KEINE PILLE GEGEN MORD - Carter Brown - E-Book

KEINE PILLE GEGEN MORD E-Book

Carter Brown

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Die Pille ist verpönt bei den vier Frauen des Hauses Birrel; Mrs. Birrel hinterlässt ihre fünf Millionen nur der Tochter, die demnächst Nachwuchs bekommt: Hannah hat einen Mann, aber keinen Sex-Appeal... Ruth hat beides, aber ihr Mann hat keine Zeit... Rhoda hat von beidem zu viel und deshalb Ärger... Als in dem Haus ein Mord geschieht, weiß Rechtsanwalt Randy Roberts: Die Erbin muss die Mörderin und in Kürze Mutter sein. Aber er kann keineswegs neun Monate lang warten. Deshalb recherchiert er ziemlich unkonventionell...    Der Kriminal-Roman  KEINE PILLE GEGEN MORD  des australischen Schriftstellers Carter Brown (* 1. August 1923 in London, England unter dem Namen Alan Geoffrey Yates; † 5. Mai 1985 in Sydney, Australien) erschien erstmals im Jahr 1971; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972.  Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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CARTER BROWN

 

 

Keine Pille gegen Mord

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

KEINE PILLE GEGEN MORD 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Das Buch

 

 

Die Pille ist verpönt bei den vier Frauen des Hauses Birrel; Mrs. Birrel hinterlässt ihre fünf Millionen nur der Tochter, die demnächst Nachwuchs bekommt:

Hannah hat einen Mann, aber keinen Sex-Appeal...

Ruth hat beides, aber ihr Mann hat keine Zeit...

Rhoda hat von beidem zu viel und deshalb Ärger...

Als in dem Haus ein Mord geschieht, weiß Rechtsanwalt Randy Roberts: Die Erbin muss die Mörderin und in Kürze Mutter sein. Aber er kann keineswegs neun Monate lang warten. Deshalb recherchiert er ziemlich unkonventionell...

 

Der Kriminal-Roman Keine Pille gegen Mord des australischen Schriftstellers Carter Brown (* 1. August 1923 in London, England unter dem Namen Alan Geoffrey Yates; † 5. Mai 1985 in Sydney, Australien) erschien erstmals im Jahr 1971; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1972. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  KEINE PILLE GEGEN MORD

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Das schwarze Wrack des Model A hing plattgedrückt auf einem rotgefleckten Felsblock. Motorteile lagen verstreut herum, und ein abgerissener Kotflügel baumelte über die Kante ins Wasser. Das eckige Oberteil der Karosserie, das mich an eine Hutschachtel erinnerte, war noch ganz, aber zerbeult. Farbe blätterte ab wie geronnenes Blut, wo das hellglänzende Metall zum Vorschein kam. Der Aufprall hatte die Türen aufgerissen, nur eine auf meiner Seite war noch fast zu. Das Wagenheck ragte beinahe rechtwinklig in die Luft.

Ich musste mir den Hals verrenken, um zur Straße hinaufblicken zu können. Die Felswand fiel zwar nicht senkrecht ab, aber man konnte doch ganz schön schwindlig werden. Im oberen Teil war sie am steilsten.

Von oben, wo der Wagen aus einer durchaus nicht scharfen Kurve getragen worden war, an der Leitplanke entlanggeschabt und schließlich darüber hinweg die Klippen hinabgestürzt war, hatte das deformierte Wrack direkt traurig und mitleiderregend ausgeschaut, wie ein kleiner Wal, welcher der Küste zu nahe gekommen war und nicht mehr in die offene See hinausfand.

Ich blieb neben der linken Vordertür stehen und blickte in die klaffende Öffnung hinein, in deren unterem Rand noch Glassplitter staken, wie abgebrochene Raubtierzähne.

Keiner saß hinterm Steuer. Erleichtert atmete ich auf. Dann beugte ich mich vor, und die Luft blieb mir wieder weg.

Eine Hand mit dicken blauen Adern krampfte sich um den langen Griff der Handbremse. Weder der heftige Aufprall noch der Tod hatten den Griff lösen können.

Das weiße Haar, das die alte Dame hinten zum Knoten gebunden hatte, war teilweise losgerissen und hing strähnig über eine blutgetränkte Schulter. Sie trug ein purpurrotes Baumwollkleid mit weißen Tupfen; eine Brosche mit brillantgefassten Blümchen baumelte am zerfetzten Vorderteil.

Sie lag auf der Seite am Boden, gegen die Vordersitze gequetscht. Viel Platz hatte sie da nicht, weil auch der Motorblock gegen die Sitze drückte. Eine seiner Ecken hatte ihr den halben Kopf weggerissen, und was von ihrem Gesicht übrig war, das bedeckte getrocknetes Blut - wie Schlamm, den ein verrückter Kosmetiker aufgetragen hatte.

Mir reichte es. Es war Zeit, dass ich mich wie ein pflichtbewusster Bürger benahm und die Polizei alarmierte. Deren Sache war das schließlich. Leichen aus Autowracks zu holen gehörte jedenfalls nicht zu meinem Beruf.

Ich warf noch einen Blick in den Wagen und sah, dass die Zulassungskarte an einem dünnen Lederriemen an der Steuersäule hing. Ich hielt die Luft an, um möglichst wenig von dem Geruch im Wrack mitzukriegen, griff hinein und riss die Plastikhülle ab. Der Name darauf lautete Winifred Birrel.

Und jetzt war ich neugierig. Denn die Birrels waren die Leute, die mir geschrieben und mich gebeten hatten, sie zu besuchen. Sie waren Klienten von uns, Erben eines Fünf- Millionen-Dollar-Vermögens. Und als einer der Testamentsvollstrecker, so sagte ich mir, hatte ich einen sehr triftigen Grund, die Beantwortung jener Frage, die sich mir aufdrängte, nicht allein der Polizei zu überlassen: Wenn Winifred ganz allein von der Straße abgekommen und heruntergestürzt war, warum klammerte sie sich dann so verzweifelt an die Handbremse - die zuletzt gelöst worden war?

 

Sheriff Driscoll war ein großer Mensch, der ständig so abgehackt und kurzangebunden sprach, als spucke er Kerne zwischen den Zähnen aus. Er trug die Uniform eines County-Sheriffs und den Stern, der ihn zum Gesetzeshüter von Humboldt Creek und Umgebung machte.

Mit anderen Worten: Dieser Teil der Küste war Driscolls Hoheitsgebiet, und wenn man seine Worte nicht strikt als Gesetzestext ansah, dann ließ man sich auf einen Kampf ein.

»Das ist doch ’ne ganz alberne Idee von Ihnen, Roberts«, belehrte er mich gelangweilt.

»Na klar«, sagte ich. »Aber zufällig entspricht sie den Tatsachen.«

»Ich werd’s Ihnen erklären, wie’s passiert ist.« Er wandte sein Bulldoggengesicht mit den tiefliegenden, stechenden schwarzen Augen der Szene tief unter uns zu, wo zwei State Troopers und eine Rettungsmannschaft dabei waren, den Ford heraufzubefördern. Aus den Augenwinkeln warf mir Driscoll rasch einen Blick zu, als wolle er mich bei verbotenem Tun überraschen, aber ich tat nichts weiter, als harmlos und mit resignierter Miene neben ihm zu stehen.

»Ich werd’s Ihnen genau erklären, wie es passiert ist«, fuhr er fort, langsam und beherrscht. Konnte leicht sein, dass er in diesem Ton auch mit Fahrern umging, die Geschwindigkeitsbegrenzungen übertreten hatten. »Sie ist gestern spätabends heimgefahren, es war pechfinster, und da hat sie Angst gehabt und ist mit der alten Mühle zu scharf rechts gefahren; als sie dann an die Leitplanke geprallt ist, da ist sie vom Sitz zu Boden geschleudert worden. Sie hat nach der Handbremse gegriffen und...«

»...und sie nicht festgezogen?«

Er zuckte mit den breiten Schultern und widmete mir ein Lächeln, das verriet, wie sehr ich seine Geduld strapazierte. Und er besaß etwa so viel Geduld mit mir wie ein heißblütiger Stier mit einem kläffenden Terrier - was man von einem Sheriff auf dem Lande, der seit dreißig Jahren alles nach seiner Pfeife tanzen lässt, auch nicht anders erwarten kann.

»Die Erfahrung lehrt«, sagte er, »dass die Leute den größten Blödsinn machen, wenn sie in Panik geraten. Wie sie da lag, konnte sie die Bremse gar nicht festziehen, klar? Aber sie wusste, das ist die Bremse, und deshalb klammerte sie sich dran. Das ist doch ganz natürlich, Roberts. Nun sollten Sie es uns überlassen, die Einzelheiten dieses Problems zu behandeln. Wir haben Ihre Aussage. Wenn wir Sie noch einmal hören wollen, melden wir uns. Wann wollten Sie wieder in San Francisco sein?«

»Ich weiß nicht, Sheriff. Vielleicht bleibe ich ein paar Tage in Humboldt Creek, um die Familie Birrel zu beraten, nachdem die Mutter nun nicht mehr lebt. Was hier geschehen ist, geht mich genauso an wie Sie.«

»Ja, ich weiß. Sie haben uns ja alles erzählt. Sie sind ein Anwalt aus ’ner großen Firma, der gerade fertig studiert hat und für seinen Herrn Papa arbeitet, und Sie glauben, wenn Sie Ihre Phantasie ein bisschen bemühen, dann können Sie aus einem ganz gewöhnlichen, tragischen, schreck

liehen Unfall einen hässlichen, dreckigen, sensationellen Mord machen. Das Lied kenne ich. Perry Mason ist dabei der Größte. Jetzt warte ich nur auf Ihr Schlusswort.«

»Eins noch, Sheriff. Etwas interessiert mich doch.«

»Tatsächlich? Wir tun gern alles, um Ihnen zu helfen, Roberts.«

»Wenn ich einen Strafzettel kriege, solange ich in Humboldt Creek bin, bringen Sie das für mich in Ordnung?«

»Wenden Sie sich ruhig an mich. Ich werde mich bemühen, das der Richter Ihnen sechzig Tage statt sechzig Dollar aufbrummt.«

»Und ich bringe Sie vor den Obersten Gerichtshof und weise Ihnen Amtsmissbrauch nach«, schnauzte ich.

»Sehen Sie zu, dass Sie hier verschwinden, Roberts, ehe es noch einen Unfall gibt und ich Sie über diese Klippe befördere.«

»Gern, Sheriff. Und denken Sie immer an das alte Wort, das auch für Beamte gilt: Müßiggang ist aller Laster Anfang.«

Seine Grimasse verriet, dass ich mit meinem Schlusswort zufrieden sein durfte. Ich winkte ihm leutselig zu und ging auf dem Bankett davon - bis zur Stelle, wo die Straße in einer scharfen Kurve landeinwärts führte, um dann nach etwa achthundert Meter auf das nächste Vorgebirge hinauszuschwenken. Am südlichen Ende der Kurve, die von der alten Dame mühelos gemeistert worden war, lag ein unbefestigter Parkplatz unmittelbar überm Meer. Dort stand mein Wagen.

Ich öffnete die Tür meines neuen blutroten Austin Healy, knickte meine Einsdreiundachtzig und klemmte mich ans Steuer. Die Rechtsanwaltspraxis meines Vaters ist eine sehr konservative Firma, aber ich sehe nicht ein, wieso das Einfluss auf mein Privatleben und meinen persönlichen Geschmack haben soll. All unsere Klienten sind Millionäre, und wir kämen auch noch gut zurecht, wenn wir nur halb so viele Kunden hätten, deshalb habe ich schon immer gelebt, wie es mir passt, und das Firmenimage ist mir sehr egal.

Der Motor röhrte, ich drückte den Gang hinein. Mein Fuß berührte das Gaspedal, und der Wagen reagierte wie ein Windhund, den man von der Leine lässt. Nach dreißig Sekunden blickte ich in den Rückspiegel, ob ich den Sheriff vielleicht so sehr aufgeregt hatte, dass er mich verfolgte, nur um mir einen Strafzettel zu verpassen. Aber ich glaube, er war heilfroh, mich losgeworden zu sein.

 

Humboldt Creek ist ein Städtchen wie hundert andere im nördlichen Kalifornien, die von Holz und Fischfang und jenen Touristen leben, die im Stadtbereich eine Reifenpanne kriegen. Es ist nur kleiner als die meisten. Viel zu fischen gibt’s hier nicht, und das nächste Sägewerk liegt fünfzig Kilometer entfernt.

Ich fuhr langsam in den Ort ein und parkte in der Hauptstraße, die sehr breit und von langen Baumreihen bestanden war, Föhren und Eichen. Es gab auch einen Rasenstreifen und einen Brunnen mit Fontäne samt einem klotzigen Betondenkmal für ein paar vergessene Helden, die in einem Krieg gefallen waren, der im High-School-Geschichtsbuch mit drei Seiten abgetan wird.

Ich stieg aus und schloss den Wagen ab. Nicht dass ich gefürchtet hätte, in Humboldt Creek würde ihn jemand stehlen. Ich war einigermaßen überzeugt, dass in diesem Nest kein Mensch wusste, wo bei einem Austin Healy hinten und vom ist.

Während ich die Stufen zur hölzernen Veranda vor den Büroräumen der Firma Macintosh Real Estate hinaufstieg, überlegte ich, was einen Mann wohl in so einer Stadt hielt. Denn Dale Macintosh, guter Anwalt und tüchtiger Grundstücksmakler, wohnte hier seit seinem siebten Lebensjahr, und seit sechsunddreißig Jahren betrieb er dasselbe Geschäft in ein und demselben Büro. Ich wollte ihn besuchen, weil er unser Beauftragter in Humboldt Creek war. Er war der Mann, der mit Winifred Birrel verhandelt hatte, der ihre jährliche Rendite erhalten und weitergeleitet hatte. Mein Vater kannte ihn, aber ich selber war ihm noch nicht begegnet.

Gleich hinter der Tür stand ein Tisch mit einem unbequemen Stuhl daneben, dann ein sehr aufgeräumter Schreibtisch mit einer Frau, die aussah wie meine Tante Siphonee - von der kein Mensch in der Familie spricht.

Sie begutachtete mich mit durchdringenden grauen Augen, die schon viele junge Besserwisser im Laufe der Jahre zum Schweigen gebracht hatten. »Ja?«, sagte sie scharf. »Was gibt’s, junger Mann?«

»Ich suche Mr. Macintosh«, erklärte ich freundlich.

»Mr. Macintosh hat viel zu tun.« Sie hatte eine strenge hohe Stimme wie eine altjüngferliche Lehrerin. »Was ist Ihr Anliegen?«

»Mein Anliegen geht Sie ganz und gar nichts an«, sagte ich. »Wer und was sind Sie eigentlich, mal so gefragt?«

Sie starrte mich an, war nicht ganz sicher, wie ich das meinte. »Wie ist Ihr Name, bitte?«

»Randall Roberts.«

Ihr Gedächtnis ordnete das ein, und sie wurde ein bisschen umgänglicher, aber ihre Augen blieben voller Groll.

»Einen Augenblick«, sagte sie und griff zum Telefon. Sie wählte eine Ortsnetz-Nummer und sprach leise. Ihre Stimme klang jetzt süß und respektvoll. Der Essig war wohl für die Kundschaft reserviert. »Mr. Macintosh, ein Mr. Roberts möchte Sie sprechen. Ja, stimmt. Randall Roberts. Er hatte Sie angerufen. Jawohl, Sir, ich werde es bestellen.«

Sie legte auf und sagte: »Er wird in ein paar Minuten hier sein, Mr. Roberts. Wollen Sie sich nicht setzen?« Damit vertiefte sie sich wieder in ihre Papiere, diensteifrig und schweigsam, als ob auch sie viel, viel, viel zu tun habe.

Ich sah mich um. Außer dem unbequemen Stuhl gab es keine Sitzgelegenheit. Ich ging hin und betrachtete die Illustrierten auf dem Tisch. Die neueste war eine Times vom letzten Jahr.

Ich trat auf die Veranda hinaus und blickte mich in der stillen Straße um. Ein Mann um die Fünfzig, schlank und drahtig, mit einem neuen Strohhut über einem Gesicht, dem man die vielen Jahre gesunder Luft und geruhsamen Lebens ansah, kam mitten auf der Fahrbahn daher. Er schritt langsam, gleichmäßig und kraftvoll aus, wie ein Bauer, der jeden Tag mindestens acht Kilometer zu Fuß geht. Er trug eine braune Hose, ein weißes Hemd mit Krawatte und wischte sich das Gesicht mit einem weißen Taschentuch. Als er die Stufen heraufstieg, lächelte er, freundlich und offen. Er streckte die Hand aus.

»Mr. Roberts.« Er behandelte meinen Arm wie einen schwergängigen Pumpenschwengel. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen!«

»Nennen Sie mich Randall«, sagte ich. »Ich hielt es für angebracht, Sie schon telefonisch von Mrs. Birrels Tod zu unterrichten - vor allen anderen. Als ich eben wegfuhr, war man noch dabei, den Wagen zu bergen.«

Er verzog bedauernd das Gesicht. »Fürchterliche Geschichte. Und ein seltsamer Unfall. Sie war ja ein verrücktes Geschöpf, aber als leichtsinnige Fahrerin konnte man sie weiß Gott nicht bezeichnen.«

»Das ist mir auch seltsam vorgekommen. Könnten wir beide uns mal ein bisschen über die Familie unterhalten?«

»Selbstverständlich.« Er warf einen Blick ins Büro und zog die Stirn kraus. »Miss Grady hat es nicht gern, wenn sie bei der Arbeit gestört wird«, erklärte er. »Meine Anwaltspraxis läuft getrennt, sie befindet sich am anderen Ende der Stadt. Da komme ich eben her. Wie wär’s, wenn wir uns dort unterhielten?«

»Aber gern - gehen wir zu Fuß. Dann können Sie mir die historisch bedeutsamen Gebäude von Humboldt Creek zeigen.«

Er lächelte traurig. »Miss Grady und ich sind so ziemlich das einzig Historische hier«, sagte er. »Aber vielleicht kann ich Ihnen unterwegs schon etwas über die Birrels erzählen.«

Wir schlugen erst die Hauptstraße ein, dann eine bergan führende Seitenstraße.

»Der Seniorchef von Roberts, Roberts und Grimstead lässt Ihnen sein Bedauern ausdrücken«, richtete ich pflichtgetreu meines Vaters Botschaft aus. »Ich soll Ihnen sagen, dass das Vermögen der Familie Birrel jetzt fünf Millionen beträgt, nach Abzug der Steuern und unseres Honorars.

Wenn die alte Dame noch ein Jahr länger gelebt hätte, dann hätten wir sechs Millionen draus gemacht.«

Er räusperte sich. »Nun, ich denke, die sind auch mit fünf zufrieden.«

»Vielleicht«, brummte ich. »Andererseits - Mr. Birrel hat ein ziemlich kompliziertes Testament hinterlassen.«

Er nickte und massierte sein Kinn. »Wenn ich etwas kenne, Randall, dann die Bestimmungen des Birrel'schen Testaments. Es besagt, dass die Töchter keinen Cent des Kapitals erhalten, solange sie keinen männlichen Erben geboren haben. Ehelich. Und im Augenblick gibt es keine Kinder, obwohl zwei der Töchter verheiratet sind.«

»Dann bleiben uns ja noch mindestens neun Monate, um aus den fünf Millionen sechs zu machen«, meinte ich. »Es sei denn, eine der Damen wäre bereits schwanger?«

Macintosh überging meine letzte Frage und sah mich ernst an. »Ich möchte Ihrem Herrn Vater raten, nicht zu sehr an diesem Geld festzuhalten«, sagte er. »Die Töchter haben lange gewartet, und ich behaupte, sie sind so scharf darauf, wie der Teufel auf die arme Seele.«

»Ums Festhaltenwollen geht’s gar nicht«, erwiderte ich sachlich. »Das Vermögen muss nach den Bestimmungen des Testaments verwaltet werden, und der alte Birrel hatte sehr eigene Ansichten, was Frauen und Geld anlangte.«

Macintosh seufzte tief. »Ich weiß, Randall. Ich war noch ein junger Mann, als er starb, aber ich kann mich erinnern. Er liebte beides, Frauen und Geld, sagte er, aber er bezweifelte, dass sie sich vertrugen. Sein einziger Sohn kam beim Viehtreiben um, er wurde zu Tode getrampelt. Der alte Herr hat dann sein Vermögen der Frau seines Sohnes zu treuen Händen überlassen - Winifred. Sie sollte eine jährliche Rendite bekommen - vierzigtausend Dollar und das Kapital sollte investiert werden.«

»Nach den Anweisungen, die Hiram Birrel gleich hinzufügte«, ergänzte ich.

»So war’s«, murmelte er. »Und Ihr Herr Vater hat es prima verstanden, etwas aus dem Geld zu machen. Da gibt es nichts zu deuteln.«

»Warum hat Winifred Birrel eigentlich nicht wieder geheiratet?«, fragte ich aus purer Neugier. »Dann hätte sie doch das ganze Geld bekommen, nicht wahr?«

»Die Antwort darauf ist einfach: Sie war eben verrückt!«

»Ich glaube, der Beweis ist schlüssig«, pflichtete ich bei. »Und nun scheint es, als hätten sich Hiram Birrel und die Natur zusammengetan, um es den Birrel-Mädchen so schwer wie möglich zu machen, reich zu werden.«

»Sie sind auch keineswegs glücklich darüber«, brummte Macintosh. »Aber da ihre Mutter nun tot ist, sind sie immerhin einen Schritt näher an mehr Geld, als sie jemals richtig zu handhaben in der Lage sein werden.«