Drachenaugen: Der Sturm - Jadelyn Kaya - E-Book
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Drachenaugen: Der Sturm E-Book

Jadelyn Kaya

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Beschreibung

Fenrirs Entscheidung bringt eine schwere Zeit mit sich. Durch die Verletzungen wird sie von Freyr angehalten, sich nicht zu überanstrengen. Das macht sie ungeduldig. Dennoch hält sich Fenrir an seine Anweisungen und fühlt sich dadurch bald besser. Ein Sturm, der für viel Zerstörung sorgt, hält König Freyr und sie in Atem. Werden sie es schaffen, etwas dagegen tun zu können und den Bewohnern von Tir Na Zaj zu helfen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impressum

 

Autor: Jadelyn Aurora & Kaya Hetalia

Herausgeber: Sabrina Nieminen

Tupamäentie 20

41800 Korpilahti

-Finnland-

 

Covergestaltung: Unter Verwendung von Shutter-stock-Motiven

Herstellung und Vertrieb:

tolino media GmbH & Co. KG, München

Erschienen 2023 im Selbstverlag

Ab der 2. Auflage liegen die Rechte bei Jadelyn Aurora

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

 

 

 

Fenrir spürte, dass jemand ihre Hand hielt und immer wieder ihren Namen rief. Obwohl sie die Stimme nur durch eine Art Schleier hörte, wollte sie reagieren, konnte es aber nicht. Es war, als würde sich ihr Mund nicht bewegen wollen und ihr Körper nicht auf sie hören.

Die Watte, die sie umhüllte, war angenehm und gab ihr ein geborgenes Gefühl, was es ihr noch schwerer machte, sich davon zu befreien.

Irgendwie fühlte sie sich frei, schwerelos und müde zugleich. Ein schönes Gefühl, dem sie gerne nachgab, auch wenn die Stimme mehr und mehr in den Vordergrund rückte. Fast schon eindringlich und penetrant, bis sie widerwillig damit kämpfte, ihren Körper zu bewegen. Alles, was sie schaffte war, ihre Finger dazu zu bringen.

„Fenrir, bitte lass mich nicht allein“, bat die männliche Stimme eindringlich. Fenrir spürte, dass jemand ihr Gesicht streichelte. Zudem merkte sie, dass sie irgendwo lag und ihr warm war.

Endlich brachte sie einen Laut hervor, der sich leicht gequält und müde anhörte. Je mehr sie der Stimme im Unterbewusstsein folgte, desto mehr Schmerzen spürte sie. Es war bestimmt nur ein Albtraum.

Plötzlich drängten sich die Erinnerungen an den Kampf mit Freyr und Kale in ihr Bewusstsein und sorgten dafür, dass sie ruckartig ihre Augen aufriss.

Mit rasendem Herzen starrte sie an eine Decke, die sie glaubte zu kennen. Dunkler, schwerer Samt von einem Himmelbett, in dem sie bereits gelegen hatte.

„Oh, bei allen Göttern“, brachte Freyr erleichtert hervor. „Fenrir? Hörst du mich?“, fragte er besorgt, weil sie noch immer an die Decke blickte.

Langsam wandte sie den Kopf und ihr war, als würde sie vor Freude zusammenbrechen. Freyr saß an ihrem Bett. Er war da! Sein Gesicht zeigte größte Besorgnis und Erleichterung zugleich. Ihr Plan, wieder hier zu sein, war scheinbar geglückt.

Sie rang sich ein schiefes Lächeln ab und bewegte ihre Finger als Zeichen, dass sie verstanden hatte. Eigentlich wollte sie sprechen, doch ihre Zunge fühlte sich taub und pelzig an. Das Gefühl wurde aber bereits besser.

Freyr beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Wange. „Mach das nie wieder“, sagte er tadelnd. „Ich musste euch hinterherspringen, um euch aus dem Wasser zu fischen“, erzählte er ernst, doch ihm kamen Freudentränen.

Fenrir machte den Versuch, ihm diese wegzuwischen, aber ihr Körper gehorchte ihr noch immer nicht. Seine Worte drangen nur langsam zu ihr durch. Mit der Zunge befeuchtete sie ihre Lippen und sie setzte zum Sprechen an. „Ihr habt Kale gerettet?“, fragte sie rau und hustete, weil ihr Hals kratzte.

Freyr machte ein sanftes Geräusch, damit sie wusste, dass sie nicht so viel sprechen sollte. „Ich habe euch beide rausgezogen“, sagte er sanft. „Er lebt und wurde auch behandelt“, versicherte er beruhigend. Er hatte es nur getan, weil er Fenrir entscheiden lassen wollte. Zudem erhoffte er sich, durch Kale an mehr Informationen zu gelangen.

„Ich danke Euch, Eure Hoheit. Ich verdanke Euch so viel“, flüsterte Fenrir froh. Erleichtert, dass sie die Kontrolle langsam wieder über ihren Körper bekam, hob sie endlich ihre Hand und fuhr Freyr über die Wange und seinen Bart. Er war genauso kratzig, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Das ließ sie lächeln und sie versuchte, sich irgendwie aufzurichten, doch es gelang ihr nicht. Ihr Unterkörper und ihre Beine taten ziemlich weh.

„Nicht so viel bewegen“, bat er inständig. „Du bist schwer verletzt“, sagte er sorgenvoll.

Trotzdem kam Fenrir nicht umhin, neugierig zu sein. Sie schob langsam die Bettdecke zur Seite und starrte geschockt auf ihre Beine, die in dicken Verbänden und Metallstangen so befestigt waren, dass sie diese nicht bewegen konnte. „Was … was ist passiert?“, fragte sie stirnrunzelnd.

„Du hast dir einige Knochen gebrochen“, sagte er, bevor er ihre Hand nahm und diese küsste. „Kale hat es nicht so erwischt. Er wäre nur ertrunken“, gestand Freyr, der sie damit beruhigen wollte. Dennoch machte er sich Sorgen. Durch ihre Drachenaugen würde sie zwar schneller heilen, doch Schmerzen blieben dennoch.

Erleichtert seufzte Fenrir und bewegte ihre Finger, um seine Lippen zu streicheln. Es gab keine Toten, wie sie befürchtet hatte. „Wenn es sonst nichts ist“, murmelte sie leicht gequält. Die Schmerzen waren grässlich, aber zum Aushalten. Damit konnte sie umgehen. „Ich habe nicht mit dem Stein gerechnet, auf dem wir aufgeschlagen sind“, gab sie verlegen zu.

„Du warst dumm und leichtsinnig“, sagte er tadelnd, bevor er ihre Hand nahm, sie an seine Wange legte und die Augen schloss. „Was hätte ich machen sollen, wenn du nicht wieder aufgewacht wärst?“

Solche ähnlichen Worte hatte sie erst gehört. „Es war nicht geplant, ohnmächtig zu werden, Eure Hoheit“, erklärte Fenrir und schloss ebenfalls die Augen. Wie sie seine Haut vermisst hatte! Seine Stimme, die ihr mehr Schauer über den Rücken jagen konnte als alle anderen. „Es tut mir leid. Alles. Wirklich“, flüsterte sie und gab dem Gefühl der aufsteigenden Tränen nach. Auch dem Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte.

Sanft nahm Freyr sie so gut es ging in die Arme. „Du wolltest dich nur ertränken, nicht wahr?“, fragte er nüchtern nach, wobei seine Worte auch etwas Neckendes hatten. Er war einfach nur froh, dass sie lebte.

Schniefend hielt Fenrir inne und sog seinen geliebten Geruch tief ein. „Das hätte ich auch bei Vater tun können. Dafür hätte ich nicht zurückkommen müssen“, konterte sie und bekam plötzlich einen Schluckauf. Eine unangenehme Kombination, wenn sie weinte. „Ich musste mich in dem Moment entscheiden, wer mir wichtiger ist. Und das seid Ihr, Eure Hoheit.“

„Freyr“, sagte er leise. „Ich mag es nicht, wenn du mich in solchen Momenten so höflich ansprichst“, murmelte er und vergrub einfach seinen Kopf an ihrer Schulter, um seine Tränen zu verstecken.

Da Fenrir lag, musste er sich zu ihr legen. Sanft legte sie einen Arm um ihn und kuschelte sich an ihn, bevor sie ihn streichelte.

Noch nie hatte er sie gebeten, ihn nicht höflich anzusprechen. Nur in seiner Drachengestalt duzte sie ihn und nannte ihn Tajna. „Ich habe Euch so sehr vermisst. Es war eine schreckliche Zeit voller Lügen, Geheimnisse und hässlichen Worten“, flüsterte sie an sein schwarzes Haar.

„Jetzt bist du wieder hier“, sagte er sanft und streichelte ihre Wange. „Ruh dich aus, du bist in Sicherheit.“

„Zum Glück“, murmelte Fenrir und verfestigte ihren Griff um Freyr, als eine erneute Welle von Schmerzen ihr die Tränen in die Augen trieb. „Ich danke Euch, so gut mitgemacht zu haben. Ihr wart eine große Hilfe, dass ich die Zeit überstehe. Und Dunja. Ohne sie wäre überhaupt nichts möglich gewesen“, sagte sie glücklich und ernst zugleich. Die kleine Fee musste belohnt werden.

Freyr löste seinen Kopf aus ihrer Halsbeuge und küsste sanft ihre Wange. „Sprich nicht so viel“, sagte er beruhigend. „Es ist alles wieder gut und du musst dich erholen.“

Widerwillig gab sie ihm recht. Dabei wollte sie ihm alles erzählen, doch das hatte Zeit. Sie würde hierbleiben und ihm alles berichten. „Nur, wenn Ihr bei mir bleibt“, bat sie verlegen. Fenrir wollte ihn neben sich liegen haben, nachdem sie die letzten Wochen jede Nacht bei Kale verbracht hatte.

„Ich bleibe hier“, versicherte er, denn er wollte selbst nicht von ihrer Seite weichen. Er brauchte ihre Nähe jetzt.

Dankbar musterte sie Freyr mit müden Augen. Die Tage hatten an ihr gezehrt. „Habt Ihr nicht zufällig einen Tee?“, fragte sie vorsichtig, da sie erneut das Kratzen im Hals spürte.

Widerwillig stand Freyr auf. „Warte bitte kurz“, sagte er und küsste ihre Wange. Dann ging er zur Tür, machte diese auf und sprach draußen mit jemanden.

Seine Stimme war leise, sodass sie nicht wirklich hören konnte, was er sagte, aber sie ging davon aus, dass es eines der zahlreichen Dienstmädchen war.

In der kurzen Zeit, in der Freyr nicht bei ihr war, starrte sie wieder an die Decke. Kale lebte. Freyr hatte ihn nicht getötet, obwohl er die Möglichkeit hatte. Es zeigte, wie gutherzig der König war und dass sie sich in ihm nicht getäuscht hatte.

Unter größter Anstrengung versuchte Fenrir, sich irgendwie aufzurichten. Durch die Metallstangen konnte sie kaum richtig liegen. Es war nicht angenehm und sie fragte sich, ob sie diese wegmachen konnte, damit sie wenigstens auf der Seite liegen konnte.

Allerdings kam Freyr schnell wieder zu ihr. „Nicht, bitte“, bat er. „Ich helfe dir, wenn du dich anders hinlegen willst, aber bitte nicht aufstehen“, sagte er. „Sonst öffnest du die Wunden wieder.“

Fenrir zuckte zusammen. Hatte er nicht von gebrochenen Knochen gesprochen? Von welchen Wunden sprach er dann? „Ich darf mich nicht hinsetzen?“, fragte sie niedergeschlagen. „Es ist unangenehm, so liegen zu müssen.“

„Noch nicht. Der Heiler sagt, es wäre besser, wenn du erst einmal nur liegst. Du hast dich auch aufgeschrammt und gequetscht“, sagte er, bevor er sich zu ihr setzte. „Soll ich dir ein Kissen in den Rücken legen, damit du etwas höher liegst?

„Ja, bitte. Das hilft bestimmt“, antwortete Fenrir und rieb sich müde das Gesicht. Die Aussicht, nur liegen zu dürfen, war nicht gerade berauschend, aber Fenrir hatte es sich selbst eingebrockt, also musste sie damit leben.

Freyr suchte die Kissen zusammen und legte ihr dann mehrere unter den Kopf und den Rücken, damit sie zumindest ein bisschen höher lag. „Bequemer?“, fragte er, als es auch schon klopfte.

Er ging zur Tür, nahm den Tee entgegen, roch daran, nahm einen kleinen Schluck, nickte und kehrte damit zu Fenrir zurück.

„Viel besser“, sagte sie mit glänzenden Augen und nahm die Tasse entgegen. Dass Kissen ihr solch eine Erleichterung schaffen konnten, hatte sie nicht geahnt. „Danke. War das Suno?“, fragte sie neugierig und nippte am Tee. Dieser war süßlich und beruhigte ihren trockenen Mund.

„Ja. Aber auch Kayla und Serano sind draußen vor der Tür“, erklärte er. „Sie bewachen dich. Damit nichts passiert, sollte ich nicht da sein.“

„Wo wollt Ihr hin?“, fragte Fenrir unwohl. Glaubte er, dass sie in Gefahr schwebte, nachdem sie wieder hier war?

„Im Moment nirgendwo“, beruhigte er sie und kam wieder zu ihr aufs Bett. „Aber ich muss der Sache mit Isis nachgehen und werde dich ab und an für einige Zeit allein lassen müssen.“

„Gut, wenn Ihr der Sache nachgeht. Ich war geschockt, als Lili mir das erzählt hat“, erwiderte Fenrir düster und trank langsam ihren Tee. Von ihr wusste sie, welches Dorf betroffen war. Auch andere litten darunter. „Ich wünschte, ich könnte etwas für die Kinder tun. Vater schickt sie ins Verderben“, seufzte sie traurig. Auch wenn der Schamane alles für sie und die Kinder getan hatte, er verfolgte Absichten und Ziele, die sie nicht mehr mit ihm teilte.

„Ich muss sehen, was ich für sie tun kann“, sagte Freyr nachdenklich. „Sie besitzen alle Drachenaugen, oder?“, wollte er wissen, während er scheinbar nachdenklich an die Wand starrte.

Fenrir nickte. „Ja, aber nicht jeder wird zum Kämpfer ausgebildet. Die meisten bleiben im Dorf oder ziehen in ein anderes“, erklärte sie und hob erneut ihre Hand, um seine Wange zu streicheln. „Lili wurde von ihren Eltern verbannt, weil Mylady Isis Angst und Schrecken verbreitet und viel höhere Abgaben als sonst einfordert. Ihre Eltern hatten Angst, dass Lili wegen ihrer Augen etwas passiert. Da hat Vater sie natürlich aufgenommen.“

„Isis hat wirklich große Probleme mit den Menschen, die solche Augen haben“, grummelte Freyr, verriet aber Fenrir nicht, dass es wohl ihre Schuld war.

Diese nickte. „Leider. Es ist schade, dass sie deshalb ihre Kinder abschieben“, flüsterte sie traurig. „Genau wie meine Mutter. Sie wollte mich auch nicht mehr, nachdem Vater mir die Möglichkeit zu sehen gegeben hat“, sagte sie und zuckte mit den Schultern. Es sollte ihr egal sein, aber trotzdem dachte sie manchmal daran.

Freyr streichelte sanft ihren Kopf. „Wie groß schätzt du die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder hier leben wollen würden?“, fragte er murmelnd. „Eigentlich haben sie mir nichts getan und sie wären eine Generation, die man als Reiter, nicht als Jäger ausbilden könnte.“

Fenrir schloss ihre Augen und genoss Freyrs Berührungen. Sie fühlte sich bei ihm geborgen. „Die jüngsten sind noch relativ rein und unschuldig. Vater ist manipulativ, aber er bildet nur diejenigen aus, die gut sind und Kampfgeist zeigen. Die anderen machen die Arbeiten im und rund um das Haus. Harte und leichte“, erzählte sie nachdenklich. Sie selbst hatte erst spät erfahren, warum Kale und andere Kinder spielerisch kämpften. „Daher gehe ich davon aus, dass die kleineren eher hier leben wollen würden.“ Die Kinder waren noch zu jung, um Vaters Hass zu verstehen oder mitzubekommen, da er ihnen ein einfaches, aber hartes und liebevolles Leben bot. Es wäre für die Kinder eine große Veränderung, hierherzukommen. „Diejenigen in der Ausbildung stehen völlig unter Vaters Einfluss, Eure Hoheit. Bei ihnen wird es schwer werden, sie zu überzeugen. Erst, als Vater sich entschlossen hatte, mich wirklich auszubilden, habe ich erfahren, wozu es gut ist. Davor habe ich alles für ein Spiel gehalten“, sagte Fenrir ernst und seufzte gequält. Ihre Schmerzen nahmen sie ein, doch es war nichts, was sie nicht aushalten konnte.

Freyr streichelte sie noch immer. „Er lernt es ihnen spielerisch, um sie an sich zu binden“, seufzte Freyr. „Dabei sollte er doch merken, was seine Taten für Konsequenzen hinterlassen. Jedes Jahr werden die Ernten schlechter, die Tiere weniger und das Wetter schlimmer“, murmelte der König gegen ihre Haut.

„Er hat so einen Hass gegen die magischen Wesen und gegen die Drachen, dass es ihm wohl nicht klar ist“, erwiderte Fenrir und legte ihren Arm wieder um ihn. „Es war schwer, ihn und Kale zu überzeugen, dass ich wieder auf ihrer Seite bin“, seufzte sie und wischte sich trotzig eine Träne weg, die plötzlich über ihre Wange rollte.

Freyr streichelte ihren Kopf. „Sie bedeuten dir viel“, stellte er fest. Er konnte es ihr nicht verübeln, immerhin waren sie ihre Familie.

Schniefend nickte Fenrir und meinte, dass Kale ihr bester Freund war, seitdem Vater sie mitgenommen hatte. „Sie waren immer für mich da, aber ich kann ihre Ansichten nicht mehr teilen. Das Dorf war lange Zeit meine Familie, aber ich bin jetzt hier, bei Euch. Und ich werde nicht zulassen, dass Vater Euch etwas antut“, sagte sie bitter und nahm noch einen Schluck aus der Tasse.

„Du hast genug gekämpft“, sagte er sanft. „Jetzt, wo ich weiß, wo das Dorf liegt und warum es ist, wie es ist, werden wir andere Maßnahmen ergreifen.“

„Eure Hoheit“, sagte Fenrir quengelnd und sah ihn mit verweinten Augen an. „Ich werde Euch beschützen. Ich respektiere Vater, aber er kann nicht einfach seinen Hass an anderen auslassen und alles zerstören!“, erklärte sie eindringlich. „Er benutzt andere für seine Taten. Ich werde Euch eine Karte zeichnen, damit Ihr genau wisst, wo das Dorf liegt und wie es dort aussieht.“

„Erst einmal wirst du dich ausruhen“, sagte der König ernst. „Du kannst nicht laufen und hast viel eingesteckt. Sieh es als Strafe, dass du mir solche Angst eingejagt hast, aber in der nächsten Zeit wirst du nicht kämpfen!“ In dieser Sache ließ er nicht mit sich verhandeln.

Fast schon trotzig verschränkte Fenrir ihre Arme, nachdem sie die Tasse auf den Beinen abgestellt hatte. „Ich werde es mir trotzdem nicht nehmen lassen, Euch zu beschützen“, erwiderte sie eindringlich und senkte dann den Blick. „Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie ich mich schäme.“

„Für was?“, fragte Freyr und hob leicht den Kopf, um sie zu mustern.

Erneut schniefte Fenrir. „Für alles …?“, fragte sie hilflos, bevor sie begann, aufzuzählen. „Dafür, dass ich einfach allein spazieren gegangen bin, wobei Kale mich entführt hat. Dafür, dass ich in der Zeit bei Vater so schlecht über Euch sprechen musste. Dafür, dass ich mit Kale schlafen musste, nur um sein Vertrauen zu gewinnen. Aber auch, dass ich Euch Sorgen bereite.“ Zum Ende hin wurde ihre Stimme immer leiser.

„Es ist dein Leben“, sagte Freyr ernst. „Deine Entscheidungen. Niemand kann sie dir abnehmen. Du kannst nur daraus lernen.“ Er würde niemals auf die Idee kommen, ihr Dinge zu verbieten, allerdings sollte sie die Konsequenzen aus ihren Handlungen lernen.

„Es fühlt sich an, als hätte ich Euch betrogen. Nur gab es keine andere Möglichkeit, zu Euch zurückzukehren. Vater hätte mich niemals gehen lassen“, flüsterte sie und begann, bitterlich zu weinen.

Freyr zog sie noch fester an sich. „Es ist alles gut, du bist ja wieder da“, sagte er beruhigend.

Sie rang sich ein kleines Lächeln ab, aber es half nicht, ihr Weinen zu beenden. „Ohne Eure Erlaubnis hätte ich niemals mit Kale geschlafen. Ich wusste nicht einmal, dass er starke Gefühle für mich hatte. Danach habe ich mich so schrecklich gefühlt. Ich musste ständig an Euch denken“, erzählte sie stotternd und drückte sich an Freyr, um Schutz zu suchen.

Freyr fragte nicht, ob es wirklich nötig war oder nicht. Er konnte sich gut vorstellen, dass Fenrir es auch getan hatte, um zu sehen, was geschah. Dass sie nur mit ihm gespielt hatte, musste ihr auch zusetzen.

Eine Weile schwieg sie und weinte. Dabei wurde ihr Körper durchgeschüttelt. Endlich konnte sie sich gehen und alles herauslassen, was sie zurückgehalten hatte. Irgendwann, als sie sich ein wenig beruhigt hatte, versuchte sie zu lachen. „Eigentlich müsste ich Euch böse sein, weil Ihr mich verzaubert habt. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an Euch gedacht habe. Aber ich bin glücklich, dass ich wieder hier bin.“

„Sowas nennt man Liebe“, meinte Freyr sanft. „Ich musste auch jeden Tag an dich denken. Es war teilweise so schlimm, dass ich nicht richtig arbeiten konnte.“

Fenrir zuckte zusammen und sah schuldbewusst zu ihm hoch. „Ist das … wirklich Liebe?“, fragte sie vorsichtig und hob ihre Hand, um seine Haare zu streicheln. Diese waren noch so weich, wie sie es in Erinnerung hatte. „Ich meine … ich bin mir meinen Gefühlen bewusst, aber bei Euch war ich mir nicht ganz sicher“, sagte Fenrir und schluckte. Es war eine Beleidigung gegenüber dem König, das war ihr bewusst, nur war ihr nicht ganz klar gewesen, wie Freyr liebte.

„Wenn du nur an mich denken musst, dann ist das sicherlich Liebe“, sagte er sanft und küsste ihre Nase. „Ich will nicht mehr ohne dich.“

Tief sah Fenrir ihm in die Augen und vergaß alles um sich herum. Genauso wie früher. Es gab nur Freyr und sie. „Ich auch nicht mehr ohne Euch“, flüsterte sie heiser. „Deshalb ist mir die Zeit bei Vater so schwergefallen, Eure Hoheit. Ihr wart mein erster Gedanke, als ich aufgewacht bin.“

„Jetzt wirst du hoffentlich jeden Tag neben mir aufwachen“, murmelte er und drückte ihr einen ganz sanften Kuss auf die Lippen.

Dieser löste in ihr ein Kribbeln aus, das sie schaudern und leise stöhnen ließ. „Wenn Ihr es wünscht, werde ich das“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen und hielt ihm auffordernd ihre Lippen hin.

„Ja, das wünsche ich mir“, flüsterte er und küsste sie erneut. Es fühlte sich so gut an. Wie sehr hatte er sie nur vermisst? Er konnte es nicht in Worte fassen.

Er spürte, wie Fenrir lächelte. „Dann bin ich glücklich, Eure Hoheit“, hauchte sie ihm an die Lippen und sah ihn aus verweinten Augen an. „Ich werde für immer bei Euch bleiben, solange Ihr mich wollt.“ Ob er ahnte, wie tief seine Worte ihr Herz berührten? Fenrir selbst konnte es nicht einmal verstehen. Aber das Kribbeln, das er in ihr auslöste, war eindeutig.

Er lächelte ein verheißungsvolles Lächeln, das Fenrir einen Schauer über den Rücken jagte.

Ihre Wangen wurden feuerrot und sie stupste ihm in die Seite, bevor sie kicherte. Fenrir fühlte sich befreit. Glücklich, auch wenn sie verletzt war. Es war das kleinste Übel, allerdings hieß das auch, dass sie sich in der Zeit ihm nicht hingeben konnte. „Wollt Ihr mir erzählen, was Ihr in der Zeit erlebt habt? Ich werde Euch alles nach und nach erzählen. Dazu ist es zu viel.“

„Nachdem du verschwunden bist, habe ich die gesamte Umgebung nach dir abgesucht“, gestand er leise und seufzte. „Dann habe ich die Feen gebeten, dich zu suchen. Ansonsten habe ich nicht viel getan.“

So ganz glaubte sie ihm das nicht. „Wart Ihr ein wenig beruhigter, als Dunja mich gefunden hatte?“, wollte sie wissen und kraulte zärtlich seinen Nacken.

„Nein. Ich hatte panische Angst, dass ich dich da nicht wieder herausbekomme oder du mich nicht mehr willst“, grummelte Freyr, genoss aber ihre Streicheleinheiten.

„Bei allen Göttern …“, grummelte Fenrir und drückte leicht seinen Nacken. „Ich hatte auch Angst, dass ich nicht mehr herauskomme. Aber glaubt niemals, wirklich niemals, dass ich Euch nicht mehr will. Ihr seid der … Einzige, den ich will“, versuchte sie es vorsichtig, aber eindringlich auszudrücken. Freyr gehörte ihr nicht, dennoch wollte sie ihn.

„Dunja hat erzählt, dass du deine Erinnerungen zurückhast“, murmelte er und seufzte leise. Dann zog er sie noch enger an sich.

So fest, dass sie sogar nach Luft schnappte. „Ja, das habe ich. Es ändert trotzdem nichts an meinen Gefühlen zu Euch. Es hat mir allerdings geholfen, die Zeit bei Vater zu überstehen“, erklärte sie ernst.

„Jetzt bist du wieder hier“, sagte er, um sich selbst zu beruhigen.

„Richtig. Bei Euch. Das ist alles, was zählt. Und dann kümmern wir uns um die Jäger“, schlug sie vor. Sie legte ihren Kopf an seine Halsbeuge und sog genussvoll seinen Duft ein. Er beruhigte sie ungemein und lenkte von allem anderen ab. „Wie lange war ich nicht bei Sinnen?“, fragte sie, als sie einen Blick nach draußen warf. Waren es Stunden, Tage oder gar Wochen gewesen? Der Himmel war voller dunkler Wolken und es regnete. Eine gemütliche Stimmung, die dazu einlud, im Bett zu bleiben.

„Nur wenige Stunden“, meinte Freyr, für den es sich angefühlt hatte, wie eine Ewigkeit.

„Wirklich?“, fragte Fenrir erstaunt, aber auch erleichtert, und zog erneut die Decke weg, um ihre Beine zu begutachten. „Was hat Euer Arzt genau getan?“, wollte sie wissen und zuckte zusammen, als eine besonders starke Windböe an den Fensterläden rüttelte. Wie hatte sich das Wetter in der kurzen Zeit so drastisch verändern können?

„Er hat deine Knochen gerichtet, sie geschient und dann verbunden“, erklärte Freyr angespannt. „Ich würde dich gern zum See bringen, damit dieser dich heilt, aber das kann ich nicht erklären. Hast du das Wasser noch bei dir?“

Traurig schüttelte Fenrir den Kopf. „Kale hat mir alles weggenommen. Vater wollte das Kleid verkaufen, was ich an dem Tag getragen habe“, erklärte sie leise.

„Das ist nicht gut“, seufzte Freyr. „Das Wasser sollte nicht an sie gelangen. Aber wahrscheinlich weiß er nicht, was das ist“, murmelte er und küsste beruhigend ihren Nacken. Jetzt hätte er es gebrauchen können.

„Ich weiß“, flüsterte sie und stöhnte leise. Die Tatsache, dass ihre Knochen doch schlimmer als angenommen gebrochen waren, erschütterte sie, aber es schockte sie nicht so, wie es sollte. Sie war eine Kriegerin, die sich nicht von Verletzungen abhalten lassen sollte, doch dann fiel ihr plötzlich etwas ein und sie schnipste mit den Fingern. „Nein, halt. Die Kette liegt im Zimmer. Ich habe sie an dem Abend absichtlich nicht getragen, weil ich mit Lady Aljah zusammen war.“

Sofort war Freyr hellwach und ließ von ihr ab. „Sehr gut. Dann werde ich sie sofort holen“, sagte er. Es würde sie nicht vollständig heilen, aber die Heilung beschleunigen.

„Ja, bitte“, sagte Fenrir mit strahlenden Augen und wurde ganz aufgeregt.

Freyr küsste sie noch einmal auf die Stirn, bevor er schnell das Zimmer verließ. Draußen hörte sie ihn kurz reden. Wahrscheinlich mit Serano oder seiner Tochter. Genau konnte sie es nicht sagen.

Sie lehnte sich zurück und wartete. Mehr konnte sie nicht tun. Sie würde gerne Suno, Sarano und Kaila sehen, aber sie wusste, dass es nicht der richtige Zeitpunkt dafür war.

Dafür nutzte sie die Zeit, nachzudenken. Endlich war sie wieder hier. Ihr Plan war geglückt, auch wenn er zum Ende hin nicht ganz so verlaufen war wie gewollt. Ihr war klar, dass Freyr deshalb ein wenig böse auf sie war. Sie konnte es ihm nicht verübeln.

Fenrir hatte viel riskiert und auch Schäden davongetragen. Dennoch war alles glücklich ausgegangen.

Es dauerte ein wenig, bis sich die Tür wieder öffnete. Es war jedoch Suno, die eintrat. „Ich bringe dir Essen“, sagte sie und kam mit einem großen Tablett auf sie zu. Es gab Suppe, Fleisch, Obst, Gemüse und viele andere Dinge.

„Suno!“, rief Fenrir erfreut aus und lächelte liebevoll. Das junge Dienstmädchen sah gut und gesund aus. Fenrir hatte sie vermisst. „Danke. Wie geht es dir?“, fragte sie aufgeregt und streckt ihre Hand nach ihr aus.

Suno stellte das Tablett auf den Tisch, der direkt neben dem Bett stand. Dort würde Fenrir selbst an ihr Essen kommen. Dann streckte sie die Hand aus und lächelte leicht, als sie Fenrirs Hand nahm. „Mir geht es gut“, sagte sie und klang erleichtert.

Sanft drückte sie Sunos Handrücken. „Ich bin so froh“, flüsterte Fenrir und schniefte erneut. Im Moment waren ihre Gefühle ziemlich aufgewühlt und sie konnte diese nicht so gut kontrollieren wie sonst.

„Ich bin froh, dass du wieder hier bist“, meinte Suno leicht lächelnd. „Bitte iss richtig, damit du schnell wieder zu Kräften kommst.“

„Das werde ich“, versprach Fenrir feierlich und griff nach der Suppenschüssel, die sie auf die Beine stellte. „Ich bin auch froh, euch zu sehen und wieder hier zu sein. Jetzt werde ich nicht mehr gehen.“

Suno strich sanft über ihren Arm, als die Tür aufging und Freyr hereinkam. Er hielt die Kette in der Hand und deutete Suno, dass sie gehen sollte.

Diese verließ den Raum, warf Fenrir aber noch ein Lächeln zu. Das Lächeln erwiderte Fenrir und begann zu essen.

Erst, als Suno aus dem Zimmer war, sah sie Freyr an. „Ihr habt sie gefunden. Zum Glück“, sagte sie erleichtert und klopfte auf das bequeme Bett. Sie wollte, dass er zu ihr kam.

Freyr nickte und hielt die Kette mit der kleinen Phiole hoch, um sie aufzuschrauben. „Du solltest es sofort trinken.“

Fenrir nahm die Phiole entgegen und schnupperte daran. Es war unnötig, doch das hatte sie sich angewöhnt. Dann setzte sie den kleinen Glasbehälter an ihre Lippen und trank langsam und bedächtig. Viel war es nicht, was die Phiole hergab.

Es war das Wasser aus dem See und schmeckte wunderbar. Sie spürte sofort, dass ihr warm wurde. Als würde ihr Körper schneller arbeiten.

Ihre Wangen färbten sich rot und die Wärme breitete sich in ihr aus. Es war angenehm, aber es ließ sie durstig werden. „Die Wirkung scheint stark zu sein“, murmelte sie, als sie spürte, dass ihre Schmerzen in den Beinen weniger wurden.

„Ja, ist sie“, sagte Freyr, der ihr sofort die Suppe reichte. „Du musst jetzt gut essen. Dein Körper wird viel mehr brauchen als sonst. Bis die Wunden verheilt sind.“

„Ich habe auch Hunger“, sagte sie beruhigend und löffelte eifrig. Die Suppe war kräftig gewürzt und auch leicht scharf.

In den letzten Tagen hatten sie nicht viel gegessen, weil sie ihr Ziel schneller erreichen wollten. Daher holte sich Fenrirs Körper nun das, was sie brauchte.

Während sie aß, schwieg sie, doch sie spürte Freyrs Blicke auf sich. „Bitte verzeiht mir alles, was ich getan habe“, bat sie flüsternd, als sie die leere Suppenschüssel wegstellte und nach dem Fleisch griff. Ihr Hunger war enorm, was ungewohnt war. Es lag wohl an dem Wasser, das ihren Körper dazu verleitete, Höchstleistungen zu vollführen.

„Ich verzeihe dir“, sagte er sanft, bevor er ihr ein Glas Wasser einschenkte und es ihr hinhielt.

Fenrir senkte den Blick und schloss einen Moment die Augen. Seine Worte beruhigten sie. Er hatte in seiner Nachricht gesagt, dass er ihr verzeihen würde, doch es war eine lange Zeit gewesen, in der sie ihn nicht gesehen hatte. „Ich danke Euch, Hoheit“, flüsterte sie nach einigen Schlucken. „Ihr seid so großzügig.“

Freyr fuhr ihr sanft durch die Haare. „Ich respektiere die Leute. Das ist wichtig“, sagte er sanft, bevor er ihr ein Stück Fleisch vor den Mund hielt.

Das nahm sie ihm mit den Lippen ab und kaute genussvoll darauf herum. „Ich weiß. Das macht Euch zu einem tollen König“, sagte sie und schluckte. Fenrir legte ihre Hand auf seine Wange und sah ihm direkt in die goldbraunen Augen. „Ich liebe Euch, Eure Hoheit. Mehr als alles andere. Ich würde mich nie gegen Euch stellen, weil Ihr das Wichtigste für mich seid“, sagte sie heiser.

Jetzt war es raus.

„Und du bist das Wichtigste für mich“, antwortete Freyr sanft und küsste zärtlich ihre Lippen.

Leicht lächelte Fenrir und erwiderte den Kuss. „Das habt Ihr lieb gesagt“, hauchte sie gegen seine Lippen, bevor sie sich von ihm zurückzog, um weiter zu essen. Wenigstens jetzt wollte sie ihm keine Sorgen bereiten. „Zum Glück habe ich nicht erneut mein Gedächtnis verloren“, scherzte sie und steckte sich eine Traube in den Mund, hielt ihm aber auch eine hin.

„Das hätte mich noch mehr fertig gemacht“, sagte er seufzend, bevor er ihr mit den Zähnen die Weintraube aus den Fingern zupfte.

Dabei berührte er sie wahrscheinlich unbeabsichtigt, doch sie spürte ein leichtes Kribbeln, das sie zum Lächeln brachte. „Nicht nur Euch. Alles neu erlernen ist anstrengend“, behauptete Fenrir und lehnte sich bequemer in den Kissen zurück, hörte aber nicht auf, ihn und sich selbst zu füttern. „Wie … geht es Kale?“, wollte sie leise wissen.

„Er wird versorgt“, versicherte Freyr. „Kaila kümmert sich um ihn“, sagte er beruhigend.

„Na hoffentlich geht das gut“, grummelte Fenrir, war aber erleichtert, dass man ihn versorgte.

Als die Hälfte der Speisen vertilgt waren, hörte Fenrir mit dem Essen auf und sah zum Fenster hinaus. „Wie geht es Euch?“, fragte sie gedankenverloren und bemerkte gar nicht, dass sie seine Hand festhielt und streichelte.

„Mir geht es gut“, versicherte er. „Besser als dir zumindest“, korrigierte er sich und seufzte leise. „Jetzt muss ich mir nicht mehr so große Sorgen machen.“

„Und ich muss Euch nicht mehr vermissen“, fügte Fenrir hinzu. Sie ließ seine Hand los und fuhr ihm über seinen Bart. „Das grässliche Ding ist ja immer noch da“, bemerkte sie trocken, aber verschmitzt. „Die Wette ist wohl vergessen?“

Freyr lachte rau. „Das ist sie, sonst hättest du wohl verloren“, grinste er, bevor er ihre Nase küsste.

„Habe ich sowieso“, erwiderte sie nüchtern. Schließlich hatte sie seinen Kuss erwidert. „So ein Mist.“

Freyr lachte. „Das ist doch nicht schlimm. Solange wir uns wiederhaben“, sagte er und streichelte sie.

Da hatte er Recht. „Es wird mich trotzdem nicht davon abhalten, eine erneute Wette mit Euch abzuschließen, um das grässliche Teil wenigstens stutzen zu können“, neckte sie den König und schmiegte sich an ihn. Es tat gut, mit ihm zu reden. Ihn zu fühlen und zu hören.

Freyr grinste, bevor er sich zu ihrem Ohr beugte. „Wenn du mich heiratest, rasiere ich ihn mir ab.“

„W-Wenn was?“, wiederholte sie ungläubig und blinzelte ihn an. Hatte er wirklich heiraten gesagt oder waren Fenrirs Sinne noch nicht ganz da? War ihm bewusst, dass es eine schreckliche Zeit werden würde? Mylady Isis nahm es sicher nicht so gelassen hin, dass sie ersetzt werden sollte. Fenrir ging sogar davon aus, dass Mylady Isis sich vehement dagegen wehren würde. „Ihr seid aber noch verheiratet“, erinnerte sie ihn vorsichtig.

„Aber nicht mehr lange“, sagte Freyr entschieden. Er ließ es sich nicht nehmen, sich von seiner Frau zu scheiden. Sie gab ihm auch immer mehr Gründe dafür.

Nachdenklich sah Fenrir den König an. Sie wusste, warum er sich von seiner Frau trennen wollte. „Ihr wisst, dass es bei ihr sauer aufstoßen wird, wenn ich Eure Frau werde? Auch bei den meisten Haremsdamen?“, wollte sie wissen.

„Ja, aber das ist mir egal. Es ist meine Entscheidung“, erklärte er ernst. „Isis ist mir egal.“

Fenrirs Augen begannen zu leuchten. Sie konnte kaum fassen, was er gesagt hatte. „War das gerade ein indirekter Antrag oder eher ein Befehl, dem ich nachkommen sollte?“, fragte sie zwinkernd.

„Den Antrag mache ich dir offiziell, sobald ich von Isis geschieden bin“, meinte er grinsend. Er konnte nicht beschreiben, wie glücklich er war, dass sie es nicht ablehnte.

„Aha“, gab Fenrir vergnügt von sich und legte ihre Hände an ihre heißen Wangen. Sie war rot wie eine überreife Frucht. Allein Freyrs Worte hatten das verursacht und sie schaffte es nicht, ihre Freude darüber zu verstecken. „Seit wann gedenkt Ihr denn, mich zu Eurer Frau zu nehmen?“, fragte sie neugierig.

Freyr tat kurz so, als würde er nachdenken. „Eigentlich schon wenig, nachdem du zu mir kamst“, gestand er grinsend.

Mit hochgezogenen Augenbrauen warf Fenrir ihm einen tadelnden Blick zu. „Und das sagt Ihr mir erst jetzt“, meinte sie kopfschüttelnd, verstand aber, warum er zuvor nie etwas hatte verlauten lassen. Der König hatte sich nicht sicher sein können, ob sie ihm nur etwas vorspielte oder nicht. „Leider müsst Ihr jetzt mit einer Frau rechnen, die nicht nur süß und nett, sondern auch ziemlich kontern kann und nicht mehr so wehleidig ist“, erklärte sie leise. Vielleicht gefiel ihm die neue Fenrir nicht, wobei sie sich nur geringfügig verändert hatte.

„Ich freue mich schon darauf, dich neu kennenzulernen“, meinte Freyr, der sich tatsächlich darauf freute.

Kichernd schmiegte sich Fenrir an ihn und gab ihm einen Kuss auf den Hals. „So viel habe ich mich nicht verändert“, beruhigte sie ihn, meinte jedoch, dass sie nun durch die Erinnerungen wieder die Frau war, die sie es einst gewesen war. „Nur habe ich die Seiten gewechselt“, schnurrte sie an seiner Haut.

Freyr küsste sie erneut sanft. „Komm, iss noch etwas. Dann musst du dich ausruhen.“

Dankend lehnte Fenrir ab. Im Moment hatte sie genug gegessen, aber zum Ausruhen sagte sie nicht nein. Nach einem ausgiebigen Schlaf würde sie jedoch wieder essen. Jetzt war sie zu müde. „Alles, was ich gerade möchte, ist Eure Nähe und Umarmung, Hoheit“, gestand sie verlegen und schüchtern.

„Dann werde ich bei dir bleiben und wir schlafen zusammen“, entschied Freyr. Auch er war müde, wollte sie aber nicht allein lassen.

Freudig gab sie ihm einen Kuss und sah ihm tief in die Augen. „Zuerst müsst Ihr mir jedoch helfen, zu rutschen, sonst habt Ihr keinen Platz“, flüsterte sie ihm an die Lippen. Das Bett war groß genug, doch sie lag fast in der Mitte.

Nachdem er ihr geholfen und sich zu ihr gelegt hatte, schmiegte sich Fenrir an seine warme Brust und seufzte glücklich. „Endlich wieder zuhause … dort, wo ich sein will und hingehöre“, murmelte sie müde, bevor sie sich der Müdigkeit hingab und einschlief.

 

 

Einige Wochen später besuchte Freyr Fenrir mit einem Stuhl an dem Rollen angebracht waren. Er schenkte ihr ein Lächeln. „Ich dachte mir, du willst vielleicht hinaus in den Garten“, bot er an.

Fenrir, die im Bett saß und halb gedöst hatte, war mit einem Schlag hellwach. „Und ob ich das will!“, rief sie begeistert und warf die Bettdecke aufgeregt zur Seite. Wochenlang hatte sie in Freyrs Bett gelegen, hatte nichts tun dürfen und sich gelangweilt, wenn Freyr arbeiten musste. Zwar hatte sie gelesen, aber auch Dinge von ihrer Zeit bei Vater aufgeschrieben, damit er Anhaltspunkte und Hilfe hatte.

Es war grässlich gewesen, zum Liegen gezwungen zu sein, doch Fenrir jammerte nicht, weil es ihre eigene Schuld war. „Was ist das denn für ein komischer Stuhl?“, fragte sie unschlüssig und robbte irgendwie an die Kante des Bettes. Wie sollte sie sich mit dem Metallgestell dort hinsetzen?

Freyr kam zu ihr und hob sie sanft hoch, bevor er sie zu dem Stuhl brachte. Dort setzte er sie ab und stellte die Beinstützen so ein, dass diese Fenrirs Beine hielten.

„Merkwürdiges Teil“, murmelte sie und lächelte ihn dankbar an. „Danke, Eure Hoheit.“ Sie konnte es kaum erwarten, wieder nach draußen zu kommen. Sein Fenster war zwar die meiste Zeit gekippt, sodass sie frische Luft bekam, doch es war nicht das Gleiche wie im Garten zu spazieren.

Das schlechte Wetter war besser geworden, doch bald würde es kälter werden. Der Winter war zum Glück nicht so streng wie bei Vater. Außerdem halfen die Feen und anderen magischen Wesen, die Blumen hier zu versorgen, sodass sie teilweise auch im Winter blühten.

„Ein Erfinder hat den Stuhl gebaut. Er ist wirklich hilfreich“, sagte der König und küsste von hinten ihren Kopf, bevor er sie mit dem Stuhl zusammen nach draußen schob.

Tief sog Fenrir die klare Luft ein und lachte befreit. Der Geruch von Blumen hing in der Luft, der sie verzauberte. „Ist das schön“, hauchte sie entzückt und breitete ihre Arme aus. „Ich würde so gerne mit Euch tanzen!“ Tatsächlich fiel es ihr schwer, überhaupt ruhig sitzenzubleiben. Auch, weil einige Haremsdamen draußen waren und zu ihnen hinübersahen.

Sie fühlte sich nicht gut genug. Fenrir trug zwar ein schönes Kleid, doch wegen ihrer Verletzungen war es recht schlicht.

„Ich auch“, sagte er und küsste erneut ihren Kopf, während er sie die Wege entlang schob, bevor er stehenblieb.

Langsam ließ Fenrir ihren Blick schweifen. Er hatte sie in einen Teil des Gartens gebracht, der keine Blumen aufwies. Das Einzige, was wuchs war Unkraut in rauen Mengen, das teilweise bereits verdorrt war. Verwirrt sah sie zu ihm hoch. „Warum sind wir hier?“, fragte sie unschlüssig. „Wollt Ihr mich etwa vergraben?“, scherzte sie, doch es erschloss sich ihr nicht, was sie hier taten.

Freyr lachte leise. „Das hier ist eine Brachfläche“, erklärte er. „Hier ist nichts angepflanzt. Was hierherkommt, sollst du entscheiden.“

„Ich?“, fragte sie noch mehr verwirrt, aber ihre Augen strahlten. Anpflanzen und gärtnern mochte sie. „Wieso denn? Braucht Ihr die nicht selbst?“

„Ich wollte, dass du einen Platz für dich hast“, sagte er lächelnd und streichelte ihre Wange.

Begeistert hob Fenrir ihre Hand und zog ihn an seinem Nacken zu sich hinunter, um ihn innig zu küssen. „Ihr meint, dass ich mich nicht langweile und Unsinn anstelle?“, fragte sie kichernd und mit strahlenden Augen. Seine Überraschung ließ sie Feuer und Flamme werden. Einen eigenen, kleinen Garten zu haben, hatte sie sich schon immer gewünscht.

Freyr lachte. „Das auch. Aber ich dachte mir, dass du dich entweder an den Blumen erfreuen oder dort Kräuter anbauen kannst“, schlug er vor. „Zudem hast du mir gezeigt, dass du Interesse an Kräutern hast. Willst du von den Heilern lernen?“

„Ja!“, rief sie atemlos und konnte sich kaum noch halten. Sie zitterte vor Freude so stark, dass sogar der Stuhl wackelte. Es wäre ein großer Vorteil, wenn sie lernen würde, wie man die Kräuter zur Heilung verwendete. Ein bisschen wusste sie von Vater und Kale, doch die Heiler kannten sich bestimmt noch besser damit aus. „Aber … wie soll ich das machen? Ich kann doch gar nicht laufen“, bemerkte sie mit dem Blick auf ihre Beine, die dick in Verbänden steckten.

„Im Moment ist es auch Winter“, sagte Freyr sanft. „Ich möchte, dass du etwas hast, auf das du dich freuen kannst. Die Heiler sagen, dass du in einigen Monaten die ersten Versuche zu laufen unternehmen kannst.“

„In einigen Monaten?“, rief Fenrir entsetzt und schlug sich die Hand vor den Mund. Solange musste sie warten und ruhig sitzen bleiben? Das klang danach, dass die Brüche doch komplizierter waren, als sie angenommen hatte. „Was soll ich denn solange machen?“

„Tut mir leid, aber die Heiler sind da strikt. Erst, wenn alles verheilt ist, darfst du dich wieder mehr bewegen“, sagte er ernst. „Sonst kann es zu Fehlstellungen deiner Beine kommen.“

Diese Aussicht trübte ihre Freude. Seufzend und niedergeschlagen fuhr sich Fenrir durch die Haare. „Keine Bewegung und viel Essen …“, grummelte sie frustriert und sah sich in kurzer Zeit als eine dicke Frau, die nicht mehr auf den Stuhl passte und sich kaum bewegen konnte. Bei ihrem Appetit würde das bestimmt passieren. So etwas war für eine Haremsdame oder seine zukünftige Frau unwürdig. Zwar hatten manche von Freyrs Frauen ein wenig mehr auf den Rippen, doch sie waren nicht dick.

„In der Zeit werden sich meine Muskeln völlig zurückbilden. Kann ich nicht wenigstens Übungen machen?“, sagte sie eindringlich. So konnte Fenrir ihn kaum beschützen. Es hieß auch, dass sie solange nicht mit ihm als Drache fliegen und die magischen Wesen besuchen durfte. Das war ärgerlich und sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu weinen. Auch würde die Zweisamkeit mit ihm darunter leiden und das wollte sie nicht. Sie sehnte sich nach seinem Körper.

„Nicht mit deinen Beinen“, warnte Freyr, war aber sonst nicht abgeneigt.

„Bitte, Eure Hoheit“, quengelte Fenrir ungeduldig. „Irgendetwas, damit meine Muskeln nicht ganz abbauen. Ich werde auch übervorsichtig sein und mich an alles halten“, versprach sie eindringlich. „Aber ich brauche Bewegung.“

Freyr streichelte ihre Wange. „Wir werden sehen, was die Ärzte sagen“, entschied er. „Vielleicht können wir erste Übungen machen.“

Mit seiner Antwort war Fenrir durchaus zufrieden. Es bestand die Möglichkeit, sich zu bewegen. Das Liegen und Sitzen in den letzten Wochen waren anstrengender als gedacht, weil sich ihr Körper ständig bewegen wollte. „Danke“, flüsterte Fenrir lächelnd. Mehr konnte sie ihn nicht drängen, sonst würde er es völlig verbieten. In diesem Punkt erinnerte er sie an Vater.

„Wenn das hier mein Teil des Gartens wird, würde ich gerne Kräuter und Blumen anpflanzen. Vorwiegend solche, die von den Feen versorgt werden können. Meint Ihr, das ist eine gute Idee?“, fragte sie, um abzulenken. Dass er ihr sozusagen einen Teil des Gartens schenkte, überraschte sie. Fenrir nahm sich vor, für die magischen Wesen ein Paradies zu schaffen. Es kam auch Freyr zugute.

„Du kannst die Feen gerne um Hilfe bitten“, meinte der König nachdenklich. „Sie können dir zeigen, was hier gut wächst.“

Erfreut nickte Fenrir. Der Winter würde lang werden, aber sie hatte, wie Freyr schon gesagt hatte, etwas, auf das sie sich freuen konnte. Schon jetzt konnte sie es kaum erwarten, das Brachland in eine wunderschöne Oase für die Feen und andere magische Wesen zu verwandeln.

Allerdings drehte sie sich zu Freyr halb um und sah ihn fragend an. „Darf ich dann selbst in den Beeten wühlen oder darf das eine Haremsdame nicht?“, erkundigte sie sich.

Freyr schnaubte. „Was interessiert es mich, was eine Haremsdame darf. Wühl so viel du willst“, sagte er abwinkend. „Ich dachte aber, dass ein Pavillon hier gut hinpasst. Damit du einen schattigen Platz für dich hast.“

Sein Schnauben brachte Fenrir zum Lächeln. Es schien, als wäre es ihm egal, was gut war, da sie dann tun konnte, was sie wollte. Ob er auch noch so reagierte, wenn sie ihn wirklich heiratete? Bei dem Gedanken wurde ihr ganz schwummerig. „Was genau ist ein Pavillon?“, fragte sie und legte den Kopf schief. Ihre Mutter hatte von einem gesprochen. Den hatte sie jedoch nie zu sehen bekommen.

„Eine Art Dach auf Stelzen“, versuchte der König ungeschickt zu erklären.

„Wenn Ihr meint, dass er Schatten spendet, bin ich damit einverstanden“, kicherte sie amüsiert über seine hilflose Erklärung. Noch konnte sich Fenrir darunter nichts vorstellen, aber sie würde einige Bücher lesen und die Haremsdamen dazu befragen, sobald sie diese wieder traf. Womit sie wieder bei ihrer Frage, die sie den ganzen Tag schon beschäftigte, angelangte. „Wie ist das eigentlich jetzt mit meinem Zimmer bei den Haremsdamen?“, fragte sie nach, weil sie die Treppen dorthin gar nicht bewältigen konnte. Die letzten Wochen hatte sie in Freyrs Zimmer gelebt und hatte lediglich Suno und ihn zu Gesicht bekommen. Nicht einmal die Ärzte hatte sie gesehen und sie fragte sich, warum. Mussten sie nicht nach den Wunden und Knochen sehen?

Oder wollte Freyr sie nicht dahaben, wegen dem heilenden Wasser?

„Ich kann dir einen zeigen“, bot Freyr unschlüssig an. Dieser lag im Bereich der Haremsdamen oder in Isis Garten. Beides nicht gerade leichtes Territorium. „Und zu deiner Zimmerfrage: Das werden wir sehen, sobald es dir besser geht.“

„Ich frage, weil es durchaus schwer werden kann, wenn Ihr mich jede Nacht bei Euch haben wollt“, antwortete Fenrir verschmitzt. Ihr Blick war frech und verführerisch, als sie unschuldig zu ihm hochsah. „Das mit dem Pavillon können wir ein anderes Mal machen. Ich gebe es ungern zu, aber mir ist kalt.“ Ein heißes Bad wäre himmlisch, doch auch das wurde ihr verwehrt.

„Ich sehe darin kein Problem“, meinte Freyr, der sie wieder Richtung Schloss schob. Das nächste Mal würde er Decken für sie mitnehmen.

Auf dem Weg bat sie ihn, stehenzubleiben. „Wollt Ihr mich jetzt schon zurückbringen? Ich würde gerne noch die Feen besuchen. Dunja muss für ihre Hilfe ausgiebig belohnt werden“, erinnerte Fenrir ihn. Ihr war zwar kalt, aber sie hatte die kleinen Wesen vermisst.

„Das geht leider erst, wenn die anderen schlafen“, meinte Freyr entschuldigend. Es war einfach zu viel los.

Seufzend nickte Fenrir. Der König hatte Recht. Nur, weil sie länger nicht da gewesen war, konnte sie nicht einfach vergessen, dass sie trotz allem vorsichtig sein musste. „Verzeiht. Ich freue mich einfach unheimlich, wieder hier zu sein“, flüsterte sie ihm zu. Ob die Haremsdamen überhaupt etwas darüber gesagt hatten, dass Fenrir plötzlich nicht mehr kam, wusste sie nicht. Für ein paar von ihnen war es bestimmt recht gelegen gekommen. „Darf ich bald Lady Sinon wiedersehen?“ Die ruhige Art ihrer Mentorin hatte sie ebenfalls vermisst.

„Wenn du willst, werde ich sie holen, damit sie dich besuchen kann“, schlug Freyr unschlüssig vor. „Sie macht sich Sorgen.“

Das machte sich Fenrir auch. Aus dem einfachen Grund, weil sie nicht wusste, ob der König irgendetwas hatte verlauten lassen. Um sicher zu gehen, fragte sie ihn danach, während er sie zurück zum Schloss schob. Ihnen kamen einige Dienstmädchen entgegen, die grüßten, aber wenigstens keine Haremsdamen. So fühlte sie sich auch wohler. Es war angenehmer, wenn die Haremsdamen sie so nicht sahen. Sie hatte Angst vor Spott und Hohn.

„Habt Ihr irgendetwas verlauten lassen, warum ich nicht da war?“, fragte Fenrir vorsichtig. Es war schwer, erneut Lügen zu finden und sie wollte Lady Sinon auch nicht beschwindeln, indem sie etwas anderes sagte als der König.

„Gegenüber Sinon habe ich gesagt, dass du einen Unfall hattest“, erklärte Freyr, der sie nun wieder hineinfuhr und zu seinem Zimmer brachte.

Sie öffnete die Tür, sodass er sie gleich hineinschieben konnte. Das konnte sie wenigstens. „Und was für einen Unfall soll das gewesen sein?“, erkundigte sich Fenrir, sobald sie allein waren. Erleichtert, dass sie niemand aufgehalten hatte, atmete sie auf. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie sich angespannt hatte. „Ich möchte Euch nicht in eine unangenehme Situation bringen, wenn ich etwas Falsches sage.“

„Ich habe gesagt, du wurdest angegriffen“, erklärte Freyr zähneknirschend. „Aber nicht, warum oder von wem. Das würde ich geheim halten, sonst aber so weit wie möglich an der Wahrheit bleiben. Allerdings habe ich auch nichts von deiner Entführung gesagt.“

„In Ordnung“, stimmte Fenrir zu und streckte ihre Arme nach ihm aus. Seine Nähe würden ihr guttun und ihr helfen, sich zu beruhigen. „Würdet Ihr mich in den Arm nehmen oder müsst Ihr gleich arbeiten?“ In der Zeit konnte sie die Karte ausarbeiten und mehr Details aufschreiben.

Statt etwas zu sagen, hob Freyr sie aus dem Rollstuhl und setzte sich mit ihr zusammen in einen Sessel und hielt sie an sich gedrückt, bevor er ihre Stirn küsste.

Wie immer schmiegte sie sich sofort eng an ihn und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Dank Freyr war die Position einigermaßen angenehm, aber Fenrir konnte es nicht erwarten, ihre Beine wieder bewegen zu können. Es war nervig, so eingeschränkt zu sein.

Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und genoss seine Nähe. „Ich würde Euch gerne in der Zeit mit den Papieren unterstützen, damit Ihr nicht so viel an Arbeit habt“, flüsterte sie.

„Das können wir versuchen“, murmelte Freyr leise an ihre Haut. „Ich möchte aber vorher noch einmal die Ärzte über deine Beine sehen lassen.“

Ausgiebig kraulte sie seinen Nacken und fuhr dann mit ihren Fingern seine Gesichtskonturen nach. „Ich würde so gerne baden, Eure Hoheit“, erklärte sie und musterte sein markantes Gesicht, das unter dem dichten Bart weicher wirkte. Seit Wochen hatte sie das nicht mehr und sie fühlte sich schmutzig. Außerdem juckte es schrecklich. Die Schwammbäder, die sie ab und an bekam, waren nicht das Wahre.

„Deshalb werden die Ärzte kommen. Die Zeit, die sie vorgegeben haben, ist um“, sagte er sanft. „Vielleicht darfst du jetzt schon wieder baden und musst es nicht ertragen, von Suno nur mit Schwamm gewaschen zu werden.“

Strahlend hob Fenrir ihren Kopf. „Dann werde ich auch dieses komische Gestell los?“, fragte sie aufgeregt und zappelte leicht. Das hatte sie in der Zeit am meisten gestört, weil sie so überhaupt nicht bequem hatte liegen können.

„Ja. Wenn die Ärzte sagen, dass es in Ordnung ist“, sagte der König mit ruhiger Stimme.

Erfreut und stürmisch küsste sie Freyr auf die Lippen. Hoffentlich kamen die Ärzte bald. „Danke, dass Ihr mir einen Teil des Gartens überlasst“, hauchte sie und sah ihm tief in seine Augen. Fenrir erinnerte sich nicht mehr genau, ob sie sich bereits bedankt hatte, aber ihrer Meinung nach konnte man das nicht oft genug.

Freyr lächelte ihr zu, bevor er sich erhob und sie Richtung Bett trug. „Ich möchte doch, dass du alles hast, was du brauchst“, sagte er sanft, bevor er sie ablegte. „Ich hole jetzt die Ärzte. Sie sollen sich deine Beine besehen.“

Zustimmend nickte Fenrir, hielt aber seine Hand einen Moment fest, sodass er sich setzen musste. „Ich habe alles, was ich brauche. Und das seid Ihr, Eure Hoheit“, erwiderte sie ernst. Hoffentlich gaben die Ärzte grünes Licht, damit sie endlich wieder ein Stück Normalität zurückbekam.

Freyr tippte ihr an die Nase. „Und trotzdem würde ich dir den Mond vom Himmel holen, wenn es dich glücklich macht“, sagte er, bevor er ihre Nase küsste und sich dann erhob, um die Ärzte zu holen.

Er hörte noch, wie Fenrir kicherte, aber es wurde still, sobald er die Tür schloss.

„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Meister Sarano, der sich in der Zeit wieder als Wache positioniert hatte. Seine Tochter war bei Kale und versorgte ihn, weshalb er allein war.

„Ja. Ich hole jetzt die Ärzte“, seufzte Freyr, der angespannt war. Er wusste, dass Fenrir das Wasser geholfen hatte. Was würden die Ärzte dazu sagen?

Es würde ihnen bestimmt seltsam vorkommen, wenn die Verletzungen sich gebessert hatten. Das war untypisch.

„In Ordnung. Ich werde hier warten“, erwiderte Sarano und lehnte sich gegen die Wand. Er nahm seine Pflicht, auf Fenrir aufzupassen, ernst. Was gut war, denn so beruhigte er den König.

Dieser machte sich auf den Weg und hoffte, dass die Ärzte bereits angekommen waren. Es waren andere als das letzte Mal, denn er hatte extra nach den besten Heilern in seinem Reich gesucht.

Noch hatte niemand verlauten lassen, dass sie eingetroffen waren. Eventuell hatte sich die Reise verzögert. Das wäre aufgrund der unterschiedlichen Städte und Dörfer, in denen die Ärzte lebten, nicht unwahrscheinlich.

Kaum betrat Freyr die Eingangshalle, kam ein Dienstmädchen auf ihn zu. Tief verbeugte sie sich vor ihm und zog ihren Rock leicht zur Seite. „Eure Majestät. Zwei Ärzte sind soeben eingetroffen“, informierte sie ihn.

„Sehr gut“, seufzte Freyr, der schon ungeduldig geworden war, weil niemand ihn geholt hatte. „Bringt ihnen etwas zum Essen und Trinken. Sobald sie sich etwas ausgeruht haben, schickt sie zu mir ins Zimmer“, befahl er. Die Reise musste anstrengend gewesen sein und sie mussten sich zuerst erholen, damit sie keine Fehler machten.

Erneut verbeugte sich das Dienstmädchen. „Wie Ihr wünscht. Sie warten im kleinen Empfangsraum. Ich werde Euch informieren, wenn die anderen eintreffen“, erklärte sie mit ruhiger, leiser Stimme.

Freyr nickte. „Kümmer dich um sie und bringe sie, sobald sie bereit sind, in mein Zimmer“, sagte er noch einmal. Er hatte keinen Kopf für andere. Nicht, solange er Fenrir allein lassen musste, um das zu tun.

Das Dienstmädchen nickte und eilte davon. Er wusste, dass er auf sie zählen konnte.

In dem Moment kam Kaila in die Eingangshalle. Sie grüßte den König respektvoll und lächelte schief.

„Kaila“, grüßte auch er. „Wie geht es dem Gefangenen?“, fragte Freyr mit versucht ruhiger Stimme. Er war wütend auf Kale, doch dieser war Fenrir wichtig.

„Dem Umständen entsprechend gut. Seine Verletzung an der Hand heilt, doch sie scheint sich leicht entzündet zu haben“, informierte Saranos Tochter ihn und sie musterte Freyr. Er sah gestresst und angespannt aus. „Ein Arzt sollte es sich eventuell ansehen.“

„Sobald sie sich Fenrir angesehen haben“, sagte Freyr nickend. Danach konnten sie sich um Kale kümmern. Bis dahin würde er Fenrir nichts davon sagen. Sie sollte sich keine Sorgen machen.

Kaila nickte. „Geht es Fenrir gut? Soll ich die Ärzte dann dorthin bringen oder wollt Ihr das selbst tun?“, wollte sie wissen. Bisher hatte er Kale nicht besucht. Zumindest wusste sie nichts davon.

„Ich werde mit Fenrir darüber sprechen. Vielleicht möchte sie mit“, sagte er nachdenklich. „Ich kümmere mich um alles. Pass du weiter auf ihn auf.“

„Mache ich“, antwortete Kaila und lächelte schief, bevor sie wieder in die Richtung ging, aus der sie gekommen war.

Auch Freyr ging wieder zurück, um Fenrir zu informieren. „Die Ärzte kommen bald und schauen nach dir. Danach werde ich sie zu Kale bringen. Möchtest du mit?“

Verblüfft hob Fenrir den Kopf und spürte, wie ein Engegefühl sich in ihrer Brust ausbreitete. Es gab so viel zu erklären und sie wusste, dass Kale ihr niemals glauben würde. Ganz bestimmt hasste er Fenrir. Verübeln konnte sie es ihm nicht, immerhin hatte sie ihn verraten. Aber insgeheim hoffte sie, dass er ihr eines Tages verzeihen würde. „Ich darf zu ihm?“, fragte sie atemlos. Sie war davon ausgegangen, dass sie ihn nicht wiedersehen würde, weil er Freyrs Gefangener war.

„Ja, natürlich darfst du das. Aber es gefällt mir nicht, solange du selbst nicht laufen kannst“, gestand er. Dennoch würde er sie mitnehmen und auf dem Arm behalten.

Fenrir fasste nach seiner Hand und drückte sie sanft. „Ich danke Euch. Das bedeutet mir viel. Ihr müsst wissen, dass Kale wie ein Bruder für mich ist.“ Hoffentlich kam Kale nicht auf die Idee, etwas Dummes zu tun. Das würde Freyr noch wütender machen und vielleicht sogar dafür sorgen, dass sie ihn nie wieder sehen konnte.

„Ich weiß, daher wird sich auch um ihn gekümmert“, erklärte Freyr, der sanft ihre Nase küsste.

„Ihr seid so großzügig“, flüsterte Fenrir heiser und spürte, wie Tränen in ihre Augen traten. Freyr war überhaupt nicht so, wie Vater behauptete. Er war liebevoll, einfühlsam und sanft. Dass er Kale nicht einfach getötet hatte, obwohl er die Möglichkeit dazu gehabt hatte, fand Fenrir äußerst zuvorkommend. Doch sie wusste gleichzeitig, dass Kale das wohl als eine Art Manipulation sehen würde.

„Ich tue vieles für dich“, sagte er sanft und zog sie in die Arme. Allerdings ließ er sie wieder los, als es an der Tür klopfte. Kurz darauf traten zwei Ärzte ein.

Schnell wischte sich Fenrir die Tränen aus den Augen, um sie zu mustern und ihnen ein freundliches Lächeln entgegenzubringen. Der ältere, große Mann mit den grauen Haaren und weißem Bart erinnerte sie irgendwie an Vater, doch sein Alter schien ihn nicht zu stören. Sein aufrechter Gang und seine Körperhaltung zeigten, dass er körperlich in Form war. Einzig sein einschüchternder, fast schon arroganter Blick ließ Fenrir den Kopf einziehen.

Sein Genosse, der knapp anderthalb Köpfe kürzer war als er, sah ihr ernst, aber mit weitaus freundlicherem Blick entgegen.

Wer waren die beiden? Fenrir hatte sie noch nie gesehen.

Sie verneigten sich höflich vor dem König, wobei Fenrir erkannte, dass der Jüngere seine grünen Augen unauffällig durch Freyrs Schlafzimmer schweifen ließ. Scheinbar interessierte ihn die Gemälde, aber auch die Ausstattung. Was Fenrir verstehen konnte.

„Wie geht es denn der Patientin?

---ENDE DER LESEPROBE---