehen. Du musst dich jetzt entscheiden, Mike. Entweder willst du das Spiel, oder du willst mich. Beides geht nicht.« Ich hatte ihr gesagt, dass ich es mir überlegen wollte, aber als ich am nächsten Morgen um vier von einem Pokerspiel zurückkam, hatte ich es mir immer noch nicht überlegt. Aber das machte nichts mehr, denn Julie war weg. Also blieb ich, was ich immer gewesen war - ein professioneller Spieler. Aber in den letzten sechs Wochen, seitdem ich in dieser verdammten Stadt war, musste etwas mit mir geschehen sein. Ohne jeden ersichtlichen Grund hatte ich Poker aufgegeben, dabei war es das einzige Spiel, bei dem man dem Glück mit Verstand und Technik nachhelfen konnte. Stattdessen hatte ich mich dem Roulette verschrieben, wie irgendeine alberne Zicke, die ihre erfolgreiche Scheidung in Reno feiert. Vielleicht hatte Julie wirklich recht gehabt.

»Noch einmal dasselbe, Sir?« Die Stimme des Barkeepers brachte mich in die Gegenwart zurück.

»Und diesmal als mein Gast«, sagte eine leise bekannte Stimme rechts von mir.

Als ich den Kopf wandte, starrte ich in Walter Arndts grinsendes Gesicht. »Das war aber Pech heute Abend,

Mike«, sagte er, doch sehr traurig schien er nicht darüber zu sein. »Als du vom Tisch weg warst, ist die Doppelzero zweimal in den nächsten fünf Runden gekommen.«

»Soll ich in Tränen ausbrechen?«, gab ich zurück.

Der Barkeeper stellte je einen doppelten Whisky vor mich und vor Arndt hin, dann zog er sich an das andere Ende der Bar zurück.

»Ich habe mit Gilda geredet«, sagte Arndt in leichtem Konversationston.

»Mit dem Rotschopf im Kasten?«, fragte ich zurück.

»Sie ist meine Kassiererin.« Seine Augen glitzerten auf. »Gilda sagte, dass sie dir heute Abend tausend Dollar umgewechselt hat.«

»Na und?«

»Und die hast du auch noch verspielt, obwohl du uns noch zehntausend schuldest. Ich frage mich nur, wieso du solche Schulden bei uns machen konntest. Ich habe mich bei deiner Bank erkundigt; da ist auch Doppelzero.« Er lachte hart auf. »Damit erhebt sich für uns die Frage, wie wir unser Geld zurückkriegen.«

»Du wirst es schon kriegen«, fauchte ich. »Du weißt ganz genau, wenn ich unbezahlte Schuldscheine herumliegen ließe, wäre ich endgültig in sämtlichen Spielhöllen zwischen Alaska und Florida erledigt.«

»Klar.« Sehr beeindruckt schien er nicht. »Ich werde die Frage anders formulieren: Wann kriegen wir das Geld zurück?«

»Ich brauche ein bisschen Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen.«

»Was etwa dreißig Jahre dauern dürfte«, höhnte er.

»Ich habe im Moment ein anderes Problem - es möchte dich ein sehr ungeduldiger Geschäftsfreund von mir sprechen, und zwar sofort.«

»Du kannst deinem ungeduldigen Geschäftsfreund das gleiche sagen, was ich dir eben gesagt habe«, entgegnete ich eisig. »Ich brauche eben Zeit...«

»Mein bester Mike.« Er lachte mir beinahe ins Gesicht. »Du bildest dir doch nicht ein, dass dir eine Wahl bleibt?«

Ich warf einen schnellen Blick auf die Stahltür, die die Außenwelt sicher und hermetisch ausschloss; davor standen zwei Typen, deren Gesichter nichts an Brutalität zu wünschen übrigließen. Ich sah Arndt an und zuckte die Schultern.

»Womit du wahrscheinlich recht hast, Walter«, entgegnete ich. »Also wird man mich innerhalb der nächsten dreißig Minuten zusammenschlagen und halbtot in irgendeiner dunklen Gasse liegenlassen?«

»Bildest du dir vielleicht ein, dass es uns zehntausend Dollar wert ist, eine Flasche wie dich zusammenzuschlagen?« Diesmal lachte er lauthals, und es hörte sich gar nicht angenehm an. »Du bist wohl nicht bei Trost, Farrel.«

»Okay.« Ich rutschte von dem Barstuhl herunter. »Gehen wir also, und reden wir mit deinem Geschäftsfreund. Vielleicht komme ich mit ihm zu einer Vereinbarung und kann ein paar Jahre lang bei ihm Teller waschen.«

Am äußersten Ende des Raumes verbarg sich hinter dicken Vorhängen eine Tür, die sonst immer verschlossen war. Jetzt wurde sie geöffnet, und wir gingen über verschlungene Korridore und kletterten ein paar Treppen hinauf; schließlich landeten wir in einer kleinen Halle auf der oberen Etage. Arndt klopfte einmal und trat dann sofort ein. Ich folgte ihm.

Wir standen in einem elegant eingerichteten Wohnzimmer. Es musste eine Art Atelierwohnung sein, und ich fragte mich, ob wohl viele Leute von der Existenz dieser Wohnung eine Ahnung hatten.

»Farrel ist da«, sagte Walter Arndt dem hohen Rücken des Lehnstuhls. Als sich daraus ein silberblonder Haaraufbau erhob, fügte er hinzu: »Farrel, ich möchte dir meine Geschäftspartnerin Arline Gray vorstellen.«

Die Blonde stand auf, trat auf mich zu und starrte mich an. Sie hatte hellblaue, weit auseinanderstehende Augen und ein herzförmiges Gesicht. Der Mund mit der vollen Unterlippe wirkte sinnlich. Sie war groß und hielt sich sehr gerade, dabei drückten sich ihre kleinen spitzen Brüste gegen die dünne Bluse; ihre langen Beine steckten in korallenfarbigen Seidenhosen.

Gewicht, Figur und Haltung zeugten von äußerster Selbstkontrolle. Mein Verstand sagte mir, dass diese Dame ihre Leidenschaften ganz bestimmt im Zaum halten könne; wenn Leidenschaften sie je berührt hatten, dann bestimmt nur durch das Schaufenster eines Juwelierladens. Aber ihr sinnlicher Mund reizte mich. Ich fragte mich, wieviel Dynamit wohl unter dieser eisigen Oberfläche verborgen sein mochte. Wenn da einer eines Tages die Zündschnur ansteckte, würde er wahrscheinlich mit in die Luft gehen.

»Mal im Profil«, sagte sie plötzlich mit kalter Stimme.

»Was?« Ich starrte sie verblüfft an.

»Hast du nicht gehört? Dreh dich seitwärts, damit Arline dein Profil sehen kann.«

Ich gehorchte, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie genug von meiner Seitenansicht hatte und ich mich wieder herumdrehen durfte.

»Die grauen Haare wären kein Problem«, sagte sie wie zu sich selbst. »Ich glaube, er tut’s, Walter.«