Drachenaugen: Das Vermächtnis - Jadelyn Kaya - E-Book
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Drachenaugen: Das Vermächtnis E-Book

Jadelyn Kaya

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Beschreibung

Als König Freyr die junge Fenrir findet und bei sich aufnimmt, weiß er noch nicht, was auf ihn zukommen würde. Sie ist so ganz anders als die Frauen in seinem Harem. Durch ihre Amnesie ist sie mysteriös und er weiß nicht, was er davon halten soll. Spielt sie ihm etwas vor?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impressum

 

Autor: Jadelyn Aurora & Kaya Hetalia

Herausgeber: Sabrina Nieminen

Tupamäentie 20

41800 Korpilahti

-Finnland-

 

Covergestaltung: Unter Verwendung von Shutter-stock-Motiven

Herstellung und Vertrieb:

tolino media GmbH & Co. KG, München

Erschienen 2023 im Selbstverlag

Ab der 2. Auflage liegen die Rechte bei Jadelyn Aurora

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

 

 

Der Wind sauste durch die Baumkronen und sang ein Klagelied, während die Bäume ein ächzendes Stöhnen von sich gaben.

Durch die sternenklare Nacht war es kalt, doch zum Glück erhellte der Vollmond zumindest etwas die Dunkelheit.

„Komm schneller, Rina“, sagte eine Frau, die fest in einen dicken Umhang gekleidet war und an der Hand ein junges Mädchen von vielleicht sechs Jahren hielt. Auch diese war in einen Umhang gekleidet, doch der roséfarbene Stoff ihres prunkvollen Kleides, wurde bei jedem Schritt unter dem Mantel hervorgeschoben.

Sie stolperte mehr hinter der Frau her und hatte nur die Hand dieser als Anhaltspunkt. Durch den Geruch und die Temperaturen wusste sie, dass es Nacht war.

Unter ihren Füßen spürte sie das kalte Gras, welches sich mit Sand und Kieselsteinen abwechselte. Die Natur so zu spüren, war atemberaubend. Bisher hatte sie diese noch nie gesehen.

Doch wohin sie zu so später Stunde gingen, wusste sie nicht. Ihre Mutter hatte nichts gesagt und da Rina nichts sehen konnte, musste es sich um eine Überraschung handeln. Zumindest ging das Mädchen davon aus.

Die Mutter zog ihre Tochter mit sich und führte sie in einen Wald hinein, der selbst der älteren Frau Angst machte. Doch sie wusste, wo sie hinmusste und hoffte, dass ihr dieses Mal geholfen werden konnte.

Das Schreien eines Käuzchens hallte im Wald wider und erschreckte beide. Eigentlich hatte Rina keine Angst vor diesen Geräuschen, doch sie spürte die Anspannung ihrer Mutter.

Das kleine Mädchen spürte Baumwurzeln und Moos unter ihren Füßen. Wohin gingen sie? „Mama, was für eine Überraschung hast du für mich?“, fragte sie mit lieblicher und zarter Stimme.

„Jemand, der dir mit deinen Augen helfen wird“, sagte sie entschieden und hielt Rina gut fest, damit diese nicht hinfallen konnte. „Aber wir müssen uns jetzt beeilen, sonst kommen wir zu spät“, sagte sie. Eigentlich stimmte das nicht, denn zu spät gab es bei dem Mann nicht, doch sie wollte so schnell wie möglich aus dem Wald heraus.

„Warum denn?“, fragte Rina überrascht. Mit ihrem Körper konnte sie doch alles fühlen.

Plötzlich nahm sie einen eigenartigen Geruch wahr. Rauch, als würde irgendwo ein Feuer sein, gemischt mit einer seltsamen Kräutermischung. Je weiter sie gingen, desto lauter wurde ein Knistern. Das bestätigte Rinas Annahme, dass es irgendein Lagerplatz sein musste.

„Weil du nichts sehen kannst“, sagte die Frau ernst. „Das ist ein Fluch“, behauptete sie. „Er wird diesen Fluch brechen können.“

Vorsichtig zog die Mutter ihre Tochter weiter auf die kleine Lichtung zu.

Dort saß ein Mann, der einen Mantel trug, der mit Blättern behangen war, sodass er kaum von der Natur zu unterscheiden war. Würde er nicht gerade vor einem kleinen Feuer sitzen und darüber etwas verbrennen, das Rauch und Kräutergeruch erzeugte, hätte man ihn wohl als Teil der Natur wahrgenommen.

Rina schluckte leicht. Schon öfters hatte ihre Mutter gesagt, dass sie verflucht war. Aber da sie blind geboren war, hatte sie von Anfang an gelernt, ihre Umgebung anders wahrzunehmen. Es war eine Leichtigkeit, Gegenstände, Geräusche und Gerüche auseinanderzuhalten. Eine Fähigkeit, die viele Menschen gar nicht besaßen.

Dennoch würde sie gerne die Welt erkunden und endlich sehen können. Deshalb freute sie sich, dass ihre Mutter eine Möglichkeit gefunden hatte, ihr zu helfen.

„Wir sind da“, verkündete die Frau angespannt und in den Moment hob der Mann den Kopf. Er sah alt aus und der grau-braune Bart war zerzaust. In einer Hand hielt er eine Art Stab, mit dem er auf eine Ansammlung aus Blättern deutete.

Die Frau schluckte. „Komm her, mein Schatz“, bat sie das Mädchen. „Du musst dich kurz hinlegen“, wies sie Rina an. Sie wusste, was zu tun war. Bevor sie sich dazu entschieden hatte, ausgerechnet diesen Schamanen aufzusuchen, hatte sie sich erkundigt, wie alles ablief. Der Mann sprach nicht viel, weshalb er auch nichts erklärte.

Gehorsam legte sich das kleine, schmächtige Mädchen mit der Hilfe der Mutter auf eine weiche Blätterunterlage und fragte sich, was geschah. Ihr milchigen Blick schweifte umher, doch sie selbst konnte nichts erkennen. Alles war schwarz. „Wer ist der Mann?“, fragte Rina neugierig. Der Geruch des Mannes war seltsam, doch nicht unangenehm.

„Ein Schamane. Er wird die Geister, die dich in ihrer Gewalt haben, vertreiben“, behauptete sie und versuchte, sicher zu klingen. Es war nicht gut, wenn sie ihre Tochter verunsicherte.

Sie blickte zu dem Mann, der sich erhob und mit dem Kraut, das noch immer brannte, herumwedelte. Dabei sprach er ein paar Worte und dann beugte er sich zu Rina nach unten. Diese spürte, wie sie müde wurde und irgendwie den Bezug zur Situation verlor. Alles wirkte auf einmal unwirklich und sie begann, sich schwerelos zu fühlen.

Auch ihrer Mutter ging es ähnlich, weshalb sie sich nicht begeistert niederließ, um nicht zu fallen.

Die Schwerelosigkeit führte dazu, dass Rina einschlief. Es war sowieso schon spät und eigentlich hätte sie schon längst in ihrem Bett liegen sollen.

Ein seltsamer Traum, in dem sie plötzlich Dinge sehen konnten, blitzten auf und sie spürte, wie glücklich sie darüber war.

Dabei spürte sie nicht, was der Schamane tat.

Dieser begann damit, ihre Augen zu entfernen und ihr neue einzusetzen. Da er die Mutter unter Drogen gesetzt hatte, bekam diese kaum etwas mit. Das war besser so, denn die meisten neigten dazu, zu schreien und darauf hatte der Mann keine Lust.

Irgendwann erwachte Rina langsam wieder. Sie fühlte sich benommen und etwas schwindelig. Ihr Körper war träge und sie brauchte einige Zeit, um sich daran zu erinnern, was passiert war.

Etwas war anders, das konnte sie deutlich fühlen.

„Mein Schatz“, erklang die besorgte Stimme ihrer Mutter und eine sanfte Hand fuhr ihr über die Wange. „Wie geht es dir? Tut dir etwas weh?“, fragte die Frau atemlos.

Rina lächelte, als sie die kühle Hand fühlte. „Mir ist nur etwas schwindelig“, antwortete sie mit lieblicher Stimme.

Etwas träge öffnete Rina ihre Augen und konnte nicht glauben, dass sie etwas erkannte. Noch war alles eher wie ein Schleier, doch sie sah Farben und Formen.

Es war kaum zu glauben, dass sie wirklich etwas sah! Ihr Gesicht strahlte vor Freude und sie war aufgeregt, denn nun konnte sie die Welt noch einmal anders erleben.

Ihre Mutter keuchte und sie spürte das Zittern der Hand. „Rina. Rina mein Schatz?“, fragte sie und Angst begann, in ihrer Stimme zu schwingen.

Was war das? Waren das wirklich ihre Augen? Durch die Dunkelheit war es so schwer zu erkennen.

„Was ist los, Mama?“, fragte ihre Tochter und richtete sich auf. Noch immer konnte sie den merkwürdigen Geruch wahrnehmen, aber sie konnte zwei Menschen vor sich stehen sehen. Einer davon musste ihre Mutter sein, doch warum sah sie so erschrocken aus?

Langsam krabbelte diese zurück. „W-Was ist das?“, fragte sie atemlos. „Was hast du mit meiner Tochter gemacht?“, schrie sie den Schamanen an.

„Ihr das Augenlicht gegeben, was ihr verlangt habt“, erklärte er ruhig.

„Nein, du hast sie verflucht“, schrie die Frau und erhob sich hastig.

„Ich habe ihr die Gabe gegeben, zu sehen“, erwiderte der Mann mit seiner rauen, leicht krächzenden Stimme.

„Lüge“, schrie die Frau aufgebracht und mit angstvoll zitternder Stimme zurück.

Verwirrt sah das kleine Mädchen von einem zum anderen. Was war geschehen? Sie war doch davor verflucht gewesen, wie war es dann möglich, noch einmal verflucht zu sein?

Ihre Sicht wurde ein klein wenig besser, sobald sie aufstand und die Umgebung in sich aufnahm.

„B-Bleib weg“, rief ihre Mutter und wich vor dem Mädchen zurück. „Du hast den Fluch nicht gebrochen“, schrie sie den Schamanen erneut an.

„Sie kann sehen. Also her mit der Bezahlung“, verlangte der Mann, der nun langsam ungehalten zu werden schien.

„Nein“, kreischte die Frau und bewegte sich schnell von den beiden weg, wobei sie den Rock hob und fast über ihre Beine stolperte.

Warum waren beide so wütend? Rina konnte doch sehen und sie verstand das Problem ihrer Mutter nicht. „Mama, warte auf mich!“, rief sie und ging einige Schritte.

Doch sie fiel sofort hin, weil sie durch die plötzliche Sicht nicht einschätzen konnte, wie weit der Boden oder ihre Mutter von ihr entfernt waren.

„Bleib weg, du Monster!“, rief die Frau aufgebracht und stolperte weiter in den Wald hinein.

In der Dunkelheit war sie nicht mehr zu sehen und ihre Tochter traute sich nicht, aufzustehen. Die Schritte der Frau wurden leiser, bis sie nicht mehr zu hören waren. „Du Monster?“, fragte Rina geschockt und traurig. Noch nie hatte ihre Mutter sie so genannt!

Hilfesuchend sah sie zu dem Schamanen, der in ihrer Nähe stand.

Zu dem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass es das erste und auch das letzte Mal gewesen war, dass sie ihre Mutter gesehen hatte.

Wasser plätscherte in dem nahegelegenen Bach, der aus den Bergen hinabführte und das beruhigende Geräusch vermischte sich mit dem Vogelgezwitscher in den Bäumen. Noch vor kurzem war der Bach wohl durch starke Regenschauer übergetreten, denn die Umgebung am Ufer war schlammig und weich.

So ruhig wie möglich versuchte sich eine junge Frau von ungefähr achtzehn Jahren, zwischen den dichten Büschen zu verstecken, die sie von ihrem potenziellen Opfer trennten. Auf der anderen Seite des Flusses stand ein imposanter, dunkelroter Drache mit Hörnern, um zu trinken. Diese Art von Drache schien selten zu sein.

Seit ein paar Tagen war sie bereits unterwegs und hatte einen Auftrag zu erledigen, für den sie jahrelang hart trainiert hatte. Nun hatte sie denjenigen gefunden, der sein Leben lassen sollte.

Ihr fast schwarzer Mantel legte sich wie ein Tuch über den braunen Schlamm, als sie in die Hocke ging. Mit ihren Stiefeln versuchte sie so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Vermutlich war sie durch das Wasser im Bach sowieso nicht hörbar. So laut wie es rauschte, würde es wohl viele Geräusche verschlucken. Allerdings wusste sie auch nicht, wie gut das Gehör des Drachens war.

Langsam und lautlos zog sie ihr Schwert aus der Scheide an ihrem Gürtel und machte sich zum Angriff bereit. Nur noch wenige Sekunden, bis sie zuschlagen würde. Es war wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen.

Der Drache, dessen imposantes, rotschimmerndes Schuppenkleid ihn komplett einhüllte, sah irgendwie anders aus als das, was sie kannte.

An den Gelenken waren so etwas wie Federn in der Farbe seiner Schuppen und er trug, wenn sie das richtig sehen konnte, drei Flügelpaare aus Federflügeln. So einen Drachen hatte sie noch nicht einmal in ihren Lehrbüchern gesehen. Auch das zweite Paar Hörner, das hinter seinen Ohren hervorragte, war eigenartig.

Allerding sollte sie sich darum nicht kümmern. Ihr Mentor würde schon wissen, was für eine Art Drache er war, wenn sie ihn mitbrachte. Vielleicht war er etwas Seltenes. Dann würde er ihr noch mehr Ansehen in ihrer Gruppe bringen.

Ein Hase sprang aus den Büschen zum Fluss und gesellte sich zu dem Drachen. Es sah schon irgendwie niedlich aus, wie der kleine Hase neben dem Drachen hockte. So ein kleines Tier gegen ein majestätisches.

Ihre Augen sahen sich aufmerksam um und sie bemerkte einige größere Felsen um und im Bachbett. Wenn sie geschickt war, konnte sie den Drachen von oben aus angreifen.

Ruhig zählte sie von Zehn herunter, bevor sie blitzschnell aus den Büschen sprang und sich hinter einem der großen Felsen versteckte.

Ihr Schwert in der Hand bereit, um den Drachen zu verletzen und soweit flugunfähig zu machen, dass sie ihn zu ihrem Mentor bringen konnte.

Der Drache hob den Kopf und spitzte die Ohren, als hätte er etwas gehört. So, wie es viele Tiere taten, wenn sie Gefahr witterten. Selbst der Hase hob den Kopf und wirkte unruhig, bevor er sich dazu entschied, lieber zu verschwinden.

Jedoch regte sich nichts und alles schien ganz normal zu sein. Ihr jahrelanges Training hatte ihr geholfen, so leise zu sein, dass sie nicht hörbar war. Außer natürlich, wenn sie im Matsch lief. Dann quietschten manchmal ihre Schuhe. Was einer der Nachteile dieser Schuhe war, doch sonst boten sie nur Vorteile.

Sobald der majestätische Drache in eine andere Richtung sah, sprang die Frau aus ihrem Versteck. Für einen Menschen sprang sie erstaunlich hoch und weit. Dabei hielt sie ihr Schwert präzise zwischen die Augen des Drachens gerichtet.

Doch ein langer Drachenschwanz sauste auf sie zu und wischte sie zur Seite wie eine lästige Fliege. „Du glaubst doch nicht, dass dein Atem und dein Herzschlag zu überhören wären“, ertönte eine dunkle, spöttische Stimme.

Ein Drache, der die menschliche Sprache sprach? Davon war sie überrascht, aber sie ließ sich davon nicht beeindrucken.

Ihr Schwert, fest in der Hand, erreichte die Spitze des Drachenschwanzes und fügten diesem einen Schnitt zu, bevor die junge Frau auf dem Boden aufschlug und sich sofort wiederaufrichtete. Ihre dunkelgrünen Augen fixierten ihr Opfer und sie schien nicht, als wäre sie davon beeindruckt.

Der Schwanz des Drachen schlug erneut nach ihr und wirkte nicht, als wäre er verletzt. Auch an diesem Körperteil war er beschuppt, was ihn schützte. „Aus Gründe der Höflichkeit wäre es zumindest angebracht, dass du dich vorstellst und mir sagst, warum du mich töten willst“, bemerkte der Drache ruhig, als würde er sich von ihr nicht bedroht fühlen.

Nur ihre Rüstung schützten sie vor den mächtigen Schlägen des Schwanzes, doch diese konnte nicht verhindern, dass sie diese gut spürte.

Ohne ein Wort sprang die junge Frau in die Höhe, um einen Angriff von dort aus vorzunehmen. Ihr war nicht gelehrt worden, sich dem Opfer vorzustellen, sondern ihn lediglich aus dem Weg zu schaffen.

Der Drache bewegte ein Paar seiner Flügel und so wurde ein heftiger Wind entfacht, der die junge Frau in der Luft von ihm wegriss, als wäre sie ein lästiges Insekt.

Gegen den Windstrom kam sie gar nicht an und wurde deshalb zur Seite geschleudert. Aber selbst das hinderte sie nicht daran, ihn weiter anzugreifen. Immer und immer wieder, obwohl sie ständig auf dem Boden landete.

Für so etwas hatte sie nicht trainiert! Ihr Auftrag war klar und den hatte sie auszuführen! Koste es, was es wolle.

„Wirklich, Kindchen“, bemerkte der Drache, der sie mit seinem Schwanz am Boden festhielt und seinen Blick nun auf sie richtete. Er hatte goldgelbe, geschlitzte Augen und kam mit seinem Kopf immer näher, bevor er die Augen verengte. „Was machst du da?“, fragte er und schien sie zu mustern.

Ihre dunkelgrünen Augen starrten den Drachen über sich an. Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie keine Angst verspürte, doch ein wenig Nervosität machte sich trotzdem in ihr breit. Noch nie war sie einem Drachen so nah gewesen.

Zwar wurde sie am Boden festgehalten, konnte jedoch ihre Beine und auch die Arme bewegen, da sein Schwanz lediglich über ihrem Oberkörper lag. Schwer, als würde er ihren Brustkorb zerquetschen wollen, hielt dieser sie an Ort und Stelle.

Rina nutzte ihr Schwert, um auf den Schwanz einzustechen. Es war besonders scharf und besaß eine Fähigkeit, die laut ihrem Mentor in der Lage sein sollte, die harten Schuppen zu durchtrennen.

Als dieses den Schwanz traf, drang es tatsächlich ein kleines Stückchen in die Schuppen ein, aber von dem Effekt, den ihr Mentor ihr versprochen hatte, war nichts zu sehen.

Warum? Weil der Drache nicht so war, wie die anderen?

Das frustrierte die junge Frau und sie stach mit aller Kraft zu. Hatte ihr Mentor sie etwa angelogen? Das konnte sie nicht glauben.

Ein Knurren war die Antwort und es rann sogar ein leichter Rinnsal Blut an ihrem Schwert hinab.

„So ein freches Ding“, knurrte der Drache und ließ sie los, nur um sie gleich darauf mit dem Schwanz wie einen Golfball zu schlagen.

So schnell konnte sie ihr Schwert gar nicht zurücknehmen, da es in dem Schwanz stecken blieb. Die Wucht des Schlages beförderte sie durch die Luft, bis sie an einem der großen Felsen aufschlug. Die Sicht vor ihren Augen verschwamm und sie verlor das Bewusstsein.

Ihr erster Auftrag und den hatte sie gleich in den Sand gesetzt …

Der Drache knurrte zufrieden und kam auf sie zu. Dabei wurde er kleiner und kleiner, bis ein erwachsener Mann vor ihr stand und mit seinen geschlitzten Augen zu ihr nach unten blickte, bevor er sich sogar zu ihr hockte.

Langsam streckte er die Finger aus und öffnete ihre Augen.

Diese waren seltsam für einen Menschen. Nicht das Dunkelgrün, sondern die geschlitzte Pupille.

Was sollte er jetzt mit ihr machen?

Sie schien kein gewöhnlicher Mensch zu sein. Warum hatte sie ihn töten wollen? Mit Sicherheit würde sie weiterhin versuchen, ihn oder auch andere Drachen zu töten, wenn er sie liegen ließ. Noch war sie am Leben und hatte nur das Bewusstsein verloren.

Er wollte wissen, was sie von ihm wollte, weshalb er sich dazu entschloss, sie einfach mitzunehmen.

 

Weiche Kissen und eine samtige, leichte Decke waren das Erste, was die junge Frau bemerkte, als sie benommen aufwachte. Ein sanfter Geruch von Lavendel stieg ihr in die Nase und ließ sie leise seufzen. Er wirkte beruhigend und entspannend.

Ihr Körper fühlte sich träge an, weshalb es ihr schwerfiel, ihre Augen zu öffnen. Sobald ihr das allerdings gelungen war, erblickte sie ein Gemälde an der Decke über sich. Ein roter Vorhang war auf der einen Seite am Bett zugezogen, sodass es etwas dunkel war, obwohl draußen die Sonne schien. Dennoch war das Bild eines Himmels mit Vögeln gut zu erkennen.

Zu ihrer anderen Seite war der Vorhang zurückgezogen und die junge Frau erblickte einen Mann, dessen Füße von einer Dienerin massiert wurden. Er saß auf einem Stuhl neben dem Bett und schien es zu genießen. „Wer seid Ihr?“, fragte die junge Frau mit lieblicher, aber verwirrter Stimme und richtete sich auf.

Der Mann mit den kurzen, schwarzen Haaren wandte ihr seinen Kopf zu. Seine geschlitzten, goldbraunen Augen richteten sich direkt auf sie und er wirkte nachdenklich. „Freyr Dragoi“, stellte er sich vor und gab der Frau, die seine Füße massierte, ein Zeichen, dass sie sich erheben und gehen sollte.

Diese folgte wortlos seiner Anweisung, verneigte sich und verließ dann rückwärts den Raum.

Die Frau im Bett runzelte die Stirn. Seinen Namen hatte sie noch nie gehört. Sie sah der Person, die den Raum verließ, nach und wandte sich dann wieder an den Mann. „Wo bin ich?“, fragte sie und rieb sich den schmerzenden Kopf.

„In Air Terjun“, erklärte der Mann mit ruhiger Stimme. „Genau genommen im Schloss.“ Während er sprach, musterten seine Augen sie genau.

Leise ächzend richtete sich die junge Frau auf und sah an sich herunter. Was trug sie da? So ein Kleid hatte sie noch nicht gesehen. „Wo ist Air Terjun?“, wollte sie wissen, während sie an dem weichen Stoff zupfte und dem Mann einen Blick zuwarf.

„Du befindest dich im Königreich Tir na Zaj“, erklärte der Mann, der sich scheinbar nicht von ihrer Verwirrtheit stören ließ. „Kannst du dich daran erinnern, was passiert ist?“

Sie wollte etwas sagen, als sie plötzlich stutzte und verwirrt aussah. „Nein“, gab sie mit gekrauster Nase zu. „Der Name klingt angenehm“, fand sie und sprach ihn langsam nach. Der Klang davon war faszinierend.

Freyr wirkte überrascht. „Weißt du noch, wie du heißt?“, fragte er und musterte die junge Frau.

„Ich …“, begann sie und wollte schon ihren Namen sagen, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein“, gestand sie verwirrt. Er konnte ihr ansehen, wie sie nachdachte. Hatte sie jemals einen Namen besessen? Woher kam sie überhaupt? Es war, als wäre alles irgendwie leer. Sie verstand seine Worte, doch sie selbst schien nicht mehr zu wissen, wie man sie richtig nutzte. Nach was sie suchen musste, um ihm zu antworten.

Freyr runzelte die Stirn. „Verstehe. Dann hast du dich wohl schwer verletzt“, meinte er beruhigend. „Du warst ohnmächtig, als ich dich gefunden habe.“

Die junge Frau schlug die Decke ein kleines Stück zurück und sah, dass es sogar zwei waren. Eine dünne, die oben drüber lag und eine weitere, etwas Dickere. Das Bett, indem sie lag, hatte eine Art Gestell drum herum, an dem der rote Vorhang angebracht war. Mit großen Augen und sichtlich fasziniert davon folgte sie mit ihren Augen dem Vorhang und streckte sogar ihre Hand danach aus, um zu testen, ob er wirklich so weich war, wie er aussah. Sie konnte den Dingen in ihrer Umgebung Namen geben, aber warum sich selbst nicht?

Ihre Finger berührten den Stoff. Tatsächlich war dieser weich wie Samt. Ein Lächeln auf ihren Lippen erschien, als sie den Kopf zu Freyr wandte. „Wo war ich denn? Und warum war ich verletzt?“, wollte sie wissen, während ihre Finger die weiche Matratze abtasteten, als hätte sie so etwas noch nie gesehen.

„Ich weiß es nicht“, gestand er. „Ich habe dich draußen gefunden. Du warst ohnmächtig“, erklärte er und reichte ihr eine Hand, damit sie aufstehen konnte, falls sie das Zimmer genauer betrachten wollte.

Die junge Frau nahm die erstaunlich warme Hand des Mannes, um sich gleich darauf zu erheben. „Es ist ein schönes … wie nennt man das hier?“, wollte sie nachdenklich wissen. Ihr fiel das Wort nicht ein, dabei hatte sie das Gefühl, dass sie es einmal gewusst hatte. So, wie sie auch die anderen Wörter wusste.

„Das ist ein Schlafzimmer“, erklärte Freyr, der scheinbar nicht ganz so verwundert darüber war, dass sie es nicht wusste. Wahrscheinlich hatte sie etwas auf den Kopf bekommen und ihr Gedächtnis verloren. „Oder meinst du das Himmelbett?“, fragte er nach, da sie noch immer das Bett bewunderte.

„Das alles“, erwiderte sie und drehte sich im Kreis. Dabei fiel ihr auf, dass sie ein schlichtes Leinenkleid trug, das an ihrem Hals geschlossen war und ihre Arme bedeckte. Der Rock ging ihr bis zu den Knöcheln und sie runzelte die Stirn. „Das ist ein hübsches Kleid“, meinte sie, obwohl es aus einem beigen Stoff geschneidert worden war und keinerlei Verzierungen aufwies.

„Das hier ist ein Schlafzimmer.“ Freyr machte eine Bewegung, welche den Raum einschloss, bevor er auf das Bett deutete. „Das da ein Himmelbett und wir befinden uns im Schloss“, erklärte Freyr und führte sie durch den Raum.

Ihr fiel auf, dass das Bett auf einer Art Podest stand, das mit einem roten, weichen Teppich ausgelegt war. Das fühlte sie sofort mit ihren nackten Füßen. Davor standen kleine Hocker, die in der gleichen Farbe gehalten waren und gemütlich aussahen.

In der Mitte des Raumes hing ein Kronleuchter, der ein warmes Licht ausstrahlen würde, sobald man diesen zum Leuchten brachte. Glitzernde, kristallähnliche Steinen hingen daran und spiegelten das Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, wider. Dadurch wurde an den Wänden des Zimmers alle möglichen Farben projiziert.

Bilder von unbekannten Menschen hingen an den Wänden und die junge Frau ging darauf zu, um diese zu betrachten. Beim Erkunden war ihr aufgefallen, dass viel Gold in diesem Zimmer verarbeitet war. „Wer ist das?“, fragte sie neugierig und zeigte auf das große Gemälde.

„Das sind meine Eltern“, erklärte Freyr. „Der ehemalige König von Tir na Zaj“, sagte der junge Mann ruhig, während er das Bild nicht ganz so fasziniert wie sie ansah.

Die junge Frau betrachtete die beiden Personen auf dem Gemälde und lächelte. „Sie sehen wunderschön aus“, gestand sie und setzte ihre Erkundung fort. Dabei hielt sie die Hand des Mannes fest. „Also seid Ihr ein Prinz?“, wollte sie schließlich wissen, als sie am Fenster stand und hinaussah.

Die Natur, die sich ihr bot, raubte ihr den Atem. Viel Grün und Wasser waren zu erkennen. Als würde ein Fluss um das Gebäude fließen. Die riesigen Bäume wirkten wie mächtige Statuen, denen man nichts antun konnte.

„Genau genommen bin ich der neue König“, meinte der Mann nüchtern, schien aber geduldig mit ihr zu sein.

Irgendeine Ahnung trieb sie dazu an, seine Hand loszulassen und tief vor ihm zu knicksen. „Eure Hoheit, verzeiht mein Missgeschick“, bat sie höflich und mit gesenktem Kopf.

Freyr tätschelte ihr Haupt. „Du bist hart gefallen und erinnerst dich nicht einmal an deinen eigenen Namen. Dir sei verziehen.“

Wenn sie wüsste, warum und wo sie gefallen war, könnte es möglich sein, dass sie sich wieder erinnerte. Ein Grund, warum Freyr ihr das im Moment noch verheimlichte.

„Wie kann ich dienen, Eure Hoheit?“, fragte die junge Frau höflich und mit gedämpfter Stimme. Fenrir ging davon aus, dass sie hier schon einmal gewesen und wohl eine seiner Dienstmägde war. Wahrscheinlich hatte sie sich verletzt. Warum sonst sollte er sie hierherbringen?

Er machte eine wegwerfende Handbewegung und griff dann sanft ihr Kinn, um es zu heben. „Erst einmal werde ich dir helfen, dich wieder zu erinnern“, sagte er ruhig. „Bis dahin bist du hier Gast“, erklärte er und streichelte sanft über ihre Wange. Damit wollte er sie etwas beruhigen.

Sie war eine schöne, junge Frau, das konnte er nicht leugnen. Gerade ihre Augen faszinierten ihn.

Diese wanderten nach oben zu seinen goldbraunen und sie wirkte für einen kurzen Moment fassungslos. Diese Augen waren anders als sie es normalerweise kannte. Doch warum waren sie anders? Sie waren leicht geschlitzt und die Augenfarbe war besonders. Auch überraschte sie, dass seine Hand so warm und sanft war.

„Ich danke für Eure Freundlichkeit, Hoheit“, erwiderte sie mit einem Knicks. Ihr war gar nicht bewusst, dass er sie schon die ganze Zeit so eindringlich ansah.

Dass er seine eigenen Gründe hatte, warum sie hier war, konnte sie nicht ahnen. „Es wird sich schon noch die Gelegenheit ergeben, in der du dich dafür bedanken kannst“, erklärte er abwinkend. „Und jetzt komm, lass mich dir das Schloss zeigen.“

„Schloss?“, fragte sie verwundert und tadelte sich gleich darauf selbst. Natürlich lebte ein König in einem Schloss und sie erinnerte sich schwach, dass er das auch schon einmal erwähnt hatte. Alles andere war unzumutbar. „Wenn ich nur meinen Namen wüsste …“

Irgendwie hing ständig etwas in ihrem Hinterkopf, doch wenn sie versuchte, danach zu greifen, verschwand es komplett.

Sanft fuhr er ihr mit dem Finger über die Wange. „Ich nenne dich Fenrir“, sagte er und klang dabei leicht belustigt. „Was hältst du davon?“ Der Name war nach einem Wesen aus Legenden und Sagen gewählt und Freyr fand ihn passend für die junge Frau.

Leise wiederholte sie den Namen und nickte dann zufrieden. „Er klingt schön. Hat er eine Bedeutung?“, wollte sie neugierig wissen.

„Fenrir ist ein mythischer Wolf“, erklärte der junge König. „Das passt zu dir.“

War sie etwa ein Wolf? Fenrir sah an sich herab, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen. „Bin ich denn einer?“, fragte sie unsicher.

Freyr lachte. Es war ein dröhnendes, dunkles Lachen, das etwas Anziehendes hatte. „Nein, natürlich nicht, aber so wie ich dich aufgefunden habe, streunerst du gern wie einer.“

Fenrir runzelte die Stirn, denn sie verstand nicht, wie er sie vorgefunden hatte. War sie zu dem Zeitpunkt nicht ohnmächtig gewesen? „Ich dachte, Ihr habt mich bewusstlos aufgefunden“, bemerkte sie verwundert.

„Du warst irgendwo im Nirgendwo“, erklärte er mit einem belustigten Schmunzeln. „Weit und breit waren keine Städte und Dörfer in der Nähe.“

Das klang höchst merkwürdig. Was sie wohl dort getan hatte? Vielleicht hatte sie sich verlaufen und nicht mehr nach Hause gefunden? Wo auch immer das gewesen sein mochte. „Danke, dass Ihr so freundlich gewesen seid und mich mitgenommen habt, Eure Hoheit“, sagte Fenrir dankbar. Gleichzeitig stellte sich ihr aber auch die Frage, was er dort draußen getan hatte. Wenn es irgendwo im Nirgendwo war, dann war es doch noch unwahrscheinlicher, dass ausgerechnet der König dort vorbeikam, oder?

„Da ich sowieso gerade auf der Rückreise war, war es das Mindeste“, versicherte er, schien aber nicht näher auf das Thema eingehen zu wollen. „Willst du etwas essen? Du musst Hunger haben.“

Wollte Freyr ihr nicht das Schloss zeigen oder hatte er sich umentschieden? Trotz ihrer Verwirrung nickte Fenrir, denn sie verspürte durchaus Hunger. „Sehr gern, Eure Hoheit“, erwiderte die junge Frau, meinte aber, dass er ihr auch zuerst das Schloss zeigen konnte, wenn ihm das lieber wäre.

Freyr winkte ab und öffnete die Tür. „Der Speisesaal gehört zum Schloss“, informierte er belustigt. Sie konnten also ihren Rundgang auch dort beginnen.

Verlegen lächelte Fenrir und trat auf den prunkvollen Flur hinaus. Sie spürte die Kälte des Fußbodens, da sie keine Schuhe trug. Aber es war nicht unangenehm, sondern etwas, was sie bisher nicht gefühlt hatte. Ihre dunkelgrünen Augen sahen sich aufmerksam auf dem Flur, der viele goldene Elemente und Gemälde an den Wänden besaß, um. Hier und da standen Drachenstatuen und sie wäre am liebsten dorthin gegangen, um diese genauer zu betrachten und zu bewundern.

„Was ist das für ein Tier?“, fragte sie ehrfürchtig, denn die Statue sah so anmutig und majestätisch aus. Selbst aus der Ferne hatte sie etwas Faszinierendes.

„Das sind Drachen. Das Symbol unseres Herrschaftshauses“, erklärte Freyr gutmütig und führte sie zu einer der Statuen, die Smaragde als Augen besaß. Hinter ihr war ein Wandteppich, der die schwarzen Umrisse eines Drachens auf einem dunkelrotem Grund zeigte.

Fenrirs Augen wurden groß und sie hob die Hand, um die Statue zu berühren. Sie war kalt und an einigen Stellen glatt, doch dort, wo Schuppen waren, fühlte sich die Oberfläche rauer an. Als hätte der Steinhauer jede einzelne Schuppe sorgfältig gemeißelt. „Sie sind wunderschön … ob es sie wirklich gibt oder sie nur in den Köpfen der Menschen existieren?“

„Laut den Legenden gibt es sie wirklich“, stellte Freyr belustigt fest und blickte sie neugierig an. Sie war ein interessantes Mädchen. Wobei sie wohl sogar schon eine junge Frau war. Es war schwer zu sagen. Vom Körperbau würde beides passen. „Kannst du dich daran erinnern, wie alt du bist?“, wollte er wissen. Vielleicht konnte er so Antworten auf diese Frage finden.

Genau wie bei ihrem Namen schien sie gründlich nachzudenken, bevor sie frustriert den Kopf schüttelte. „Nein“, erwiderte sie traurig. Wie alt sie wohl sein mochte?

„Verstehe“, meinte Freyr nachdenklich. „Das ist schade. Ich hatte gehofft, dass du es vielleicht weißt“, murmelte er. Solange er sich nicht sicher war, wie alt sie wirklich war, würde er vorsichtig sein müssen. Er wollte nichts tun, was ihr vielleicht unangenehm war.

„Warum ist das wichtig?“, wollte Fenrir wissen, während ihre Finger immer wieder über die Drachenstatue glitten. Sie war so fasziniert davon und wurde regelrecht von der Schönheit angezogen.

„Wenn du alt genug wärst, würde ich dich gern in meinem Harem haben“, erklärte der König, als wäre das etwas ganz Normales. Was für ihn auch so war. Allerdings hatte er seine eigenen Gründe, warum er ausgerechnet sie dort haben wollte.

Ihre Hand senkte sich schließlich, obwohl es etwas widerwillig wirkte. „Was ist ein Harem?“, erkundigte sich Fenrir und wandte sich dem König zu. Mit dem Begriff konnte sie nichts anfangen. Hatte sie es vorher gewusst oder schon damals nicht?

„Frauen, die in vielerlei Formen dem König dienen. Sie wohnen im Schloss und stehen unter meiner Aufsicht“, erklärte Freyr und wirkte unschuldig, doch irgendwie auch belustigt. Wahrscheinlich, weil diese Erklärung so harmlos klang, obwohl sie das nicht unbedingt war. Doch ob Fenrir verstand, was er meinte, konnte er schwer einschätzen.

„Und wie dienen sie Euch?“, fragte Fenrir, die mit dem Begriff nichts anfangen konnte. „Betten machen? Staub wischen?“ Das war zumindest die Art von dienen, die sie sich vorstellen konnte.

Freyr, der über ihre Unbedarftheit belustigt war, schüttelte den Kopf. „Nein, sie kümmern sich um mein körperliches Wohlbefinden. Massagen, aber auch im Bett sind sie mir zu Diensten.“ Wusste sie, was das hieß? Wenn ja, war sie womöglich schon älter.

„Oh … oh …“, sagte Fenrir, als sie wohl verstand, was der König damit meinte. „Ich … muss Euch auch so zu Diensten sein?“, fragte sie langsam.

„Musst du nicht“, meinte Freyr beschwichtigend. „Ich zwinge niemanden dazu.“ Das war etwas, das er sich selbst als Regel gestellt hatte. Er würde nie eine Frau zwingen.

Das war beruhigend zu wissen, weshalb sich die junge Frau entspannte. Dennoch meinte Fenrir, dass sie in seiner Schuld stand, da er sie mitgenommen hatte. „Ich schulde Euch viel und möchte mich erkenntlich zeigen, Eure Hoheit“, sagte sie mit einem fast schon unterwürfigen Knicks.

„Versuch erst einmal, dich etwas zu erholen und dich zu erinnern. Dann sehen wir weiter“, meinte Freyr beruhigend. Noch war es zu früh, um über so etwas zu entscheiden.

„Ich danke Euch, Eure Hoheit“, sagte Fenrir noch einmal mit einem tiefen Knicks. Dabei zog sie das einfache Leinenkleid zur Seite, sodass es trotz allem elegant wirkte. „Wie lange bin ich schon hier?“, wollte sie neugierig wissen, als sie mit sittsam gefalteten Händen neben dem König herlief.

Freyr führte sie weiter, überlegte dabei allerdings. „Einen Tag lang warst du ohnmächtig“, sagte er schließlich. „Also noch keine zwei Tage.“ Sie hatten jedoch auch einige Zeit bis hierher gebraucht.

Fenrir verzog das Gesicht, als ein leichter Schmerz durch ihren Nacken fuhr. Ein Kribbeln stieg von dort aus auf und verursachten Kopfschmerzen. „War ich … irgendwie verletzt?“, fragte sie nachdenklich, weil sie nicht verstand, dass sie einfach plötzlich dort gewesen war. Außerdem würde das auch die leichten Schmerzen erklären.

„Laut meinem Arzt hat dich etwas hart getroffen. Aber es gab keine bleibenden Schäden“, versicherte er beruhigend.

Vielleicht hatte sie davon Kopfschmerzen. Da sie sich aber nicht erinnern konnte, nickte Fenrir. Bisher waren sie lediglich den Flur, auf dem ihr Zimmer lag, entlanggegangen und sie fragte sich, wie groß das Schloss wohl sein mochte. Hohe Fenster ließen Tageslicht herein und brachten die goldenen Verzierungen zum Leuchten.

Überall gab es Bilder, Wandteppiche und Statuen. Alles wirkte elegant und an manchen Stellen vielleicht sogar überladen. Trotzdem gefiel es Fenrir.

Schließlich blieb Freyr an einer Tür stehen, die er öffnete. Dahinter kam ein riesiger Speisesaal zum Vorschein. Ein heller Tisch dominierte den Raum. Es gab unzählige Stühle und dennoch war er leer.

Neugierig betrat die junge Frau den Saal und sah sich eingehend um. Wer verbrachte hier seine Zeit? So viele Stühle waren vorhanden und doch hatte sie bisher nur denjenigen gesehen, der die Füße des Königs massiert hatte. Selbst auf dem Flur waren ihr keine weiteren Leute entgegengekommen.

Ein überraschter Laut verließ Fenrirs Mund, als sie die wunderschönen Gemälde oben an der Decke bemerkte. Drachen, Einhörner und sogar Feen waren darauf zu erkennen. Und etwas Kleines, was rund und dick wirkte. „Was ist das?“, fragte sie und zeigte mit dem Finger nach oben. Es war schwer, die Details zu erkennen.

„Das sind Kobolde“, erklärte Freyr mit einem Schmunzeln. Er selbst kannte das Bild in- und auswendig, weshalb es ihm auch nicht schwerfiel, zu erraten, auf was Fenrir deutete.

„Was machen die?“, wollte sie interessiert wissen. Diese Wesen hatte sie noch nicht gesehen und für sie wirkten sie lustig und eher wie Statuen.

„Sie können unterschiedlich sein“, erklärte Freyr, der in der Mythologie dieser Wesen bewandert war. „Manche von ihnen sind hilfreich, andere spielen gern Streiche.“

Würden sich Erwachsene wirklich so verhalten? Das war etwas, was Fenrir nicht ganz glaubte. Aber vielleicht waren es gar keine Erwachsene? Immerhin waren sie recht klein.

Sie ging davon aus, dass dies der Speisesaal sein musste, denn wo sonst gab es so viele Stühle? Es würde keinen Sinn ergeben, in einem Raum einen großen Tisch zu stellen, der nicht benutzt wurde.

„Die Essenszeit ist zwar schon vorbei, aber ich lasse dir etwas bringen“, sagte der König, der ihr sogar einen Stuhl vorzog, damit sie sich setzen konnte. Er war ein wirklich höflicher und zuvorkommender Mann. Dabei stand sie in der Hierarchie doch ganz weit unten.

Elegant ließ sich Fenrir auf den mit dunklem Samt bedecktem Stuhl nieder und fühlte, wie weich dieser war. „Ihr lasst extra Essen bringen?“, fragte sie verlegen, da sie ihm keine Umstände machen wollte. Aber ihr Magen verlangte nach Nahrung, weshalb sie sich fragte, wie lange sie schon nichts mehr gegessen hatte.

„In der Küche wird ständig gekocht“, behauptete der König. „Es wird also schon eine Kleinigkeit geben. Sie bereiten gerade das Abendmahl vor.“

„Ist es nicht besser, bis zum Abendmahl zu warten, anstatt jetzt zu essen?“, wollte Fenrir wissen und ließ ihren Blick durch den großen Saal schweifen. Noch immer kam sie nicht über diese gigantische Größe hinweg. Brauchte man denn überhaupt so viel Platz? Wie viele Leute hier wohl aßen? Nur der König oder auch die Dienerschaft?

Die seidenen Vorhänge an den Fenstern waren zurückgezogen, sodass die Abendsonne den Fußboden in ein warmes, angenehmes Licht tauchte.

Wo würde sie in Zukunft wohl essen? Vielleicht mit den anderen Frauen aus seinem Harem?

„Das Abendmahl ist für geladene Gäste“, erklärte er mit belehrender, aber nicht herablassender Stimme. „Da du so lange ohnmächtig warst, ist es wichtig, dass du jetzt isst.“

Also gab es einen Unterschied zwischen Essen und Abendmahl. Zwar konnte Fenrir das nicht ganz verstehen, doch sie ließ es erst einmal so stehen. In ihrem Kopf rumorte es, als würde einer mit einer feinen Nadel hineinstechen. Der Schmerz kam ihr irgendwie bekannt vor, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, diesen schon einmal erlebt zu haben.

Die Tür öffnete sich und ein Küchenjunge kam mit einem großen Tablett hereingeeilt. Hinter ihm ein weiterer mit einem Krug.

Neugierig warf sie dem Jungen einen Blick zu. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass hier auch Männer arbeiteten.

Ihre Dienstkleidung zeichnete sie jedoch aus und Fenrir entdeckte, dass ein Drache an der einen Schulterseite angebracht war. Er sah so aus wie der, den sie hinter der einen Drachenstatue auf dem Wandteppich gesehen hatte. Ihr blieb nicht genügend Zeit, das Symbol eingehend zu betrachten, denn die Diener bewegten sich schnell. Dennoch erkannte sie, dass es golden und aufgestickt war.

Der Gang der Küchenjungen war elegant und das strahlend weiße Tuch über ihrem Arm war ein richtiger Hingucker.

Die Tabletts wurden vor ihrer Nase abgestellt und ihre dunkelgrünen Augen weiteten sich. Die Speisen, die ihr angeboten wurden, waren dekorativ und repräsentativ angerichtet worden. Ein Stück Fleisch, von dem sie nicht wusste, von welchem Tier es kam, stach ihr ins Auge, denn es sah saftig aus.

„Iss ruhig“, meinte Freyr. „Möchtest du Wein, oder Wasser?“, fragte er, bevor er sein Glas hob und sich einschenken ließ.

„Was ist denn Wein?“, wollte sie wissen und begutachtete die rötliche Flüssigkeit in seinem Glas.

Freyr wirkte etwas überfordert. „Etwas zum Trinken“, erklärte er, weil er sonst nichts weiter dazu sagen konnte. Wie sollte er erklären, was Wein war?

„Darf ich kosten?“, fragte sie unschlüssig, da sie nicht genau wusste, wie so etwas schmeckte. War es nur Saft?

„Ja, natürlich darfst du“, meinte Freyr und deutete dem Küchenjungen an, ihr etwas einzuschenken.

Neugierig betrachtete sie die rote Flüssigkeit und hob ihr Glas, um Freyr zuzuprosten. Sie wusste nicht, ob es angebracht war, aber sie tat es trotzdem. Er würde ihr schon sagen, wenn es nicht richtig war. Hoffte sie.

Der König lächelte und erwiderte den Prost. „Er ist mit Wasser verdünnt“, erklärte er, bevor er an seinem Glas nippte.

Fenrir setzte ihres an ihre Lippen und probierte. Zuerst verzog sie ihr Gesicht, was nur wenige Sekunden anhielt, bevor sie sich an den Geschmack gewöhnt hatte. Das Getränk war seltsam, aber gut. Es hinterließ ein leicht brennendes Gefühl in ihrem Rachen und wärmte sie von innen. „Es ist gut“, gab sie ihr Urteil ab.

Freyr schmunzelte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich freue mich, dass du ihn zu schätzen weißt.“

Allerdings schien der Wein auch andere Auswirkungen zu haben. „Mir wird davon warm“, gestand Fenrir, nachdem sie einen größeren Schluck genommen hatte. Leider verstärkte das Getränk die Kopfschmerzen, was ihr nicht gefiel.

„Dann solltest du vielleicht Wasser trinken“, schlug er vor. „Und iss etwas.“

Da es wie ein Befehl klang, wollte sie zu essen anfangen. Leider wusste sie mit dem vielen Besteck nicht, wie sie anfangen sollte. Es gab auf jeder Seite Messer oder Gabeln, aber auch Löffel, was sie verwunderte. „Nimmt man für jedes Stück ein neues Besteck?“, fragte sie verwirrt. Für sie ergab die Anordnung keinen Sinn.

Das ließ Freyr schmunzeln. „Man beginnt von außen. Die äußeren sind für die ersten Gänge. Da es aber nicht mehrere gibt, reicht es, wenn du die mittleren nimmst“, erklärte der König ihr und schien belustigt.

Die junge Frau warf ihm einen fragenden Blick zu. „Warum lacht Ihr?“, fragte sie mit hochgezogen Augenbrauen. Was war so lustig?

„Es wirkt niedlich“, gestand er. „So unschuldig.“

Fenrir schnaubte leise, bevor sie zu essen begann. Wenigstens schien sie zu wissen, wie man Messer und Gabel benutzte und als das Fleisch ihren Gaumen traf, stöhnte sie leise vor Genuss. Was auch immer das für ein Gericht war, es war köstlich und ihr Magen wollte mehr davon.

Zufrieden mit ihrer Reaktion ließ Freyr seinen Blick zum Fenster schweifen. Es war durchaus interessant, wie unbedarft die junge Frau war. So ganz anders, als er erwartet hatte. Das faszinierte ihn.

Er hob das Glas und lächelte, als er es an seine Lippen setzte. Sicherlich würde sie ihm viel Freude bereiten.

Fenrir senkte die Gabel und musterte ihn. „So hübsch Ihr auch seid, aber Ihr wirkt gruselig, wenn Ihr so hinter einem Glas lächelt“, bemerkte Fenrir trocken, da sie ihn beobachtet hatte. Es war die Wahrheit und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.

„Danke für das Kompliment“, erwiderte Freyr lediglich. Ihm war es nicht so wichtig, aber es war interessant, ihre Reaktionen zu sehen.

Fenrir hatte festgestellt, dass der schwarzhaarige König mit den goldbraunen Augen attraktiv aussah. Sein markantes Kinn und die Kleidung, die er trug, ließen sein Erscheinungsbild eher kalt und hart erscheinen, aber es wirkte in diesem Moment nicht so, da goldgelbe Sonnenstrahlen seine Haut trafen und diese leicht glänzen ließ. Der dichte Pelz an seinem Kragen sah warm aus und sie fragte sich, ob es wirklich so angenehm war, diesen im Schloss zu tragen. „War es das?“, fragte Fenrir verwirrt. Ihr war nicht bewusst, dass sie ihm ein Kompliment gemacht hatte.

„Du hast mich hübsch genannt“, meinte er schulterzuckend.

War das wirklich ein Kompliment? Bedächtig und mit Genuss aß Fenrir, weil sie nicht wusste, wann sie wieder so etwas Gutes zu essen bekam. Noch hatte sie nicht herausgefunden, wie das hier ablaufen sollte. „Das seid Ihr auch“, gestand sie, während sie mit einem Stück Fleisch die Soße aufsammelte. Warum sollte sie etwas so Offensichtliches verschweigen oder gar abstreiten?

„Ich bin aber auch gern gruselig. Das muss man als Herrscher sein können“, sagte er und genoss seinen Wein.

Ein leichter Schauer rann Fenrir über den Rücken, denn die Art, wie er es gesagt hatte, war durchaus merkwürdig. Als würde er ein grausames Gesicht hinter seiner Maske verstecken, damit nicht jeder gleich wegrannte. „Verstehe …“, murmelte sie und legte schließlich das Besteck zur Seite. Sie war satt.

„Hat es dir geschmeckt?“, fragte er neugierig und leerte sein Glas.

„Es war vorzüglich“, gab sie zu und wollte sich gerne zurücklehnen, doch das fühlte sich nicht richtig an. Nicht in seiner Gegenwart. „Vielen Dank, Eure Hoheit“, sagte Fenrir höflich.

Er nickte und erhob sich. „Bereit, weiter das Schloss zu erkunden?“

Auch die junge Frau erhob sich und knickste noch einmal als Zeichen ihrer Dankbarkeit, bevor sie ihren Stuhl zurück an den Tisch schob. „Sehr gerne, solltet Ihr noch Zeit haben“, sagte sie mit leichtem Lächeln. Obwohl sie sich nicht mehr an viel erinnern konnte, hatte sie doch das Gefühl, dass ein König eigentlich viel zu tun hatte.

„Heute habe ich Zeit“, versicherte er und sagte nicht, dass er sich die Zeit nahm. Es hatte schon seine Gründe, warum er so neugierig auf sie und ihre Reaktionen war.

„Das freut mich“, erwiderte die junge Frau und wurde plötzlich verlegen. Ihre Hände nestelten an dem schlichten Leinenkleid herum, als sie ihren Kopf hob und Freyr ansah. „Darf ich … mich irgendwie ansehen? Ich weiß nicht, wie ich aussehe“, gestand sie. Das ging ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf. Er war so schön. Was, wenn sie irgendwie … abschreckend aussah? Wenn es so war, würde sie sich nicht mehr wohl in seiner Gegenwart fühlen.

Überrascht deutete der König auf einen Spiegel. Es gab im Raum mehrere, die jedoch nicht von überallher einsehbar waren. Diese wurden für Lichtspiele genutzt. Auch jetzt lenkten sie die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fielen, sodass sie den Raum gut erhellten.

Fenrir ging dorthin und sah sich im Spiegel an. Eine junge Frau mit silberblonden Haaren, die an den Seiten geflochten waren, und dunkelgrünen Augen, sah ihr entgegen. Diese besaßen eine geschlitzte Pupille und sahen ansprechend aus. Das beruhigte sie. Ihre Haut war hell, aber nicht blass, sondern hatte eine gesunde Farbe. Hässlich war sie jedenfalls nicht.

Ihre Hand hob sich, um an ihren Haaren entlangzufahren. Dabei stellte sie fest, dass die geflochtenen Strähnen an der Seite hinten mit den anderen, offenen, Haaren verbunden waren. Auch dort waren einige Strähnen eingeflochten. „Habt Ihr das getan?“, fragte Fenrir erstaunt, denn sie sahen fein säuberlich, und nicht zerzaust aus. Dabei hätte es anders sein müssen. Vor allem, nachdem sie irgendwo gelegen und danach im Bett geschlafen hatte.

„Eines meiner Dienstmädchen hat dir die Haare gemacht. So, wie sie vorher waren“, erklärte er. „Sie meinte, dass es nicht gut war, wenn dein Haar zu lange zerzaust ist“, informierte er sie mit dieser leichten Belustigung, die er schon die ganze Zeit in seiner Stimme hatte.

Fenrir krauste die Nase, als sie ihr Spiegelbild betrachtete. Ihre Haare waren schon davor so gewesen? Es frustrierte sie, dass sie nicht wusste, wer sie war und woher sie kam, geschweige denn ihr Alter kannte. „Die Haare sind schön“, meinte sie schließlich und atmete tief durch.

„Sind sie“, bestätigte Freyr und nahm eine geflochtene Strähne, die er sich an den Mund führte und diese küsste.

Diese Geste beobachtete Fenrir im Spiegel und sie legte ihren Kopf schief. „War das ein Kompliment von Euch?“, fragte sie neugierig, ließ ihn aber nicht aus den Augen. So ganz verstand sie diese Sache mit den Komplimenten noch nicht.

„Natürlich“, meinte er und ließ die Haare durch seine Finger gleiten. Dabei wirkte er entspannt.

Sie drehte sich zu ihm um und betrachtete seine Finger, die noch immer ihre Strähne hielten. „Macht ein König anderen Komplimente?“, wollte Fenrir wissen, da ein König eigentlich derjenige war, dem solche Dinge gesagt werden sollten. Zumindest glaubte Fenrir das.

„Nicht oft“, versicherte er und führte ihre Haare erneut zu seinen Lippen. Sie dufteten verführerisch und er mochte das seidige Gefühl.

„Dann sollte ich mich wohl geehrt fühlen“, meinte Fenrir lächelnd. Ob er das bei den anderen Frauen in seinem Harem auch tat? Es war interessant, wie dieser König war, doch irgendetwas nagte an ihr, was sie nicht greifen konnte. „Möchtet Ihr weitergehen?“, fragte sie höflich, da sie nun wusste, wie sie aussah. Dass sie ansehnlich aussah und den König mit ihrem Aussehen nicht blamierte, beruhigte sie in gewisser Weise.

Freyr ließ von ihren Haaren ab und reichte ihr einen Arm, damit sie sich einhaken konnte.

Er behandelte sie, als wäre sie eine Adlige, was nicht ganz normal schien.

Leider wusste sie nicht einmal, ob sie wirklich eine war oder nicht. Solange sie ihr Gedächtnis nicht zurückbekam, würde sie es nicht wissen.

Mit einem lieblichen Lächeln hakte sich Fenrir bei ihm ein, sodass sie das Schloss weiter erkunden konnte. Sie war neugierig, was das Gebäude alles zu bieten hatte.

Elegant schritt sie mit nackten Füßen neben dem König her und fühlte den glatten Boden. Dort, wo die Sonne nicht hin schien, war er angenehm kühl und an den anderen Stellen schön warm.

Ihre Augen schweiften aufmerksam umher und sie entdeckte plötzlich etwas, was um die Ecke huschte, auf die sie zusteuerten. Eine schlanke Gestalt, die elegant dahin schritt. Sie bewegte sich so schnell, dass sich Fenrir fragte, ob diese Gestalt menschlich gewesen war.

Ruckartig blieb sie stehen und blinzelte mehrmals. Hatte sie sich das nur eingebildet? „Was war das?“, fragte sie verdutzt, als konnte sie kaum glauben, was sie gerade gesehen hatte. Hatte das Wesen geschimmert? War es vielleicht ein Geist? Oder doch eher eine Täuschung ihrer Sinne?

„Was meinst du?“, fragte Freyr und klang zuerst so, als wüsste er nicht, was sie meinte, bis sie den Unterton erkannte, der durchaus verriet, dass auch er etwas gesehen hatte.

„Da war eine … schlanke, wunderschöne Frau, die elegant den Gang entlang gegangen und anschließend verschwunden ist“, antwortete Fenrir verwirrt. Nicht nur über die Erscheinung, sondern auch über seinen Ton. „Ihr habt sie doch auch gesehen, nicht wahr?“ Sie hoffte es, denn sonst würde das heißen, dass sie sich die Dinge nur einbildete. Vielleicht würde sie sogar als verrückt abgestempelt werden, wenn sie nicht beweisen konnte, dass sie etwas gesehen hatte.

„Das war vielleicht eine meiner Haremsdamen“, sagte der König nachdenklich.

Eine Frau mit länglichen Ohren? So ganz glaubte sie das nicht, denn die Person hatte Ähnlichkeit mit einer Fee oder Elfe gehabt. Dabei war sie sich nicht einmal sicher, ob man diese Wesen, die sie im Kopf hatte, wirklich so nannte.

Fenrir lief los, damit sie um die Ecke sehen konnte, doch dort war der lange Flur leer. Ob sie sich in einem Zimmer versteckt hatte? Oder war sie wirklich einfach verschwunden?

Schließlich zuckte Fenrir mit den Schultern. Vielleicht hatte sie sich getäuscht und es war einfach eine Frau aus seinem Harem gewesen. Möglicherweise hatte ihre Schnelligkeit und ihre Kleidung Fenrirs Wahrnehmung getrübt. Dennoch fragte sie sich, ob die Frauen so unhöflich zu ihm sein durften, denn sie hatte ihn nicht begrüßt.

„Komm, lass mich dir die Bäder zeigen“, schlug Freyr vor, um sie vom Thema abzulenken.

„Sind Bäder etwas zum Essen?“, wollte Fenrir neugierig wissen. Es klang nach etwas Essbarem. Dadurch, dass sie gerade so viele Köstlichkeiten zu sich genommen hatte, schien es, als würde sie auch alles andere mit essen verbinden.

„Nein“, lachte Freyr, der es scheinbar wirklich amüsant fand. „Bäder sind da, damit man sich waschen kann.“

„Warum lacht Ihr ständig?“, wunderte sich Fenrir und sah ihn mit einem Augenaufschlag an, der verführerisch und sinnlich zugleich war, ohne dass sie es wusste. Noch konnte sie sich nichts unter einem Bad vorstellen, aber schon bald würde sie es erfahren.

„Weil du niedlich bist“, bemerkte der König beruhigend und noch immer belustigt.

Ein Lächeln erschien auf Fenrirs hübsch geschwungenen Lippen und sie knickste. „Danke für Euer Kompliment“, sagte sie, da es sich gehörte, sich dafür zu bedanken. Gleich darauf blinzelte sie erneut und zeigte aufgeregt auf eine Stelle. „Da war schon wieder so ein Wesen!“ Dieses Mal war sie nur ganz kurz zu sehen gewesen.

Freyr nahm ihre Hand. „Sicher?“, fragte er und tätschelte diese, bevor er sie mit sich führte. „Vielleicht hast du dir den Kopf doch stärker gestoßen als angenommen.“

Nachdem ihr Kopf anfing, stärker zu pochen, war sie sich nicht mehr ganz so sicher, ob sie wirklich etwas gesehen hatte. „Ich weiß es leider nicht“, gestand sie und ihre Hand fuhr zu ihrem Haupt, um zu fühlen, ob da eine Verletzung war.

„Verletzt warst du jedenfalls nicht. Zumindest hat nichts geblutet“, meinte Freyr nachdenklich und führte sie weiter durch die Flure.

Fenrir spürte auch keine Erhebung unter ihrer Haut, was sie etwas zweifeln ließ, ob Freyr dir Wahrheit sprach. Doch er war der König. Weshalb sollte er sie anlügen? Es wunderte sie, dass sie keine Beule hatte, wenn sie einen Schlag auf den Kopf abbekommen hatte.

Während sie die Flure entlang gingen, grübelte Fenrir darüber nach, bis Freyr vor einer Tür stehen blieb.

Er öffnete diese und frische Luft kam ihr entgegen. „Das hier sind Schwimmbecken. Einfach zum Entspannen“, erklärte er und führte sie nach draußen. Zumindest glaubte sie das. Dabei waren sie recht hoch und liefen auf einer Art Steinboden.

Vor ihnen war ein riesiges, rundes Areal, das von der Seite mit Wasser über einen Wasserfall gefüllt wurde.

Fenrirs dunkelgrüne Augen begannen zu strahlen. Begeistert, wie die letzten Sonnenstrahlen mit den Wassertropfen einen Regenbogen erzeugten, ließ sie den König los und lief sofort dorthin, um nach diesem zu greifen. Noch nie war sie einem Regenbogen so nah gewesen.

Sie stand recht nah an dem Becken und atmete die frische, feuchte Luft tief ein, während sie ihre Finger durch den Regenbogen gleiten ließ. Alles, was sie spürte war die Kühle des Wassers. „Das ist so schön!“, rief sie begeistert, als die Sonne mit ihren goldenen Strahlen das Gebiet erhellte.

Freyr begann seinen Umhang auszuziehen und hing ihn auf ein Gebilde, das wohl dafür da war. Dann zog er sich sein Oberteil und seine Hose aus. „Zieh dein Oberkleid aus“, wies er sie an. „Dann kannst du ins Wasser.“

Die junge Frau drehte sich in seine Richtung und wurde sofort rot im Gesicht, denn er präsentierte ihr seinen muskulösen, starken Körper. Auf den ersten Blick erkannte sie, dass es keinen Bereich gab, der nicht gut bestückt war. Zum ersten Mal sah sie überhaupt jemanden nackt. Zumindest konnte sie sich nicht erinnern, schon einmal jemanden so gesehen zu haben.

Gehorsam, aber langsam, zog sie ihr Kleid nach oben, um es auszuziehen. Er meinte es tatsächlich ernst. Dabei hatte sie angenommen, er würde scherzen. Er schien jemand zu sein, der sich gern über andere lustig machte.

Während sie sich langsam entkleidete, lagen ihre Augen auf Freyrs Körper.

Er trug noch immer eine kurze Hose, doch sonst nichts mehr, was sie irgendwie irritierte. Außerdem lief er langsam auf das Wasser zu.

Sie hängte ihr Oberkleid an dieses seltsame Gebilde und seufzte leise, denn sie trug ein dünnes Unterkleid, das ihr lediglich bis zu den Knien reichte.

Etwas unschlüssig blieb Fenrir stehen, bevor sie sich dem Becken näherte. Durch den dünnen Stoff war die Kühle gut spürbar. Diese war schuld an ihrer Gänsehaut, die sich daraufhin auf ihrem Körper ausbreitete.

„Komm ins Wasser, da ist es wärmer“, erklärte der König und reichte ihr sogar die Hand, denn im Wasser waren Steinstufen, die man schlecht sah und die sie nicht hinabfallen sollte.

Fenrir griff nach der dargebotenen Hand und ließ ihre Zehen in das Wasser gleiten. Zuerst fühlte es sich kalt an, weshalb sie ihren Fuß gleich zurückzog, doch es hatte sich auch erfrischend angefühlt, weshalb sie Schritt für Schritt die rutschigen Steinstufen hinab ging.

Schließlich stand sie bis zu ihrem Bauch im Wasser und lächelte. Freyr hatte Recht behalten: Im Wasser war es wärmer, obwohl es sich anfangs nicht so angefühlt hatte.

Der König hielt die junge Frau, damit sie nicht fallen konnte und führte sie noch etwas weiter ins Wasser, bis nur noch ihr Kopf herausschaute.

Durch den Wasserfall, der das Becken mit klarem, frischen Wasser auffüllte, wurden winzig kleine Tropfen in der Luft verteilt, die sich auf ihrem Haupt absetzten und ihr eine Gänsehaut verpassten. Es kitzelte richtig, weshalb sie leise lachte. Fenrirs Körper wurde von leichten Wellen umspielt, die von ihren Bewegungen ausgingen.

„Kannst du schwimmen?“, wollte Freyr wissen und musterte sie aufmerksam. Sollte sie das nicht können, würde er auf sie aufpassen müssen, denn die Becken waren an einigen Stelle tief.

„Ich glaube nicht“, gestand sie zweifelnd und platschte mit der freien Hand im Wasser herum. „Oder zumindest weiß ich es nicht.“

„Dann versuch es“, bat er und ging ein Stück von ihr zurück. Es war wichtig, dass er es wusste.

Nachdenklich versuchte sie, sich daran zu erinnern, was sie tun musste, doch so viel sie darüber nachdachte, es fiel ihr nicht ein. „Es tut mir leid, ich weiß nicht, was ich tun muss“, gestand Fenrir verlegen.

Freyr zeigte es ihr, indem er selbst ein Stückchen schwamm.

Da das Wasser so klar war, konnte sie seine Bewegungen genau sehen. Es brachte sie leicht zum Schmunzeln, denn Freyr sah dabei aus wie ein Frosch.

Nach seiner Demonstration versuchte sie ihr Glück, doch sie brachte ihre Gliedmaßen völlig durcheinander und ging unter.

Sofort war Freyr an ihrer Seite und half ihr, wieder aus dem Wasser zu kommen. „Nun, das heißt wohl: Nein“, bemerkte er nüchtern.

Prustend wischte sich Fenrir ihre nassen Haare aus dem Gesicht und bemerkte, dass sich ihr Unterkleid an ihren Körper geschmiegt hatte. So wurden ihre Kurven noch besser zur Geltung gebracht. „Es war schön, unter Wasser zu sein“, gestand sie atemlos. „Muss man schwimmen können?“

„Es ist nicht nötig, aber hilfreich“, antwortete Freyr und stellte sie wieder auf die Füße. Da sie nicht schwimmen konnte, würden sie einige Teile des Beckens meiden. Er wollte nicht, dass sie unterging.

„Dann möchte ich es lernen“, sagte sie entschlossen und machte mit ihren Armen die Bewegung nach, die der König unter Wasser getan hatte. Vielleicht sollte sie erst einmal so anfangen. Trockenübungen so zu sagen.

Freyr beobachtete sie, griff aber nicht ein. Es war sicherlich lustig, ihr dabei zuzusehen.

Mehrmals und in aller Ruhe wiederholte sie die Schritte, bevor sie ihn fragte, was sie danach tun musste. Ihr gefiel das Gefühl, so schwerelos im Wasser zu sein, weshalb sie schwimmen lernen wollte. Es musste wunderbar sein, sich treiben zu lassen.

Freyr versuchte, ihr die Bewegungen der Arme und Beine zu erklären, damit sie es probieren konnte. Allerdings machte er das zum ersten Mal und wusste nicht genau, wie er es beschreiben sollte.

Das zeigte sich auch im Resultat, denn Fenrir schaffte es nicht, einen halbwegs vernünftigen Schwimmzug hinzubekommen.

Irgendwann meinte sie, dass sie lieber aufhörte, denn der Schmerz in ihrem Nacken führten dazu, dass sie noch mehr Kopfschmerzen bekam und immer erschöpfte wurde.

Freyr reichte ihr eine Hand. „Komm, lass uns aus dem Wasser gehen“, sagte er und sie bemerkte, dass er ihr schon wieder in die Augen sah. Als würde er diese besonders interessant finden, was auch so war.

Fenrir erwiderte den Blick, der intensiv war, doch sie wusste nicht, weshalb er sie so ansah. Vermutlich machte er sich in Gedanken wieder über sie lustig.

Eigentlich wollte sie gern noch etwas im Wasser bleiben, doch er hatte Recht. Sie war es nicht gewohnt und noch zu erschöpft, um das Schwimmen so schnell zu lernen.

Ob sie jemals wieder hierherkommen würde? Oder war es das letzte Mal? Sicherlich würde sie nicht zu allen Bereichen Zutritt haben.

Als sich Freyr schließlich von ihren Augen löste und sie zum Rand brachte, warteten dort zwei Dienstmädchen mit Handtüchern. „Sie wird dich in einen Raum zum Trocknen und Umkleiden bringen“, erklärte er. Er wollte nicht, dass sich Fenrir im Freien umzog und vielleicht erkältete. Wer wusste schon, wie empfindlich sie auf die kühle Luft reagierte.

Dieser war gar nicht aufgefallen, dass die Dienstmädchen gekommen waren. Diese waren lautlos gewesen und die junge Frau vermutete, dass sie ihren kläglichen Versuch, zu schwimmen, mitangesehen hatten. Was ihr irgendwie peinlich war. „Ich danke Euch, Hoheit“, sagte Fenrir und ließ seine Hand los, sobald sie die letzte Stufe der Steintreppe erreicht hatte.

Eines der Dienstmädchen kam sofort mit dem Handtuch auf sie zu, um sie zu trocknen. Bei Freyr war es nicht anders.

Fenrir bekam ein flauschiges Handtuch umgelegt und sie wurde in einen Raum geführt, wo sie komplett getrocknet wurde. Auch ihre Haare wurden sanft abgetupft.

Zudem gab es ein neues Unterkleid und ein weiteres Dienstmädchen brachte ein Kleid hinein, damit sie sich wieder anziehen konnte.

Dieses Kleid war kein einfaches, sondern ein richtig hübsches. Es bestand aus einem schwarzen Oberteil mit weißen Ärmeln, welche die Schulter so gut wie frei ließen. Der Rock war ebenfalls weiß und besaß schwarze Blumenstickereien auf dem unteren Teil, aber auch dort, wo er anfing. Am Rücken war eine große Schleife angebracht und Fenrir bewunderte, wie elegant und schön das Kleid war. Es passte ihr gut und war nicht so lang, dass sie darüber stolpern würde.

„König Freyr wartet auf Euch“, meinte das Dienstmädchen, als Fenrir fertig angezogen war und deutete auf eine andere Tür, die wohl wieder in das Gebäude führte.

Die junge Frau nickte und ging dann genau durch diese. Fenrir war neugierig, was sie erwarten würde. Außerdem wollte sie sich bei ihm für das schöne Kleid bedanken. Es gehörte ihr zwar nicht, aber es war schön, dieses tragen zu dürfen.

Im Flur erwartete sie Freyr, der gerade mit einem Diener sprach. Er trug die Kleidung, die er auch schon vorher getragen hatte.

Die junge Frau blieb in einigem Abstand und mit gefalteten Händen stehen, da es sich nicht gehörte, einen König zu unterbrechen oder in ein Gespräch hineinzugehen, ohne aufgefordert worden zu sein.

Eingehend musterte Fenrir den Diener und stellte fest, dass seine Augen ganz anders aussahen als ihre und Freyrs. Ob er wohl aus einem fremden Land kam?

Der Mann verbeugte sich und lief dann rückwärts, bis er um eine Ecke gehen konnte.

Erst dann wandte sich Freyr wieder Fenrir zu. „Du bist fertig“, stellte er fest und musterte sie eingehend. Er senkte etwas die Lider. „Schön siehst du aus.“

„Ihr gebt mir mit diesem Kleid die Möglichkeit dazu“, erwiderte sie mit einem Knicks lächelnd. Seine Worte schmeichelten ihr wirklich, aber sie musste zugeben, dass das Kleid schön und angenehm zum Tragen war.