7,99 €
Doc Holliday war einer der geheimnisumwitterten Männer des Wilden Westens. Doch wie wurde aus dem studierten Zahnarzt Dr. John H. Holliday der Spieler und – folgt man der Legende – schnellste und tödlichste Revolverschütze, den der "Good Old West" jemals gesehen hatte. Folgen wir den Spuren Hollidays durch die Boomtowns von Dallas, Fort Griffin, Dodge City, Tombstone, Pueblo, Denver, Leadville bis zu deren Ende in Glenwood Springs, Colorado und versuchen zu ergründen, wie aus dem Zahnarzt John Henry Holliday die Legende Doc Holliday wurde.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 91
Veröffentlichungsjahr: 2025
Michael Franzen
Doc Holliday
Spieler und Revolverheld
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Kindheit und Jugend
Aufbruch in den Westen
Fort Griffin
Dodge City
Tombstone
Schüsse am O.K. Corral
Jäger und Gejagte
Letzte Jahre in Colorado
Nachwort
Bibliografie
Impressum neobooks
„Doc war ein Zahnarzt, kein Gesetzloser oder gar ein Mörder, der aus der Notwendigkeit heraus zum Spieler wurde. Ein Gentleman, der aufgrund seiner Krankheit zu einem Grenzvagabunden wurde und ein Philosoph, den das Leben zu einem bissigen Zyniker gemacht hatte. Ein hochgewachsener, dünner aschblonder Bursche, dem Tode nahe und zugleich der geschickteste Spieler und nervenstärkste, schnellste und tödlichste Mann mit einem Sechsschüsser, den ich je kannte.“
Wyatt Earp im„San Francisco Examiner“ vom 02. August 1896
„Billy Allen, ein Freund von Sheriff John Behan aus Tombstone, dem Doc noch fünf Dollar schuldete (…) betrat Hyman's Saloon in Leadville, Colorado. Doc Holliday, der am Tresen hinter der Vitrine mit den Tabakwaren stand, zog seinen 44-er Revolver und feuerte ohne Umschweife auf Allen. Die erste Kugel durchschlug die Scheibe der Windfangtür und blieb dann im Türrahmen stecken. Allen machte panisch auf dem Hacken kehrt und versuchte zu fliehen, wobei er in seiner Hast jedoch stolperte und zu Boden stürzte. Holliday lehnte sich über die Vitrine und feuerte ein weiteres Mal, wobei er Allen in den Ellenbogen traf. Bevor er einen dritten Schuss abfeuern konnte, wurde er von dem Bartender des Hyman's Henry Kellermann gepackt, während Allen, nachdem er sich erhoben hatte, geschockt aus dem Raum wankte und vor dem Saloon ohnmächtig zusammenbrach. Doc wurde anschließend entwaffnet und in Arrest genommen.“
Doc Holliday, Freund von Wyatt Earp, Zahnarzt von Beruf und Spieler aus Passion, der ein geradezu unheimliches Geschick im Umgang mit seinen beiden vernickelten und Elfenbein beschlagenen Revolvern gehabt haben soll und der jedem Revolverhelden im Wilden Westen überlegen war. Ein Gentleman, stets gut gekleidet, mit einem schönen Schnauzbart und zwei blaugrauen Augen, die stets pfeilgerade nach vorne gerichtet waren und die einem bis auf den Grund der Seele zu schauen schienen. Ein Mann, der an der Tuberkulose erkrankt, in den Westen der USA zog, um dort Linderung von seiner Krankheit zu erhalten und der mit seinen beiden Revolvern jenen Mitmenschen zur Hilfe kam, die sich gegen das Verbrechertum selber nicht zur Wehr setzen konnten. Zumindest die obige Episode scheint davon nur wenig übrigzulassen, und außer Wyatt Earp besaß Doc tatsächlich nur sehr wenige Freunde im damaligen Wilden Westen. So schrieb der Gunfighter und Gesetzeshüter Bat Masterson in dem Magazin „Human Life“ 1907 über ihn:
„Holliday hatte eine niederträchtige Grundhaltung und war unbeherrscht. Wenn er unter Alkoholeinfluss stand, war er ein sehr gefährlicher Mann. Holliday besaß nur wenige Freunde im Westen. Er war egoistisch und hatte eine perverse Natur. Eigenschaften, die nicht dazu bestimmt waren, einen Mann in den frühen Tagen an der Grenze populär zu machen“,
während Virgil Earp, als einer der wenigen Fürsprecher, über ihn schrieb:
„Doc hatte etwas Seltsames an sich. Er war ein Gentleman, ein guter Zahnarzt, ein freundlicher Mann und doch, außer uns Jungs, ich glaube nicht, dass er einen Freund im Territorium hatte. Es wird erzählt, dass er Männer in verschiedenen Teilen des Landes ermordet hatte; dass er alle Arten von Verbrechen begangen hatte, und doch, als Personen gefragt wurden, woher sie es wussten, nur zugeben konnten, dass es Hörensagen war und dass diese Taten nicht zu Doc zurückverfolgt werden konnten. Er war ein schlanker und kränklicher Bursche, aber wann immer eine Postkutsche ausgeraubt wurde oder es anderen Ärger gab und Hilfe benötigt wurde, war Doc einer der Ersten, der sein Pferd sattelte und sich zum Dienst meldete.“
Virgil Earp, „Arizona Daily Star“, 30. Mai 1882
Ja, was denn nun, ist man versucht zu fragen. Wer steckt hinter der Fassade des Spielers und Gunfighters Doc Holliday? Diese Frage zu beantworten und den Lebensweg Hollidays nachzuverfolgen, hat sich der Autor in diesem Buch zum Ziel gesetzt. Machen wir daher eine Zeitreise zurück in die Vergangenheit und folgen den längst verwehten Spuren Hollidays, die in Griffin, Georgia ihren Anfang nahmen und die Jahrzehnte später in dem Ort Glenwood Springs in Colorado endeten.
Neumünster, im August 2018
- der Autor -
Der Nachname Holliday stammt vermutlich aus dem alten Schottland und die ersten Leute, die diesen Nachnamen trugen, waren vermutlich Briten aus Strathclyde und ist eine Variante von „Holy Day“, der von jenen Menschen benutzt wurde, die in der Nähe des Berges gleichen Namens in der Grafschaft Annandale lebten. Über Großbritannien wanderten die ersten Hollidays (Holaday, Halliday Holaday, Holiday, Holladay, Halladay, Hollaway, Hollman) in die USA und nach Kanada hin ein, sodass um das Jahr 1840 herum bereits 195 Familien mit diesem Nachnamen auf der östlichen Seite des Mississippi lebten, die meisten davon, nämlich 26, in Ohio, nur knapp gefolgt von jenen Hollidays, die sich in Georgia ansiedelten, nämlich 19 Familien.
Die Geschichte unserer Familie Holliday und im Speziellen, die von Doc, beginnt mit einem Walter Halliday in Kent, England, der dort im Jahre 1215 geboren wurde. Er war Vater von zwei Söhnen, die ihrerseits Söhne zeugten und somit den Beginn einer langen Ahnenreihe von Hollidays mit all den oben angeführten Schreibvarianten ins Leben riefen, wobei sich unter ihnen auch eine beachtliche Anzahl mit dem Vornamen Walter, William und „vos coniectans eam“ auch John befanden.
Captain John Marshall „The Ranger“ Holladay wurde am 20. April 1676 in Minchinhampton, Middlesex, England geboren und wanderte nach Virginia hin aus, wo er seine Frau Elizabeth ehelichte und später nach einem langen Leben, am 04. November 1742 auf seiner Plantage Bellefonte bei Spotsylvania, Virginia verstarb. Er hinterließ dabei elf Kinder, darunter William H. Holladay, der 1705 ebenfalls in Bellefonte geboren wurde. Er wurde Vater von vier Kindern, darunter William Holliday, der wiederum im Jahre 1787 Robert Alexander Holliday zeugte – Doc Hollidays Großvater also. Dieser erreichte ebenfalls ein hohes Alter und verstarb am 16. November 1862.
Doc Hollidays Vater, Henry Burroughs Holliday, ging aus der Ehe zwischen Robert Alexander und Rebecca Holliday geb. Burroughs (1800–1856) hervor und er wurde am 11. März 1819 in Laurnes, South Carolina geboren. Aufgrund seines Ranges wurde er von seinen Mitmenschen im Allgemeinen Major genannt und er war ein verdienter Veteran aus den früheren Kriegen gegen die Cherokee (1838) und Mexikaner (1846–1848). Nachdem er nach Georgia zurückgekehrt war – in seinem Gefolge der 13- jährige Waisenjunge Francisco Hidalgo, den er in seine Obhut genommen hatte – heiratete er am 08. Januar 1849 in Fayetteville, Georgia die am 21. April 1829 ebenfalls in South Carolina geborene Alice Jane McKey. Im selben Jahr, am 03. Dezember 1849, wurde dem frischvermählten Ehepaar eine Tochter namens Martha Eleonora geboren, doch das Kind verstarb bereits im Alter von sechs Monaten am 12. Juni 1850 in Griffin, Spalding County, Georgia, einem zentralen Umschlagplatz für Baumwolle, wohin die beiden nach der Hochzeit zogen, sodass John Henry nachfolgend der einzige Stammhalter der Familie blieb.
Seinen ersten „wenig historischen“ Schrei als neuer Erdenbürger tat John Henry, laut dem Eintrag in der Familienbibel des Vaters, am 14. August 1851, doch könnte es laut anderen Quellen nach auch der 03. Januar 1852 gewesen sein. Ein Geburtsregister dazu findet sich nicht oder es ging, wenn es denn existierte, später während der Bürgerkriegswirren verloren. Die Taufe jedenfalls fand am 21. März 1852 in der Presbyterianischen Kirche in Griffin, Georgia statt und da Taufen früher in der Regel schnell und bereits wenige Wochen nach der Geburt stattfanden, könnte auch das zweite Geburtsdatum das durchaus richtige sein.
John Henry sollte kein Einzelkind im Haushalt der Hollidays bleiben, denn außer ihm lebten dort noch drei der acht jüngeren Geschwister seiner Mutter, nämlich Margaret Ann (1839–1871), Mellissa Ella (1844–1927) und Eunice Helena (1846–1906), für die Henry Holliday nach dem Tode der Eltern seiner Frau – William Land McKey (* ca. 1800–1856) und Jane McKey, geb. Cloud (1804–1853) – die Vormundschaft übernommen hatte. Sie waren somit die Tanten von John Henry, gleichwohl man sie vom Alter her eher noch als Geschwister ansehen konnte. Nachdem der amerikanische Bürgerkrieg ausgebrochen war, diente Major Holliday bis 1862 in der 27. Infanterie von Georgia und bekam den Einmarsch von Unionsgeneral William Tecumseh Sherman (1820–1891) nach Georgia 1864 hautnah am eigenen Leibe zu spüren. Atlanta und Savannah wurden von der Union erobert, und Georgia ging als einer der letzten Staaten für die Konföderation verloren. Der Erfolg Shermans sorgte am Ende auch dafür, dass Abraham Lincoln (1809–1865) erneut ins Weiße Haus gewählt wurde. Zusammen mit seiner Familie und dem gesamten Hausrat zog Major Holliday 1864 nach Bemiss und danach 1866 weiter in die am 07. Dezember 1860 gegründete Stadt Valdosta, dem Verwaltungssitz des Lowndes Countys, an der südlichen Grenze und Küstenregion Georgias, die von einigen Historikern und Romanschreibern des Öfteren mal als der Geburtsort von Doc Holliday betitelt wurde, und zwar fälschlicherweise, muss man an dieser Stelle sagen, denn Doc wurde nachweislich in Griffin, Georgia geboren – Punktum!
In Valdosta gewann Major Holliday rasch an Einfluss und übte dabei gleich mehrere Tätigkeiten aus. Er war Vorsteher der regionalen Landwirtschaftsgesellschaft, Drogist, Bürgermeister, Makler, Mitglied der Freimaurerloge, sowie erster Sekretär des konföderierten Veteranen-Camps. Die Familie Holliday galt somit als hoch angesehen und das übertrug sich am Ende auch auf John Henry, der „standesgemäß“ eine höhere Ausbildung absolvieren musste. Diese begann bereits mit seiner Schulzeit am Valdosta Institute, wo er in Rhetorik, Grammatik, Mathematik und Geschichte unterrichtet wurde. Daneben bekam er Sprachunterricht in Latein, Französisch und Altgriechisch, sodass er zu einem jungen und gebildeten Mann heranwuchs. Damit erschöpft sich das Wissen um Docs Jugendzeit dann auch schon fast, wenn es nicht drei wichtige Ereignisse während dieser Zeit gegeben hätte, die an dieser Stelle dann auch kurz Erwähnung finden sollen. Laut den alten Familienerzählungen kam es zwischen John Henry und seiner achtzehn Monate älteren Cousine Martha Ann „Mattie“ Holliday zu einer kindlichen Freundschaft, die im späteren Teenageralter zu einer kurzen Liebesromanze avancierte. Mattie war die Tochter von Docs Onkel Robert Holliday und wuchs in Jonesboro, runde 30 km von Griffin entfernt, auf. Wann immer es die Zeit zuließ, trafen sich die Mitglieder der Familie Holliday in dem Haus des Arztes und gleichzeitigen Bruders von Major Holliday, John Stiles Holliday, der operativ u. a. dafür sorgte, dass John Henry nicht den Rest seines Lebens mit einer Gaumenspalte, umgangssprachlich auch „Wolfsrachen“ genannt, herumlaufen musste. Die beiden Kinder trafen sich somit oft und aus der „Sandkastenliebe“ entwickelte sich später im Jugendalter eine Romanze, die jedoch am Ende unglücklich für die beiden verlief, denn Mattie war Katholikin und in ihrer Heiratsentscheidung eingeschränkt. So durfte sie einen Cousin ersten Grades nicht heiraten und den beiden Liebenden blieb am Ende nur die Rolle der „küssenden Cousins.“ Ob diese unglückliche Liaison u. a. auch ein Grund dafür war, dass Doc später Georgia in Richtung Westen der USA verließ, bleibt dabei aber reine Spekulation. Mattie entschied sich am 01. Oktober 1883 Nonne zu werden und trat dem Kloster St. Vincent's Convent