DIE TÖDLICHE DIVA - Carter Brown - E-Book

DIE TÖDLICHE DIVA E-Book

Carter Brown

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Beschreibung

Man nehme: - eine Diva, deren erotische Ausstrahlung alle Männer um den Verstand bringt; - einen Filmproduzenten, der skrupellos seine Macht ausnutzt; - eine Wahrsagerin, deren Blick mehr auf Männer als in die Zukunft gerichtet ist; - einen unheimlichen Mann mit Narbe, vor dem alle Angst haben. Man setze also diese Personen auf eine Vergnügungsyacht, gebe eine Menge Alkohol und Rauschgift hinzu und bringe sich in Sicherheit. Denn die Mischung ist explosiv, und die Schockwelle reißt jeden um... Der Kriminal-Roman DIE TÖDLICHE DIVA des australischen Schriftstellers Carter Brown (* 1. August 1923 in London, England unter dem Namen Alan Geoffrey Yates; † 5. Mai 1985 in Sydney, Australien) erschien erstmals im Jahr 1979; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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CARTER BROWN

 

 

Die tödliche Diva

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

DIE TÖDLICHE DIVA 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Impressum

 

Copyright © by Alan Geoffrey Yates/Signum-Verlag.

Published by arrangement with the Estate of Alan Geoffrey Yates.

Original-Titel: See It Again, Sam.

Übersetzung: Sigrid Kellner.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg

Umschlag: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected]

Das Buch

 

 

Man nehme:

- eine Diva, deren erotische Ausstrahlung alle Männer um den Verstand bringt;

- einen Filmproduzenten, der skrupellos seine Macht ausnutzt;

- eine Wahrsagerin, deren Blick mehr auf Männer als in die Zukunft gerichtet ist;

- einen unheimlichen Mann mit Narbe, vor dem alle Angst haben.

Man setze also diese Personen auf eine Vergnügungsyacht, gebe eine Menge Alkohol und Rauschgift hinzu und bringe sich in Sicherheit.

Denn die Mischung ist explosiv, und die Schockwelle reißt jeden um...

 

Der Kriminal-Roman Die tödliche Diva des australischen Schriftstellers Carter Brown (* 1. August 1923 in London, England unter dem Namen Alan Geoffrey Yates; † 5. Mai 1985 in Sydney, Australien) erschien erstmals im Jahr 1979; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  DIE TÖDLICHE DIVA

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Sie war eine hochgewachsene Blondine mit einer Frisur, die merkwürdig skalpiert wirkte. Die kurzgeschnittenen glatten Haare waren straff an den Kopf gebürstet. Trotzdem machte sie keinen maskulinen Eindruck. Ihre leuchtenden, blauen Augen standen weit auseinander, die Nase war kurz und gerade, und ihr Mund mit der weich geschwungenen Oberlippe ließ den Betrachter ins Träumen geraten. Sie trug eine dünne weiße Bluse, die sich eng über den kleinen festen Brüsten spannte und deren Spitzen betonte. Die weiche, weiße Wolle der Hosen lag wie eine zweite Haut an ihren Oberschenkeln. Sie war von irgendwo aufgetaucht, um an meiner Tür zu klingeln, und nun saß sie im Wohnzimmer, als gehöre ihr bereits das ganze Haus.

»Sie sind Holman«, stellte sie fest. »Rick Holman. Tüchtigkeit und Verschwiegenheit garantiert, nicht wahr? Falls es irgendwelchen Dreck unter den Teppich zu kehren gibt, kehren Sie so gut, dass niemand diesen Dreck wieder finden kann. Oder, anders herum, falls irgendwelcher Dreck ans Tageslicht gezerrt werden soll, hören Sie nicht auf, unter Teppichen herumzustöbern, bis Sie ihn entdeckt haben.«

»Ich verleihe auch Piranhas«, ergänzte ich. »Und garantiert unberührte Jungfrauen für nächtliche Orgien.«

»Ich bin Tracy Simon«, stellte sie sich vor, »und möchte Ihre zweifelhaften Dienste mieten.«

»Eins möchte ich aber gleich klarstellen«, versetzte ich. »Selbst für Geld ermorde ich keinen Menschen.«

Sie fasste in ihre Tasche und brachte einen Scheck zum Vorschein. »Ein Bankscheck über fünftausend Dollar«, erläuterte sie. »Ich gehe davon aus, sobald Sie ihn akzeptiert haben, wird alles zwischen uns streng vertraulich behandelt.«

»Stimmt«, bestätigte ich und nahm ihr den Scheck aus der Hand.

»Gibt es sonst noch etwas, das zu tun Sie ablehnen?« Ihre Stimme klang etwas verächtlich.

»Nicht dass ich im Augenblick wüsste«, erwiderte ich. »Was erwarten Sie denn von mir?«

»Samantha Dane«, antwortete sie. »Sagt Ihnen dieser Name etwas?«

Ich erinnerte mich an die Sexbombe, die Ende der sechziger Jahre wie eine Atomexplosion in der Filmbranche eingeschlagen war. Anschließend hatte sie sieben oder acht Streifen gedreht, die sich allesamt als Kassenschlager erwiesen hatten. Das weibliche Publikum ging hoffnungsvoll ins Kino, um zu sehen, ob Samantha Dane fett geworden war, während die Männer darauf lauerten, sich an ihren üppigen Kurven zu ergötzen, ihre heisere Stimme zu hören und das kehlige Lachen, das allein schon Wonneschauer verursachte. Dann war sie krank geworden. Die Zeitungen hatten sich nur unbestimmt über ihr Leiden geäußert und es niemals genau bezeichnet. Allmählich, nach Ablauf einer gewissen Zeit, tauchte ihr Name immer seltener auf. Sie war nicht gestorben, nur vergessen.

»Eine von denen, die in die Rubrik gehört: Was ist aus ihr geworden?«, versetzte ich. »Hat sie gerade ihre Memoiren beendet, und ich soll feststellen, ob dabei keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden?«

»Memoiren«, wiederholte Tracy Simon gepresst. »Blödsinn! Sam ist gerade erst fünfunddreißig.«

»Also in der Blüte ihrer Jahre«, stellte ich fest. »Ist sie gesund und munter?«

»Es geht ihr gut.«

»Warum dreht sie dann keine Filme mehr?«

»Das werden Sie selber feststellen«, erwiderte sie. »Nach dem Scheck haben Sie ziemlich schnell gegriffen, Holman. Ich nehme also an, Sie sind bereit, gleich mit der Arbeit anzufangen.«

»Gewiss«, sagte ich.

»Sam möchte Sie sprechen«, erklärte sie. »Wir wohnen im Ranchero. Kennen Sie es?«

Die Frage allein war eine bewusste Beleidigung. Das Ranchero gehörte zu den wenigen alten Hotels aus der Zeit, als Hollywood noch Hollywood gewesen war. Ein verrückter Mischmasch aus weitläufigen Suiten, breiten Fensterläden und verzierten Balkons auf einem Hügel thronend, von dem man fast ganz Los Angeles überblickte. Es wurde jetzt von einem genialen Neurotiker geführt, der sich exklusiver Gäste rühmen konnte, weil er ihnen absolute Wahrung der Intimsphäre und jegliche Freiheit garantierte, vorausgesetzt sie zahlten entsprechend.

»Unter ihrem eigenen Namen?«, wollte ich wissen.

Die große Blondine schüttelte den Kopf. »Die Suite wurde auf meinen Namen gemietet. Sam ist nur meine Freundin, die bei mir lebt. Ich vermute, wir werden allgemein für ein lesbisches Pärchen gehalten. Aber das ist vollkommen egal, solange niemand darauf kommt, wer Sam wirklich ist.«

»Also fahren wir«, sagte ich. »Haben Sie einen Wagen dabei?«

»Nein. Ich bin mit einem Taxi gekommen. Wir können mit Ihrem Wagen zum Hotel fahren.«

Die Strecke nahm etwa zwanzig Minuten in Anspruch. Wir fuhren mit dem langsamen, altmodischen Fahrstuhl in den fünften Stock hinauf, dann gingen wir den Flur entlang zu ihrer Suite. Tracy Simon ließ uns beide eintreten. Das plötzliche Dämmerlicht des weitläufigen Wohnraums, dessen Fensterläden gegen den grellen Sonnenschein geschlossen waren, bereitete meinen Augen Mühe, sich anzupassen.

»Wenn Sie hier bitte warten würden. Dann sage ich Sam Bescheid, dass wir gekommen sind«, meinte sie. »Bedienen Sie sich inzwischen mit einem Drink, falls Sie möchten. Die Bar ist dort drüben in der Ecke.«

Sie verschwand in einen angrenzenden Raum. Ich trat an die Bar und machte mir einen Wodka mit Tonic zurecht. Es gab weder einen Kühlschrank noch Eis, und mir fiel ein, dass sich das Ranchero gegenüber so neumodischem Unsinn verschloss. Vielleicht wären mir widerwillig ein paar Eisstückchen heraufgeschickt worden, wenn ich darum gebeten hätte, aber ich war mir nicht sicher, ob in diesem Haus die Erfindung des Telefons bekannt war.

Ein paar Minuten später kehrte Tracy Simon von einer anderen Frau gefolgt in den Wohnraum zurück. Ich hatte eine Breitwanderinnerung an Samantha Dane. Ein Vollweib mit dichten schwarzen Haaren, die ihr bis auf die Schultern herabfielen, mit dunklen leuchtenden Augen und einem breiten Mund, der sich zu einem sinnlichen Lächeln öffnete. Üppige Brüste, nur knapp von Textilien gebändigt und geschmeidige Hüften, die beim Laufen animierend schaukelten.

Die Frau vor mit konnte unmöglich dieselbe Person sein. Das schwarze Haar war kurzgeschnitten und glatt zurückgekämmt. Eine überdimensionale Sonnenbrille deckte die Augen vollkommen ab, die Wangen waren eingefallen. Ihr Körper war schlank. Die Brüste unter der weißen Bluse zeichneten sich klein und beinahe jungmädchenhaft ab. Auch der Schwung ihrer Hüften unter den knappsitzenden Blue Jeans wirkte keineswegs aufreizend. Sie sah aus wie eine nette Frau Mitte der Dreißig, die sich allzu intensiv einer Hungerkur unterzogen hatte. Wer, zum Teufel, war sie?

»Mr. Holman«, begrüßte sie mich, »ich bin sehr froh, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns zu helfen.«

Die Stimme gehörte unzweifelhaft Samantha Dane. Tief und etwas heiser, voll erotischer Versprechen. Durch was für eine Hölle war sie also in den vergangenen Jahren gegangen, dass sich ihr Äußeres fast bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte?

»Ich bin ein Fan von Ihnen, Miss Dane«, versetzte ich. »Einer unter etwa zwanzig Millionen anderen Männern.«

Sie lachte unterdrückt, und der leise, kehlige Laut verursachte mir ein wohliges Prickeln auf der Haut.

»Das ist reizend, Mr. Holman. Nennen Sie mich bitte Sam. Sie heißen mit Vornamen Rick, nicht wahr?«

Sie machte zwei Schritte vorwärts und ließ ihre Hand einen Augenblick auf der Stuhllehne ruhen, bevor sie sich niedersetzte.

»Ich denke, ich werde erst einmal duschen«, sagte Tracy Simon. »Möchtest du einen Drink, Sam?«

»Bacardi mit Coca-Cola wäre nicht schlecht«, antwortete Samantha Dane. »Und was ist mit Rick?«

»Er hat sich schon selbst bedient, wie ich ihm vorgeschlagen habe«, erklärte Tracy Simon. »Ich wette, es ist wieder kein Eis da.«

»Das ist nicht so wichtig«, meinte Sam.

Die große Blondine ging hinüber zur Bar, machte den Drink zurecht, brachte ihn zurück und drückte das Glas in Samantha Danes wartende Hand.

»Ruf nach mir, wenn du etwas brauchst«, sagte Tracy Simon. »Okay?«

»Natürlich«, erwiderte Sam. Dann hob sie ihr Glas. »Auf einen Blick unter Ihren Kilt, Rick, wie ein schottischer Freund von mir immer zu sagen pflegte. Er bemühte sich nämlich ständig, unter meinen Kilt zu gucken, weil ich der alten Tradition folgte und nichts darunter trug.«

»Ich kann ihm durchaus nachfühlen, was ihn dazu trieb«, bemerkte ich.

»Seinerzeit hätten Sie das wahrscheinlich tatsächlich gekonnt«, bestätigte sie. »Aber das ist inzwischen vorbei. Jetzt bin ich nur noch ein dürres Knochengestell. Damals befand ich mich allerdings auf dem Höhepunkt.«

Darauf gab es nichts zu erwidern, deshalb nippte ich nur an meinem warmen Drink. Selbst nachdem sich meine Augen nun an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, wirkte der Raum kaum heller auf mich. Vielleicht hatte das aber auch bloß psychologische Gründe.

»Im Sommer 1976«, fuhr sie fort. »Damals geschah alles. Ich war in keiner guten Verfassung, schluckte Anregungs- und dann wieder Beruhigungsmittel, trank zu viel, rauchte Hasch und schnupfte sogar ab und zu Kokain. Wenn ich einmal daran dachte, dass ich eigentlich auch einmal etwas essen müsse, hatte ich keinen Appetit.«

Sie lachte wieder ihr kehliges Lachen. »Ich hatte ziemlich abgewirtschaftet! Dabei sollte ich diesen neuen Film machen, mit dem es nicht voranging. Entweder ich erschien zu spät zu den Aufnahmen oder überhaupt nicht, bis die Geldgeber schließlich fanden, es sei besser, ganz auf mich zu verzichten und die Dreharbeiten noch einmal mit Deila August zu beginnen. Sie hatten ganz recht damit, und ich machte ihnen keinen Vorwurf daraus. Mein Agent, Don Blake, erklärte daraufhin, nun sei meine letzte Chance, mich zusammenzunehmen und verordnete mir eine ausgedehnte Seereise. Als ich schließlich zu lachen aufhörte, merkte ich, dass er das vollkommen ernst meinte. Ich akzeptierte seinen Rat also und trat die lange Seereise an. Und dabei passierte es dann.«

»Dass Sie Ihr Augenlicht verloren?«

»Sie haben es also bemerkt.« Sie lachte erneut. »Es war wohl nicht sonderlich geschickt von mir, Tracy um einen Drink für Sie zu bitten, obwohl Sie sich schon bedient hatten.«

»Ich muss mich entschuldigen«, sagte ich.

»Es war eine Privatyacht, der Seefalke.« Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Im Besitz von Morris Darrach. Kennen Sie ihn?«

»Zumindest der Name ist mir ein Begriff«, antwortete ich. »Sehr viel Geld?«

»Manchmal hatte ich den Eindruck, ihm gehört vielleicht die ganze Welt«, bestätigte sie. »Ein Wirtschaftsboss, was immer man darunter verstehen mag. Er zahlt Unmengen dafür, seinen Namen aus den Gazetten herauszuhalten. Aber er bekommt immer, was er will. In jenem Sommer wollte er mich, bloß ich wusste das seinerzeit nicht. Don Blake nahm ebenfalls an der Seereise teil, die meine Gesundheit wiederherstellen sollte sowie meinen Marktwert als Filmdiva, an dem er zu fünfzehn Prozent beteiligt war. Es befanden sich noch mehr Personen an Bord der Yacht, von denen ich Ihnen erzählen sollte. Zum Beispiel Craig Martin.«

»Der Schauspieler, der auf dem Weg war, ein großer Star zu werden und es dann doch nie ganz schaffte«, bemerkte ich. »Heutzutage sieht man ihn fast nur noch als Charakterdarsteller im Fernsehen.«

Sie nickte hastig. »Ich glaube, er war zu Karen Morgans Privatunterhaltung mitgenommen worden. Sie war die derzeitige Freundin von Darrach, er bekam sie aber bereits über und wollte wohl jemanden dabeihaben, der sie ablenkte, während er mir hinterherstieg. Dann war da noch dieser Neil Friar, ein ziemlich unheimlicher Typ, vor dem alle, einschließlich Morris Darrach, ein bisschen Angst hatten. Er hatte eine Narbe auf einer Gesichtshälfte, was ihm einen finsteren, auf altmodische Weise unheimlichen Ausdruck verlieh. Und schließlich Teresa Klune.

»Die Wahrsagerin?«

»Sie mochte es nicht gern, wenn man sie so nannte.« Sam verzog die Mundwinkel. »Sie ist die große Mystikerin, das übersinnliche Wunder der modernen Welt. Die Dame, die drei Attentate genau voraussagte sowie fast auf den Tag genau das Ende des Vietnam-Krieges. Sie war eine persönliche Freundin von Darrach, aber das hinderte sie nicht daran, bereits innerhalb der ersten Woche mit der gesamten Besatzung ins Bett zu gehen. Dass sie es mit den männlichen Passagieren trieb, versteht sich von selbst.«

»Klingt, als habe es sich um eine Vergnügungsreise gehandelt«, meinte ich.

»Ich habe nicht mehr allzu viel Erinnerung daran«, versetzte sie. »Das ist mein großes Problem, Rick. Ich schluckte noch immer jede Menge Tabletten und trank mindestens eine Flasche Whisky pro Tag. Don hatte entdeckt, wo ich mein Kokain versteckt hatte und es über Bord geworfen. Er konnte mich aber nicht davon abhalten, Pillen zu nehmen und zu viel zu trinken. Deshalb ist alles in meinem Kopf nur ein recht zusammenhangloses Durcheinander. Ich wurde gebumst. So viel weiß ich noch.«

»Von Darrach?«

Sie nickte. »Und wohl auch von den anderen Passagieren. Allerdings nicht von Don Blake. Er blieb immer standhaft, wenn ich ihm großzügig die Gelegenheit bot. Er hielt das nicht für anständig, weil er mein Agent war. Ich sagte ihm immer wieder, dass mir das vollkommen egal sei, aber für ihn schien es eine Rolle zu spielen. Wir kreuzten in der Karibik, legten in verschiedenen Häfen an und ankerten in verschwiegenen Buchten. Ich ging jedoch nie von Bord. Auch wenn die anderen mit dem Beiboot zum Strand fuhren, blieb ich an Deck und trank Whisky. Mein einziger Wunsch war, wieder nach Los Angeles zu kommen, zurück in die Zivilisation. Aber Don beharrte, die Seeluft würde mir gut tun, und ich hatte einfach nicht die Energie, mich gegen ihn durchzusetzen.«

Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Es herrschte eine ziemliche gereizte Stimmung auf dieser verdammten Yacht. Alle saßen sich viel zu dicht auf der Pelle. Es gab viel Streitereien und Auseinandersetzungen, ich schenkte ihnen aber kaum Aufmerksamkeit, weil ich mich die meiste Zeit im Schwebezustand befand. An ein paar Dinge erinnere ich mich allerdings noch. Karen Morgan verfolgte mit Missbehagen, dass Darrach so hinter mir her war, und hatte im Salon deswegen Krach mit ihm. Am liebsten hätte sie Craig Martin dazu angestiftet, Darrach zu verprügeln, worauf Craig ganz blass wurde und etwas in dem Sinne murmelte, warum denn nicht alle vernünftig sein könnten? Ein anderes Mal hatten Friar und Darrach eine handgreifliche Auseinandersetzung, und Friar verprügelte Darrach nach Strich und Faden. Ich habe nie erfahren, was der Anlass gewesen war. Und dann kam diese letzte Nacht, in der alles passierte.«

Sie schwieg sekundenlang, und ich konnte nicht feststellen, ob sie hinter der großen Sonnenbrille den Blick auf mich gerichtet hatte oder nicht. Dann fiel mir ein, dass sie mich sowieso nicht sehen konnte, und ich kam mir töricht und irgendwie schuldbewusst vor.

»Ich war betrunken«, fuhr sie schließlich fort. »Wie immer, seit ich mich an Bord dieser verdammten Yacht befand. An jenem Abend war ich jedoch noch betrunkener als sonst. Deshalb weiß ich nicht mehr, worum es ging oder wie überhaupt die Geschichte anfing. Ich erinnere mich bloß noch an einen gewaltigen Krach. Alle brüllten sich gegenseitig an, und ich brüllte mit. Ich war über irgendetwas so aufgebracht! An das Gefühl erinnere ich mich noch, nur nicht mehr, warum ich es empfand. Und es wurden schreckliche Dinge gesagt. Über mich, über alle anderen Anwesenden. Dann fingen zwei Männer zu kämpfen an, und ich versuchte, den Streit zu schlichten. Nicht körperlich, meine ich. Aber ich wusste, wenn ich ihnen die Wahrheit sagte, würden sie aufhören zu kämpfen. Deshalb sagte ich ihnen die Wahrheit. Ich schrie sie heraus. Die beiden brachen ihren Kampf ab, und plötzlich herrschte Stille. Niemand redete mehr. Was immer ich gesagt hatte, genügte, um ihnen die Sprache zu verschlagen.«

Sie führte ihr Glas an die Lippen und trank es in gierigen Schlucken leer.

»Ich erinnere mich nur noch an den Schmerz«, sagte sie dann leise. »Oh, Gott! Wie es brannte! Ich konnte jemanden schreien hören, entsetzlich schreien, und es dauerte geraume Zeit, bis ich merkte, dass ich es war, die so schrie. Dann rannte ich los, weil ich den Schmerz nicht länger aushalten konnte, prallte gegen eine Wand und verlor das Bewusstsein. Danach folgte der endlose Alptraum. Ich war in irgendeinem Krankenhaus, aber wo sich das befand, habe ich nie erfahren. Dieser widerliche aseptische Geruch überall und diese grauenhaft unpersönlichen Experten an der Arbeit. Besänftigende Stimmen, gestärkte Betttücher und die ganze Zeit Dunkelheit. Wenn ich schreiend aufwachte, waren sie wieder da mit ihren beruhigenden Stimmen und ihren kühlen, trockenen Händen, mit denen sie mir die Spritze in den Arm stachen. Ich weiß nicht, wie lange ich dort war, aber mir schien es wie eine Ewigkeit. Ganz allmählich machte ich mich mit der Tatsache vertraut, dass ich blind war und daran nichts mehr geändert werden konnte. Da war dieser Arzt, der Mitleid förmlich ausstrahlte, als er mir mitteilte, medizinisch gesehen könne er nichts mehr für mich tun. Aber ich hätte doch noch fast das ganze Leben vor mir, meinte er, und sei glücklich dran, weil ich schön sei und reich. Ob es irgendetwas gäbe, das ich mir im Augenblick wünsche? Ich verriet ihm meinen Wunsch: einen Blindenhund, weil der wenigstens nicht dasitzen und mir solchen Stuss erzählen würde wie ein Arzt!«

»Sie kennen weder den Namen des Krankenhauses noch des Arztes?«

»Nein«, versetzte sie ausdruckslos. »Nach einer gewissen Zeit durfte Don Blake mich besuchen. Er sagte, er habe die ganze Geschichte geheimgehalten, weil er wüsste, dass ich Mitleid nicht ertragen könnte und womöglich die ganze Weltpresse auf dem Hals, die jede quälende Einzelheit über meine Blindheit aus mir herauspressen wolle. Ihn fragte ich dann erst, was denn eigentlich passiert sei. Es sei ein unglücklicher Unfall gewesen, erklärte er, den niemand habe verhindern können. Ich solle mir nun wegen der Vergangenheit keine Gedanken mehr machen, sondern mich nur noch auf die Zukunft konzentrieren. Was für eine Zukunft er meine, wollte ich wissen. Er murmelte etwas, dass er sein Bestes versuchen wolle, mir zu helfen, und mehr konnte er schließlich auch nicht tun.« Sie strich sich mit der Hand über die Haare.

»Die Tage vergingen, und ich begann mich allmählich mit meinem Schicksal abzufinden. Es bleibt einem nicht viel Wahl, wenn man weiß, dass man nie mehr wieder sehen wird. Dann wurde ich aus dem Krankenhaus fortgebracht. Es war eine lange Autofahrt, und als wir ankamen, erklärte mir Don Blake, wir seien in seinem kleinen Landhaus in Montana. Es klang glaubwürdig. Alles roch nach Frische und grünen Bäumen.

---ENDE DER LESEPROBE---