Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 632 - Ina Ritter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 632 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Der Leibkutscher Karl Steffen begleitet Fürst Vellmaringen bei der Besichtigung eines Steinbruchs. Plötzlich sieht der Kutscher, dass sich der obere Teil einer Wand löst. Und schon erfüllt ein lauter Donner die Luft, dann geht ein heftiger Steinschlag nieder. Im letzten Moment reißt Karl den Fürsten zu Boden und wirft sich schützend über ihn. Der Fürst bleibt unverletzt, doch der Kutscher stirbt.
Hendrik von Vellmaringen kann Karl Steffen nicht mehr danken, und daher gelobt der Fürst, an Steffens Tochter Annette wiedergutzumachen, was der brave Mann für ihn getan hat. Sie erhält die beste Ausbildung und darf fortan im Kreise der fürstlichen Familie im Schloss wohnen. Annette kommt ihr neues Leben vor wie ein Traum, doch aus diesem Traum gibt es ein böses Erwachen ...


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Inhalt

Cover

Im Glanz der Krone

Vorschau

Impressum

Im Glanz der Krone

Der wundervolle Sieg einer großen Liebe

Der Leibkutscher Karl Steffen begleitet Fürst Vellmaringen bei der Besichtigung eines Steinbruchs. Plötzlich sieht der Kutscher, dass sich der obere Teil einer Wand löst. Und schon erfüllt ein lauter Donner die Luft, dann geht ein heftiger Steinschlag nieder. Im letzten Moment reißt Karl den Fürsten zu Boden und wirft sich schützend über ihn. Der Fürst bleibt unverletzt, doch der Kutscher stirbt.

Hendrik von Vellmaringen kann Karl Steffen nicht mehr danken, und daher gelobt der Fürst, an Steffens Tochter Annette wiedergutzumachen, was der brave Mann für ihn getan hat. Sie erhält die beste Ausbildung und darf fortan im Kreise der fürstlichen Familie im Schloss wohnen. Annette kommt ihr neues Leben vor wie ein Traum, doch aus diesem Traum gibt es ein böses Erwachen ...

»Wenn Hoheit dich ruft, vergiss nicht, deinen Umhang mitzunehmen, Vater.«

Der Kutscher Karl Steffen betrachtete stolz seine reizende Tochter.

»Ein bisschen Regen wird mich nicht gleich umwerfen«, meinte der Alte gemütlich. »Außerdem ist es noch fraglich, ob Hoheit bei diesem Wetter den Steinbruch überhaupt besichtigen wird.«

»Wenn er zugesagt hat, wird er es auch tun«, erklärte Annette überzeugt. »Er lässt die Leute nicht unnötig warten.«

»Du hast eine hohe Meinung von unserem Herrscher.« Karl strich ihr liebevoll über das glänzende Haar. »Wir können froh und stolz sein, dass die Fürsten Vellmaringen im Schloss residieren. Sie haben ein Herz für unsereinen. So, ich mache mich jetzt auf den Weg. Hoheit liebt es gar nicht zu warten, und bei diesem Wetter sind die Pferde unruhig. Es kann länger dauern, bis ich sie angespannt habe.«

»Bist du zum Abendessen zurück?« Seit dem Tod der Mutter führte Annette ihrem Vater den Haushalt. Sie bewohnten einige Zimmer im Dienerhaus.

»Ganz bestimmt. Bis heute Abend dann, Kind.« Im Gehen hängte Karl Steffen sich seinen weiten Umhang um die Schultern. Annette hatte recht, bei diesem Wetter musste man einen Regenschutz mitnehmen. Auf dem mit Kopfsteinen gepflasterten Hof blieb er einen Moment stehen und zog die Luft tief ein. Er spürte, dass ein Gewitter in der Luft lag.

Eine halbe Stunde später stand die Kutsche vor dem Schlossportal. Würdig und ein wenig steif saß Karl Steffen auf dem Bock. Als Kutscher Seiner Hoheit stellte er unter der Dienerschaft etwas vor, und er war sich seiner Stellung durchaus bewusst.

Pünktlich trat Fürst Vellmaringen aus dem Schloss. Er nickte Karl freundlich zu und stieg dann in die Kutsche, deren Tür ihm ein Lakai öffnete.

»Zum Steinbruch«, befahl er und lehnte sich zurück. Er interessierte sich als Landesvater für die Industrie seiner Untertanen und unterstützte und förderte sie, wo immer es ihm möglich war. Dieser Steinbruch versprach, vielen Menschen Arbeit und Brot zu geben.

Es gehörte zu seinen Eigenheiten, sich ohne großes Gefolge in der Öffentlichkeit zu zeigen. Der Fürst mochte Pomp und Prunk nicht sonderlich und strahlte allein durch seine Erscheinung und seine Art Würde aus.

Sie erreichten den Steinbruch nach einer knappen Stunde Fahrt. Bisher war kein Regentropfen gefallen. Karl schwang sich am Ziel von seinem Kutschbock und öffnete dem Fürsten eilfertig die Tür.

»Soll ich hier warten?«

»Kommen Sie mit, Karl.« Hendrik von Vellmaringen nickte dem alten Getreuen zu. »Wie geht es Ihrer Tochter?«

»Danke, Hoheit. Sehr gut. Annette ist ein sehr hübsches Mädchen geworden und macht mir nur Freude.«

Fürst Vellmaringen lächelte freundlich. Er interessierte sich für die Lebensumstände seiner Bediensteten, und auch das trug zu seiner großen Beliebtheit bei.

Der Fürst hatte den Wagen am Rande des Steinbruchs stehen lassen und ging die letzten hundert Meter zu Fuß. Die Arbeiter trugen ihren Sonntagsstaat, und zwei kleine weiß gekleidete Mädchen mit Blumensträußen in der Hand warteten darauf, dem Fürsten ihr Sprüchlein aufsagen zu dürfen.

Gelassen schritt Hendrik von Vellmaringen auf die Leute zu. Karl Steffen hielt sich achtungsvoll zwei Schritte hinter ihm. Das dumpfe Grollen in der Luft, das das herannahende Gewitter ankündigte, verstärkte sich.

Der Kutscher warf einen besorgten Blick nach oben, und seine Augen wurden groß. Ein Teil der Wand des Steinbruchs hing etwas über, und es sah aus, als wanke der obere Teil. Wenn er sich löste, dann ...

»Hoheit!«, schrie er. Mit zwei langen Sätzen war er bei Fürst Vellmaringen und packte seinen Arm. »Da oben!« Er wies in die Höhe. Hendrik von Vellmaringen schaute gleichfalls empor und erstarrte. Ein Dröhnen war plötzlich in der Luft, das nichts mit dem Gewitter zu tun hatte. Die Arbeiter, die bisher gebannt auf den Fürsten geblickt hatten, stoben auseinander.

Für Fürst Vellmaringen und Karl war es zu spät. Der Kutscher riss den Landesvater zu Boden und warf sich über ihn. Es gab keine andere Möglichkeit, Hendrik von Vellmaringen zu schützen. Karl schrie etwas, dann spürte er einen heftigen Schlag gegen den Kopf und verlor das Bewusstsein.

Bald darauf begannen eifrige Hände, Steine und Felsbrocken zur Seite zu räumen, um den Kutscher und Fürst Vellmaringen zu befreien.

Der Fürst war unverletzt geblieben. Karl Steffen hatte ihn mit dem Einsatz seines eigenen Lebens geschützt. Nachdem Hendrik von Vellmaringen mühsam aufgestanden war, schaute er auf den Kutscher, der mit merkwürdig verrenkten Gliedern auf dem Boden lag. Sein Gesicht war blutüberströmt.

Ein Arzt, der kurz darauf kam, untersuchte Karl Steffen nur flüchtig.

»Für ihn besteht keine Hoffnung mehr«, bekannte er dem Fürsten leise. »Jemand soll einen Priester holen.«

Der Besitzer des Steinbruchs wischte sich pausenlos den Schweiß von der Stirn. Er versuchte immer wieder etwas zu sagen, aber jedes Mal schnitt Fürst Vellmaringen ihm mit einer schroffen Handbewegung das Wort ab.

»Hätte er sich nicht über mich geworfen ...«, murmelte er. Er spürte kaum den wolkenbruchartigen Regen und schaute zutiefst erschüttert auf den Kutscher.

Plötzlich schlug Karl Steffen die Augen auf. Als er den Fürsten gewahrte, zuckte ein schwaches Lächeln um seinen Mund.

»Sind Sie verletzt, Hoheit?«, fragte er mit brüchiger Stimme.

Hendrik von Vellmaringen kniete neben ihm nieder.

»Nein, Karl. Ich verdanke Ihnen mein Leben. Ich werde es Ihnen nie vergessen. Sie werden gesund werden, ich werde die besten Ärzte für Sie holen lassen ...«

»Mit mir geht es zu Ende«, flüsterte Karl. »Aber Annette ... meine Tochter ...«

»Ich werde für Ihre Tochter sorgen, Karl, wie für mein eigenes Kind.«

»Auf das Wort Ihrer Hoheit kann man sich ver...«

»Karl!« Hendrik von Vellmaringen packte die Schultern seines Kutschers und schüttelte ihn leicht. Tief betroffen schaute er dann auf. Der Arzt nickte ihm zu.

»Er hat nicht mehr zu leiden brauchen, Hoheit. Ein braver Mann«, sagte er.

Behutsam drückte der Fürst Karl Steffen die Augen zu und stand auf. Noch einmal warf er einen Blick in das Gesicht des Toten. So also sieht ein Mensch aus, der nicht zögert, sein eigenes Leben für ein anderes zu geben, dachte er. Ein Held ist er. Er blickte in die Höhe. Der Überhang des Steinbruchs war fort, riesige Schutt- und Geröllmassen lagen am Fuß des Steilhanges.

»Es ist mir unerklärlich, wie das geschehen konnte, Hoheit«, meldete sich der Besitzer des Steinbruchs mit jammernder Stimme zu Wort. »Niemand hat geahnt ...«

»Die Gerichte werden sich mit dem Fall beschäftigen«, schnitt Fürst Vellmaringen ihm das Wort ab. »Bringt Karl ins Schloss.«

»Ins Schloss?«, wiederholte ein Arbeiter ungläubig.

»Ja. Er soll mit allen Ehren bestattet werden, die einem Manne wie ihm zukommen. Ich danke Ihnen, meine Herren.« Hendrik von Vellmaringen nickte den Versammelten knapp zu und ging zu seiner Kutsche zurück. Irgendein fremder Mann hatte Karls Platz eingenommen, ein jüngerer Mann, der wohl hoffte, dass seine Dienstbereitschaft das Interesse des Landesfürsten auf ihn lenken würde.

»Fahren Sie ins Schloss zurück.« Hendrik von Vellmaringen lehnte sich an die Rückwand der Kutsche. Er hatte nur ein paar harmlose Hautabschürfungen davongetragen, weil sein Kutscher sich schützend über ihn geworfen hatte.

Seit dreißig Jahren war Karl Steffen in seinen Diensten gewesen. Er hatte als Pferdebursche angefangen und sich bis zu seinem Leibkutscher emporgedient. Nun lag er tot im Steinbruch.

Der Mann hatte ihm das Leben gerettet. Der Fürst würde sein Wort halten und die Tochter des Kutschers aufnehmen wie ein eigenes Kind.

♥♥♥

Die Gerüchte erreichten das Schloss schneller als die Kutsche des Fürsten.

Die Fürstin eilte ihrem Gatten in der Halle entgegen.

»Bist du verletzt?«, fragte sie mit bebenden Lippen.

»Mir fehlt nichts, Olga. Aber Karl ist tot.«

»Der Kutscher? Du wirst bald einen neuen finden. Gott sei Dank, dass dir nichts geschehen ist. Der Leibarzt ist schon da, er möchte dich untersuchen. Du musst dich unbedingt schonen, Hendrik.«

»Ich brauche nur ein Bad und frische Wäsche, Olga.« Müde strich sich Fürst Vellmaringen mit dem Handrücken über die Stirn.

»Aber der Leibarzt ...«

»Mir fehlt nichts!« Die Stimme des Mannes klang ungeduldig. Er liebte es nicht, seine Bemerkungen wiederholen zu müssen.

»Ich habe es doch nur gut gemeint.« Fürstin Vellmaringen machte einen gekränkten Eindruck. Manchmal fand sie es schwierig, mit Hendrik auszukommen. Noch nie hatte er sie zu seiner Vertrauten gemacht, er ließ sie keinen Anteil nehmen an seinem Denken und Fühlen. Sie hatten geheiratet, weil sie nach Ansicht ihrer Eltern gut zusammenpassten, aber von Liebe war zwischen ihnen niemals die Rede gewesen.

Fürst Vellmaringen verhielt sich der Gattin gegenüber stets sehr korrekt, aber auch ohne jede Wärme. Er ahnte nicht, dass seine Frau ihn liebte, denn sie verstand es, ihre Gefühle zu verbergen. Traurig blickte sie ihm nach, als er davonging. Wenn er nun tödlich verunglückt wäre!, dachte sie.

Eine knappe Stunde später saß Fürst Vellmaringen hinter dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers.

Er klingelte nach seinem Kammerdiener.

»Paul, wissen Sie, wo Karl Steffen gewohnt hat?«

»Jawohl, Hoheit.«

»Gehen Sie in die Wohnung und bitten Sie Fräulein Steffen zu mir.«

»Sehr wohl, Hoheit.« Paul verneigte sich und ging gemessen hinaus. Er wird ihr einen Orden für ihren Vater übergeben, dachte er. Vielleicht auch Geld, um ihre Zukunft sicherzustellen.

Auf dem Flur begegnete ihm Prinz Alexander, der einzige Sohn des Fürsten. Paul verneigte sich im Vorübergehen, aber Alexander von Vellmaringen hielt ihn auf.

»Wie geht es meinem Vater, Paul?«, fragte er. »Ist er zu sprechen?«

»Hoheit geht es dem Augenschein nach gut. Hoheit wünscht Fräulein Steffen zu sehen.«

»Wer ist das?« Der hochgewachsene junge Mann mit dem dunklen Haar runzelte die Stirn.

»Die Tochter des Kutschers Karl.«

»Ich verstehe. Ich werde mich um das Mädchen kümmern. Irgendwie werden wir ihr eine gute Stellung verschaffen.«

Paul war überzeugt, dass der Erbprinz sein Versprechen nicht vergessen würde. Er besaß nicht die Liebenswürdigkeit seines Vaters, hatte aber seine Verlässlichkeit geerbt.

Der Kammerdiener traf Annette Steffen im Wohnzimmer an. Das Mädchen saß am Tisch – völlig regungslos. Auf sein Anklopfen hatte er keine Antwort erhalten.

Im Raum war es halbdunkel, die Vorhänge ließen nur durch einen Spalt Tageslicht herein. Das Gewitter war inzwischen abgezogen, aber es regnete noch.

Annette hob langsam den Kopf und schaute den Kammerdiener an, aber in ihrem Blick lag kein Erkennen. Paul fragte sich, ob sie ihn überhaupt wahrnahm. Er räusperte sich.

»Seine Hoheit wünscht Sie zu sprechen, Fräulein Steffen. Ich habe den Auftrag, Sie zu ihm zu bringen. Wenn Sie so freundlich wären, sich etwas Passendes anzuziehen?«

»Was will er von mir?«, fragte Annette dumpf.

»Wahrscheinlich verspürt Hoheit den Wunsch, mit Ihnen über Ihre Zukunft zu sprechen, Fräulein Steffen. Hoheit wird es nicht an der gebotenen Fürsorge fehlen lassen.«

»Er kann meinen Vater nicht wieder lebendig machen. Warum musste Vater das tun? Man hat mir erzählt, dass er den Absturz der Gesteinsmassen frühzeitig bemerkt hat. Warum ist er nicht fortgelaufen?«

»Er hat Seiner Hoheit das Leben gerettet, Fräulein Steffen. Im ganzen Land wird man ihm sein Opfer danken. Hoheit ist unverletzt.«

»Und mein Vater ist tot.« Annette war wie betäubt und keines klaren Gedankens fähig.

»Bitte, ziehen Sie sich etwas Passendes an, Fräulein Steffen. Hoheit erwartet Sie«, mahnte Paul.

»Was soll ich anziehen?«, fragte Annette. »Ich besitze kein schwarzes Kleid. Wie konnte ich ahnen, dass mein Vater heute nicht zurückkommen würde? Ich wollte heute Abend warmes Essen machen. Er isst abends gern warm.«

Plötzlich schlug Annette die Hände vors Gesicht und begann hemmungslos zu weinen.

»Hoheit wartet, Fräulein Steffen!« Pauls Stimme klang jetzt eine Spur eindringlicher.

»Ich gehe so, wie ich bin.« Annette stand auf.

»Wenn Sie vielleicht noch Ihr Gesicht waschen würden? Hoheit wird zwar Verständnis für Ihre Tränen haben, Fräulein Steffen, aber er wird eine stolze Haltung von Ihnen erwarten. Nicht jedem ist es vergönnt, sein Leben für das Seiner Hoheit hingeben zu dürfen.«

»Er war mein Vater, verstehen Sie doch!«

»Hoheit ist für unser Land wichtiger. Einen besseren Landesvater als ihn werden wir niemals bekommen. Unter ihm blüht der Handel, niemals war das kulturelle Leben so rege wie jetzt.«

Er hätte sich seine Worte sparen können. Annette wusste selbst, was das Land dem Fürsten Vellmaringen verdankte. Aber was interessierte sie jetzt das Land, wo ihr geliebter Vater für immer von ihr gegangen war?

Annette folgte Paul ins Schloss. Oft kam sie nicht hierher, aber sie nutzte diesmal die Gelegenheit nicht, um sich am Anblick der vielen Kunstschätze zu erfreuen, die es überall zu sehen gab.

Der Kammerdiener meldete Annettes Eintreffen dem Fürsten, der sie sofort empfing.

»Hoheit lassen bitten.« Paul hielt dem jungen Mädchen die Tür zum Arbeitszimmer weit offen.

♥♥♥

Karl Steffens Tochter ging an dem Diener vorbei auf den Fürsten zu, der ihr freundlich ein paar Schritte entgegenkam. Er trug wie meistens seine Uniform ohne Orden und Rangabzeichen. Sein Blick war gütig, und Annette begriff plötzlich, was ihren Vater bewogen haben mochte, sich schützend über diesen Mann zu werfen.

Sie versank in den vorgeschriebenen Hofknicks, aber Fürst Vellmaringen beeilte sich, sie aus dieser Stellung zu erlösen.

»Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Fräulein Steffen.« Er nahm ihre Rechte und hielt sie fest. »Die letzten Worte Ihres Vaters galten Ihnen.«

Fürst Vellmaringen drückte Annette in einen Sessel und nahm anschließend ihr gegenüber Platz.

»Ich war erschüttert über das, was Ihr Vater für mich getan hat«, sagte er dann mit gesenktem Blick. »Vielleicht hätte er sich retten können, wäre er sofort davongelaufen. Nur wenige Meter haben ihn von einem sicheren Platz getrennt. Er hat gewusst, dass ich keine Zeit haben würde, die rettende Grenze zu erreichen. Und da ...«

Der Mann hob den Kopf und schaute Annette an.

»Ihr Vater war Witwer, nicht wahr? Haben Sie noch Verwandte, Fräulein Steffen?«

»Nein.« Die Stimme des Mädchens klang ganz dünn. Sie schluckte die Tränen hinunter, die bei den gütigen Worten des Fürsten in ihr aufstiegen.

»Ihr Vater hat Sie sehr geliebt, glaube ich.«

»Er hat alles für mich getan, was in seinen Kräften stand, Hoheit.«

»Ein braver Mann. Ich habe ihm versprochen, für Sie wie für eine Tochter zu sorgen. Ich möchte, dass Sie im Schloss wohnen. Selbstverständlich werden Sie alles erhalten, was Sie brauchen, um standesgemäß auftreten zu können.«

Der Fürst nahm sich vor, sie erziehen zu lassen und später in die Gesellschaft einzuführen.

»Erzählen Sie mir von sich, Fräulein Steffen. Was für eine Schule haben Sie besucht?«

»Die Volksschule, Hoheit.«

Fürst Vellmaringen nickte.

»Haben Sie eine Klasse wiederholen müssen?«

»Nein, Hoheit. Ich war immer die beste Schülerin in meiner Klasse.«

»Brav, sehr brav«, murmelte der Fürst. »Beherrschen Sie Fremdsprachen?«

»Nein.«

»Französisch müssten Sie lernen. Auch ein wenig Englisch. Ich werde veranlassen, dass Sie entsprechenden Unterricht erhalten.«

Hendrik von Vellmaringen lehnte sich im Sessel zurück.

»Nach einer gewissen Zeit, die Sie brauchen werden, um sich die notwendigen Kenntnisse anzueignen, werden Sie als mein Schützling im Schloss wohnen. Ich werde dafür sorgen, dass Sie eine gute Partie machen. Sie werden einen adeligen jungen Herrn heiraten, einen Grafen.«

Annette schaute den Fürsten ungläubig an.

»Ihrem Vater verdanke ich mein Leben. Als kleinen Dank möchte ich Ihnen, Fräulein Steffen, ein schönes, glückliches Leben schenken. Sie werden die Bälle bei Hof mitmachen und in mir werden Sie, soweit es mir möglich ist, einen Ersatz für Ihren Vater finden. Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht.«

»Hoheit!«, stammelte Annette. »Ich passe doch gar nicht ins Schloss unter all die feinen Leute.«

»Sie werden sich hier schnell wohlfühlen, Fräulein Steffen. Was von Ihnen verlangt wird, ist nur wenig. Ein bisschen Benehmen, Kenntnisse höfischer Etikette, selbstbewusstes Auftreten ... Ich werde Sie unter meine ganz persönlichen Fittiche nehmen, das habe ich Ihrem Vater versprochen.«

»Ich weiß nicht, ob ich die Erwartungen erfüllen kann, die Hoheit in mich setzen. Man wird insgeheim über mich lachen, Hoheit.«

»Das wird niemand wagen!«, erklärte Fürst Vellmaringen mit einem drohenden Unterton. »Selbstverständlich werde ich Ihnen Zeit lassen, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, ein neues Leben zu beginnen. Ich werde Sie mit dem Erzieher meines Sohnes auf Reisen schicken. Zu ihm habe ich Vertrauen, er weiß Menschen zu führen und zu lenken. Er wird eine feine junge Dame aus Ihnen machen.«