Drachenaugen: Die Wahrheit - Jadelyn Kaya - E-Book
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Drachenaugen: Die Wahrheit E-Book

Jadelyn Kaya

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Beschreibung

Als neue Königin von Tir Na Zaj hat Fenrir einiges zu tun. Freyr und sie helfen den Kindern aus den Dörfern und bauen für sie ein Waisenhaus. Mit den Kindern an ihrer Seite erleben Freyr und Fenrir einige Abenteuer, doch irgendetwas stimmt nicht, als sie erneut auf der Reise sind. Werden Fenrir und Freyr es schaffen, endlich Frieden zu bringen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impressum

 

Autor: Jadelyn Aurora & Kaya Hetalia

Herausgeber: Sabrina Nieminen

Tupamäentie 20

41800 Korpilahti

-Finnland-

 

Covergestaltung: Unter Verwendung von Shutter-stock-Motiven

Herstellung und Vertrieb:

tolino media GmbH & Co. KG, München

Erschienen 2023 im Selbstverlag

Ab der 2. Auflage liegen die Rechte bei Jadelyn Aurora

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

 

 

 

Dumpfe Hufschläge trommelten auf dem Sandplatz des Schlosses und wechselten sich mit zufriedenem Schnauben und klaren Befehlen ab. Unbarmherzig schien die Sonne auf das Schloss hinab und erwärmte das Land Air Terjun in Tir Na Zaj.

Der Regen in der Nacht hatte den Sand von seiner Trockenheit befreit, sodass es nicht mehr in der Nase kitzelte, wenn man daran vorbeikam. Hier und da glitzerten die restlichen Regentropfen auf der umliegenden, für kleine Tiere anziehenden, Wiese. Der frische Geruch wurde von einem leichten Wind vor sich hergetragen und sorgte bei vielen Angestellte für ein erleichtertes Aufatmen.

Seit der Hochzeit von König Freyr Dragoi und Fenrir Rina Itsua im Sommer war das Wetter beständig geblieben. Auf der Hochzeitsreise waren sie von wunderbar warmen Sommertagen begleitet worden, sodass sie mit den Kindern viele Ausflüge machen konnten. Das hatte dafür gesorgt, dass sich das Königspaar völlig entspannen und erholen konnte, bevor sie ins Schloss zurückgekehrt waren und dem Alltag wieder nachgingen.

Seit ihrer Rückkehr waren einige Wochen vergangen. Entspannt und gelassen sah Königin Fenrir ihrer Tochter Erin dabei zu, wie diese geschickt das große, dunkelbraune Pferd durch die Bahn lenkte. Ein hochkonzentrierter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht und sie schien alles um sich herum vergessen zu haben.

Erin, ein junges Mädchen von knapp sieben Jahren, ritt für ihr Alter bereits ausgezeichnet. Vor allem, seitdem sie regelmäßigen Unterricht bekam. Ihre langen, schwarzen Haare lagen zusammen gebunden unter dem Helm und ließen sie wie ein Junge wirken. Mit ihren grünen Drachenaugen erinnerte sie an Fenrir, die ein kleines Kind, das vor ihrer Brust im Tragetuch schlief, streichelte.

Sanja, ebenfalls ein Kind mit Drachenaugen, war seit ihrer Rettung gewachsen und gesund. Genau wie Fayra und Andre, die sich mittlerweile völlig eingelebt hatten.

Auf dem Nebenplatz wurden sie von Kaila, einer jungen Kriegerin in Freyrs Herr, angewiesen, einige Übungen zu Pferd zu vollführen. Auch die beiden bekamen regelmäßigen Unterricht, wobei Kaila diesen meist leitete, weil sie generell einfühlsamer als der Reitlehrer war.

Kale war oft an ihrer Seite und gab den Kindern Hinweise, wie sie besser mit den Pferden umgehen konnten. Zudem hatte er angefangen, auch ab und an mit Kaila Ausritte zu machen.

Freyr arbeitete, seitdem sie wieder hier waren viel, hatte aber immer wieder Zeit für seine kleine Familie. In den Pausen kam er oft zu ihnen, sah ihnen zu und sprach kurz mit ihnen.

Genau wie seine Frau, die sich eine Auszeit gönnte, um über die letzten Pläne für das anstehende Waisenhaus nachzudenken. Da sie die Stunden in- und auswendig kannte, wann die Kinder Unterricht hatten, war es naheliegend, die kleine Pause dorthin zu verlegen.

Und sie bereute es nicht. Die Ruhe, die von dieser Szene ausging, befreiten sie von einigen Gedanken, an denen sie bisher festgehalten hatte. Leider waren sie nicht einfach umzusetzen, weshalb sie einen freien Kopf brauchte, um neue Ideen zu sammeln.

„Das macht Erin gut, nicht wahr?“, fragte sie Sanja leise, die halb verschlafen ihre Umgebung betrachtete. Gerade war sie dabei, aufzuwachen und wahrscheinlich wollte sie auch bald gefüttert werden, weshalb Fenrir sich entschied, zurückzugehen.

Auf den Weg kam ihr Freyr entgegen, der ihr ein sanftes Lächeln schenkte, bevor er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange gab, ehe er auch Sanja leicht küsste. „Wie geht es meiner Frau?“, fragte er, denn er hatte angefangen sie so zu nennen.

Amüsiert lachte Fenrir und streichelte seinen Bart, den er tatsächlich ein wenig gestutzt hatte. „Der geht es ziemlich gut. Und wie geht es meinem Mann?“, fragte Fenrir neckend zurück. „Nimmst du dir gerade eine Pause?“

Freyr nickte. „Es ist doch eine ganze Menge angefallen“, sagte er mit einem schiefen Lächeln. „Trotzdem nicht schlimm“, versicherte er. Er würde es bald nachgeholt haben.

Zärtlich schlang Fenrir ihren Arm um ihn und küsste ihn erneut. Im Moment gab es eine Menge aufzuholen, doch so langsam arbeiteten sie alles ab. „Wir sollten vielleicht nicht so lange Reisen unternehmen“, schlug sie mit einem unschuldigen Blick vor. „Nächstes Mal erschlagen uns die Dokumente und Anliegen noch“, prophezeite sie lächelnd, bevor sie Sanja aus dem Tragetuch hob und ihm in die Arme drückte. „Deine Prinzessin wird gleich Hunger haben. Wenn du möchtest, kannst du den Kindern beim Reiten zusehen oder dich unter den Pavillon setzen. Ich sage Suno Bescheid, dass sie etwas bringen soll“, schlug Fenrir vor.

„Ich möchte sie füttern“, sagte Freyr lächelnd, der seine Tochter sanft im Arm wiegte. „Außerdem mag ich das Reisen mit dir.“

Sanja machte einen zufriedenen, quietschenden Laut und zupfte an seinem Bart. „Ich auch. Es war eine schöne Erholung“, gab Fenrir zu und ließ die beiden stehen, um Suno, die nicht weit entfernt war, aufzusuchen. Ihr persönliches Dienstmädchen war in der Zeit erwachsener geworden, aber immer noch so schüchtern wie früher. Fenrir mochte sie gerne und sie war eine gute Freundin geworden, die ihr sozusagen die Wünsche von den Lippen ablas. So auch jetzt. Mit wenigen Worten verstand sie den Auftrag, für Getränke und Essen zu sorgen. Auch für die Kinder, deren Unterricht bald vorbei sein würde. Es war sicher, dass sie dann zum Pavillon kamen. Immerhin stand im Garten ein Spielplatz, den sie täglich aufsuchten, um ihre überschüssige Energie loszuwerden.

Als Fenrir zurückkehrte, fand sie Freyr unter dem Pavillon sitzen. Er erzählte gerade Sanja etwas, während sogar Dunja da war und das kleine Mädchen mit ihrer Erscheinung begeisterte.

Liebevoll betrachtete Fenrir die Szene und begrüßte die kleine Fee, indem sie ihren Finger ausstreckte. „Amüsiert ihr euch gut?“, fragte sie lächelnd und ließ sich dicht neben Freyr nieder, um seine Nähe zu suchen.

„Sehr“, lachte Freyr, der leichte Grimassen machte, um Sanja zum Lachen zu bringen.

Während Dunja sich an Fenrirs Finger schmiegte, streichelte die Königin den winzigen Kopf vorsichtig. Die Fee, die ihr schon so viel geholfen hatte, war immer für sie da. „Suno kommt gleich, damit wir uns stärken können. Die Pläne zerbrechen mir im Moment noch den Kopf“, gestand Fenrir seufzend.

„Willst du später mit mir darüber sprechen?“, fragte Freyr, der immer ein offenes Ohr für seine Frau hatte, auch wenn er selbst im Stress war.

Diese nickte zustimmend. Es gab nichts, was sie nicht mit ihm besprach. So stressig hatte es sich Fenrir nicht vorgestellt, Königin zu sein. Es gab viele Aufgaben, die sie erledigen musste, aber mit Freyr an ihrer Seite gelang es ihr gut.

Gerade wollte sie erklären, dass etwas vom Bau her nicht funktionieren würde, wie sie es sich gedacht hatte, als Sanja sie plötzlich unterbrach, und ein langgezogenes: „O“ machte. Mit großen Augen sah sie Freyr an. „Ei.“

Fenrir runzelte die Stirn, als Sanja die Buchstaben immer wieder wiederholte.

Freyr lachte leise. „Was willst du mir sagen?“, fragte der König neugierig. „Ob sie Hunger auf ein Ei hat?“

Seit geraumer Zeit brabbelte Sanja unverständliche Wörter, die einiges an Fantasie benötigten, um verstanden zu werden.

Fenrir wiederholte die Laute und lachte. „Ich denke, was sie sagen will, ist Hoheit“, kicherte sie amüsiert, als Sanja sie ansah, als würde Fenrir damit richtig liegen.

Freyr lachte leise. „Das hat sie von dir“, behauptete er belustigt. „Statt Papa zu sagen, kommt sie damit.“

Dem konnte Fenrir nicht widersprechen. Dafür grinste sie breit. „Ich kann auch wieder anfangen, dich so zu nennen“, schnurrte sie ihm ins Ohr und zwickte ihn leicht und neckend mit den Zähnen hinein. „Sie wird schon noch lernen, dich Papa zu nennen“, versicherte sie zuversichtlich.

„Hoffe ich doch“, meinte Freyr nüchtern. Er wusste, dass es eher daran lag, dass alle ihn höflich ansprachen. Dieses Wort fiel oft, weshalb Sanja es wohl aufgeschnappt hatte.

Lachend streichelte Fenrir über das schwarze Haar, das an das von Kale erinnerte. Fenrirs Freund aus dem Dorf des Schamanen besaß ebenso tiefschwarzes Haar mit einem Blaustich in der Sonne.

Suno kam mit einem großen Tablett und stellte es auf den Tisch. „Ich bringe gleich ein weiteres“, versprach sie mit einer Verneigung und legte Tücher dazu, falls Sanja wieder einmal mehr spielte, anstatt zu essen.

„Danke, Suno“, sagte Fenrir lächelnd und griff nach einem Glas mit dunkler Flüssigkeit. Der eisgekühlte Tee war bei diesem Wetter genau das Richtige und Erfrischende.

Freyr nahm sich das Tuch, das er sich unterlegte, bevor er den Brei für Sanja ergriff. Er rührte kurz, bevor er dem kleinen Mädchen einen Löffel hinhielt, damit sie kosten konnte.

Nachdenklich betrachtete sie es und schnupperte sogar. Urkomisch sah das aus, weshalb Fenrir zu lachen begann. Sanja sah aus, als wäre sie Freyr in Drachengestalt, wenn er schnupperte.

Zögerlich probierte Sanja den hellgelben Brei und verzog dann das Gesicht.

„Vielleicht sollten wir anfangen ihr etwas anderes zu geben“, meinte Freyr nachdenklich. „Sie hat Drachenblut. Eventuell mag sie püriertes, rohes Fleisch. Von Kale weiß ich, dass auch er rohes Fleisch bevorzugt.“

Zustimmend nickte Fenrir und nahm einen Schluck des Getränks, bevor sie es Freyr an die Lippen hielt. „Genau wie du. Erin fängt auch schon damit an“, bemerkte sie und erinnerte sich daran, dass die meisten Kinder im Dorf manchmal rohes Fleisch verzehrt hatten. Sie selbst hatte sich bisher nicht ganz damit anfreunden können. Wenn sie es aß, dann nur in ganz kleinen Mengen und in Kombination mit etwas anderem. Was vielleicht daran lag, dass sie nicht mit den Drachenaugen geboren worden war.

Freyr schmunzelte und nahm einen Schluck. „Es ist eigentlich normal für Drachenkinder“, sagte er beruhigend.

„Wir können es versuchen“, meinte Fenrir nachdenklich, schnappte sich einen Keks, der mit Orangen gespickt war und knabberte daran herum. „Hoffentlich sagen die Küchenfrauen nichts dazu. Apropos … was macht eigentlich Mylady Isis? Hast du dich schon entschieden, was du mit ihr machst?“, erkundigte sich Fenrir vorsichtig. Das Thema war etwas, wobei er gerne auswich, doch eine Entscheidung war längst hinfällig.

„Bitte hör auf, sie Mylady zu nennen“, meinte Freyr nüchtern. „Sie ist keine Lady mehr“, seufzte er und fuhr sich durch die Haare, bevor er sich ein Stück Brot mit einer pürierten Wurst nahm. Dieses hielt er Sanja hin.

Da sie mittlerweile einen weiteren Zahn bekommen hatte, konnte sie es durchaus kosten. Mit beiden Händen griff sie danach und schob es sich in Mund. Für einen Moment leuchteten ihre violetten Drachenaugen leicht auf.

„Es scheint ihr zu schmecken“, bemerkte Fenrir begeistert, aber seufzend. „Tut mir leid. Ich bin es immer noch gewohnt, sie so zu sehen. Ich werde mir Mühe geben, das zu ändern“, versprach sie feierlich.

„Das würde mich freuen“, meinte Freyr, der lachend dabei zusah, wie Sanja die Wurst vom Brot saugte und das Brot an sich mit ihrem Speichel so weich machte, dass sie darauf herumkauen konnte. Für ihr Alter war sie erstaunlich schlau und wusste, wie sie etwas bekommen konnte.

„Also? Hast du dich schon entschieden?“, wiederholte Fenrir ihre Frage, während sie Sanja beobachtete. Freyr hatte Recht: Sie schien Fleisch zu wollen.

„Nein, tatsächlich immer noch nicht. Ich möchte sie nicht hinrichten lassen, obwohl es gesetzlich gerechtfertigt wäre. Zudem wüsste ich dann, dass sie meiner Familie nie wieder etwas tun könnte“, seufzte Freyr. Das wurde ihm geraten, doch er selbst war einfach nicht diese Art von König.

Fragend legte Fenrir ihren Kopf schief. „Hat ihre Familie dir schon etwas angetan?“, fragte sie verwirrt über seine Wortwahl. Eine Hinrichtung wollte sie nicht unbedingt beiwohnen, aber wahrscheinlich würde es von einer Königin erwartet werden.

„Ihre Familie nicht. Aber sie ist die Art Frau, die sich rächen wird“, prophezeite Freyr murmelnd, bevor er Sanja etwas zum Trinken gab.

Fenrir schauderte. Diese Art von Charakter erinnerte sie an Vater. Auch wenn sie seinen Grund für den Hass auf die magischen Wesen nicht ganz genau wusste und nachvollziehen konnte, ähnelten er und Isis sich irgendwie. „Willst du sie dann einsperren, ihr das Leben aber angenehm gestalten?“, fragte Fenrir vorsichtig. Nachdem die ehemalige Königin für viel Leid in den Städten und Dörfern gesorgt hatte, sollte sie nicht mehr frei herumlaufen. Eventuell würde sie erneut Chaos verursachen, das nicht einfach zu beseitigen war. Die Auswirkungen ihrer Herrschaft war noch immer präsent.

„Ich überlege sie aus meinem Königreich zu verbannen. Sie bekommt ein kleines Startkapital und soll sich außerhalb ein Leben aufbauen“, sagte er, wusste jedoch nicht genau, ob diese Idee gut war.

Es war eine Möglichkeit, die ein gutes, aber auch ein böses Ende haben konnte. Fenrir konnte verstehen, warum Freyr zögerte. Eine richtige Entscheidung zu treffen, war nicht einfach.

Als Suno mit einem zweiten Tablett kam, bat sie das Dienstmädchen, in der Küche nach einem Brei mit rohem Fleisch zu fragen. Sanja brauchte Essen, um gut zu wachsen.

Fenrir wollte mit dem Thema fortfahren, als plötzlich das Geschrei der Kinder lauter wurde. „Mama! Papa!“, riefen sie im Chor und kamen zu ihnen gerannt. Außer Atem und vom Reiten leicht rötlich im Gesicht, aber glücklich, umarmten sie die beiden.

Freyr lachte und nahm die drei in den Arm. Aber so, dass Sanja nicht darunter litt. „Ich habe gehört, ihr habt alle drei gute Fortschritte beim Reiten gemacht?“, fragte er mit funkelnden Augen. Er war stolz auf sie.

„Ja!“, antworteten sie begeistert und sprangen auf das bequeme Sofa, um sich an die Erwachsenen zu kuscheln. Eifrig griffen sie nach den Getränken und dem Gebäck, um sich zu erholen.

Während sie durcheinander von den Unterrichtsstunden erzählten, kamen Kaila und Kale zu ihnen geschlendert. „Setzt euch“, bat Fenrir die beiden, sobald sie den Pavillon erreicht hatten. Die beiden wirkten gelöst und entspannt. „Waren sie brav?“, fragte sie Kaila verschmitzt, obwohl sie es gesehen hatte.

„Ich glaube, ich habe sie noch nie gesehen, wenn sie nicht brav waren“, grinste Kaila.

„Das kommt sicher noch“, warnte Kale vor, denn aus Erfahrung aus dem Dorf wusste er durchaus, dass Kinder ab einem bestimmten Alter nicht mehr so pflegeleicht waren.

„Da spricht die Erfahrung“, feixte Fenrir und genoss das Beisammensein. Amüsiert beobachtete sie, wie die Familie harmonierte und die Kinder voller Energie steckten.

Plötzlich spürte sie, wie die Übelkeit, die sie schon den ganzen Tag mit sich herumgetragen hatte, überhandnahm und sich den Weg ins Freie suchte. Mit einem: „Verzeihung“, stand Fenrir hastig auf und entfernte sich vom Pavillon, bevor der Schwall an Flüssigkeit aus ihr quoll.

Freyr reichte Sanja an Kale weiter und folgte seine Frau besorgt. „Was ist?“, fragte er unsicher.

„Mir ist nur schlecht“, keuchte Fenrir und richtete sich langsam auf. „Heute Morgen war mir schon übel, aber jetzt konnte ich es nicht zurückhalten“, murmelte sie und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. „Ich glaube, die Hitze bekommt mir im Moment nicht gut.“

Freyr griff ihr an die Stirn und fühlte, ob sie vielleicht heiß war. Allerdings schien alles normal. „Du solltest einen Arzt aufsuchen“, sagte er beunruhigt. „Was, wenn du krank wirst? Oder dir den Magen verdorben hast?“

Leicht schüttelte Fenrir den Kopf. „Ich habe das Gleiche wie ihr gegessen. In der letzten Zeit ist mir manchmal kurz übel, aber sonst geht es mir gut“, erklärte sie, versprach aber, sich von Yordan untersuchen zu lassen, sobald sie im Schloss waren.

„Vielleicht der Stress?“, schlug Freyr unsicher vor. Möglich war es auf alle Fälle.

„Eventuell. Ich lasse mich absichern“, antwortete Fenrir ernst. Sie wollte nicht krank sein, sondern ihren Arbeiten nachgehen und das Leben genießen. Seufzend säuberte Fenrir ihr Kleid, das ein paar Spritzer von der Gallenflüssigkeit abgekommen hatte. Zum Glück war es nicht schlimm, aber es war unangenehm, weshalb sie sich schnellstens umziehen sollte. „Mir geht es wieder besser. Lass uns zu den anderen gehen“, bat Fenrir und hakte sich bei Freyr ein.

„Geh und zieh dich erst einmal um“, meinte Freyr sanft, da er wusste, dass es unangenehm sein konnte.

„Mache ich“, versprach Fenrir ihm mit einem Kuss auf die Wange. Wenn sie schon drinnen war, würde sie auch Yordan gleich aufsuchen, damit Freyr beruhigt war. „Bleibst du bei den anderen? Ich komme nachher wieder.“ Dass ihre Rückkehr länger dauern würde, ahnte sie nicht.

„Ja, ich werde auf dich warten“, versprach er. Erst, wenn er wusste, dass es ihr gut ging, würde er sich wieder zur Arbeit begeben.

 

Auf den Garten und die zahlreichen, arbeitenden Feen starrend, saß Fenrir in ihrem gemütlichen Sessel am Fenster und musste die Nachricht erst einmal verdauen. Das, was Yordan ihr gesagt hatte, warf sie aus der Bahn. Mit dieser Diagnose hatte sie nicht gerechnet und sie fragte sich, was Freyr dazu sagen würde. Sobald sie die Worte gehört hatte, hatte sie Suno gebeten, Freyr zu holen.

Jetzt wartete sie voller Ungeduld, und die Zeit, die sie allein war, nutzte sie, um es ihm schonend beizubringen.

Freyr kam fast schon zur Tür hineingestürzt und dann auf Fenrir zu. „Was ist los? Geht es dir nicht gut? Ist es etwas Ernstes?“, fragte er der Panik nah. Er hatte sie doch gerade erst geheiratet! Er wollte sie nicht schon jetzt wieder verlieren.

Fenrir hob ihre Hände und stand auf. „Es ist tatsächlich etwa Ernstes“, verkündete sie und kam auf ihn zu, um ihre Arme um ihn zu schlingen. „Erinnerst du dich noch daran, als wir damals die Kinder bei uns aufgenommen haben? Wie schön es wäre, ein eigenes zu bekommen?“, fragte sie leise mit einem tiefen, intensiven Blick in seine wunderschönen, goldbraunen Augen.

Für einen Moment wirkte Freyr eher, als würde er noch mehr im Panik ausbrechen, bevor seine Augen groß wurden. „Moment“, sagte er langsam. „Du … ein Kind?“

Das leichte Nicken, gepaart mit einem fast schon schüchternen Lächeln, bestätigte seine Frage.

„Wir bekommen ein Kind?“, fragte Freyr noch einmal ungläubig, während er sie mit großen Augen anstarrte.

„Laut Yordan, ja“, hauchte Fenrir ihm zu. Die Überraschung ließ ihr Herz schneller klopfen. Ein Kind. Von Freyr. Es war kaum zu glauben. Bisher hatte es nicht funktioniert, doch womöglich spielten die zahlreichen Liebesspiele nach der Hochzeit eine große Rolle. „Er sagte, ich bin kerngesund und es sind normale Anzeichen. Solange es nicht zunimmt, sieht er keinen Grund zum Eingreifen.“

Freyr strahlte sie plötzlich an, bevor er sie an sich drückte und in einer Umarmung hochhob. „Das ist so wundervoll.“

Voller Glück küsste Fenrir ihn innig und legte ihre Arme eng um ihn. „Das ist es in der Tat“, erwiderte sie und grinste. „Unsere Familie wächst.“

„Ja. Meiner Meinung nach kann sie gar nicht groß genug werden“, sagte er grinsend, bevor er sie noch einmal innig küsste.

„Du kannst Yordan darüber ausquetschen, aber er hat versichert, dass ich voller Kraft strotze“, erklärte Fenrir lächelnd und ließ ihn los. „Ich hätte nie gedacht, dass es wirklich passieren wird.“ Jetzt konnten sie ihre Fähigkeiten, die sie bei Sanja gelernt hatten, bald anwenden. Was würden die anderen Kinder dazu sagen? War es gut oder schlecht? Fenrir wollte nicht, dass sich einer von ihnen zurückgesetzt fühlte.

Freyr küsste sie noch einmal innig. „Jetzt kann ich dich endlich verwöhnen, während du schwanger bist“, sagte er mit funkelnden Augen, als hätte er nur darauf gewartet.

Warnend zog Fenrir eine Augenbraue nach oben, sodass sie unter ihrem geliebten Pony verschwand. „Freyr, du verwöhnst mich die ganze Zeit“, meinte sie ernst. Was wollte er denn noch alles tun? Fenrir war glücklich, wie alles war.

Freyr lachte leise. „Mag sein, aber ich mag es eben, meine Frau zu verwöhnen“, sagte er grinsend.

Tadelnd hob Fenrir einen Finger. Das konnte heiter werden. „Mit was willst du mich denn noch alles verwöhnen? Ich habe doch alles. Am wichtigsten ist es, dass ich dich habe. Ich bin keine Invalide, sondern erwarte ein Kind“, erwiderte sie und zeigte Freyr den detaillierten Bericht, den Yordan ihr angefertigt hatte, damit alles seine Richtigkeit hatte.

Freyr las diesen und sein Grinsen wurde immer breiter. Ein Kind. Eines von ihm und Fenrir. Es war wunderbar.

„Du siehst gruselig aus, wenn du so breit grinst“, behauptete Fenrir schmunzelnd. Noch nie hatte sie Freyr so lächeln sehen. Außer bei der Hochzeit, an die sie sich gerne zurückerinnerte.

„Mag sein, aber ich werde Vater“, sagte er voller Freude und Stolz. „Ich darf glücklich sein.“

Neckend knuffte Fenrir ihm in den Arm. „Das darfst du auf jeden Fall. Aber mach das Gesicht bloß nicht vor den Kindern. Die rennen schreiend weg“, prophezeite sie aufatmend. Ihr erster Schock war mittlerweile verflogen. Alles, was sie fühlte, war Stolz und Glück. Sollte das Kind Drachenaugen besitzen, wäre es ein großer Pluspunkt. Was wohl Kale dazu sagen würde?

Freyr hob seine Frau hoch und drehte sich einmal glücklich mit ihr. „Zur Feier des Tages machen wir heute Abend einen Ausflug“, entschied er.

„Mit oder ohne Kinder?“, fragte sie unschuldig und gab ihm einen Kuss auf die Nase.

„Wie auch immer du das willst“, antwortete er, bevor er sie innig küsste.

„Ohne“, lächelte sie an seine Lippen. Die Kinder durften regelmäßig mitfliegen, doch diese Nacht würde nur ihnen zwei gehören. Die Verkündung würde sicherlich für viel Gesprächsstoff sorgen, weshalb Fenrir sich innerlich bereits darauf vorbereitete. Es war üblich, die großen Neuigkeiten im Land zu verbreiten. Jetzt gab es auch keinen Grund mehr, dies zu verheimlichen. Es bestand keine Gefahr mehr durch Isis.

Als Freyr sie wieder absetzte, löste sich Fenrir von ihm. „Wann willst du es verkünden? Zuerst nur im kleinsten Kreis oder gleich allen?“, erkundigte sie sich und nahm Freyr den Bericht ab, um ihn zu verstauen. Er konnte noch wichtig werden und es war ein Dokument zum Nachweisen.

„Ich möchte es erst den Kindern sagen“, sagte er ernst. „Damit sie sich daran gewöhnen können. Danach wird es verkündet.“

Langsam drehte sich die Königin zu ihm um und lächelte. In ihrem neuen, hellgrünen Kleid aus dünnem Samt, sah sie anmutig aus. Er betonte ihre Figur und der Rock schwang bei jedem Schritt sanft mit.

„Jetzt sofort oder willst du noch ein paar Minuten genießen, bevor wir mit Fragen gelöchert werden?“, fragte Fenrir unschuldig.

„Wie immer du willst. Heute richte ich mich nach dir“, flüsterte er an ihre Nase.

„Was für eine Ehre“, lachte Fenrir und zog ihn zum Bett. Ein paar Minuten wollte sie kuscheln und träumen. Sobald sie im Bett lagen, legte Fenrir seine Hand auf ihren Bauch und starrte an die Decke. „Unglaublich, dass dort ein kleines Kind heranwachsen wird“, flüsterte sie atemlos.

Der König spürte die Wärme ihres Bauches und lächelte. „Ich hab nicht so schnell damit gerechnet“, gestand er ein wenig verlegen.

„Ich auch nicht“, erwiderte sie verträumt und wandte ihm ihren Kopf zu. „Aber eigentlich kein Wunder … bei all den Liebesnächten …“, kicherte sie mit roten Wangen.

Freyr schmunzelte. „Trotzdem kam es überraschend“, sagte er und küsste ihre Nase. Er war so glücklich, dass er platzen könnte.

Leicht richtete sich seine Frau auf und küsste ihn erneut. „Dich so glücklich zu sehen, ist schön, Freyr. Du verdienst es“, flüsterte sie und drehte sich mit ihm, sodass sie auf ihm saß und ihn von oben herab ansehen konnte.

„Verführst du mich etwa schon wieder?“, fragte er neckend, während er mit den Händen ihre Hüfte umfasste.

„Vielleicht?“, fragte sie im gleichen, neckischen Ton. „Solange wir es noch können …? Irgendwann wird mein Bauch im Weg sein“, behauptete sie und beugte sich hinab, um spielerisch in seine Lippen zu zwicken. Außerdem waren die Kinder versorgt und hatten genug Aufpasser.

Freyr begann seine Hände auf Wanderschaft zu schicken. „Ich glaube nicht, dass dem so sein wird“, meinte er neckend, während er ihre Brüste umfasste.

Stöhnend schloss Fenrir ihre Augen und legte ihren Kopf in den Nacken. „Natürlich werde ich zunehmen“, murmelte sie genussvoll, als er leicht zudrückte. Herrlich, wie sanft, aber fordernd er sein konnte.

„Das heißt aber nicht, dass der Bauch im Weg sein wird“, lachte der König, während er sie fordernd, aber trotzdem zärtlich massierte.

„Wir werden sehen“, keuchte seine Frau bei seinen Berührungen. Um ihn zu reizen, bewegte sie ihr Becken und rieb sich an ihm. „Wie ich dich kenne, wirst du schon einen Weg finden, mich zu entspannen, wenn ich nah an einer Panikattacke bin“, murmelte sie heiser.

„Warum solltest du Panikattacken haben?“, fragte Freyr atemlos, da sie mit ihren Bewegungen Blitze durch seinen Körper jagte.

„Ist dir eigentlich bewusst, dass eine große Belastung auf mich zukommt? Irgendwann werde ich paranoid sein, weil ich bei jeder Kleinigkeit Angst habe, dem Kind in meinem Bauch passiert etwas“, erklärte Fenrir, während sie wie selbstverständlich ihr Becken weiter kreisen ließ. „Ich werde ganz sicher Angst vor der Geburt haben.“

„Das schaffen wir zusammen“, sagte er sanft. „Wir besorgen dir die besten Ärzte“, versprach er, um sie zu beruhigen. Er selbst hatte ebenfalls Angst.

„Sag mir das noch einmal, wenn ich das Kind zur Welt bringe“, seufzte Fenrir, die ungelogen eine Heidenangst davor hatte. Ihr war klar gewesen, dass sie irgendwann einmal Kinder haben würde. Egal ob bei Vater im Dorf oder woanders. Hier war die Belastung, einen Nachfolger für Freyr zu bekommen, wesentlich höher. Und dennoch freute sich Fenrir immens. So stark, dass das Glück die Angst überwog. Irgendwann würde sie ein Bündel neues Leben im Arm halten. Ein Zeichen von Freyr und ihrer Liebe.

Der König küsste seine Gemahlin liebevoll. „Denk nicht an die Geburt. Nur an das jetzt.“

„Ja, Eure Hoheit“, hauchte Fenrir gespielten Gehorsam und lachte.

Freyr grinste. „Das könnte mir durchaus gefallen“, sagte er neckend.

„Dich wieder förmlich anzureden?“, fragte Fenrir mit unschuldigem Blick und klimperte mit ihren Wimpern.

„Beim Liebesspiel so unterwürfig sein“, hauchte er an ihre Lippen, wobei er verführerisch klang.

Tief sah Fenrir ihm in die Augen und zog sich dann lachend zurück. „So ist das also? Du willst mich wieder fesseln und zum Schreien bringen?“, fragte sie mit zitternder, erregter Stimme. Diese Art von Spiel liebte sie. Dabei konnte sich Fenrir fallen lassen. Sie vertraute Freyr, der sie mit kleinen Schlägen zum Wahnsinn trieb. Aber nicht nur sie, sondern auch ihre unbändige Lust, sich ihm hinzugeben.

„Auf alle Fälle“, sagte er verheißungsvoll und mit einem Unterton, der ihr zeigen sollte, dass er genau das heute Abend wollte.

Fenrirs Augen wurden vor Erwartung groß und dunkel, bevor sie den Blick senkte. Die Nacht versprach, wunderschön zu werden. „Vor oder nach dem Flug?“

„Nach dem Flug“, schnurrte er, denn er wollte sie vorher noch ein wenig reizen.

„Freyr Dragoi, du führst etwas im Schilde!“, sagte Fenrir empört und stemmte ihre Hände in ihre Hüften.

„Richtig geraten, meine Liebste“, sagte er grinsend, wollte ihr aber nicht verraten, was.

Seine Stimme brachte Fenrirs Körper zum Klingen und sie lächelte, als sie sich von ihm gleiten ließ. Kaum stand sie, strich sie sich das Kleid glatt und richtete sich ihre Haare, die durch das kleine Spiel in Unordnung geraten waren. „Dann würde ich vorschlagen, wir verkünden die frohe Botschaft, um später die aufgeregte Schar zum Schlafen zu bringen“, meinte sie lieb lächelnd.

Freyr lachte. „Vergiss das traditionelle Festessen für diesen Anlass nicht“, grinste er.

Mit großen Augen sah sie Freyr an. „Jetzt? Heute? Morgen reicht doch auch noch, oder? Die Küchenfrauen brauchen auch Zeit, um sich vorzubereiten“, bemerkte sie und kniff ihm leicht in die Wangen. „Ich habe die Befürchtung, deine Mundwinkel werden sich so verspannen und so stehen bleiben, wenn ich sie nicht lockere“, neckte sie ihren Mann.

„Vielleicht habe ich morgen Muskelkater“, stimmte er zu, denn bisher hatte er noch nie so viel gegrinst.

Musternd massierte Fenrir seine Wangen und setzte ein ernstes Gesicht auf. „Ich glaube, wir haben ein Problem, um das sich Yordan kümmern sollte. Sonst läufst du Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden“, bemerkte sie trocken und küsste seine Stirn.

Freyr lachte erneut. „Keine Sorge, meine Liebe, das wird nicht geschehen.“

„Dein Wort …“, murmelte Fenrir und trat zurück, damit er aufstehen konnte. Das überwältigende Gefühl, bald selbst Mutter zu werden, ließ sie genauso grinsen wie Freyr.

Dieser erhob sich und nahm sie in den Arm. „Wir verkünden es der Familie und dann machen wir ein kleines, leckeres Familienfest daraus“, schlug er statt dem traditionellen Essen vor.

Die Kinder würden sich über das Essen ganz sicher freuen. Sie aßen viel, gut und waren stets bereit, Neues zu kosten. „Wem sagen wir es alles? Nur den Kindern?“, wollte Fenrir wissen, als sie ihr Zimmer verließen.

„Kaila und Kale können ruhig mithören“, meinte Freyr schulterzuckend. Sie gehörten irgendwie zu ihren engsten Vertrauten, daher war es für ihn in Ordnung.

Dankbar nickte Fenrir ihm auf dem Weg nach draußen zu. Dass Freyr das so sagte, bedeutete ihr viel. Zwar hegte er Kale gegenüber noch Misstrauen, doch es wurde ständig besser. Seitdem ihr Freund ohne Ketten herumlief, schien sich dieser noch freier und wohler zu fühlen.

Von Weitem war vergnügtes Kindergeschrei zu hören. Ein Indiz, dass sie sich wohl mit Kale, der für jeden Unsinn zu haben war, amüsierten.

„Ich bin gespannt, was sie dazu sagen“, meinte Fenrir nachdenklich.

„Ich auch“, stimmte Freyr ihr zu. „Ein wenig Sorgen mach ich mir schon“, gab er nur widerwillig zu. Er hoffte, dass die Kinder sich dadurch nicht schlecht fühlten.

Genau das war Fenrirs Befürchtung. Niemals würde sie einen von ihnen zurücksetzen wollen. Es würde ein Spagat werden, allen gerecht zu werden, aber sie liebte die geretteten Kinder aus dem Dorf wie ihr kommendes. „Ich hoffe, dass sie es gut aufnehmen. Für Sanja wird es noch besser, weil sie dann einen Bruder oder Schwester bekommt, wo der Altersunterschied nicht so groß ist“, sagte Fenrir und streichelte unbewusst Freyrs Arm, an dem sie sich eingehakt hatte.

„Ja, für Sanja könnte es schön werden“, murmelte Freyr, der sich nur leicht entspannte. Er wollte wirklich nicht, dass die Kinder traurig wurden. Sie würden ihnen beweisen müssen, dass sich trotz des neuen Kindes nichts ändern würde.

„Hoffen wir auf das Beste“, seufzte Fenrir und fuhr sich nervös durch die Haare.

Freyr streichelte mit dem Daumen ihre Hand, konnte aber trotzdem nicht aufhören zu lächeln. „Wir schaffen das“, sagte er sanft und aufmunternd, bevor sie dem Pavillon näher kamen, sodass sie die Kinder sehen konnten.

Sie, aber auch Kale und Kaila, sahen auf. Fenrirs Freund lag halb auf dem Sofa, während die Kinder über ihn sprangen und mit ihm rangelten. In der Zwischenzeit kümmerte sich Kaila um Sanja, die den neuen Brei mit Fleisch fleißig aß.

„Kinder“, begann Fenrir, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. „Es gibt etwas, was wir euch mitteilen müssen.“

Sofort wurde sie von allen angestarrt, da sie sonst nie eine solche Ansage machte. Doch es war Freyr, der mit einem Lächeln das Wort erhob. „Ihr bekommt ein kleines Geschwisterchen“, sagte er, denn er wollte zuerst die Reaktionen abwarten, bevor er mit anderen Dingen kam, die den Kindern vielleicht von selbst nicht einfielen. Manchmal waren weniger Worte besser als zu viel.

Ausnahmslos alle starrten sie an. Auch Kale, der Fenrir mit einem Blick bedachte, den sie nicht sofort verstand.

Diese nickte schüchtern und nahm das Schweigen mit einem unguten Gefühl auf.

„Heißt das, Mama ist schwanger?“, fragte Fayra als erstes, die aufsprang und Fenrir nachdenklich musterte.

„Ja, ich erwarte ein Kind“, brachte Fenrir heiser hervor und senkte den Blick. Nervös knetete sie sogar Freyrs Arm, bemerkte es aber nicht.

Sofort kam Fayra auf sie zu gerannt und legte ihren Kopf an ihren Bauch, als würde sie lauschen wollen.

Eine kleine Entspannung zeichnete sich in Fenrirs Gesicht ab und sie legte eine Hand auf das rote Haar. „Noch hörst du nichts. Dazu ist es noch viel zu klein“, sagte sie liebevoll, aber abwartend, was die anderen dazu sagen würden.

„Wirklich? Wann spür ich es denn?“, fragte Fayra neugierig und umarmte Fenrir liebevoll.

„Erst, wenn es größer ist und mein Bauch gewachsen ist“, erklärte Fenrir und beobachtete, wie Erin von Kale abließ und fast schon lauernd auf die Königin zulief.

„Was heißt das für uns genau?“, fragte sie unschlüssig, doch ihre leuchtenden Augen zeigten Freude.

„Dass ihr ein kleines Geschwisterchen bekommt“, wiederholter Freyr mit sanfter Stimme.

Ganz zufrieden war sie nicht mit der Aussage, weshalb sie konkretisierte, ob sich für die anderen etwas ändern würde. Scheinbar hatte Erin Angst, abgeschoben zu werden.

Freyr beugte sich zu ihr und nahm sie in den Arm. „Es wird sich nichts Drastisches ändern“, versprach er. „Es ist nicht anders als bisher, außer, dass die oder der Kleine anfangs viel Aufmerksamkeit braucht. Aber das heißt nicht, dass wir euch weniger geben.“

Erleichtert lächelte Erin zaghaft. „Dann wird unsere Familie noch größer …“, hauchte sie atemlos und wirkte auf einmal ganz verzückt von diesem Gedanken. Sie legte ihre Hand an Fenrirs Bauch, der so flach war, wie immer.

Die junge Königin lächelte sanft. „Genau, es wird sich für euch nichts ändern“, versprach sie zärtlich, beobachtete jedoch, wie Andre, Kaila und Kale mit der Botschaft umgingen.

Kale wirkte irgendwie wehmütig. Fast so, als würde er an seine eigene Tochter denken. Gleichzeitig lächelte er jedoch auch schief. „Glückwunsch“, brachte er irgendwann hervor.

Fenrir war klar, dass er, da er nun hier lebte, sein gemeinsames Kind mit Bella niemals aufwachsen sehen würde. Das tat ihr unheimlich leid. Am liebsten würde sie ihn in den Arm nehmen.

„Danke, Kale“, sagte sie leise, aber auch traurig. Inständig wünschte sich Fenrir, dass er hier eine Familie haben würde. Eine eigene, kleine, in der er glücklich sein konnte.

Vielleicht konnte dieser Traum irgendwann einmal wahr werden, so wie auch ihre eigene, kleine Familie Wirklichkeit geworden war.

Es gab ein Gruppenkuscheln, bei dem die Kinder alle einmal Fenrirs Bauch fühlten und streichelten.

„Seid ihr geschockt oder freut ihr euch darüber?“, fragte sie unsicher in die Runde.

„Ich freue mich“, verkündete Fayra grinsend.

„Ich auch“, behauptete Erin, die sich scheinbar mit dem Gedanken völlig angefreundet hatte. „Dann kann das Geschwisterchen auch reiten lernen und wir können zusammen Ausflüge machen“, plante sie schwärmend.

Fenrir lachte vergnügt. „Das werden wir sicherlich“, versprach sie liebevoll. „Da Papa der Meinung war, dass das gefeiert werden sollte, wird nun ein kleines Festessen veranstaltet“, verkündete sie den Anwesenden.

„Oh ja“, rief Andre, der leicht grinste. Solche Dinge gefielen ihm immer.

„Gut, dann gehen wir zu den Küchenfrauen und geben eure Wünsche auf“, schlug Fenrir vor. Gerne wollte sie das Essen so bald wie möglich veranstalten, damit sie genug Zeit hatten, sich für den Abend vorzubereiten. Freyr hatte ihre Fantasie angeheizt und ihren Körper erregt. Es versprach, ein wunderschöner Abend zu zweit zu werden. Fernab in einer Welt voller Genuss und Lust, bevor sie sich der Realität stellten und die frohe Botschaft dem Land verkündeten.

 

Als es darum ging, die Botschaft im Lande zu verbreiten, hatte Fenrir nicht angenommen, dass Freyr es zum Anlass für eine Reise nehmen würde. Doch nun saß die kleine Familie zu Pferd, während einige der Hofangestellten ihnen mit Karren und Kutschen folgten.

Es war eine Überraschung, die den Kindern Jubelgeschrei entlockt hatte.

Jeder hatte mittlerweile sein eigenes Pferd, nachdem Freyr mit den Tieren gesprochen hatte, wer zu wem passen würde.

Stolz und sicher saßen die Jüngeren im Sattel. Der Unterricht zahlte sich sichtbar aus und lächelnd trug Fenrir Sanja im Tragetuch, während sie Funken die Zügel locker ließ. Ihr, aber auch dem kleinen Mädchen, bekam das Reiten gut. Das gleichmäßige Schaukeln brachte Sanja schnell in den Schlaf, doch im Moment sah sie sich mit aufmerksamen Augen um.

Das Wetter war noch immer warm, aber der Herbst stand vor der Tür. Die langsam kürzer werdenden Tage kündigten es an. Im Moment erstrahlte alles in einem wunderschönen Dunkelgrün, was sich jedoch schnell ändern konnte.

„Wann wollen wir Pause machen?“, fragte Fenrir ihren Mann, da die Kinder das lange Reiten noch nicht gewohnt waren und Sanja auch gefüttert werden musste. Die Wege, die sie wählten, waren gut passierbar, weshalb sie ohne Probleme vorankamen.

„Wir können gern eine Zwischenpause einlegen. Das nächste Dorf ist leider noch zu weit weg“, sagte er, als er das Tier neben sie lenkte. Funken und Flocke hatten keine Probleme damit, nebeneinander zu gehen. Ähnlich wie Sternchen. Auf diesem saß Erin und ritt voller Stolz neben Kale. Die drei Kinder ritten generell nur zwischen Kale und Kaila.

„Ich denke, eine kleine Rast wird uns guttun. Mit Sanja im Tragetuch zu reiten ist anstrengender als gedacht“, gab Fenrir verlegen zu.

„Ich kann sie gern auf der zweiten Hälfte nehmen“, schlug Freyr lächelnd vor, der sich ein Stück zurückfallen ließ, um die anderen zu informieren, dass sie bei der nächsten Gelegenheit Halt machten.

Die Mitreisenden sprachen sich dafür aus. Ihnen schienen mehrere Pausen nicht zu schaden. So konnten sich auch die Pferde erholen und trinken.

Ruhig ritten sie weiter, bis sie an einer Waldlichtung ankamen. Diese war groß genug, um Rast zu machen. Zudem gab es einen kleinen Fluss in der Nähe, dessen Strömung hier sogar zu hören war. Die Bäume spendeten Schatten, um eine Pause angenehm zu machen.

„Das sieht gut aus“, entschied Freyr, der die Gruppe darauf zu lenkte. Hier konnten sie für einige Zeit ruhen.

Allgemeines Aufatmen ging durch die Reihen, als die Reiter abstiegen und die Kutschen stehenblieben. „Dürfen wir baden?“, fragte Erin begeistert. Sie hatte das Rauschen des Wassers bereits länger wahrgenommen und sie sehnte sich nach einer kleinen Erfrischung.

„Wir schauen uns den Fluss erst einmal an. Damit wir wissen, dass er sicher ist“, sagte Freyr, der zu Kaila blickte, damit sie wusste, dass sie mit Kale die Sache übernehmen sollte.

Leicht nickte die Kriegerin ihm zu und übergab ihrem Vater die Zügel, bevor sie sich mit Kale auf den Weg machte.

„Ich habe Durst. Es ist ziemlich warm“, meinte Erin und wartete, bis Suno ihnen Getränke aus der Kutschte brachte.

Elegant sprang Fenrir von Funken. So, dass Sanja nicht verletzt wurde. Es erinnerte Freyr daran, wie sie stets von seinem Hals sprang. Dann warf sie ihrer Stute die Zügel über den Hals und verknotete diese, damit sie nicht herunterrutschen konnten, solange sie graste und trank. Zudem lockerte sie den Gurt, sodass Funken durchatmen konnte.

Die meisten anderen taten es ihr gleich, während einige Dienstmädchen bereits Decken am Boden ausbreiteten, damit sie dort sitzen konnten.

Schon bald saßen sie gemütlich im Kreis und genossen einige Kleinigkeiten und Getränke. Auch die Kinder aßen und tranken, bis sie irgendwann begannen, Fangen zu spielen. Ein Spiel, bei dem Fenrir wehmütig wurde und sich an die früheren Zeiten erinnerte.

„Willst du mitspielen?“, fragte Freyr, der seiner Frau den Rücken streichelte. „Noch kannst du es.“

Mit großen Augen sah sie Freyr verständnislos an, bis sie verstand. Zuerst hatte sie gedacht, dass sie so etwas gar nicht mehr tun durfte, sobald sie Königin war, doch sie verstand, dass er lediglich auf die Schwangerschaft anspielte. Deshalb nickte sie begeistert, gab ihm einen innigen Kuss und stand schließlich auf. „Wird Zeit, sich zu amüsieren“, meinte sie lächelnd und krempelte die langen Ärmel ihres dunkelblauen Kleides hoch.

Fayra, die es liebte mit ihrer Mutter oder ihrem Vater zu spielen, jubelte vor Begeisterung, denn sie kannte die Anzeichen, dass sich Fenrir ihnen anschließen würde.

Freyr blieb jedoch sitzen. Er liebte es zwar ebenfalls mit den Kindern zu toben, doch heute würde er seiner Frau zusehen.

Diese begann, langsam hinter den Kindern her zu rennen. So, dass sie eine Möglichkeit hatten, vor ihr zu fliehen. Begeistertes Gekreische und Lachen sorgten dafür, dass die Mitgereisten ihre Köpfe zu ihnen umdrehten. So auch Kale und Kaila, als sie vom Fluss zurückkamen und Freyr Bericht erstatteten, dass dieser völlig in Ordnung war. Die Strömung war nicht sonderlich stark und er war auch nicht tief. Es gab an manchen Stellen einige gefährlichere Steine, doch solange sie nicht dort spielten, war alles in Ordnung.

Freyr beobachtete lächelnd seine Frau. „Wenn ihr wollt, könnt ihr dann mit ihnen zum Fluss gehen“, sagte er und suchte die Sachen zusammen, um Sanja zu füttern.

„Möchtet Ihr uns begleiten?“, fragte Kaila, da Freyr normalerweise immer dabei war. In erster Linie wegen Fenrir, doch da sie nun Kinder hatten, war er noch wachsamer geworden.

„Ich werde mich in der Zeit um Sanja kümmern, habe euch aber im Blick“, entschied er, da er auch auf seine Leute aufpassen musste.

„In Ordnung“, sagte Kaila und nickte Kale zu, dass sie gehen konnten.

Allerdings wollten sie die Kinder noch nicht unterbrechen. Stattdessen bewegten sich während des Spielens auf den Fluss zu. Wohl auch, weil Fenrir sie direkt in die Richtung jagte. Sie warf Freyr einen kurzen Blick zu, lächelte und ging ihnen dann hinterher.

Am Fluss beeilten sich die Kinder, sich auszuziehen und ins Wasser zu springen. Es war eisig, weil es von einem nahegelegenen Berg stammte. Dort gab es Wasserfälle, welche die umliegenden kleineren Flüsse füllten. Es sah schön und idyllisch aus, weshalb sich alle gut erholten, spielten und dann frisch gestärkt zurück zu der Gruppe kamen, die bereits dabei war, die Sachen wieder einzupacken.

Dankbar und vergnügt kam Fenrir auf ihren Mann zu und nahm ihm Sanja liebevoll aus dem Arm. „War sie brav?“, wollte sie lächelnd wissen und bediente sich an einem Getränk. Sie war nicht im Wasser gewesen, hatte aber den Kindern zugesehen, wie sie herum geplanscht hatten.

„Ja, das war sie“, sagte Freyr, der Fenrirs Wange küsste. „Ich nehme sie auf dem weiteren Weg.“

Liebevoll küsste Fenrir Sanjas Kopf und streichelte sie, bevor sie das Gleiche mit Freyr machte. „Ich helfe dir, das Tragetuch umzubinden“, bot sie an und reichte Suno die leere Flasche.

Diese nahm sie und brachte sie zurück, denn sie waren mittlerweile für den Aufbruch fertig.

„Danke“, lachte Freyr, der noch immer nicht so ganz mit dem Tragetuch umgehen konnte.

Geschickt band Fenrir ihm den Stoff um und prüfte, ob alles richtig saß. „Ich denke, wir können“, meinte sie, nachdem sie einen Schritt zurückgegangen war, um Freyr zu betrachten. Er wirkte niedlich mit dem Kleinkind vor seiner Brust, aber auch glücklich. Das wärmte Fenrirs Herz. Es war eigentlich eher untypisch für einen König und es wurde definitiv etwas anderes erwartet, doch Freyr hatte sich noch nie darangehalten, was andere von ihm erwarteten. Das unterschied ihn von anderen. Deshalb war er so beliebt.

Seitdem Fenrir Königin war, hatte sich einiges im Land geändert, da sie mit Freyr versuchte, Isis Fehler zu berichtigen. Die Versuche blieben den Menschen nicht verborgen und sie empfingen das Königspaar noch überschwänglicher als sonst. Es gefiel Fenrir, einen Teil zur guten Versorgung beitragen zu können.

Allerdings war ihr durchaus aufgefallen, dass Freyr seine Geldquellen woanders hatte. Vorrangig im Verkauf im Ausland. Mit Gütern, die sie im Überfluss hatten. Dank der Feen. Daher hatte Fenrir ihn gebeten, eines Tages eine Reise in die Länder, die auf der anderen Seite des Ozeans lagen, zu unternehmen. Fenrir wollte sie und deren Sitten kennenlernen, wusste aber, dass solche Reisen nicht einfach zu bewerkstelligen waren. Sie würden dafür ihr Reich lange allein lassen müssen, was nicht so gut war.

Schließlich setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung. Gemütlich, aber in einem Tempo, mit dem sie gut vorankamen, schlenderten sie den Waldweg entlang.

Erin stimmte ein fröhliches Lied an, in das Fayra und Andre einfielen. Ihr Kindermädchen Melina hatte es ihnen beigebracht.

„Wie lange brauchen wir zum nächsten Halt?“, wollte Fenrir nach einer Weile erneut wissen und streckte sich im Sattel. Sie ritt nicht wie Haremsdamen oder andere Königinnen, sondern wie Männer. Daran hatten sich die Mitreisenden schon gewöhnt. Trotz ihres langen Kleides saß die Königin elegant und geschmeidig im Sattel und genoss die Reise.

„Ich denke, wir sollten vor Anbruch der Nacht ankommen“, sagte Freyr, der mit einer Hand ritt, weil er mit der anderen Sanja hielt. Er vertraute seinem Pferd.

Zufrieden nickte Fenrir ihm zu. Dort würden sie einen Tag bleiben und dann weiterreisen. Viele Siedlungen würden sie auf dem Weg erkunden und sie hoffte, dass sie auch einige von Vaters Dörfern aufsuchten, um weitere Kinder in Augenschein zu nehmen. Noch war es nicht soweit, dass sie in ein Waisenhaus ziehen konnten, doch Fenrir hoffte, dass sie durch die zusätzliche Verpflegung wieder bessere Zeiten hatten. Zudem gab es im Schloss bereits einen Bereich, der für Kinder hergerichtet war, die es ohne Hilfe nicht schafften. Diese würden sie aufsammeln und zum Schloss bringen lassen. Allerdings hoffte niemand, dass es wirklich so schlimm war. Bisher waren sie niemandem begegnet, der dringend Hilfe brauchte. Das beruhigte Fenrir ungemein.

Der Nachmittag verging dank einer weiteren Pause zügig und, wie Freyr vorausgesagt hatte, erreichten sie Lorun vor Anbruch der Dunkelheit. Dieses kleine Dorf, das in einem wunderschönen Tal zwischen drei Bergen lag, kam in Sicht, als die Sonne gerade dabei war, sich hinter den Bergkamm zu verstecken. Ruhig und wie ein Gemälde lag der kleine See reflektierten die Häuser, die teilweise dicht, aber auch weiter auseinander standen. Rundherum gab es Wiesen und Felder, die zum Dorf gehörten. Es war eine einfache Bauweise aus Flechtwerk und Strohdächern, doch es schien nichts mehr vom Sturm zerstört. Vielleicht ließ es sich einfacher reparieren.

Freyr wurde langsamer, denn er ritt als Erstes ein. Nur wenig hinter ihm ritt Fenrir.

Die Anwohner hatten die kleine Kolonne bereits von Weitem gesehen, weshalb sie bereitstanden, um sich zu verbeugen. „Willkommen, König Freyr, Königin Fenrir“, sprachen sie im Chor und ein Mann mit rundlichem Bauch trat auf sie zu.

„Ich freue mich über Euer Kommen“, sagte er mit dunkler Stimme. Seine dunkelblauen Augen musterte das Königspaar, aber auch die Kinder.

Er war das Oberhaupt des Dorfes. Man sah ihm an, was für eine Ehre es für ihn war, das Königspaar beherbergen zu dürfen.

Freyr schenkte ihm ein knappes Nicken. Die Nachricht, weshalb sie hier waren, war sicherlich schon angekommen und so musste er nicht noch einmal etwas sagen.

„Lasst mich Euch zu Eurer Unterkunft führen“, bat der Mann, nachdem er sich für die anderen als Ponkur vorgestellt hatte. Um seine wettergegerbten Lippen erschienen beim Sprechen einige Lachfalten, die ihn sympathisch machten.

Freyr stieg von seinem Pferd und reichte die Zügel einem jungen Mann, der sich um dieses kümmern würde. Dann wartete er kurz, bis auch die anderen abgestiegen waren.

Gemeinsam folgten sie Ponkur zu einem Gebäude, das wohl meist als Lagerhalle genutzt wurde. Für ihre Reise war es zu einer provisorischen Unterkunft ausgebaut worden.

Sobald sie eintraten, sahen sie, wie viel Mühe sich die Menschen gegeben hatten, um es ihnen so gemütlich wie nur möglich zu machen.

Erstaunt sah sich Fenrir um und entdeckte für die Umgebung gemütlich aussehende Betten, die Isis wohl zum Naserümpfen gebracht hätte. Diese bestanden aus aufgeschütteten Heuhaufen mit Laken darüber. Etwas, was Fenrir, aber auch die Kinder, sichtlich freute. Sie stoben sogleich darauf zu und sprangen in die Heubetten hinein.

Freyr lachte leise. Er selbst hatte keine Probleme mit dieser Art des Nachtlagers. Obwohl er auch gerne in gemütlichen Betten schlief, wie es sie im Schloss gab, so konnte er auch gut auf viel Prunk verzichten. „Nicht so schnell, sonst verletzt ihr euch noch“, mahnte Freyr, denn die Kinder waren oft so ungestüm, dass dabei einiges schieflief.

Trotz seiner Warnung tollten die Kinder herum, passten jedoch auf. Yordan war auf Fenrirs Bitte hin mitgereist, falls es Komplikationen geben sollte, doch in erster Linie, um einen erfahrenen Arzt an der Seite zu haben.

„Schlafen wir alle hier?“, fragte Fenrir begeistert, als sie sich auf dem größten Bett niedergelassen hatte. Der Duft von Heu drang in ihre Nase und erinnerte sie an die Zeit bei Vater. Er katapultierte sie direkt zurück. Ob es Kale genauso ging wie ihr?

„Ja, wir schlafen diese Nacht alle hier“, sagte Freyr, der es mochte, so mit seinen Leuten zu schlafen.

---ENDE DER LESEPROBE---