Aingeru Aroha: Dämonenherz - Jadelyn Kaya - E-Book

Aingeru Aroha: Dämonenherz E-Book

Jadelyn Kaya

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Beschreibung

Langsam lebt sich Saori bei Aaron ein. Der Engel ist stets für eine Überraschung gut, von der sie nicht immer weiß, was sie davon halten soll. Durch ihn lernt sie nicht nur viele Unterschiede zwischen Himmel und Hölle kennen, sondern auch neue Gefühle, die sie nicht zuordnen kann. Die beiden kommen sich näher und Saori vergisst dadurch fast das bevorstehende Tanzfest. Jedoch scheint nicht nur Tabitha dagegen zu sein, dass sie bei Aaron bleibt. Überall lauern Gefahren, vor denen er sie beschützt, doch plötzlich gerät alles außer Kontrolle und sie müssen um ihr Leben kämpfen. Werden sie es schaffen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

 

Autor: Jadelyn Aurora & Kaya Hetalia

Herausgeber: Sabrina Nieminen

Tupamäentie 20

41800 Korpilahti

-Finnland-

 

Covergestaltung: Unter Verwendung von Shutter-stock-Motiven

Herstellung und Vertrieb:

tolino media GmbH & Co. KG, München

Erschienen 2024 im Selbstverlag

Ab Auflage 1 liegen die Rechte bei Jadelyn Aurora

 

 

 

 

 

 

Vorwort

 

Wir schreiben Geschichten, wie wir sie euch erzählen wollen.

Mögen auch manche Stellen vielleicht langatmig, nicht wichtig erscheinen, seid euch bewusst, jede Szene unserer Geschichte hat einen Grund. Man muss nur die Augen offenhalten und vielleicht erschließen sich einige Dinge auch erst, wenn man tiefer in der Geschichte steckt.

 

Wir bedanken uns bei all unseren fleißigen Lesern und wünschen euch viel Spaß.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

 

 

Liebliche Violinmusik erfüllte die Flure des Schlosses auf der Insel Lindor Istana und vermischten sich mit dem Vogelgezwitscher. Trotz der geschlossenen, hohen Fenster war es deutlich zu hören. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch die bunten Gläser und erwärmte den Marmorboden. Dadurch wirkte er noch edler. Das passte zu Aarons Residenz, die eine Mischung aus Palast und Schloss war.

Ohne auf die tuschelnden Dienstmädchen zu achten, rannte Saori mit dem Stoffhasen in ihrem Arm den sonnendurchfluteten Gang entlang. Ihr Glöckchen am Dämonenschwanz gab zwischen den anderen Geräuschen eine eigene Melodie von sich, und sie war froh, dass niemand den wahren Grund dafür kannte.

Aufgewühlt durch die Audienz mit der Königin versuchte Saori ihr Zimmer zu finden. Lieber würde sie den Garten aufsuchen, um dort zur Ruhe zu kommen, doch sie war sich nicht sicher, ob Aarons Verbot weiterhin bestand. Zusätzlichen Ärger wollte sie nicht heraufbeschwören.

Abgehetzt und völlig außer Puste erreichte sie den Raum, den der Engel ihr zur Verfügung gestellt hatte. Hier war es angenehm kühl und erschöpft lehnte sich Saori an die Tür. Langsam rutschte sie hinab und zog ihre Beine an sich. Ihren Hasen auf dem Schoß platzierend, senkte sie den Kopf, bis ihre silber-violetten Haare nach vorne fielen und ihre Brust bedeckten. Es war ihr egal, dass sie auf dem Boden saß. Sie war allein und niemandem in dem Moment Rechenschaft schuldig.

Da Aaron sicher noch mit der Königin der Engel sprach, bestand nicht die Gefahr, dass er vorbeikam.

So hatte Saori Zeit, das Geschehene zu verarbeiten.

Waren Aarons Worte wahr? Er konnte und durfte nichts für sie empfinden! Verstand er nicht, wie schlimm das war? Sie war ein Dämon und ihre Familie war der Grund, dass er seine Eltern verloren hatte!

Inständig hoffte sie, dass er gelogen hatte, doch ihr fielen all die kleinen Gesten ein, die er mit ihr ausgetauscht hatte. In Gesprächen hatte er Anzeichen gezeigt, mit denen Saori aufgrund ihrer Herkunft nichts anfangen konnte.

Nein, es konnte nicht wahr sein, dass Aaron etwas für sie empfand!

Vielleicht war er ein hervorragender Lügner und versuchte, Saori zu manipulieren. War es daher besser, in Zukunft jegliche Freundlichkeit seinerseits abzulehnen?

Der Gedanke versetzte Saori einen Stich ins Herz. Ein schmerzhaftes Gefühl von Trauer, als würde sie etwas Wichtiges verlieren, breitete sich in ihr aus. Es war so überwältigend und verwirrend zugleich, dass Saori kaum atmen konnte. Was hatte das Ganze zu bedeuten?

Was war, wenn Aaron die Wahrheit sprach?

Lange saß Saori regungslos auf dem Boden und spielte mit den Ohren des Stofftiers, während sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.

Schließlich erhob sie sich und sah sich in ihrem kleinen Rückzugsort um. Ihr Blick fiel auf das Bett, und im ersten Moment zog die Erschöpfung sie dorthin, doch Saori wandte sich kopfschüttelnd ab. Sie durfte nicht daran denken, was alles darin mit Aaron geschehen konnte.

Bevor es zu einer Panikattacke kam, entschied sich die Dämonin, sich seinem Verbot zu widersetzen. Sie würde den Garten allein aufsuchen und zu den Schaukeln gehen.

Leise öffnete Saori die Tür und spähte hinaus. Hier unten war es still und sie atmete zum letzten Mal die kalte Luft ein, ehe sie den Gang entlang huschte. Nur wenige Meter von ihrem Zimmer entfernt, umwehte die Hitze ihren Körper und zwang Saori, das Halsband zu aktivieren.

Aufatmend nahm sie die Kühle wahr und spähte vorsichtig um jede Ecke, da sie weder Aaron, Tabitha noch Leika begegnen wollte.

So schnell es ihre Beine erlaubten, flitzte Saori zu den Schaukeln, die durch den Sonnenstand im Schatten standen. Dort ließ sie sich keuchend mit dem Hasen in ihrer Hand auf einer nieder und sah sich unruhig um, ob sie beobachtet wurde, doch alle schienen sich im Palast aufzuhalten.

Saori fing zu schwingen an und nach wenigen Minuten spürte sie, wie der Schmerz in ihrem Herzen nachließ und dem Gefühl des Fliegens und Freiseins wich. Je höher sie schaukelte, desto weiter drängten sich ihre Gedanken in den Hintergrund.

 

Aaron beobachtete, wie sich die Kutsche der Königin in die Wolken erhob und wie ein schimmernder Funke über den Himmel zog. Dicht begleitet von ihren Wachen.

Er seufzte und schüttelte leicht seine Flügel. Es war ein unerwarteter Besuch gewesen und trotzdem hatte er vieles geändert.

Die Königin war auf seiner Seite. Sie war ebenfalls seiner Ansicht, dass man versuchen sollte, die sanfte Seite der Dämonen zu schulen und sie sah Saori als eine Art Beweis, dass es möglich war. Das sorgte dafür, dass seine Anspannung nachließ. Trotzdem fühlte er sich unruhig und musste gestehen, dass er die Anwesenheit der Dämonin vermisste.

Ihm war klar, dass seine Worte schockierend für Saori gewesen waren, doch das Auftauchen der Königin hatte ihn selbst so verstört und zugesetzt, dass er sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte.

Er sollte sich bei ihr entschuldigen.

Langsam folgte Aaron den Gefühlen und fand Saori auf der Schaukel, wo sie ihre Gedanken scheinbar schweifen ließ.

Während des Schwingens war ihr Blick in den Himmel gerichtet und er ahnte, dass sie den Aufbruch der Königin mitverfolgte. Die Präsenz der Engelsfrau war übernatürlich stark und Saori reagierte empfindlich darauf.

Aaron blieb stehen und bemerkte, wie die letzten schimmernden Funken den Himmel verzierten. Dann war es vorbei und als er zu Saori sah, schloss sie ihre Augen. Sie schien seine Anwesenheit nicht zu bemerken.

Ihr Griff um die Seile verfestigte sich und er spürte ihren Stimmungswechsel, weshalb er sie abwartend beobachtete. Er kam nicht umhin festzustellen, wie schön und anmutig sie war, wenn sie auf der Schaukel saß und ihr silber-violettes Haar im Licht der Sonne schimmerte.

Den Hasen fest an sich gedrückt, schwang sie weiter, bis ihre restlichen Kräfte aufgebraucht waren. Langsam stellte sie das Schwingen ein, und legte das Stofftier auf ihrem Schoß ab. Mit gesenktem Kopf schien sie mit ihm zu flüstern.

Als sich Aaron ihr näherte, zuckte sie und kniff ihre Augen aus Angst vor einer Rüge zusammen.

Er trat vor sie und ging in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. So war er ein Stück kleiner. Sanft griff er nach ihrer Hand, die den Hasen hielt. „Das hast du gut gemacht“, lobte er sie und seine Stimme war warm und herzlich.

„Bitte geht weg“, murmelte Saori und entzog ihre Hand, um sie wieder um das Stofftier zu legen. Aaron hatte ihr gerade noch gefehlt.

Ihre Worte trafen ihn und er bemerkte den Stich in der Brust, während er versuchte, gegen den Schmerz anzuatmen. „Es tut mir leid“, flüsterte er und strich sanft eine Strähne hinter ihr Ohr.

Obwohl sich die Berührung gut anfühlte, wischte Saori unwirsch seine Hand weg. Seit er vor ihr hockte, fühlte sie sich von ihm gefangen. „Ihr dürft nicht so fühlen, wie Ihr es tut. Hasst mich, das kann ich leichter akzeptieren“, bat sie mit zitternder Stimme.

„Wieso sollte ich dich hassen?“, fragte er und sah sie fragend an. Aaron verstand sie nicht, außer, dass sie allein sein wollte. Ihrem Wunsch würde er sich nicht so leicht beugen.

„Ich will nicht, dass Ihr etwas für mich empfindet!“, knirschte Saori zwischen den Zähnen. „Ihr bildet Euch das nur ein, weil Ihr Mitleid mit mir habt.“ Das konnte sie überhaupt nicht ertragen. Dämonen durften nicht bedauert werden!

„Man kann Gefühle nicht ausschalten oder einfach abschaffen“, flüsterte Aaron und strich ihr erneut über die Wange.

Hektisch schlug Saori seine Hand weg und sprang auf. „Ich werde mit Euch auf dem blöden Fest tanzen, aber lasst mich danach in Ruhe! Kümmert Euch lieber um Eure Frauen“, rief sie. Panisch wich sie einen Schritt zur Seite, da Aaron weiterhin vor ihr hockte.

Überrascht über ihre Reaktion und Ablehnung senkte er den Kopf, bevor er sich erhob. „Ich lasse dich jetzt allein“, sagte er leise.

Genau das hatte Saori gewollt.

Anstatt sich jedoch auf die Schaukel zurückzuziehen, rauschte sie an Aaron vorbei. Von Panik und schlechtem Gewissen gepackt, rannte die Dämonin mit Tränen in den Augen durch den Garten und stolperte schließlich in ihr Zimmer.

Saori schlug die Tür hinter sich zu und stürzte ins Badezimmer. Sie betätigte den magischen Stein, der Wasser in die Wanne laufen ließ und warf den anderen zur Kühlung hinein. In Windeseile entkleidete sie sich und ließ sich trotz Verband hineingleiten.

Sobald die Kälte auf ihre erhitzte Haut traf, hielt Saori ihre Tränen nicht mehr zurück. Mit Aarons freundlichem und verständnisvollem Verhalten war sie restlos überfordert und sie war sich sicher, dass er ihr nur etwas vorspielte.

Er war ein Engel und sollte sich an ihr rächen! Was tat er stattdessen? Saori verwöhnen und ihr Dinge schenken, die sie eigentlich nicht brauchte. Auch zeigte er ihr Neues, wovon sie bisher nichts gehört oder gesehen hatte.

Es war einfach zu viel.

Saori krallte sich in den Wannenrand und atmete hektisch, als sie eine unerträgliche Enge in ihrer Brust spürte. „Nein … Panik … Panik“, murmelte sie und schaffte es durch die Erschöpfung nicht, sich rechtzeitig umzudrehen, bevor die Flüssigkeit aus ihrem Magen ihre Speiseröhre emporkroch und teilweise im Wasser und auf dem Boden landete.

Ihr Herz begann heftig gegen die Rippen zu hämmern und sie spürte, wie das Blut durch ihre Adern floss. Schlagartig bekam sie so starke Kopfschmerzen, dass Saori ihnen nicht standhalten konnte und sich der Dunkelheit hingeben musste.

 

Von der Panik förmlich überrollt, rannte Aaron durch die Gänge und riss die Tür zu Saoris Zimmer fast aus den Angeln. Er machte sich keine Gedanken um den Schaden, denn diese konnte ersetzt werden.

Unruhig glitt sein Blick umher und er sah mit klopfendem Herzen in Richtung Badezimmer. Er wusste, dass sie sich ihm nicht zeigen wollte, aber das war Aaron im Augenblick egal. Zügig überwand er die Meter zur Tür und riss sie auf. Der Anblick ließ sein Herz buchstäblich in die Hose rutschen und er hatte das Gefühl, es würde stehenbleiben, doch in der nächsten Sekunde schlug es heftig weiter, als wäre es eine Ermahnung, dass er nicht tatenlos herumstehen sollte.

Aaron stürmte vor und zog Saori aus der Badewanne. Neben ihr kniend, legte er sein Ohr auf ihren Brustkorb und lauschte ihrem Herzschlag. Er war zu hören, aber nur leicht und unregelmäßig. Mal setzte es einen Schlag aus, dann machte es zwei holprige hintereinander.

Ihr regungsloser Körper lag auf dem gefliesten Boden und Aaron bemerkte den völlig durchnässten Verband, der mit Erbrochenem beschmutzt war. Das war im Moment nebensächlich.

In Gedanken rief er nach seinem Heiler Ikaia, der versprach, sich sofort auf den Weg zu machen.

Aaron wusste nicht, was er tun sollte, daher nutzte er seinen blauen Staub, in der Hoffnung Saori zu beruhigen. Dennoch war er vorsichtig, weil er es nicht verschlimmern wollte.

Trotz der Ohnmacht war ihr Körper zum Zerreißen gespannt und der Engel streichelte über ihre blasse Haut. Scheinbar kannte sie keinerlei Gefühle außer Hass ihr gegenüber und war mit seinen überfordert.

Das Warten kam Aaron unendlich lang vor, doch dann näherten sich zügige Schritte und Sekunden später stürmte Ikaia in den Raum. Sich neben die Dämonin niederkniend, schimpfte er. „Sie ist unmöglich! Nichts als Ärger mit den Dämonen!“

Er griff nach seinem Abhörgerät und legte es auf ihren Brustkorb.

Sobald er fertig war, lösten Aarons Finger den Verband und er hoffte, dass Saori dadurch besser atmen konnte, doch da er sonst nicht helfen konnte, bettete er ihren Kopf auf seinem Schoß. Sanft fuhr er ihre weichen Gesichtskonturen nach und beobachtete seinen Heiler.

Sorgenvoll runzelte Ikaia die Stirn und fluchte erneut. „Dummes Mädchen, sich so zu benehmen“, knurrte er und legte ihre Brust soweit frei, um eine Herz-Druck-Massage durchzuführen. „Hat sie die Medikamente genommen?“, fragte er verbissen.

Da Aaron es nicht wusste, nahm er gedanklich Verbindung mit Leika auf. Sein Dienstmädchen verneinte und meinte, sie wüsste nichts von Tabletten. „Hat sie nicht“, gab Aaron die Information nüchtern weiter.

Verärgert schnaubte Ikaia. „Wenn sie so weiter macht, sehe ich düster“, murrte er und erhob sich. „Helft mir, sie ins Bett zu bringen. Sie kann von Glück sprechen, wenn sie überlebt.“

Aarons Herz schlug bei dieser Aussage heftig und er hob Saori sanft hoch. „So schlimm?“, fragte er atemlos. Er wollte nicht, dass diese junge Frau, die gerade erst gelernt hatte, ihre Flügel zu entfalten, starb. Der Engel trug sie ins Nebenzimmer und legte sie vorsichtig auf dem Bett ab. „Wie kann ich helfen?“

„Ja, es ist eine Katastrophe. Es sollte ihr durch die Tabletten besser gehen“, meinte Ikaia und schnalzte mit der Zunge, als er Saoris schwachen Herzschlag überprüfte.

„Würde es helfen, wenn ich meinen roten Staub dazu benutze, um ihr Herz zum Schlagen anzuregen?“, fragte Aaron hoffnungsvoll.

„Ja, das wäre eine Idee. Ich gebe ihr eine Spritze, die ihren Kreislauf in Schwung bringen soll“, antwortete der Heiler und bereitete alles vor.

Aaron nutzte seinen roten Staub und ließ diesen über Saoris Herzbereich wandern. Inständig betete er, dass es etwas brachte. Es wäre schrecklich, zu verlieren.

Bevor Ikaia ihr die Spritze gab, überprüfte er ihren Herzschlag und nickte zufrieden. „Es scheint zu helfen“, bemerkte er und legte der Dämonin einen neuen Verband an. Danach injizierte er die Lösung unter ihre Haut.

Aaron fiel ein Stein vom Herzen. Erleichtert atmete der Herrscher von Lindor Istana auf und ließ sich auf dem Bettrand nieder. „Was können wir sonst tun?“, wollte er wissen.

„Außer Ruhe nur abwarten. Wenn sie weiterhin solche Attacken in einem kurzen Abstand hat, wird sich das negativ auswirken“, erklärte Ikaia und zog noch eine Spritze auf. „Ich gebe ihr zur Vorsicht ein weiteres Medikament.“

Langsam nickte Aaron und wartete, bis sein Heiler fertig war. Saori rührte sich nicht und das bereitete ihm Sorgen.

„Lasst sie bitte nicht aus den Augen“, bat Ikaia eindringlich. „Ich komme später wieder vorbei, sobald Euer Staub nachlässt. Hoffentlich schlägt ihr Herz auch ohne regelmäßiger“, sagte er und stand auf. Bevor er ging, legte er seine Hand auf ihre Stirn. „Ihre Körpertemperatur ist zu hoch. Sie muss gekühlt werden und ruhig liegenbleiben. Notfalls bindet sie an“, befahl er.

Aaron nickte. „Ich werde sie herunterkühlen“, meinte er leise und ließ widerwillig von ihr ab, um ein nasses Tuch zu holen, das er auf ihre Stirn legen konnte.

Da Ikaia wusste, dass er sich auf Aaron verlassen konnte, ließ er den Engel und die Dämonin allein.

 

 

Stundenlang lag Saori unbeweglich da, bis sich ihre Finger leicht rührten, als würde sie aufwachen. Ihre Augenlider flatterten und sie stöhnte, doch sie ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen.

Aaron war dicht an ihrer Seite und hielt vorsichtig ihre Hand. Noch immer saß die Angst, dass sie nicht wieder erwachen würde, tief in ihm. Genauestens lauschte er ihrem Herzschlag, um jederzeit bereit zu sein, einzugreifen.

„Saori?“, flüsterte er, weil er sie nicht erschrecken wollte.

Ein fragender Laut erklang als Antwort. Aarons Stimme klang weit entfernt und doch konnte Saori ihn riechen. Oder träumte sie nur?

An ihrer Haut fühlte sie den weichen Hasen. „Aaron …“, murmelte Saori.

Der Engel schmunzelte. Scheinbar hatte sie sein Geschenk nach ihm benannt. Aaron drückte ihre Hand ein wenig fester. „Ich habe mir Sorgen gemacht“, sprach er mit gedämpfter Stimme und versuchte, die Freudentränen zu unterdrücken.

Ein Ruck durch ihren Körper ließ sie ihre Augen öffnen und an die Decke starren. Saori träumte nicht. Aaron war wahrhaftig bei ihr! Das versetzte sie erneut in Panik.

„Bitte nicht panisch werden“, bat er und klang traurig. „Das hält dein Körper nicht aus“, brachte er heiser hervor und nutzte seinen Staub zur Beruhigung. Mehr konnte er nicht tun.

Langsam beruhigte sich Saori und schloss wieder ihre Augen, doch ihr war mulmig zumute. Sie hatte sich Aaron gegenüber falsch verhalten und aus Scham wollte sie allein sein. „Ihr versetzt mich ständig in Panik“, klagte sie leise.

Obwohl Aarons Herz noch immer heftig klopfte, spürte er, wie die Anspannung von ihm abließ. „Mach das nie wieder“, bat er verzweifelt.

„Was soll ich nicht mehr tun? Ihr seid schuld daran“, flüsterte sie anklagend, dabei war ihr bewusst, dass es ihre eigene war, da sie die Panikattacken nicht kontrollieren konnte.

„Du hast mir verdammt noch mal Angst gemacht“, gestand er und hielt ihre Hand noch fester, als würde er so dafür sorgen, dass Saori nicht ging.

Die Dämonin schwieg und bewegte vorsichtig ihre Finger, um Aaron zu symbolisieren, dass es ihr wehtat.

Sofort öffnete er seine Hand und hielt ihre sanft fest. „Warum bist du so panisch geworden?“, fragte er leise. Als sie die Königin gesehen hatte, schien alles in Ordnung zu sein.

„Eure Worte … sie gingen mir nicht aus dem Kopf“, gestand Saori bedrückt. „Ihr dürft nichts für mich empfinden. Egal in welcher Weise. Ich bin anders aufgewachsen und kann nicht damit umgehen.“

„Ich kann nicht einfach nichts für dich empfinden. Dafür hast du einen zu bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen“, erklärte Aaron. Nur mühsam unterdrückte er das Bedürfnis, Saori in den Arm zu nehmen. Vielleicht hatte sie recht und er sollte seine Gefühle zügeln. Wenn er der Grund für ihre Zusammenbrüche war, war es besser, wenn er sich zurückzog.

„Ihr habt ebenfalls einen bleibenden Eindruck hinterlassen“, lenkte ihn Saoris leise Stimme von den Gedanken ab. „Ich dachte, Ihr würdet mich foltern. Stattdessen bringt Ihr mir Freundlichkeit entgegen, die ich nicht kenne und gewohnt bin“, meinte sie und hielt für einen Moment inne. Es fiel ihr schwer, die weiteren Worte zu formulieren, aber sie versuchte es. „Mir wird schwer ums Herz, wenn ich an Eure Freundlichkeit denke. Oft habe ich Angst, Euren Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Ich weiß nie, wie ich reagieren und tun soll, wenn ich mich zu sehr an Euch gewöhne“, fuhr Saori fort.

Sachte hob Aaron ihre Hand und legte sie an seine Wange. Es fühlte sich unglaublich gut an. „Was wäre denn so schlimm, wenn du dich an mich gewöhnst?“, wollte er wissen, wobei er den Schmerz in seiner Stimme nicht unterdrücken konnte. Der Engel ertrug es nicht, sie so zu sehen.

Vorsichtig zuckte Saori mit den Schultern. „Ich … weiß es nicht. Was, wenn ich mich aus Versehen in Euch verliebe und nicht mehr davon loskommen kann?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, was diese Art von Gefühlen in ihr anrichten würden.

Aaron schloss seine Augen. „Hast du Angst, dass es dich zu sehr schmerzen würde, wenn ich eine andere Frau heirate?“

Saori nickte und wandte ihren Kopf zum Fenster. Draußen schien die Sonne, die in der Zeit weiter westlich gewandert war. „Ja. Aufgrund dessen, dass ich anders bin, werde ich kaum von anderen akzeptiert und respektiert. Wenn ich einen Mann hätte, dann würde ich keine Angst haben wollen, dass er andere Frauen hat, weil ich ihm nicht genug bin.“

„Nur, weil ich freundlich zu dir bin, heißt das doch nicht, dass du dich in mich verlieben musst“, beruhigte Aaron, doch tief in seinem Inneren verspürte er ein merkwürdiges Gefühl, das er jedoch nicht verstand.

Seufzend strich sich Saori mit der freien Hand über die Stirn. Das Zeichen der Akilah-Familie brannte unangenehm, wie meistens, wenn sie positive Gefühle hatte. „Ihr habt recht. Trotz allem habe ich Angst vor dem Ungewissen. Ich kann Euch nicht einschätzen, ob Ihr mir nur etwas vorspielt oder ob Ihr es ernst meint.“

Die Dämonin fühlte sich ausgelaugt und kaum in der Lage, aufzustehen. Dennoch wollte sie es versuchen.

„Bleib liegen“, wies Aaron sie sanft zurecht. Ikaia hatte sich deutlich dazu geäußert.

Missmutig gab Saori nach und wagte nach minutenlangem Schweigen, den Engel anzusehen. „Vielleicht versteht Ihr nicht, dass das Licht … beängstigend ist, wenn ich bisher nur Dunkelheit erlebt habe. Ihr seid das Licht, das mir die Möglichkeit gibt, ein neues Leben anzufangen.“

„Was wäre denn das Gefährlichste und Schlimmste, was dir passieren könnte, wenn du dem Licht folgst?“

„Es wieder zu verlieren“, antwortete Saori ehrlich.

„Also ziehst du es vor, es gar nicht erst zu haben?“, fragte er erstaunt.

„Vielleicht ist es eine Abwehrreaktion“, vermutete Saori nachdenklich. „Ich kenne die ganzen Gefühle nicht, aber mein Herz hat unglaublich wehgetan, als ich erfahren habe, wie Ihr Euch wegen mir mit Ethan angelegt habt. Ich konnte nicht glauben, dass Ihr etwas für die Erzfeinde der Engel empfinden könnt“, erklärte sie. „Ich bin davon ausgegangen, dass Ihr Euch einen Scherz erlaubt.“

„Ich mache keine Scherze“, erwiderte Aaron und drückte ihre Hand wieder fester. Die Angst, dass sie etwas tat, was sie erneut in diesen Zustand brachte, würde ihn in seinen Träumen verfolgen. „Es hat wehgetan, dich so vorzufinden“, murmelte er.

Deutlich hörte Saori den Schmerz in seiner Stimme heraus. „Es tut mir leid … Ich konnte es nicht zurückhalten.“ Sie fing an, mit ihrem Daumen über seine angenehm weiche Wange zu streicheln. „Ich möchte gerne Euren Worten glauben, weil ich mir immer jemanden gewünscht habe, der mich nimmt und respektiert, wie ich bin. Jemand, bei dem ich mich geborgen fühle“, hauchte sie müde. Die Anfälle zehrten regelrecht an ihren Kräften.

„Du bist mir in den letzten Tagen wichtig geworden, Saori“, sagte Aaron. „Ob es Liebe ist, will ich nicht sagen, aber du bist ein Leuchten, das ich beschützen möchte und das ich nicht mehr missen mag.“ Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen, um ihren Handrücken zu küssen.

Saori ließ es geschehen und sie nahm ein warmes Gefühl in ihrer Brust wahr, das sich durch ihren Körper zog. „Ich möchte Euch umarmen, um mich für mein Benehmen zu entschuldigen, aber auch um zu danken, dass Ihr für mich da seid. Ich schulde Euch so viel, Meister.“

„Du schuldest mir überhaupt nichts“, widersprach Aaron, wobei er ihre Hand trotz der Kälte an seinen Lippen ließ und an sich drückte.

Dadurch fühlte sie die Wärme, die von dem Engel ausging und sich auf sie übertrug. „Es ist das erste Mal, dass mir jemand das Gefühl gibt, gemocht zu werden“, seufzte Saori glücklich, spürte aber, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten.

Aaron drückte sie sachte an sich und ließ ihre Hand wieder los.

„Bitte nicht gehen … Ich brauche Euch …“, wimmerte Saori plötzlich und bekam einen Schluckauf, der unangenehm in der Brust stach.

„Ruhig“, sagte Aaron sanft. „Ich gehe nicht weg“, versprach er und setzte sich auf ihr Bett, um näher bei ihr zu sein. „Aber du musst liegen bleiben.“

Erleichtert versuchte sich Saori an einem Lächeln, das beim nächsten Schluckauf erstarb. „Ich muss mich hinsetzen. So ist es zu schmerzhaft“, stöhnte sie leise.

„Aber vorsichtig“, bat Aaron besorgt. Er griff ihr unter den Rücken, um sie beim Aufrichten zu unterstützen. Es lag ihm fern, dass sie mehr Schmerzen hatte.

Saori hingegen schlang ihre Arme um seinen Nacken und atmete tief durch, als sie endlich saß. So war der Schluckauf erträglicher.

Bevor sie Aaron losließ, kam sie ihm näher, bis ihre Lippen fast seine Wange streiften. „Verzeiht mir“, hauchte sie und überwand den kleinen Abstand zwischen ihnen. Das Kribbeln, das an ihren Lippen anfing, breitete sich in ihrem Körper aus.

„Es gibt nichts, was ich dir verzeihen müsste“, erwiderte Aaron und legte seinen Flügel schützend um sie. „Du hast nichts falsch gemacht.“

„Doch. Ich habe Euch ohne Erlaubnis einen Kuss auf Eure Wange gegeben“, meinte sie.

Aaron lachte rau. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen.“

Völlig überzeugt davon war Saori nicht. Sie legte ihre Hand auf die Brust und drückte, als der nächste Schluckauf kam. „Kann ich bitte Wasser haben? Mir ist unglaublich warm“, bat sie. Ihre Haut war kühl, doch innerlich schien sie aus unerklärlichen Gründen zu verglühen.

Aaron nickte und erhob sich. Während er den Wasserkrug holte und ihn ans Bett stellte, ließ er Saori nicht aus den Augen. Er goss ihr ein Glas ein und reichte es an sie weiter. „Wie geht es dir?“

In einem Zug trank Saori das Glas aus. Es half gegen ihren Schluckauf und die Wärme in ihr. „Ich bin erschöpft. Die Panikattacken sind kräftezehrend“, antwortete sie. Sie behielt ihren Blick auf das Glas gerichtet, das sie in ihrer Hand hin und her drehte. „Es gibt so viele Dinge, die ich nicht kenne und verstehe. Unter anderem auch Eure Gefühle. Ich kann sie nicht deuten.“

Der Engel ließ sich wieder neben ihr nieder und schob seinen Flügel stützend hinter Saori. „Das wird dir vermutlich öfters passieren. Gefühle sind für Engel einfach, weil wir sie schmecken. Man lernt sie erst zu verstehen, indem man die Person näher kennenlernt. Menschen wie Tabitha und Leika können es nicht.“

Nachdenklich lehnte Saori ihren Kopf gegen seine Flügel und spürte, wie sie sich langsam entspannte. Gefühle waren ein Thema, das sie verwirrte. Um nicht in einem Strudel aus Gedanken gefangen zu werden, erkundigte sie sich, wie sie getanzt hatte.

Aaron zog sie mit seinem Flügel mehr an sich. „Du warst unglaublich“, flüsterte er. „Ich weiß nicht warum, aber du hast die Königin auf unsere Seite gezogen.“

Leicht kuschelte sich Saori an den Engel. „War sie … wirklich die Königin? Warum war sie da?“

„Sie ist die Königin“, bestätigte Aaron. „Sie ist selten draußen anzutreffen, weil sie gut beschützt wird, aber du warst interessant genug, um sie hierherzulocken. Ohne ihren König. Das war ein Vorteil für uns“, erklärte er mit ruhiger Stimme und streichelte sanft über Saoris Arme. „Ich weiß nicht, was genau sie fasziniert hat, doch sie meinte, eine Blume wie dich sollte man nicht knicken. Egal ob Dämon oder nicht.“

„Was bedeutet das?“, wollte sie wissen. Leicht zupfte Saori an Aarons Tunika, in der Hoffnung, er begriff ihre unausgesprochene Bitte, sich an das Kopfende zu setzen.

Der Engel verstand den Wink und setzte sich so hin, dass die Dämonin an seiner Brust lehnen konnte. Er spürte, wie dringend sie es brauchte. „Die Königin ist dafür, dass du bei mir bleibst.“

Seufzend ließ sich Saori gegen ihn sinken und krallte ihre Hände in sein Kleidungsstück. „Wenn es funktioniert, wie Ihr es Euch vorstellt und meine Panikattacken nicht alles zerstören“, murmelte sie bitter. Saori ahnte, dass die Angst der Grund sein würde, Aarons Insel verlassen zu müssen.

Beruhigend strich der Engel über ihren Arm. „Wir werden etwas finden, was dir hilft“, versprach er zuversichtlich.

„Ich möchte gerne hierbleiben“, gestand Saori mit dem Gesicht in den weichen Stoff vergraben. Der angenehm erfrischende Duft des Engels ließ sie sich wohl und geborgen fühlen. Dennoch hob Saori ihren Kopf. „Ich wollte Euch keine Sorgen bereiten.“

„Wenn du mir keine Sorgen bereiten willst, versprich mir, dich in den nächsten Tagen auszuruhen, ja?“, bat er und stupste lächelnd ihre Nase an.

„Inwiefern?“, fragte Saori unsicher. „Könnt Ihr mir dann den Gefallen tun, mich nicht mit Worten zu erschrecken?“

Überrascht sah Aaron in die blauen Augen der Dämonin. „Was meinst du?“

„Auf dem Weg zur Königin habt Ihr gesagt, sie darf nicht wissen, dass Ihr etwas für mich empfindet“, antwortete Saori. Langsam zog sie ihre Beine an sich, bis sie komplett unter Aarons majestätischem Flügel verschwunden waren. „Es hat mich verwirrt und panisch gemacht, weil ich nicht weiß, was bei Euch empfinden bedeutet.“

„Man kann auf viele Arten für jemanden empfinden“, erklärte Aaron. „Wenn ich mir Sorgen um dich mache, dann empfinde ich etwas für dich. Wenn ich mich freue, weil etwas, das ich dir geschenkt habe, dir Freude bereitet, empfinde ich etwas für dich. Das sind Dinge, die zeigen, dass du mir nicht egal bist. Mir ist es nicht egal, ob du hier bist oder nicht. Das hat die Königin beim Tanzen gemerkt, obwohl es nicht sein sollte, aber scheinbar war es dieses Mal von Vorteil.“

Sachte strich Saori dem Stoffhasen über den Kopf. Er war Aarons Geschenk, hieß das tatsächlich, dass er etwas für sie empfand?

So falsch sich das Ganze anfühlte, Saori sah ein, dass Aaron vermutlich recht hatte und es nicht geändert werden konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren und zu versuchen, damit klarzukommen.

„Ich danke Euch für den Hasen. Er trägt Euren Namen.“

„Das habe ich schon mitbekommen“, meinte Aaron nüchtern. „Ich bin froh, dass er dir gefällt.“

Erstaunt, aber unsicher hob Saori ihren Kopf. „Wann habt Ihr das bemerkt?“, fragte sie bedrückt. War es ein Fehler gewesen, den Hasen nach dem Engel zu benennen?

„Als du aufgewacht bist“, gluckste Aaron belustigt. „Du hast meinen Namen gesagt, dabei jedoch den Hasen angesehen“, erzählte er und stupste erneut ihre Nasenspitze an, die sich bei seinen Worten leicht rosa färbte. Es war ein hübscher Kontrast zu ihrer ansonsten blassen Haut.

„Ich sollte ihn umbenennen, damit es nicht zu weiteren peinlichen Momenten kommt“, murmelte Saori und seufzte. „Aber er riecht wie Ihr und vermittelt mir ein ähnliches, gutes Gefühl.“

„Er lag lange bei mir im Bett“, gestand er leise. „Darum wird er nach mir riechen. Es beruhigt mich, dass er dir ein gutes Gefühl gibt.“

Erstaunt betrachtete Saori das Stofftier. „Es war Eurer?“, fragte sie ehrfürchtig. War es ein Privileg, dass er ihr etwas Persönliches geschenkt hatte? Das hieß, dass er tatsächlich etwas für sie empfand. Doch wie weit durfte die Empfindung gehen? „Vielen Dank, dass Ihr ihn an mich weitergegeben habt.“

„Ich freue mich, dass er bei dir ein gutes, neues Zuhause gefunden hat“, antwortete Aaron.

Mit einem Lächeln auf den Lippen hielt Saori den Hasen gegen das Licht. „Er ist süß und widerspricht mir nicht. Und er sagt auch nichts, das mich panisch werden lässt“, bemerkte sie neckend mit einem Seitenblick zu Aaron.

„Genau das macht sie aus“, meinte er leise und beobachtete Saori neugierig. „Jedes Kuscheltier kennt Geheimnisse, die nur du ihm anvertraust.“

Saori kräuselte ihre Nase. „Ich hoffe, dass Ihr kein Abhörgerät darin versteckt habt“, murmelte sie verunsichert. Sie wollte nicht, dass Aaron ihre Gedanken erfuhr.

Der Engel lachte rau. „Das brauche ich nicht“, erwiderte er schmunzelnd. „Du bist wie ein offenes Buch für mich, auch wenn du anders reagierst wie all die Frauen, die ich kenne.“

„Wie meint Ihr das? Weil ich nicht auf Eure Annäherungsversuche reagiere?“, fragte sie verblüfft.

„Nein, das ist es nicht“, antwortete Aaron nachdenklich. „Aber du bist so emotional.“

Das Dämonenmädchen zuckte mit den Schultern. „Dagegen kann ich nichts machen“, entschuldigte sich Saori mit dem Blick auf den Hasen gerichtet.

„Es ist keine Beleidigung, sondern ein Kompliment“, erklärte Aaron leise. „Ich möchte nicht, dass es anders ist.“

Grübelnd nahm Saori eine ihrer Haarsträhnen und begutachtete sie. Je nach Lichteinwirkung glänzte es mal silbern, mal violett. „Ist das wirklich ein Kompliment? Sonst heißt es immer: Du bist zu emotional, um etwas Gescheites zu werden“, erzählte sie bitter.

„Bei uns ist es ein Kompliment“, widersprach der Engel. „Und du bist nicht negativ emotional. Keine Eifersucht und kein Hass.“

Ganz zufrieden war Saori nicht und sie wollte wissen, wie es möglich war, für einen Gegner oder völlig Fremden etwas zu empfinden und wie es sich anfühlte.

Sorgfältig legte sich Aaron die Worte zurecht. „Jemanden zu mögen kann unterschiedlich sein“, begann er zu erklären und fuhr dabei sanft durch Saoris seidenweiche Haare. „Man fühlt sich in der Gegenwart des anderen wohl, spricht gerne mit ihm und unternimmt Aktivitäten. Und man beginnt, den anderen zu vermissen.“ Reichte das aus, um Saori die Gefühle der Welt näherzubringen?

„Das bedeutet, dass ich Euch mag?“, fragte sie unschlüssig, schmiegte sich aber noch mehr an ihn. Alle aufgezählten Punkte stimmten mit ihren Gefühlen überein. „Wäre das Gegenteil nicht besser?“

„Wieso wäre es das? Damit wäre ein Zusammenleben wirklich kompliziert“, bemerkte er nüchtern. Zeitgleich nahm er geistig Kontakt mit Ikaia auf, um ihn wissen zu lassen, dass Saori aufgewacht war und es ihr an sich soweit gut ging.

Postwendend gab es eine Antwort des Heilers. „Braucht Ihr Hilfe? Vergesst nicht, dass sie die Tabletten nehmen muss.“

Ikaia hatte recht, sonst wurde es nicht besser. „Darf sie sich bewegen oder herrscht absolute Bettruhe?“, wollte er sich vergewissern. Leicht drückte er Saori an sich und bat die Dämonin, die Tabletten einzunehmen. Daraufhin zeigte Saori lediglich mit dem Finger auf den Nachttisch. Ansonsten bewegte sie sich nicht weiter.

„Sie darf sich bewegen, wenn sie sich besser fühlt. Aber langsam!“, ordnete Ikaia streng an. „Sonst bleibt sie im Bett!“

Innerlich seufzend brach Aaron die Verbindung zu Ikaia ab und sah auf die Tabletten. „Da komme ich nicht hin, ohne aufzustehen.“ Gemeinsam saßen sie in der Mitte des Bettes.

Widerwillig ließ Saori ihn los und bemerkte erst jetzt, dass sie außer einem Verband und einer Seidendecke nichts trug.

Von einer Sekunde auf die andere schlug ihre positive Stimmung in Panik um. „Habt Ihr mich etwa gesehen?“, fragte sie bleich wie ein Gespenst.

„Ich hatte zu viel damit zu tun, dir das Leben zu retten“, meinte Aaron nüchtern, der an den Rand des Bettes rutschte und dann aufstand. „Da hatte ich nicht die Zeit, dich zu begutachten.“

Saori verstand nicht, worauf er hinauswollte. „L-Leben retten?“, stotterte sie und bat hastig nach ihrem Nachthemd. Es war ihr peinlich, so freizügig bei ihm zu sitzen.

Aaron reichte ihr das gewünschte Nachthemd. „Du bist nicht nur zusammengebrochen“, sagte er tonlos. „Dein Herz hat ausgesetzt. Mehrere Male“, erklärte der Engel bedrückt. „Als ich dich im Badezimmer gefunden habe, dachte ich, du bist tot.“

Unwohl betrachtete Saori seine Bewegungen und bedeutete ihm, ihr zu helfen, indem sie ihre Hände hochhob. Allein konnte sie das Nachthemd nicht über den Kopf ziehen. „Ich hatte gehofft, dass das kalte Wasser helfen würde …“

„Es hat es wohl verschlimmert“, vermutete Aaron und half ihr vorsichtig. „Du sollst langsam machen und dich hinlegen, wenn es dir nicht gut geht.“

Eilig zog Saori den samtweichen Stoff herunter und nahm die verordneten Tabletten, die sie ohne Wasser hinunterschluckte. „Es tut mir leid, dass ich Euch geschlagen habe“, sagte sie mit dem Blick auf ihre Finger gerichtet. „Ich war nur so unsicher und unglücklich, hatte aber auch Angst, dass etwas passiert.“

„Du hast mich geschlagen?“, fragte Aaron gespielt überrascht. „Und ich dachte, das war ein Streicheln“, fuhr er mit arrogantem Lächeln fort.

„Es ist Eure Spezialität, Euch über mich lustig zu machen“, murmelte Saori. Ihr war klar, dass sie kaum etwas ausrichten konnte, und trotzdem tat es ihr leid.

„Das mag sein“, stimmte Aaron schmunzelnd zu. „Fühlst du dich müde oder erschöpft?“, wollte er wissen und setzte sich wieder an den Rand des Bettes, ohne sich ihr zu nähern.

Saori nahm sich einen Moment, um in sich zu horchen. „Nicht mehr. Eure Nähe hat mir gutgetan“, gab sie zu.

Der Engel nickte. „Möchtest du eine Runde Schach spielen oder lieber etwas anderes?“

„Tanzen“, kam es wie aus der Pistole geschossen. „Es hat wirklich Spaß gemacht, als ich an das Schaukeln gedacht habe.“ Sie war auf wortwörtlich auf Wolken geschwebt, als sie sich Aarons Führung hingegeben hatte.

„Getanzt wird heute und morgen nicht“, sagte der Engel streng. „Auf keinen Fall. Die Vorstellung, du könntest in meinen Armen zusammenbrechen … Nein.“

„Schockt mich nicht, dann passiert es nicht“, konterte Saori, wobei sie sich langsam aufrichtete und in die Knie ging. Mit ihren Händen an den Hüften sah sie Aaron tadelnd an und hoffte, ihren Worten dadurch mehr Ausdruck zu verleihen.

„Lass deinem Körper Zeit und bleib im Bett. Er muss sich von dem Schock erholen. Dafür zeige ich dir etwas Anderes“, versprach Aaron. Er machte es sich im Bett gemütlich und zog Saori wieder an sich.

Sofort versteifte sich die Dämonin. „Was?“, keuchte sie. Was hatte Aaron vor?

„Ich habe dich schon wieder erschreckt“, bemerkte er, wobei er sie sanft an sich gedrückt hielt. „Entschuldige.“

Leicht schüttelte Saori den Kopf. Irgendwann würde sie sich an seine Aktionen gewöhnen müssen. „Was wollt Ihr mir zeigen?“, fragte sie vorsichtig.

„Schau nach vorn“, flüsterte Aaron an ihr Ohr.

Sobald Saori seinen warmen Atem spürte, kroch eine Gänsehaut über ihren Körper. Gehorsam sah sie nach vorn und bemerkte einen grünen Staub, der in der Luft leicht schimmerte. Er verwandelte sich in einen herumhüpfenden Hasen.

Der Anblick ließ Saori kichern. „Ist das eine Illusion?“, wollte sie wissen. „Ich wusste nicht, dass Ihr dazu in der Lage seid.“

Aaron stellte wohlwollend fest, dass ihre bedrückte Stimmung nachließ. „Ja, du hast recht. Es ist eine Illusion“, erklärte er.

Im Sprung verwandelte sich der Hase in eine Katze, die um den Engel und Saori herumtänzelte.

Erstaunt darüber, wie echt es aussah, wollte Saori versuchen, die Katze zu fangen. Sie löste sich von Aarons Brust und drehte sich, um das Tier zu fangen.

Der Engel beobachtete ihre Reaktion und musste sich zwingen, nicht laut loszulachen. Damit hätte er sie verschreckt oder vielleicht sogar verärgert. Er wollte ihre guten Gefühle stärken, vor allem, weil er sie teilweise aufnahm. Daher hielt er sich im Hintergrund und wurde Zeuge, wie Saori versuchte, die Illusion zu fassen zu bekommen.

Was auch immer Saori anstellte, die Katze war ihr einen Schritt voraus. Das schien die Dämonin nicht zu stören. Im Gegenteil. Aaron spürte genau, wie glücklich sie war. Deshalb entschied er sich dazu, ein paar Dinge umzusetzen. Zuerst war er nicht sicher gewesen, ob er es wirklich wollte, doch so, wie Saori mit einer Illusion spielte, würde es ihr hoffentlich Freude bereiten.

Schließlich stellte sich die Dämonin mit verschränkten Armen vor Aaron und warf ihm einen missbilligenden Blick zu. In dieser Position war sie nur ein winziges Stück größer als er. Das half ihr, mutiger zu werden. „Ihr seid gemein“, schmollte sie. Ihr war klar, dass die Katze nur dank Aaron so flink war.

Diese änderte sich bei ihrem nächsten Sprung in ein Pferd. Mit hoch erhobenem Kopf und aufgestellten Schweif trabte es wiehernd um die beiden herum, als würde es nach Aufmerksamkeit lechzen.

Aaron hingegen schmunzelte. „Ich wusste nicht, dass du selbst eine kleine Raubkatze bist“, gestand er grinsend.

„Ich habe nie das Gegenteil behauptet“, erwiderte Saori trocken und sah dem Pferd dabei zu, wie es stehenblieb und den Kopf senkte. Es wirkte so real, dass sie nicht anders konnte, als darauf zuzugehen.

Fasziniert von der majestätischen Schönheit setzte die Dämonin einen Fuß vor den anderen, verhakte sich jedoch in der Decke und fiel mit einem erschrockenen Schrei auf Aaron.

Der Engel versuchte, den Fall so weich wie möglich zu gestalten, indem er seine Flügel und seine Brust benutzte. Das sorgte dafür, dass ein leichter Schmerz seinen Flügel durchzuckte. Leise keuchte Aaron, hielt Saori jedoch weiter fest. „Mach doch sowas nicht“, sagte er heiser. „Ist dir etwas passiert?“

Hastig befreite sich die Dämonin von ihm. „Mir nicht, aber Euch! Es tut mir so leid!“, rief sie verzweifelt. Ihn zu verletzen, war das Letzte, was sie wollte! „Kann ich etwas für Euch tun?“, fragte sie mit bebender Stimme.

Leicht streckte Aaron seinen Flügel. „Es ist alles in Ordnung“, versicherte er. „Ich bin hart im Nehmen. Aber du bist noch zu schwach.“

Nicht von seinen Worten überzeugt, schüttelte Saori heftig ihren Kopf. „Dann hättet Ihr nicht so gekeucht und Euer Gesicht wäre nicht schmerzverzerrt gewesen“, stellte sie nüchtern fest. „Sagt mir, wo ich Euch verletzt habe“, forderte sie sorgenvoll. Sie würde alles tun, damit er sich besser fühlte!

„Es war nur die plötzliche Bewegung, die mein Flügel noch nicht wieder gewohnt ist“, winkte Aaron ab und streckte ihn ein Stück, in der Hoffnung, Saori dadurch zu beruhigen.

Diese trat einen Schritt auf ihn zu. „Es tut mir leid“, wiederholte die Dämonin leise und holte tief Luft. „Darf ich Euch umarmen? Ich möchte mich für meine Tollpatschigkeit entschuldigen. Nehmt meine Gefühle auf, damit Ihr Euch heilen könnt.“ Die Bitte kostete sie einiges an Überwindung, denn Saori konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sich Engel ungefragt von ihnen ernährten.

Ohne zu zögern, streckte Aaron seine Arme aus. „Wenn wir allein sind, musst du mich nicht fragen“, erwiderte er und nahm sie vorsichtig in den Arm. „Jetzt sag mir, wo es dir wehtut.“

Natürlich fragte Saori, da sie nichts tun würde, was er nicht wollte, da es sich nicht gehörte. In Zeitlupe legte sie ihre Arme um ihn. „Nur ein wenig die Brust wegen der Rippe. Sobald ich mich heilen kann, ist alles wieder in Ordnung“, antwortete sie wahrheitsgemäß.

„Aber nicht das Problem mit deinem Herzen, oder?“, forschte Aaron besorgt nach.

Saori schüttelte den Kopf. „Nur ein neues kann das Problem beheben. Das möchte ich nicht“, seufzte sie und spürte, dass sich die Umarmung durch die Position anders als sonst anfühlte. Als würde sie ihn beschützen. Das ließ sie den Engel mit leiser Stimme wissen.

Aaron schmunzelte. „Ein Babydrache wie du will mich beschützen?“, neckte er, wobei er ein bisschen von ihrer Gefühlsenergie aufnahm, um zu sehen, wie sie reagierte. Er wollte ihren Körper nicht überanstrengen.

„Lasst mir wenigstens den Traum, auch wenn er nicht in Erfüllung gehen wird. Ich möchte daran festhalten“, bat sie und fügte hinzu, dass er so viel von ihren Gefühlen nehmen sollte, wie er brauchte.

„Wenn ich noch mehr nehme, wird dich das müde machen“, erklärte Aaron.

„Das ist in Ordnung“, versicherte Saori. Solange es ihm half, war ihr alles recht. „Bleibt Ihr bitte bei mir, bis ich einschlafe?“ War er da, hatte sie keine Angst davor.

„Wir legen uns hin“, meinte Aaron und rutschte so, dass er sich mit ausgebreiteten Flügeln bequem hinlegen und Saori sich jederzeit zu ihm kommen konnte. So, wie sie es schon getan hatte.

„Seid Ihr sicher“, fragte sie unschlüssig und legte sich mit Bedacht hin. Sie griff nach ihrem Hasen und kuschelte sich ungefragt an den Engel.

Aaron legte seinen Arm um sie und begann, Saoris kühle Haut zu liebkosen. „Du hast auf der Schaukel so glücklich ausgesehen“, bemerkte er gedankenverloren, wobei er nach ihren Gefühlen griff und spürte, wie sie in ihn eindrangen.

„Ich habe mich frei gefühlt“, gestand Saori mit dem Gesicht an seiner Brust versteckt. Ihren freien Arm legte sie um den Engel. Allein der Gedanke reichte aus, die gleichen Gefühle hervorzulocken.

„Würdest du gerne einmal fliegen?“, wollte Aaron wissen, während er ihren Rücken streichelte.

„Ja“, erwiderte die Dämonin. Schwerelos zu sein war ein Traum, der ihr dank ihrer mickrigen Flügel bisher verwehrt geblieben war.

„Würdest du auch in den Armen eines Engels fliegen?“, erkundigte sich Aaron neugierig.

Fast unmerklich nickte Saori. „Wenn Ihr derjenige seid … ja. Ich vertraue Euch, dass Ihr mich nicht fallen lasst“, murmelte sie. Aaron hatte recht. Sie wurde müde, wenn er von ihren Gefühlen nahm. Daher war sie froh, neben ihm zu liegen und sich entspannen zu können. Es war nicht wie beim ersten Mal, als sie aufgewacht war und er plötzlich an ihrer Seite gelegen hatte. Vielleicht wurde sie langsam mit seiner Gegenwart vertrauter.

„Das ist gut. Ich möchte nicht, dass du Angst hast“, flüsterte Aaron, ohne im Streicheln innezuhalten. „Schlaf ein bisschen. Du musst dich erholen.“

Ab diesem Moment wurde Saori ruhiger, doch bevor sie sich der Müdigkeit hingab und ins Land der Träume glitt, murmelte sie: „Ich glaube … ich mag Euch …“

Aaron lächelte sanft und schloss die Augen. Ihre Worte waren Balsam auf seiner Seele. Er hatte so viel Energie von Saori aufgenommen, dass er sich in einer Art Fresskoma befand. Schlaf würde ihm helfen, die ganzen Gefühle zu verarbeiten.

 

 

Aarons Umarmung half Saori, sich im Schlaf zu erholen. Erneut fühlte sie sich in einen geschützten Kokon gehüllt, der angenehm warm war.

Das, und Aarons Geruch, waren das Erste, was sie beim Aufwachen bemerkte. Seinen Flügel über sie ausgebreitet, lag der Engel neben ihr und schien noch zu schlafen. Das entlockte ihr ein Lächeln.

Saori stellte fest, wie niedlich und unschuldig er aussah. Das war der Grund, warum sie mit ihrer Hand vorsichtig über sein seidenweiches Haar fuhr. Behutsam und liebevoll, da sie Angst hatte, ihm mit der Berührung der Todesbringerin zu schaden.

Ihr kam nicht in den Sinn, dass sie ihn damit womöglich aus dem Schlaf riss, denn er blieb regungslos liegen. Engel schliefen nicht tief, da jede Gefühlsregung sie wecken konnte. Von Saori strahlten in diesem Augenblick starke Gefühle aus.

Aaron spürte es genau und um den Moment auszukosten, bewegte er sich nicht. Dazu waren ihre Berührungen viel zu sanft. Die Dämonin traute sich sogar, seine Wange zu streicheln. So vorsichtig, als würde sie die Blumen liebkosen. Es war ihre Art, ihn kennenzulernen und zu erkunden. Und das gefiel ihm.

Obwohl Aaron nicht wollte, dass sie aufhörte, zuckte er leicht mit den Flügeln als Zeichen, dass er erwachte.

„Ihr habt lange durchgehalten“, stellte Saori schmunzelnd fest. Sein nicht gleichmäßiger, ruhiger Atem hatte ihn verraten.

Gemächlich schlug Aaron seine Augen auf. „Und wüsste ich nicht, dass wir gleich Besuch bekommen, hätte ich weitergeschlafen“, erwiderte er und zog die Decke über sie beide.

Im selben Moment ging die Tür auf und Leika trat ein. In ihrer Hand hielt sie einen Teller mit Gemüse, kleine Schalen mit Frischkäse und Joghurt sowie Getränke. Als sie den Engel im Bett sah, wirkte sie überrascht.

„Guten Morgen. Ich wusste nicht, dass Ihr heute Nacht hier geschlafen habt“, entschuldigte sie sich mit gedämpfter Stimme, stellte das Frühstück auf dem Tisch ab und verschwand.

Sobald die Tür ins Schloss fiel, kicherte Saori erleichtert. Sie war froh, dass der Engel rechtzeitig reagiert hatte. In gewisser Weise fühlte sich das Ganze verboten an und irgendwie gefiel ihr das. „Woher wusstet Ihr das?“, wollte sie erstaunt wissen.

„Ich habe ihre Gefühle gespürt“, antwortete Aaron lächelnd und warf die Decke zurück. „Sie hat die Aufgabe, sich um dich zu kümmern.“

„Danke“, flüsterte Saori und erhob sich, damit Aaron sich aufsetzen konnte. Solange sie auf seinem Flügel lag, ging das nicht.

Langsam richtete sich Aaron auf und streckte sich und seine Flügel ausgiebig. Dabei erstreckte sich das Silber, das jede seiner himmelblauen Federn zierte, zu einem schimmernden Muster. „Komm, lass uns etwas essen“, meinte er.

Fasziniert sah Saori dem Schauspiel zu. „Was bedeutet das?“, fragte sie ehrfürchtig.

Aaron drehte den Kopf und nickte zufrieden. „Es sieht aus, als wäre der Flügel komplett geheilt“, sagte er und bewegte ihn vorsichtig.

„Wie ist das so schnell möglich?“, hakte Saori nach.

„Ich nehme an, dass sogar deine Gefühle eine heilende Wirkung haben“, gestand Aaron nachdenklich. „Die Idee kam mir, nachdem du mir von deinen heilsamen Tränen erzählt hast und ich sie sogar gesehen habe.“

Verwirrt neigte Saori leicht ihren Kopf zur Seite und stand auf. Behutsam streckte sie ihren Körper und spürte, wie gut ihr die Bewegung bekam. „Wie meint Ihr das? Haben nicht alle Gefühle für Euch eine regenerierende Wirkung?“

„Du musst dir das so vorstellen: Wir nehmen sie auf, um unseren Körper zu stärken. So wie du Nahrung zu dir nimmst“, erklärte Aaron. „Meistens heilen wir dadurch schneller als ohne Gefühlsaufnahme, aber mein Flügel ist viel zu rasant wiederhergestellt. Normalerweise dürfte er noch gar nicht soweit sein.“

Unsicher geworden, senkte Saori ihren Blick. „Denkt Ihr wirklich, es liegt an mir?“ Warum wirkten ihre Fähigkeiten bei ihm heilend, wenn alles andere bei einer Berührung starb?

Wusste ihre Familie sogar davon und waren deshalb so enttäuscht von ihr?

Aaron nickte. „Ja, deine Gefühle sind stark. Für andere vielleicht zu stark, aber für mich sind sie perfekt“, sagte er und holte das Tablett zum Bett.

„Lasst uns am Tisch essen“, bat Saori. Ihrer Meinung nach war es albern im Bett zu essen, solange man gesund war.

„Wirklich? Ich finde es so viel bequemer“, sagte Aaron.

Seufzend gab Saori nach und setzte sich so hin, dass sie sich gegen das Bettgestell lehnen konnte.

Der Engel griff ein Stück Paprika, tauchte es in den Frischkäse und hielt es Saori hin.

Dankbar nahm die Dämonin das Gemüse und betrachtete es genau, bevor sie hineinbiss. Die Kombination schmeckte erfrischend und leicht. „Das mag ich gerne. Leika hat gesagt, dass ihre Mutter kocht“, erzählte sie.

„Ja, ihre Mutter ist eine wunderbare Köchin. Sie weiß, wie man die Leute mit Leckereien bei Laune halten und glücklich machen kann“, stimmte Aaron zu. Er selbst nahm sich eine Schüssel Joghurt und ließ ein wenig Honig sowie einige Nüsse hineinfallen, bevor er den Löffel griff und zu essen anfing.

„Was ist das?“, erkundigte sich Saori mit einem Fingerzeig auf seine Speise.

„Das ist Joghurt, ein Milchprodukt“, erklärte der Engel. „Möchtest du probieren?“

„Auf einem Teller, ja“, bat Saori. Aus Angst wollte sie nicht den gleichen Löffel mit ihm teilen.

Aaron entschied sich, nichts dazu zu sagen. Stattdessen nahm er den Unterteller seiner Tasse und gab etwas von seinem Joghurt darauf. Zusammen mit dem Löffel aus der Teetasse hielt er es Saori hin. Dabei lächelte er und wirkte neugierig.

Nachdenklich betrachtete Saori die weiße Konsistenz, schnupperte daran und wagte zu probieren. Die Kombination war anfangs gewöhnungsbedürftig, aber lecker. „Es schmeckt gut, doch durch den Honig zu süß“, stellte sie fest.

„Ja, man kann viele verschiedene Dinge hineinmischen“, erklärte Aaron und nahm aus der noch unberührten Schüssel einen Löffel Joghurt, auf den er eine halbe Erdbeere legte.

Sobald Saori kostete, verzog sie ihr Gesicht. Die Erdbeere selbst war süß, aber der Joghurt sauer. „Lieber mit Honig“, entschied sie.

Ihre Reaktion ließ Aaron leise lachen. „Leika mag den Joghurt mit Zitrone“, sagte er und griff nach einigen Blaubeeren, die er zusammen mit ein wenig Honig in den Joghurt gab.

Skeptisch betrachtete Saori die Schüssel, wurde aber beim Kosten sofort überzeugt. Die Mischung aus süß, sauer und frisch schmeckte ihr und sie leckte ihre Lippen.

„Das scheinst du zu mögen“, bemerkte Aaron zufrieden. Es war gut, wenn sie Dinge fand, die sie mochte. So würde sie hoffentlich in Zukunft regelmäßiger essen.

„Ich danke Euch, dass Ihr mir die Möglichkeit zum Probieren gebt“, erwiderte sie. Trotz allem griff sie lieber zum Gemüse.

„Ich bin froh, wenn du etwas findest, das dir zusagt“, meinte Aaron. Langsam leerte er seine Schüssel, da er ahnte, dass Saori nicht gerne allein aß. „Möchtest du noch etwas?“, wollte er wissen.

Verneinend schüttelte Saori ihren Kopf. „Danke, aber das war genug“, antwortete sie und streckte sich noch einmal vorsichtig. Dabei spürte sie einen unangenehmen Stich in der Brust. „Bin ich froh, wenn die Rippe verheilt ist. Sie stört bei jeder Bewegung“, seufzte Saori und erhob sich, um den Teller zurück auf den Tisch zu stellen. Kaum waren ihre Hände leer, räkelte sie sich leicht und mit einem Quietschen.

Das niedliche Geräusch ließ Aaron schmunzeln. „Es wird nicht mehr so lange dauern, bis es deiner Rippe besser geht“, versicherte er lächelnd. „Komm, such dir ein Kleid aus und zieh dich um“, wies er Saori an.

Wortlos nahm die Dämonin das vom Vortag. Ihr gefiel der dünne Stoff am besten. Damit ging sie ins Bad und lehnte die Tür an. So konnte Aaron sie beim Waschen hören, aber nicht sehen.

Der Engel blieb zurück und zog sich ebenfalls um. Neben Saoris Kleidern hatten seine Tuniken ihren Platz im Schrank gefunden. Das ließ den Engel mehr schmunzeln. Ob Saori das bemerkt hatte? Vermutlich nicht, wenn sie noch nicht hineingesehen hatte.

Aaron nahm das Geräusch von fließendem Wasser wahr, das nach kurzer Zeit aufhörte. Wenige Minuten später kam Saori frisch gewaschen und angezogen zurück und band sich im Laufen ihre Haare lose zusammen.

„Bist du bereit für einen Ausflug?“, fragte Aaron leise.

Nachdenklich neigte Saori ihren Kopf. „Einen Ausflug? Wohin? Zur Schaukel?“, wollte sie mit strahlenden Augen wissen und griff aufgeregt nach ihrem Hasen.

Aaron lächelte. „Nein, nicht ganz. Komm mal her und erschrick bitte nicht.“ Er stand vor der angelehnten Balkontür und blickte sie abwartend an.

Unschlüssig trat Saori zu ihm heran. Was hatte er vor?

„Komm und umarm mich. Halte dich gut fest, ja?“, bat Aaron.

Überrascht über seine Anweisung kam sie seiner Bitte vorsichtig nach.

Mit einem leichten Ruck hob Aaron sie hoch. So konnte er die junge Frau am besten tragen. „Nicht erschrecken. Es wird gleich kribbeln und für einen Moment dunkel“, erklärte er und berührte einen Stein, der sie mit dem Zauber überzog.

---ENDE DER LESEPROBE---