Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 763 - Eva Berger - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 763 E-Book

Eva Berger

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Beschreibung

Der neuen Gesellschafterin auf Gut Waldesruh fliegen alle Herzen zu - mit einer Ausnahme: Ilka von Henning. Die Verlobte des Gutsherrn, sieht in der sanften Cornelia eine Gefahr. Ihr Instinkt sagt ihr, dass die Neue ihr gefährlich werden könnte. Deshalb fordert sie von ihrem Verlobten, Cornelia sofort fortzuschicken. Doch dieser Wunsch bleibt unerfüllt. Cornelia verfügt über die Gabe, alle Leute mit ihrem glockenhellen Lachen und ihrem sonnigen Gemüt um den Finger zu wickeln - die hochmütige Verlobte natürlich ausgenommen. Doch der Vater der verstorbenen ersten Frau des Gutsherrn und Maltes Tante, die sich sonst spinnefeind sind, blühen auf. Sie sind nicht nur plötzlich ein Herz und eine Seele, sondern Verbündete, die gemeinsam zielstrebig einen geheimen Plan verfolgen ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Ein Licht für Waldesruh

Vorschau

Impressum

Ein Licht für Waldesruh

Kehrt mit Cornelia das verlorene Glück zurück?

Der neuen Gesellschafterin auf Gut Waldesruh fliegen alle Herzen zu – mit einer Ausnahme: Ilka von Henning. Die Verlobte des Gutsherrn, sieht in der sanften Cornelia eine Gefahr. Ihr Instinkt sagt ihr, dass die Neue ihr gefährlich werden könnte. Deshalb fordert sie von ihrem Verlobten, Cornelia sofort fortzuschicken. Doch dieser Wunsch bleibt unerfüllt.

Cornelia verfügt über die Gabe, alle Leute mit ihrem glockenhellen Lachen und ihrem sonnigen Gemüt um den Finger zu wickeln – die hochmütige Verlobte natürlich ausgenommen. Doch der Vater der verstorbenen ersten Frau des Gutsherrn und Maltes Tante, die sich sonst spinnefeind sind, blühen auf. Sie sind nicht nur plötzlich ein Herz und eine Seele, sondern Verbündete, die gemeinsam zielstrebig einen geheimen Plan verfolgen ...

Cornelia stellte ihr Köfferchen auf den Bahnsteig und blickte sich suchend um. Offenbar holte sie niemand ab. Na gut, sie würde wohl auch so nach Gut Waldesruh finden.

Mit ihr hatten etliche Reisende den Zug verlassen. Auf eine ältere Frau ging Cornelia entschlossen zu.

»Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wo das Gut Waldesruh liegt?«, fragte sie höflich.

»Kind, da musst du aber ganz schön laufen«, sagte die Angesprochene bedauernd und musterte Cornelia aufmerksam. »Oder sollte ich dich besser siezen?«, fragte sie dann unsicher.

Cornelia errötete leicht. Sie war es gewohnt, als bedeutend jünger angesehen zu werden, als sie war.

»Ich bin vor Kurzem neunzehn geworden, doch viele halten mich für jünger. Aber sagen Sie ruhig Du zu mir.« Cornelia lächelte die ältere Frau fröhlich an.

»Nein, nein«, wehrte diese ab. »Wenn Sie schon neunzehn sind, sieze ich Sie selbstverständlich.«

Die Frau wusste nicht so recht, wie sie Cornelia einstufen sollte. Sie warf einen schnellen Blick auf das viel zu kurze, dünne Mäntelchen und auf die schon recht ausgetretenen, flachen Sportschuhe. Auf dem Kopf trug Cornelia eine selbst gestrickte Mütze. Reich war die Kleine bestimmt nicht und kräftig auch nicht. Sicher wollte sie auf Waldesruh arbeiten. Aber dort konnte man eigentlich nur Mädchen gebrauchen, die kräftig waren und zupacken konnten.

»Tja, den Koffer würde ich vielleicht hier auf dem Bahnhof stehen lassen«, schlug die ältere Frau nun vor. »Der Vorsteher ist immer gefällig und verwahrt ihn bestimmt gern.« Dann zeigte sie in eine bestimmte Richtung. »Da liegt das Gut, vielleicht vier Kilometer von hier entfernt, ein schöner Besitz. Wollen Sie auf Waldesruh arbeiten?«

»Ja, ich freue mich sehr, dass ich dort eine Anstellung gefunden habe.« Cornelia strahlte die fremde Frau an wie die Maiensonne.

»Hm, ich will Ihnen Ihren Mut nicht nehmen«, sagte die Dame, die nun neben dem Mädchen dem Ausgang zustrebte, »doch Landarbeit ist keine leichte Arbeit. Ich nehme an, Sie kommen aus der Stadt?«

»Ja, aber ich wollte schon immer gern auf dem Lande wohnen.«

»Nun ja, wohnen und arbeiten ist vielleicht doch ein Unterschied«, meinte die Frau vorsichtig. »Wissen Sie, der Gutsherr hat den Ruf in der Gegend, gut zu bezahlen, dafür aber auch reelle Arbeit zu verlangen, und durchgehen lässt er auch nichts«, setzte sie mit einem schnellen Seitenblick auf Cornelia hinzu.

»Ich will arbeiten und mich nicht etwa schonen«, stellte Cornelia die Dinge richtig. »Ich bin das Arbeiten gewöhnt. Bis jetzt habe ich für sechs jüngere Pflegegeschwister gesorgt. Mein Pflegevater war stets mit mir zufrieden.«

»Wie alt sind denn Ihre Pflegegeschwister?«

»Zwischen drei und zwölf Jahre. Und nun hat mein Pflegevater wieder geheiratet. Es war nicht so, dass er oder seine zweite Frau mich aus dem Haus geekelt hätten. Aber da ich nicht mehr benötigt werde, kann ich ihm selbstverständlich nicht länger auf der Tasche liegen.«

Dass ein noch so junges Mädchen schon so ernsthaft reden konnte, versetzte die ältere Dame in höchstes Erstaunen.

»Und Sie haben dort den ganzen großen Haushalt geschmissen?«, fragte sie ungläubig.

»Ja, das war kein Problem«, erklärte Cornelia lächelnd. »Ich liebe Kinder sehr.«

Die Dame dachte kurz.

»Wenn Sie auf Waldesruh nicht zurechtkommen, besuchen Sie mich doch einmal«, bot sie dann an. »Ich heiße Trina Müller und bin von Beruf Hebamme. Ich komme in viele Häuser. Sicher könnte ich Ihnen eine Stellung verschaffen, wenn Sie Kinder so sehr lieben.«

»Danke«, entgegnete Cornelia fröhlich. »Ich hoffe, das wird nicht nötig sein!«

»Das wünsche ich Ihnen selbstverständlich auch. Sie dürfen mich aber auch ohne Anlass besuchen, Fräulein ...«

»Ich heiße Cornelia Mester.«

Sie hatten inzwischen die Sperre passiert. Die Hebamme legte die Hand über die Augen.

»Da kommt wahrhaftig Jan von Waldesruh«, sagte sie. »Sie werden also doch abgeholt. Das freut mich für Sie. Ich muss in eine andere Richtung. Auf Wiedersehen dann!« Sie reichte Cornelia herzlich die Hand.

»Auf Wiedersehen und vielen Dank für Ihre Freundlichkeit.«

Die Hebamme hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, blieb dann jedoch noch einmal stehen und sah sich nach Cornelia um.

»Als erfahrene alte Frau möchte ich Ihnen noch einen Rat erteilen«, sagte sie zögernd. »Seien Sie nicht jedermann gegenüber zu vertrauensselig. Sie könnten einmal böse Überraschungen erleben.« Dann ging sie endgültig davon.

♥♥♥

Cornelia nahm ihr Köfferchen und eilte hurtig auf das Gefährt zu, das inzwischen vor dem kleinen Stationsgebäude gehalten hatte. Auf dem Kutschbock saß ein weißhaariger alter Mann.

»Guten Tag, sind Sie Jan von Waldesruh?«, fragte Cornelia freundlich.

»Ja, der bin ich.« Der Alte musterte Cornelia neugierig. »Sie sind doch gewiss gerade mit dem Zug gekommen. Vielleicht haben Sie ein städtisches Fräulein aussteigen sehen? Das soll ich abholen. Leider habe ich mich ein bisschen verspätet.«

»Das Fräulein bin ich!« Cornelia lachte fröhlich.

»Das ist doch wohl nicht möglich«, murmelte der Alte erstaunt. »Ich sollte ein Fräulein und kein Kind abholen. Na, da wird sich der Herr aber freuen«, setzte er düster hinzu.

»Ich bin kein Kind mehr, sondern schon neunzehn Jahre alt!«, erklärte Claudia.

»Na.« Jan kratzte sich an seinem stoppeligen Bart. »Wenn das man stimmt! Aber das ist gottlob nicht meine Sache. Ich soll Sie abholen und nach Waldesruh bringen, mehr nicht.«

»Sie und der Gutsherr werden schon bald merken, dass ich meine Sache trotz meines jungen Aussehens gut mache«, sagte Cornelia siegesgewiss.

Jan stieg vom Kutschbock, hob den Koffer in die Kutsche und kletterte wieder hinauf. Cornelia setzte sich neben ihn.

»Ich freue mich so, dass ich mit Pferd und Wagen abgeholt werde«, sagte sie.

»Tatsächlich«, staunte Jan. »Wissen Sie, die anderen waren immer böse, wenn ich mit der Kutsche am Bahnhof gewartet habe. Sie wollten lieber mit dem Auto fahren.«

»Das kann ich nicht verstehen.« Cornelia schüttelte den Kopf. »Aber welche anderen meinen Sie eigentlich?«

Jan wurde ein bisschen verlegen und kratzte sich wieder am stoppeligen Kinn.

»Na, die Stadtfräulein, die vor Ihnen hier waren.«

»Waren es viele?«, fragte Cornelia nun ein bisschen zaghaft.

»Nicht wenige.«

»Warum sind Sie denn wieder gegangen?«

»Hü!«, rief Jan dem Braunen zu und knallte mit der Peitsche. Offenbar wäre er die Antwort gern schuldig geblieben, aber Cornelia sah ihn noch immer erwartungsvoll an.

»Tja, die beiden alten Herrschaften sind recht schwierig, wissen Sie, und der Gutsherr hat bereits genug Ärger mit ihnen und will sich nicht noch zusätzlichen mit den Stadtfräulein aufhalsen.«

Zwar hätte Cornelia gern gewusst, warum ihre Vorgängerinnen Ärger gemacht hatten, aber die Frage unterdrückte sie.

»Ich werde bleiben«, erklärte sie, doch Jan war davon nicht ganz überzeugt.

Voller Entzücken wanderte Cornelias Blick über die schöne Landschaft. Überall Wiesen, Felder und Wälder, so weit das Auge reichte.

»Da ist ja auch ein See«, rief sie begeistert.

»Ja, der gehört auch zu Waldesruh. In ihm fischt der Herr. Ein Bootshaus birgt ein Segel- und ein Ruderboot. Im Sommer baden alle Leute vom Gut dort, allen voran der Herr.«

»Ach, dann darf ich sicher auch ...« Cornelias Augen leuchteten.

»Das ist Waldesruh«, sagte der alte Kutscher nun. Das Gut lag auf einem Hügel. Die Gemäuer waren weiß gestrichen und leuchteten von Weitem.

Cornelia meinte, niemals ein schöneres Haus gesehen zu haben. Sie faltete unwillkürlich andächtig die Hände.

»In solch einem Haus können eigentlich nur glückliche Menschen wohnen«, kleidete sie ihre Gedanken in Worte.

Der alte Jan wusste es besser. Die Menschen waren nicht unbedingt glücklich, wenn sie keine Sorgen hatten und in einer schönen Umgebung wohnten.

»Ich bin ganz aufgeregt, Jan«, wisperte Cornelia dem Alten zu. »Ich wollte, meine Pflegegeschwister könnten diese Fahrt auch erleben.«

»Pflegegeschwister?«

»Nun ja!« Cornelia erzählte dem Alten ihre Lebensgeschichte.

Jan hörte aufmerksam zu und nickte. Er fühlte Mitleid mit der mageren Kleinen neben sich. Viel Schönes hatte sie in ihrem Leben offenbar noch nicht gesehen und nicht viel Gutes empfangen.

Jetzt waren sie auf Waldesruh angekommen.

»Jan, Jan, ich danke Ihnen!« Der Alte war überrascht und gerührt, als ihm Cornelia impulsiv die Hand schüttelte. »Die Fahrt hierher war so schön, dass ich sie niemals vergessen werde.«

Dann kletterte Cornelia geschwind als Erste von der Kutsche. Sie hob ihr Köfferchen ab, winkte Jan noch einmal zu und schritt zielstrebig dem Haus zu.

♥♥♥

Aus der Nähe wirkte das Herrenhaus noch viel imposanter und einladender, fand Cornelia. Hurtig schritt sie die schöne Marmortreppe hinauf und stand dann mit klopfendem Herzen vor der großen Eichentür. Ein wenig zaghaft betätigte sie den schmiedeeisernen Klopfer.

Bald hörte sie Schritte, und im nächsten Moment öffnete ein sehr würdig dreinblickender alter Herr die Tür.

Er wirkte auf Cornelia wie ein Graf, und sie fragte sich, ob sie sich am Ende nicht doch geirrt hatte. Aber der Besitzer des Gutes war ein gewisser Malte Wendel, das wusste sie genau!

»Guten Tag, Herr Wendel«, sagte sie mit allem Mut, den sie aufbringen konnte. Der alte Herr strahlte gar so viel Würde aus.

»Ich bin nicht Herr Wendel, ich bin der Butler Johann«, wurde sie darauf aufgeklärt.

»Oh«, murmelte Cornelia. »Ich bin die neue Gesellschafterin, Cornelia Mester ist mein Name.«

Der Butler verlor einen kurzen Moment die Fassung, gewann sie aber sofort wieder zurück.

Cornelia lächelte ihn schüchtern an. Dann wurde ihr Lächeln breiter und zutraulicher. Sie hatte den vornehmen Butler Johann mit ihrer Erscheinung wohl überrascht.

»Darf ich eintreten?«, fragte sie.

»Aber selbstverständlich, mein Fräulein!« Johann trat einen Schritt zurück. Cornelia schlüpfte ins Haus.

Sie hielt unwillkürlich den Atem an. Das Innere des Herrenhauses hielt, was das Äußere versprach. Es erinnerte Cornelia unwillkürlich an ein Schloss.

Wohin sie auch sah, erblickte sie Jagdtrophäen. Die Wände waren aus erlesenen Hölzern getäfelt, die Decke bestand ebenfalls aus warmem, schönem Holz. Von ihr hing ein mächtiger Kronleuchter herab.

»Herr Wendel ist leider im Moment verreist«, erklärte ihr Johann nun würdevoll. »Zufällig befindet Fräulein von Hennig sich im Haus. Die werde ich holen.«

Er ließ Cornelia stehen und entfernte sich. Sie ließ ihren Blick schweifen. Eine sehr breite Holztreppe führte zu einer Art Empore. Das Geländer war geschnitzt.

Ihre Betrachtungen wurden durch harte, kurze Schritte unterbrochen. Vor ihr stand eine sehr elegante junge Frau, die sie mit einem Gemisch aus Hochmut, Verblüffung und Verachtung musterte.

»Guten Tag, ich bin Cornelia Mester«, sagte Cornelia freundlich.

»Ich glaube, Sie haben sich verlaufen, meine Beste!«

Cornelias musikalischem Ohr tat die etwas harte Aussprache direkt weh.

»Aber nein, dies ist doch Waldesruh, nicht wahr? Und dorthin wollte ich, weil ich hier angestellt bin.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Wendel ein Kind eingestellt hat«, gab die elegante schwarzhaarige Frau böse zurück.

Cornelia öffnete ihre blauen Augen sehr weit. Dann lächelte sie entschuldigend.

»Ich wirke nur so jung, bin es aber nicht mehr. Ich bin schon neunzehn Jahre und habe gelernt, Verantwortung zu tragen. Aber das weiß Herr Wendel bereits alles. Darum hat er mich ja auch angestellt.«

»Ich weiß nicht, was meinen zukünftigen Mann dazu bewogen hat, seine Wahl ausgerechnet für Sie zu treffen. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass er falsch informiert war, als er sich für Sie entschied. Darum ist es am besten, Sie fahren mit dem nächsten Zug wieder zurück«, schloss sie voller Härte.

Cornelia schüttelte eigensinnig den Kopf.

»Ich fahre nicht zurück. Ich bleibe. Ich bin hier angestellt worden!«

Nun krauste Ilka von Henning ärgerlich die Brauen.

»Wie viel Entschädigung verlangen Sie, außer den Ihnen erstandenen Fahrkosten?«, fragte sie schroff.

»Ich will kein Geld, ich will hier arbeiten«, stellte Cornelia klar.

Vielleicht wäre dieser Disput noch weitergegangen, wenn nicht in diesem Moment eine dritte Person aufgetaucht wäre.

Eine alte Frau stand auf einen Stock gestützt vor Cornelia und Ilka von Henning.

»Was gibt es?«, fragte auch sie nicht gerade freundlich.

»Malte hat dieses Kind für Sie und Herrn Göken engagiert«, sagte die schöne Frau voller tiefster Missbilligung. »Ich werde es selbstverständlich auf dem schnellsten Wege wieder zurückschicken.«

»Oh, dann sind Sie eine der älteren Herrschaften, denen ich in Zukunft Gesellschaft leisten soll«, sagte Cornelia spontan. »Wie schön, Sie kennenzulernen!«

Vielleicht rührten ihre Worte oder das weiche Lächeln das Herz der verbiestert aussehenden alten Frau. Es konnte auch sein, dass sie grundsätzlich in Opposition zu anderen Menschen stand. Jedenfalls humpelte sie etwas mühsam auf Cornelia zu und reichte ihr die Hand.

»Herzlich willkommen, Fräulein ...«

»Mester, Cornelia Mester!« Cornelia strahlte sie an.

»Merken Sie sich eines, Fräulein von Hennig«, krächzte die alte Stimme weiter, »es dürfte noch einige Zeit dauern, bis Sie hier jemanden fortschicken können. Ob der Tag überhaupt einmal kommen wird, steht noch gar nicht fest.«

Jetzt sah die alte Dame die elegante junge Frau direkt gehässig an.

»Wir werden sehen«, sagte Ilka von Hennig hochmütig. »Es ist ja wohl zwecklos, sich mit alten, senilen Menschen zu unterhalten.« Sie warf den Kopf in den Nacken und ging davon.

Cornelia zuckte so heftig zusammen, als sei sie tief verletzt worden. Obwohl die alte Frau diese Antwort herausgefordert hatte, tat sie Cornelia von Herzen leid.

»Grämen Sie sich nicht«, sagte sie herzlich. »Fräulein von Hennig hat ihre Worte ganz gewiss nicht so böse gemeint.«

»Ich werde nach Herma klingeln«, sagte die alte Frau mit einer gewissen Würde und sah plötzlich sehr abweisend und kalt aus.

Herma entpuppte sich als eine rundliche ältere Frau, deren Blick flink zwischen Cornelia und der alten Frau hin- und herflog.

»Herma, zeigen Sie dem jungen Fräulein ihr Zimmer, Herma«, bestimmte die alte Dame dann mit ihrer knurrigen, befehlsgewohnten Stimme.

»Gewiss, gnädiges Fräulein.« Die rundliche Person knickste. Daraus schloss Cornelia, dass die alte Dame hier im Hause etwas galt und Respekt genoss.

»Darf ich fragen, wer das junge ... Fräulein ist?« Herma zögerte sichtlich, bevor sie Cornelia als Fräulein bezeichnete.

»Die neue Gesellschafterin von mir und Herrn Göken!«

Herma war sichtlich beeindruckt.

Bevor Cornelia der rundlichen Herma folgte, sah sie die verbiesterte alte Dame mit entwaffnender Freundlichkeit an.

»Ich hätte so gern gewusst, mit wem ich es zu tun gehabt habe?«

»Ich bin Ottilie Wendel, die Tante des jetzigen Gutsherrn.«

»Danke!« Cornelia strahlte die alte Frau nochmals an, dann nahm sie ihr Köfferchen und folgte Herma.

♥♥♥

Ihr Zimmer rief bei Cornelia höchstes Entzücken hervor. Es war groß und hell und mit wunderschönen Möbeln ausgestattet.

Bisher war es ihr nie vergönnt gewesen, ein eigenes Zimmer zu besitzen, sie hatte es immer mit einigen älteren Pflegegeschwistern teilen müssen.

»Das Zimmer ist wundervoll«, sagte sie begeistert.

Herma räusperte sich.

»Es tut mir leid, es sagen zu müssen, aber ich glaube nicht, dass der Herr Sie behalten wird. Packen Sie besser Ihren Koffer nicht aus. Sie sind einfach zu jung und einer so schwierigen Aufgabe wie der in diesem Hause sicher nicht gewachsen.«

»Seine Tante will mich behalten, und sie soll ich doch wohl betreuen«, hielt Cornelia dagegen.

»Ich will Sie nicht beunruhigen, mein Kind, aber die alte Dame ist launisch und wetterwendisch. Was sie heute mag, lehnt sie morgen ab. Im Grunde genommen hat der Herr das Sagen. Hier ist alles ein wenig schwierig.«

»Ich packe aus, weil ich bleiben werde«, erklärte Cornelia. »Denn ich bin angestellt worden, und ich finde es unfair zu behaupten, ich sei zu jung, ohne mir die Chance eingeräumt zu haben, mich zu beweisen.«

»Morgen kommt der Herr, dann sehen wir weiter«, erwiderte Herma seufzend.

Als Cornelia allein war, beschloss sie, sich nicht entmutigen zu lassen. Der Koffer war schnell ausgepackt. Zuletzt stellte sie das Familienfoto von ihren sechs Pflegegeschwistern auf und warf einen liebevollen Blick darauf.