Chefarzt Dr. Holl 1853 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1853 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Gestern noch ein Held
Er wollte der Beste sein - und riskierte zu viel

Der donnernde Aufprall lässt die beiden Insassen der Limousine zusammenzucken, bevor der Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt.
Doch es ist zu spät. Mehrere Meter entfernt liegt ein Motorradfahrer reglos auf dem Asphalt - sein schweres Bike ein einziger Blechhaufen. Eine Schockstarre hält den siebzigjährigen Autofahrer Albert Koller gefangen, doch seine Begleiterin wählt beherzt den Notruf ...
Als der Schwerverletzte in die Berling-Klinik gebracht wird, ist der OP-Saal bereits vorbereitet - aber die Betroffenheit ist groß: Bei dem Motorradfahrer handelt es sich um den Skiläufer Nico Waldmann, der wegen seiner Siege im Slalom und Riesenslalom gerade in der ganzen Welt gefeiert wird!
Der Blick auf die Röntgenbilder seines Patienten gibt Dr. Holl Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen - denn eins ist sicher: Der Trümmerbruch des linken Unterschenkels bedeutet das Ende einer einzigartigen Sportlerkarriere ...

Wie nah man am Abgrund steht, merkt man oft erst, wenn man einen Schritt nach vorne macht ...
Dieser packende Arztroman um den Absturz eines Mannes, der sein Leben auf der Überholspur verbracht hat, ist atemberaubend zu lesen.

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Inhalt

Cover

Impressum

Gestern noch ein Held

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: PeopleImages / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7592-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gestern noch ein Held

Er wollte der Beste sein – und riskierte zu viel

Von Katrin Kastell

Der donnernde Aufprall lässt die beiden Insassen der Limousine zusammenzucken, bevor der Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt.

Doch es ist zu spät. Mehrere Meter entfernt liegt ein Motorradfahrer reglos auf dem Asphalt – sein schweres Bike ein einziger Blechhaufen. Eine Schockstarre hält den siebzigjährigen Autofahrer Albert Koller gefangen, doch seine Begleiterin wählt beherzt den Notruf …

Als der Schwerverletzte in die Berling-Klinik gebracht wird, ist der OP-Saal bereits vorbereitet – aber die Betroffenheit ist groß: Bei dem Motorradfahrer handelt es sich um den Skiläufer Nico Waldmann, der wegen seiner Siege im Slalom und Riesenslalom gerade in der ganzen Welt gefeiert wird!

Der Blick auf die Röntgenbilder seines Patienten gibt Dr. Holl Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen – denn eins ist sicher: Der Trümmerbruch des linken Unterschenkels bedeutet das Ende einer einzigartigen Sportlerkarriere …

Der Taxifahrer hob die beiden Gepäckstücke aus dem Kofferraum.

„Bitte sehr“, sagte er augenzwinkernd. „Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen noch!“

Claudia Moser bedankte sich mit einem herzlichen Lächeln, ging die wenigen Schritte bis zur Haustür und freute sich schon beim Aufschließen auf sein Gesicht. Gleich würde sie ihren Liebsten wiedersehen – und zwar früher als geplant.

Eigentlich hätte sie erst morgen Vormittag mit der ersten Maschine in München landen sollen, aber nun hatte sie sich doch entschieden, ihren Flug umzubuchen, was auch problemlos möglich gewesen war.

Tante Doris hatte vorgehabt, ihre Karte für die Hamburger Staatsoper an diesem Abend wegen des Besuchs ihrer Nichte verfallen lassen, aber davon wollte Claudia nichts hören. Ob sie nun die eine Nacht noch bei der Tante verbrachte oder einfach schon früher flog, spielte ja nun wirklich keine große Rolle. So kam Doris zu ihrer Opernaufführung und Claudia zum vorzeitigen Wiedersehen mit ihrem Liebsten.

Den ganzen Nachmittag hatte sie versucht, ihn anzurufen, um ihm die neue Ankunftszeit durchzugeben, aber er war über Stunden nicht erreichbar. Das kam öfter vor, wenn er lange in den Proben saß.

Hinter ihr lagen fünf Tage bei der Schwester ihrer verstorbenen Mutter. Doris Klinger, eine quirlige und kulturbegeisterte Frau von achtundsechzig Jahren, hielt die Musik und die bildenden Künste für die wichtigsten Dinge im Leben. Das Zusammensein mit ihr war für Claudia immer interessant – und manchmal sogar etwas anstrengend, besonders dann, wenn die Tante ihre langen Vorträge über die verschiedenen Kunstrichtungen hielt.

Dennoch fuhr sie immer wieder gern nach Hamburg, wo sie auch ihre Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin absolviert hatte.

Endlich kam der Aufzug. Claudia stieg ein. Sie vermutete, dass Rupert da war.

Seit sie beschlossen hatten, dass sie zusammenbleiben wollten, besaß er einen Schlüssel zu ihrem Apartment. Er spielte als Violinist bei den Münchner Philharmonikern, wohnte aber in Wasserburg am Inn. Oft übernachtete er in München bei ihr, um sich die einstündige Autofahrt nach Hause zu sparen. Sobald sie in München eine Bleibe für zwei gefunden hatten, wollte er seine Wohnung aufgeben.

Sie liebte es, neben ihm aufzuwachen, mit ihm zu frühstücken und die Pläne des kommenden Tages zu besprechen. Mit ihm konnte sie sich ein gutes Leben vorstellen. Doris hatte sie versprechen müssen, ihn beim nächsten Mal mitzubringen. Dass ihre Nichte mit einem Musiker liiert war, gefiel der kunstbeflissenen Tante natürlich über die Maßen.

Die Türen des Aufzugs öffneten sich. Claudia zog ihren Trolley hinter sich her, steckte den Schlüssel ins Schloss und trat ein. Sofort sah sie Ruperts Violine in ihrer Umhüllung.

Er ist da!, jubelte ihr Herz. Doch hinter der Tür stand noch ein zweites Instrument, ein größeres. Vermutlich eine Bratsche.

Noch während sie die Lippen zu einem „Hallo, bin wieder da …“ öffnete, hörte sie gedämpftes Gelächter, das mindestens von zwei Menschen stammte – und dazu leise Musik. Claudia spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror.

Die Geräusche kamen aus ihrem Schlafzimmer.

***

Trotz sofortiger Bremsung ließ sich der Zusammenprall nicht mehr verhindern. Es gab eine Explosion, dann ein Krachen, Scheppern und Splittern. Dann war es still. Grauenhaft still.

Die beiden Autoinsassen wurden von ihren Sicherheitsgurten gehalten. Die aufgeblähten Airbags hatten sie vor Verletzungen geschützt.

„Ist dir was passiert, Albert?“, fragte Margret Harms nach einer Ewigkeit.

„Alles in Ordnung“, lautete die wahrheitswidrige Antwort des Fahrers.

Der weißhaarige Mann schien noch gar nicht begriffen zu habe, was gerade geschehen war. Verwundert blieb sein Blick ein paar Meter weiter an dem Biker hängen, der reglos in seiner Lederkluft auf der Straße lag, neben seinem Motorrad.

Dann fiel der Blick des Fahrers, der um die siebzig sein musste, auf die verformte Kühlerhaube an der Vorderfront seines gepflegten Wagens. Und endlich bewegte er die Arme, rüttelte an der verzogenen Tür und stieß sie schließlich auf.

Die Frau tat das Gleiche und folgte ihm.

„Der ist mir reingefahren“, stieß Albert Koller aufgeregt hervor, die dichten Brauen ärgerlich gerunzelt. „Du hast es doch gesehen, Margret!“

„Ja, natürlich“, erwiderte seine Begleiterin mit bebenden Lippen. Allmählich drang ihr ins Bewusstsein, dass Alberts Fahrzeug einen Menschen niedergemäht hatte. Man musste Erste Hilfe leisten. Warum tat denn niemand was?

Jetzt erinnerte sie sich an das Handy im Wagen. Sie ging die wenigen Schritte wieder zurück und kramte es aus ihrer Tasche, doch es gelang ihr erst beim dritten Versuch, die Ziffernfolge 112 einzugeben. Mühsam stammelnd bat sie um Hilfe, doch sie konnte keine genauen Angaben zum Unfallort machen.

Mit dem Telefon in der Hand trat sie zu Albert, der mit entgeisterter Miene die Schäden an seinem Fahrzeug betrachtete, ja sogar mit der Hand darüberfuhr. Es war einfach unfassbar. Sein schönes Auto. Es hatte erst fünftausend Kilometer auf dem Tacho.

„Du musst ihnen sagen, wo wir sind“, verlangte Margret mit kratziger Stimme und hielt ihm das Handy hin.

Er schaute sie entgeistert an. Schließlich drückte er das Telefon ans Ohr.

„Er ist mir reingefahren! Ich hatte Vorfahrt!“

Erst nach weiteren Sekunden schien er bereit zu sein, auf Fragen zu antworten. Er nannte die Autobahnausfahrt und die Bundesstraße, auf der er sich jetzt befand.

Inzwischen waren weitere Menschen an den Unfallort gekommen. Zwei kümmerten sich intensiv um den Mann auf der Fahrbahn, während Albert Koller auch weiterhin nur Augen für das verbeulte Blech hatte.

Als von fern die ersten Sirenen zu hören waren, kam ein junger Mann auf den Unglücksfahrer zu.

„Wissen Sie überhaupt, wen sie da umgefahren haben?“, fragte er mit allen Anzeichen des Entsetzens und streckte seine Hand in Richtung Unfallopfer aus. „Das dort ist Nico Waldmann.“

„Kenn ich nicht“, knurrte der Siebzigjährige.

„Weltmeister im Riesenslalom“, lautete die bissige Antwort. „Aber nach dem Crash wird es für den wohl kein Rennen mehr geben.“

„Das ist nicht meine Schuld. Der Kerl hätte besser aufpassen müssen. Und wieso fährt der Motorrad?“

„Nun beruhige dich mal!“, verlangte Margret. Ihre Stimme klang inzwischen etwas energischer. „Hast du dich eigentlich schon davon überzeugt, ob er überhaupt noch lebt?“

Die Polizei und der Rettungswagen mit dem Notarzt trafen ein. Drei Männer bemühten sich jetzt um den Slalom-Gewinner. Inzwischen waren auch schon die ersten Fotografen eingetroffen, um die Versorgung und den Abtransport des Verunglückten zu filmen.

Eine Viertelstunde später landete ein Helikopter auf dem Feld neben der Straße. Auch als er mit dem Verletzten wieder abhob, standen die Menschen noch beisammen und diskutierten das Geschehen.

Inzwischen wurde Albert Koller von einem Polizisten in einen Bus gebeten, um dort eine erste Aussage zu machen. Der Beamte wollte wissen, ob Alkohol mit im Spiel war, was der Fahrer empört verneinte. Trotzdem musste er ins Röhrchen blasen, das jedoch keinen Hinweis auf Alkoholkonsum gab.

„Wie ist es zu dem Unfall gekommen?“

„Ich weiß es nicht. Plötzlich tauchte das Motorrad auf. Aus dem Nichts. Ja, wie aus dem Nichts“, wiederholte er unter heftigem Kopfnicken. „Meine Freundin kann das bezeugen.“

„Ihre Beifahrerin wird schon befragt“, bestätigte der Polizist. „Mit dem Wagen können Sie nicht mehr weiterfahren. Er wird jetzt abtransportiert und sichergestellt. Nach dem Gutachten können Sie ihn wiederhaben.“

„Der junge Mann hat mir die Vorfahrt genommen“, behauptete Albert.

Der Beamte verzog keine Miene. „Er befand sich aber auf der Vorfahrtsstraße“, sagte er. „Das sieht nicht gut aus für Sie.“

Wie ein Fisch auf dem Trockenen japste Albert nach Luft.

„Aber das ist ganz unmöglich. Ich weiß genau, dass ich Vorfahrt …“

Die letzten Worte wurden immer leiser. Der Mann verstummte. Erst jetzt bemerkte er, dass er am Handgelenk blutete.

Der Beamte winkte die Sanitäter herbei.

„Sie und Ihre Begleitung werden nun ebenfalls in eine Klinik gebracht.“

„Mir fehlt nichts“, protestierte Albert.

Margret, die jetzt draußen neben dem Wagen stand, streckte die Hand aus, um ihn zu beruhigen.

„Es ist besser, wenn wir uns untersuchen lassen. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.“

„Genau, Ihre Freundin hat recht“, befand der Polizist. Dann stieg das ältere Paar in den zweiten Rettungswagen.

***

Während ihr Kopf sich noch weigerte, die Situation zu erfassen, schien ihr rasendes Herz schon Bescheid zu wissen: Rupert befand sich hinter dieser Tür nicht allein. Und wenn ihre Ohren sie nicht ganz fürchterlich täuschten, dann gehörte die zweite Stimme einer weiblichen Person.

Claudia legte für einen Moment die Hand über die brennenden Augen. Der Mann, den sie liebte, und eine Frau dort drinnen, in ihrem Schlafzimmer!

In der ersten Schrecksekunde dachte sie an Flucht, doch in der nächsten wusste sie, dass sie bleiben musste. Dies hier war ihre Wohnung, in der immer noch sie bestimmte, wer sich hier aufhalten durfte und wer nicht.

Drei Wimpernschläge lang verharrte sie noch. Dann drückte sie die Tür auf und sah Rupert und eine andere in seinen Armen. Die Blonde kitzelte ihn mit einer ihren langen Haarsträhnen. Das Paar war wenig bedeckt und hatte Claudia immer noch nicht bemerkt.

„Was soll das?“, fragte sie leise, obwohl ihr nach Schreien zumute war.

Rupert Schiller fuhr hoch, stieß die andere von sich weg.

„Claudia! Wo kommst du denn her?“

Wenn die Situation nicht so entsetzlich gewesen wäre, hätte sie herzhaft lachen können. So aber stand sie nur da und deutete mit dem Kopf auf die Wohnungstür.

„Ich gebe euch drei Minuten, dann seid ihr verschwunden!“, stieß Claudia hervor. „Alle beide!“

Schließlich konnte sie die beiden nicht nackt hinaus in die Kälte jagen.

Dann stürzte sie in ihre kleine Küche, die sie so liebte, hockte sich an den runden Tisch und wartete dort, bis die zu ihr dringenden Geräusche ankündigten, dass die beiden in Stiefel und Mäntel fuhren.

Doch Rupert wollte noch etwas sagen, bevor er die Wohnung verließ.

„Bitte, Claudia, lass dir erklären …“

„Es ist alles erklärt!“, fuhr sie ihn an. „Spar dir deine Lügen. Sie interessieren mich nicht mehr.“

„Wir reden morgen, wenn …“

„Meinen Schlüssel!“, verlangte sie mit ausgestreckter Hand.

Seufzend kam der Musiker ihrem Befehl nach.

„Ich rufe dich an“, versprach er. Dann in der Diele noch ein Raunen, das Zuziehen der Tür. Es folgte eine lang anhaltende Stille.

Endlich löste sich Claudias Schockstarre. Sie warf die Hände vors Gesicht und begann, bitterlich zu weinen. Sein Betrug tat so weh. Gegensätzlichere Vorstellungen von einer glücklichen Beziehung konnte es ja kaum geben. Sie hatte an ihn geglaubt, ihm vertraut. Er aber hatte mit ihr nicht genug – und leistete sich noch die Frechheit, sie in ihrer eigenen Wohnung zu betrügen.

Claudia heulte auf vor Wut und Trauer. Nie hätte sie ihm, dem sensiblen und zärtlichen Freund, eine solche Geschmacklosigkeit zugetraut.

War er wirklich ein so übles Exemplar der Spezies Mann?

Erst jetzt merkte sie, dass sie immer noch ihren Mantel anhatte. Sie ließ ihn von den Schultern gleiten und warf ihn achtlos über die Stuhllehne. Ihr Handy klingelte.

Tante Doris! Claudia atmete zweimal tief durch, bevor sie das Gespräch entgegennahm.

„Hallo, mein Schatz, ich wollte nur mal hören, ob du gut und weich gelandet bist.“

„Sogar pünktlich“, hörte Claudia sich sagen. Gehörte diese lockere Stimme wirklich ihr? „Es ist alles okay.“

„Das freut mich, Liebes. Dann kann ich jetzt ja beruhigt in die Oper fahren. Wir telefonieren in den nächsten Tagen wieder. Wann musst du wieder arbeiten?“

„Übermorgen.“

„Na prima, dann hast du ja noch ein wenig Zeit, dich wieder häuslich einzurichten. Kommt dein Freund heute Abend?“

„Nein, er hat einen Auftritt“, flunkerte Claudia. Wenn sie jetzt über Ruperts Treuebruch sprach, würde sie wieder in Tränen ausbrechen. Das aber wollte sie nicht. Einer wie er war es doch gar nicht wert, dass eine Frau ihm nachweinte.

Nach dem Anruf herrschte Stille in der Wohnung. Sehr lange. Claudia hörte immer noch Ruperts Stimme, in der so viel Bemühen lag, seinen Betrug kleinzureden. Die Enttäuschung darüber, dass er sie wohl nie so geliebt hatte wie sie ihn, tat noch mehr weh als der eigentliche Betrug.

***

Chefarzt Dr. Holl fuhr den Wagen gleich in die Garage. Hinter ihm lag ein arbeitsreicher Tag. Eigentlich hätte er schon viel früher zu Hause sein wollen, doch dann war die Einlieferung des verunglückten Nico Waldmann dazwischengekommen.

Julia befand sich in der Küche.

„Liebling, du musst mir die Verspätung verzeihen!“, verlangte Stefan anstelle einer Begrüßung.

„Ist schon geschehen“, erwiderte sie lächelnd. Als seine Frau wusste sie seit Jahren, dass Stefan nicht ohne Grund verspätet eintraf. „Was Schlimmes?“

„Ja, ziemlich. Wir haben Nico Waldmann bei uns, den Skifahrer. Er hatte einen Unfall mit seinem Motorrad. Eine ziemlich schwere Beinverletzung ist die Folge.“

„Wieso fährt er im Winter Motorrad?“

„Die echten Fans nutzen auch die sonnigen Wintertage. Es wäre auch gar nichts passiert, wenn der Unfallgegner besser aufgepasst hätte. Offensichtlich war da eine Fahrlässigkeit im Spiel. Und dann ist es passiert. Nun ist die Saison für ihn natürlich gelaufen. Und wahrscheinlich ist sogar seine Karriere beendet. Die Sache geht mir ziemlich nahe. Sie ist auch noch nicht ausgestanden. Die Röntgenaufnahmen lassen Schlimmes ahnen. Wir mussten erst einmal die diversen Wunden versorgen. Das linke Bein ist wie … wie zerfetzt.“

Stefan nickte heftig zu seinen eigenen Worten.

„Wir wissen noch nicht, ob wir es erhalten können.“

Julia hielt mitten in der Bewegung inne.

„Das hieße dann …?“

„Ja, das hieße dann Amputation. Natürlich haben wir ihm das noch nicht gesagt, aber ich fürchte, es wird genau darauf hinauslaufen. Die Nacht verbringt er zunächst auf der Intensivstation. Morgen setzt sich das Team zusammen und beratschlagt, ob eine beinerhaltende OP überhaupt möglich ist.“

„Der arme Kerl!“, meinte Julia mitleidig. Sie sah den jungen gut aussehenden Mann genau vor sich. Erst vor ein paar Tagen hatte sie gemeinsam mit Chris die Skisport-Sendungen im Fernsehen verfolgt.

Dr. Holl seufzte langgezogen. „Er fährt Slalom wie ein junger Gott. Dass ihn ausgerechnet diese Spritztour mit seinem Bike die Karriere versaut, ist wirklich nicht nett vom Schicksal. Aber was will man dagegen tun? Wie ich hörte, hat der Unfallgegner die Vorfahrt nicht beachtet.“