Du hast dich in mein Herz getanzt - Allison Leigh - E-Book

Du hast dich in mein Herz getanzt E-Book

ALLISON LEIGH

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Beschreibung

Nie wieder wird Lucy nach einer Verletzung als Ballerina auf der Bühne stehen! Aber das Leben ist trotzdem schön. Wovon sie unbedingt ihren verwitweten Nachbarn Beck Ventura überzeugen will. Und dessen süße, schüchterne Tochter, die davon träumt, Ballerina zu werden …

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Seitenzahl: 183

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IMPRESSUM

Du hast dich in mein Herz getanzt erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2011 by Allison Lee Johnson Originaltitel: „The Rancher’s Dance“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 84 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Rainer Nolden

Umschlagsmotive: Liderina / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2023.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751528344

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Dreiunddreißig Jahre.

Lucy Buchanan betrachtete ihr Spiegelbild in ihrer bescheidenen Garderobe tief in den Eingeweiden des Northeast Balletttheaters.

Der kleine vollgestopfte Raum machte zwar nicht besonders viel her, doch wenigstens gehörte er der Primaballerina der Tanzcompagnie ganz allein.

Zumindest hatte er ihr gehört.

Ihr Blick fiel auf die Fotos, die an den großen Spiegel geklebt waren. Die meisten von ihnen zeigten sie und ihre Freunde bei den Proben und Vorstellungen des NEBT; viele hatten aber auch nichts mit dem Theater zu tun.

Wie die Aufnahmen mit ihren Eltern, ihrem „kleinen“ Bruder Caleb – der inzwischen schon einundzwanzig war, oder ihren Cousins und Cousinen … den Familien ihrer Cousins und Cousinen, den Ehemännern, Babys und Kindern.

All das, was Lucy nicht hatte, weil sie sich ihr ganzes Leben lang auf ihre Karriere konzentriert hatte.

Sie vermied es, sich selbst anzuschauen, als sie die Klebebänder der Fotos löste. Eines nach dem anderen steckte sie vorsichtig in einen Umschlag, den sie auf die beiden aufeinandergestapelten Kisten legte, in die sie ihre persönlichen Dinge gepackt hatte – alles, was sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre in der Garderobe angesammelt hatte, die bis heute ihre gewesen war.

Jetzt nahm sie die beiden Kartons, die praktisch ihr ganzes Leben enthielten, verließ seufzend die Garderobe und hob die Kisten höher, während sie über den schmalen Korridor lief. Auf dem Weg durch das Labyrinth zum Bühneneingang begegnete ihr niemand.

Die Spielzeit war zu Ende, und die Wände, an denen normalerweise Proben- und Aufführungspläne hingen, waren kahl. Die drei Probensäle waren verwaist. Der Rest der Truppe befand sich entweder auf Sommertournee, machte Urlaub, hatte Ferienkurse belegt oder war mit den Hunderten Jobs beschäftigt, die Tänzer nun mal übernehmen mussten, um etwas nebenbei zu verdienen – oder einfach nur, um die Monate bis zur nächsten Spielzeit zu überbrücken.

Das Theater selbst würde allerdings nicht geschlossen werden. Es wurde in dieser Zeit an Schulen, andere Balletttruppen oder zu sonstigen Zwecken vermietet.

Wenn es um das Budget des NEBT ging, war jedes Mittel recht, die Kassen zu füllen.

Als sie um die letzte Ecke bog und sich dem Eingang näherte, wurde es heller.

Hughes, der Pförtner, ein Mann wie ein Berg, stets freundlich und hilfsbereit, schaute von dem Buch auf, in das er vertieft war.

„Miss Lucy“, schimpfte er mit ihr. „Sie sollten doch nichts tragen.“

Sie machte eine abwehrende Handbewegung, als er ihr die Kisten abnehmen wollte. „Jetzt, wo ich kein Stützband mehr tragen muss, kann ein bisschen Bewegung dem Knie nur guttun, hat der Arzt gesagt, Hughes.“ Außerdem war sie fest entschlossen, sich zu bewegen.

Vielleicht – aber nur vielleicht – würde sie ja irgendwann auch wieder tanzen können.

Das erzählte sie Hughes allerdings nicht. Ihr Blick fiel auf das Cover des Buches, das er aufrecht auf den Tisch neben dem Bühneneingang gestellt hatte. „Betty und ihre Schwestern?“, fragte sie schmunzelnd.

In jedem Sommer verschlang der Mann all die Bücher, die seine Tochter im kommenden Schuljahr lesen musste. Genau wie es ihr eigener Vater gemacht hatte, als er sie allein aufgezogen hatte. Hughes war mit seiner Tochter Jennifer in der gleichen Situation.

Ich werde Hughes sehr vermissen, dachte Lucy bedauernd.

Ihr Lächeln wurde melancholisch. „Wie finden Sie es denn?“

Grinsend zuckte der Pförtner mit den Schultern. „Diese Jo ist schon eine Marke. Ich hoffe, sie kommt mit dem Professor zusammen, aber ich fürchte, sie steht sich selbst im Weg, weil sie sich um so viele andere Dinge kümmert anstatt um die Liebe.“

„Das stimmt.“ Auf einmal fiel ihr das Lächeln schwer. Jo war nicht die Einzige mit diesem Problem.

Hughes stieß die Tür auf, und das grelle Sonnenlicht des New Yorker Tages fiel in den düsteren Gang. Einen Moment lang erinnerte sie sich an ihr erstes Mal auf der Bühne, als die Scheinwerfer sie von allen Seiten geblendet hatten. Sie erinnerte sich auch an das Lampenfieber …

„Im Herbst kommen Sie doch wieder zurück, oder?“ Trotz ihres Protestes nahm Hughes ihr die Kisten aus der Hand, als er neben ihr herlief. „Als neue Ballettmeisterin?“

Ihr Lächeln wurde noch verkrampfter. Sie eilte zu dem kleinen Auto, das sie am Tag zuvor gemietet hatte und das jetzt auf einem der so raren Parkplätze stand. Sie betätigte die Fernbedienung am Autoschlüssel, der an einer dünnen Kordel hing. Ein Piepton erklang, und die Heckklappe öffnete sich. „Das ist der Plan“, sagte sie euphorischer, als ihr zumute war.

Ballettmeisterin. Ein Job für Tänzerinnen, die zu alt waren – oder nicht mehr in der Lage, selbst zu tanzen.

Hughes schob den großen Koffer beiseite, der den meisten Platz beanspruchte, und stellte die Kisten daneben. „Ziemlich großer Koffer für ein paar Wochen Ferien“, stellte er fest.

Sie zuckte stumm mit den Schultern, weil sie nicht zugeben wollte, dass ihre gesamte persönliche Habe aus dem Apartment, das sie sich mit Lars geteilt hatte, in diesen großen Koffer sowie einem kleinen Rucksack passte. „Sie wissen doch – Frauen und ihre Garderobe.“

Grinsend hielt er ihr die Tür auf. „Nehmen Sie’s mir nicht übel, Miss Lucy, aber diese Nathalia wird Sie niemals ersetzen können.“

Lucy blinzelte und richtete sich auf, um den Mann fest zu umarmen. „Tänzer werden immer ersetzt, Hughes“, sagte sie mit rauer Stimme. Sowohl auf der Bühne als auch – wie sie jetzt am eigenen Leib erfahren hatte – im richtigen Leben. „So ist das nun mal.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter, ehe sie sich hinter das Steuer des Kleinwagens setzte. „Ich wünsche Ihnen noch viel Spaß mit Ihrer Lektüre.“

Er nickte und trat zurück, als sie den Motor startete und langsam vom Parkplatz rollte, bis sie Hughes und den Bühneneingang nur noch im Rückspiegel sehen konnte.

Dreiunddreißig, dachte sie erneut und seufzte leise.

Könnte genauso gut hundertdrei sein.

1. KAPITEL

Er hatte nicht gedacht, dass sie so klein war.

Beckett Ventura musterte die Frau aus den Augenwinkeln, während er sich seinen Werkzeuggürtel umband. Trotz ihrer geringen Größe war sie aber unübersehbar eine Frau – schlank und mit den Rundungen an genau den richtigen Stellen.

Er war an diesem Julimorgen, kurz vor Tagesanbruch, allerdings nicht zu dem Anwesen gekommen, das alle nur Lazy B nannten, um die Tochter seines Nachbarn zu begutachten, denn erstens sollte sie gar nicht hier sein, und zweitens … nun ja, sie war eine Tänzerin, die jahrelang in New York gelebt hatte.

Jedenfalls hatte er das gehört.

Er nahm den Werkzeugkasten von der Ladefläche seines Trucks, den er hinter ihren winzigen Mietwagen abgestellt hatte, und drehte sich zum Haus um.

Was so viel bedeutete, dass er sich auch zu ihr umdrehte, aber nur, weil sie gerade auf den Stufen der Veranda saß, die Ellbogen auf die Knie gestützt hatte und einen weißen Becher in der Hand hielt.

Natürlich sah sie zierlich aus. Sie war ja praktisch zu einem Ball zusammengerollt.

Er presste die Zähne zusammen. Cage Buchanan, sein Nachbar, dem die Ranch gehörte und der ihn für diesen speziellen Job engagiert hatte, hatte ihn am Abend zuvor angerufen. Offenbar, damit er sich das Projekt mal anschaute – ein seit Langem geplanter Anbau an Buchanans zweistöckiges Ziegelhaus. Beck vermutete allerdings eher, dass sein Nachbar ihm bei dieser Gelegenheit auch gleich unauffällig seine Tochter, die Tänzerin, vorstellen wollte, die für den Rest des Sommers bei ihm wohnen würde, womit niemand gerechnet hatte.

Vielleicht glaubte Cage ja, dass sie jemanden brauchte, der sich um sie kümmerte. Das hatte er natürlich nicht offen gesagt, aber er hatte erwähnt, dass sie eine Knieverletzung auskurierte.

Sich um jemanden zu kümmern, war allerdings das Letzte, wonach Beck momentan der Sinn stand.

Er hatte schon genug mit seiner eigenen Tochter zu tun. Shelby war erst sechs Jahre alt und so schüchtern, dass sie nur flüsterte – selbst wenn sie mit ihrem Vater sprach.

Sie war das genaue Gegenteil von ihrem Bruder Nick. Becks Sohn war fast einundzwanzig und hatte die Schule bereits hinter sich, doch Beck erinnerte sich noch gut an ihn als kleinen Jungen. Während Shelby schweigsam und zurückhaltend war, hatte Nick ununterbrochen geredet und war dauernd in Bewegung gewesen.

Aber die Frau auf den Stufen verschwand nicht einfach, nur weil er intensiv über seine Kinder nachdachte. Er konnte nicht einfach an ihr vorbeigehen und sie ignorieren, so gern er es auch getan hätte.

So verhielt man sich normalerweise nicht gegenüber Nachbarn.

Er war noch nie ein besonders geselliger Typ gewesen. Ganz anders als seine Frau Harmony. Sie hatte stets dafür gesorgt, dass er unter Menschen kam.

Mit steinernem Gesichtsausdruck marschierte er los. Der Kies knirschte leise unter seinen Sohlen, als er auf die beiden Scheunen zusteuerte, die ein wenig abseits vom Haupthaus standen. Dann betrat er den Rasen, der längst hätte gemäht werden müssen, und näherte sich ihr.

Sie war so verdammt blond.

Dass ihre Augen außerdem blau wie Aquamarine und von dichten dunklen Wimpern umrahmt waren, stellte er erst fest, als er wenige Zentimeter vor ihr stehen blieb.

Sie trug ein dünnes pinkfarbenes Top mit Spaghettiträgern, eine ausgebeulte, mit rosafarbenen Herzen und roten Rosen bedruckte Hose und einen dunkelroten Schal, den sie sich locker um die Schultern geschlungen hatte.

Ihren Mund umspielte ein schwaches Lächeln. Ihr Gesicht war zu schmal, um als perfekt bezeichnet zu werden. Die Schulterknochen stachen deutlich unter dem Schal hervor, und ihre Haut war fast durchsichtig. Das blonde Haar hatte sie zu einem losen Zopf zusammengebunden, einige Strähnen waren allerdings herausgerutscht.

Es gab keinen Grund für ihn, sie außergewöhnlich zu finden, doch genau das war sie.

Wenn er schon zu diesem Schluss kommen musste, warum konnte er es dann nicht mit der Gleichgültigkeit eines unbeteiligten Beobachters tun?

Warum zum Teufel spürte er plötzlich eine Hitzewelle tief in seinem Körper, der seit Harmonys Tod gar nichts mehr empfunden hatte – außer kalte Leere?

Er bekam kaum den Mund auf, als er brummte: „Beckett Ventura.“

Ihr Lächeln blieb bestehen. „Mr. Ventura. Das habe ich mir schon fast gedacht.“ Sie stellte den Kaffeebecher neben sich und erhob sich von den Stufen. Mit einer Hand hielt sie die Enden ihres Schals zusammen, die andere streckte sie ihm entgegen. „Ich bin Lucy. Meine Eltern haben mir von den Bauarbeiten erzählt, die Sie für sie machen wollen. Schön, Sie kennenzulernen.“

Ihre Hand war so bleich wie die Haut auf ihren Schultern. Ihre Finger waren lang und schlank. Fast wie eine Schlange, die jederzeit vorschnellen konnte.

„Nennen Sie mich einfach Beck.“ Er musste sich förmlich zwingen, ihre Hand zu ergreifen – aber nur, weil ihm auf einmal das Bild seiner Frau erschien, die über sein Benehmen den Kopf schüttelte – mal wieder.

Nachdem er Lucys Hand losgelassen hatte, musste er sich zusammenreißen, um sie nicht an seiner Jeans abzuwischen. „Ich werde versuchen, Sie nicht allzu sehr zu stören“, versprach er und hob seinen Werkzeugkoffer ein wenig an.

Sie legte den Kopf schräg und betrachtete ihn mit ihren seltsam blassen Augen. Sie wirkten so durchsichtig wie der Rest von ihr – abgesehen von dem schwarzen Ring um ihre Iris. Ihre Wimpern wirkten ein bisschen verwischt, und ihr Blick ein wenig sinnlich.

Wenn er auch als Provinzler in einer kaputten Familie auf einem Bauernhof in Montana aufgewachsen war, wusste er durchaus, was Frauen mit etwas Make-up bewirken konnten. Doch er stand nahe genug vor Lucy Buchanan, um zu erkennen, dass sich in ihrem Gesicht nicht die geringste Spur von Schminke befand.

Diese rußschwarzen Wimpern, die so gar nicht zu ihrem blonden Haar passten, waren offenbar echt.

„Mich stören? Machen Sie Witze?“ Ihr Lächeln war noch breiter geworden, und in ihren Wangen erschienen kleine Grübchen. „Ich bin so froh, dass meine Eltern sich endlich zu dieser Erweiterung entschlossen haben. Machen Sie so viel Lärm, wie Sie müssen.“ Sie schien nicht zu merken, dass er gar keine Lust hatte, sich mit ihr zu unterhalten, während sie zum Haus blickte. „Ich bin hier aufgewachsen. Mein Bruder Caleb und ich hatten zwar unsere eigenen Zimmer, aber das Haus war nie besonders geräumig.“ Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Klage.

Als sie ihn wieder anschaute, lächelte sie noch immer und zupfte nervös an dem Schal über ihren Schultern, die aussahen, als könnte sie jemand, der sie nicht vorsichtig anfasste, ohne Weiteres zerbrechen. „Aber für meine Großeltern, die es gebaut haben, war es wahrscheinlich groß genug.“ Sie trat von der untersten Stufe auf den Rasen.

Oh ja, sie war wirklich nicht groß. Fast dreißig Zentimeter kleiner als er selbst, vermutete er, denn mit ihrem Kopf reichte sie nicht einmal bis an seine Schultern. Die weite Hose, die sie trug, hing gefährlich tief auf ihren Hüften und ließ mindestens sechs Zentimeter nackte Haut zwischen Hosenbund und Top erkennen. Ihre Taille war … ziemlich schmal.

Vermutlich konnte er sie mit seinen Händen mühelos umfassen.

Seine Wangenmuskeln verspannten sich erneut, während er einen Schritt zurücktrat und den Werkzeugkasten in die andere Hand nahm.

Ihm war aufgefallen, dass sie sich, trotz ihrer zierlichen Eleganz, schwer auf ein Bein stützte.

„Meine Eltern haben mir erzählt, dass Sie das Haus von Victor gekauft haben.“

Er fragte sich, was sie ihr noch alles erzählt hatten. Dass er ein unsozialer Witwer war? „Ja.“

„Es ist ein sehr schönes Anwesen.“

„Denke schon.“ Er hatte einfach nur ein Stück Land gebraucht, um seiner Familie – oder das, was noch davon übrig geblieben war – ein Dach über den Kopf zu bieten. Mit all den Erinnerungen hatte er einfach nicht länger in Denver bleiben können. Für den Umzug nach Weaver hatte er sich entschlossen, weil Harmony hier geboren worden war.

Also war er eigentlich nicht wirklich an einen neuen Ort gezogen.

Das jedenfalls hatte ihm sein Vater Stan in den achtzehn Monaten, die sie nun schon hier lebten, immer wieder gesagt.

In diesen achtzehn Monaten hatte Beck seine sozialen Kontakte – außerhalb der eigenen Familie – nur auf das Allernötigste beschränkt.

Den Auftrag von Cage und Belle Buchanan hatte er nur deshalb angenommen, weil im Juli nie viel zu tun war und Beck unbedingt arbeiten wollte. Die Aufgaben auf seiner Ranch und die wenigen Rinder, um die er sich kümmern musste, waren nämlich kaum der Rede wert.

Dennoch gehörte es bestimmt nicht zu seinem Job, die Eigenarten der Tochter seines Nachbarn zu beurteilen. „Ich mach mich dann mal besser an die Arbeit.“

Sie schien nicht pikiert zu sein. Stattdessen bückte sie sich, um ihren Kaffeebecher in die Hand zu nehmen, wobei sie noch mehr nackte Haut entblößte. „Sagen Sie mir, wenn Sie etwas brauchen.“

Als sie sich wiederaufrichtete, verzog er seine Lippen zu etwas, von dem er hoffte, dass es wie ein Lächeln wirkte. Ihr freundlicher Blick änderte sich zumindest nicht.

Als er fortging, hatte er das Gefühl, dass sie ihm hinterherschaute.

Erst als er das Haus umrundet hatte, ließ er die Luft aus seinen Lungen entweichen. Er stellte den Werkzeugkasten auf einen Holzstapel und bemerkte, dass seine Fingerknöchel schneeweiß waren.

„Das Einzige, was ich brauche, ist vor drei Jahren gestorben“, murmelte er traurig, während er die frische Morgenluft einatmete. Zwei Jahre, elf Monate und sechzehn Tage, um genau zu sein.

Lucy setzte sich wieder auf die Stufen, als sie den Nachbarn ihrer Eltern um die Hausecke verschwinden sah. Es war kurz nach sechs Uhr morgens. Die Wärme des Kaffeebechers in ihren Händen reichte nicht aus, um sie die Kälte in Beck Venturas Blick vergessen zu lassen.

Sie wusste nicht viel über den Mann bis auf das Wenige, das ihre Eltern ihr erzählt hatten. Dass er einen Anbau für sie ausführte, dass er ihr nächster Nachbar war, aber dass sie kaum Kontakt hatten.

Außerdem war er Witwer und lebte mit seinem Vater und seiner kleinen Tochter zusammen.

Jetzt hatte sie ihn also kennengelernt und mit eigenen Augen gesehen, dass er groß, schlank und breitschultrig war. Seine kühlen Augen mit dem harten, fast schmerzhaften Blick waren schilfgrün, und offenbar hatte er nur mit ihr geredet, weil er das Gefühl hatte, es tun zu müssen.

Wieder schlang sie sich den Schal um die Schultern, nahm einen Schluck von dem heißen Kaffee und ließ ihren Blick über die Umgebung schweifen.

Wenigstens hatte der Mann ein schönes Fleckchen Land ausgesucht, wo seine Tochter aufwachsen konnte. Lucy hatte auch gern hier gelebt. Ursprünglich hatte es der Familie Clay gehört, in die Lucys Großmutter Gloria eingeheiratet hatte, und Lucy war nach wie vor davon überzeugt, dass die Heirat mit Glorias Tochter Belle das Klügste gewesen war, was ihr Vater jemals getan hatte.

Das Geräusch eines herannahenden Trucks riss Lucy abrupt aus ihren Erinnerungen. Der Wagen parkte genau neben Beck Venturas dunkelblauem Pick-up.

Lucy stellte den Kaffeebecher erneut beiseite und erhob sich. „Caleb!“

Ihr Bruder kletterte aus dem Truck. Er wirkte zerknittert und übermüdet. Trotzdem begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln. „Hey.“ Seine Stimme war tief, und er ähnelte seinem Vater – abgesehen von seinem dunklen Haar, dessen Farbe er von Belle geerbt hatte. „Seit wann bist du denn schon hier?“

„Seit gestern Abend … und seit wann bist du groß genug, um die ganze Nacht wegbleiben zu dürfen?“, fragte sie, während sie ihn umarmte.

„Wirst du mich bei den Alten verpetzen?“, lautete die Gegenfrage.

„Du kannst dich auf mich verlassen“, versicherte sie ihm. „Du warst bei Kelly, stimmt’s?“ Mit Kelly Rasmusson war Caleb schon seit der Highschool befreundet – eine Freundschaft, die weiter bestand, auch wenn er inzwischen in einer anderen Stadt Medizin studierte.

Caleb schnitt eine Grimasse. „Dieses Mal nicht.“ Er griff nach ihrem Kaffee und trank einen großen Schluck. Dabei fiel sein Blick auf ihren Mietwagen. „Ist das etwa die Kiste, mit der du von New York aus hierhergekommen bist?“

Sie nickte. „Ich muss ihn diese Woche noch zurückgeben. Die Firma hat aber ein Büro in Braden.“

„Ich muss da heute Nachmittag sowieso was erledigen. Ich kann ihn also abgeben, wenn du willst.“

„Und wie kommst du dann zurück? Das sind doch bestimmt dreißig Kilometer von hier.“

Ihr Bruder zuckte mit den Achseln. „Mitfahrgelegenheit“, meinte er nur, als das Kreischen eines Werkzeugs die Luft zerschnitt. „Beck fängt aber früh an.“

Fröstelnd zog sie den Schal enger um sich. Sie hatte ganz vergessen, wie kalt es morgens mitten im Sommer hier sein konnte. „Tut er das sonst nicht?“

Wieder zuckte ihr Bruder mit den Schultern. „Kommt drauf an.“

Nachdem er einen Blick auf die Wiese geworfen hatte, sagte er: „Die müsste auch mal wieder gemäht werden.“ Dann betrat er das Haus. Lucy folgte ihrem Bruder, der den leeren Kaffeebecher in der Küche abstellte. Das Kreischen der Säge war jetzt nur noch gedämpft zu hören. Vom Küchenfenster aus konnte Lucy ihren Nachbarn sehen, der gerade lange Holzbretter zersägte. Unter dem eng anliegenden T-Shirt zeichneten sich seine Muskeln deutlich ab. Er hantierte ausgesprochen geschickt mit dem Werkzeug.

Unvermittelt drehte er sich um und schaute zum Küchenfenster, als spürte er, dass sie ihn beobachtete. Sofort schlug ihr Puls schneller. Sie lächelte ihm kurz zu und wandte dann rasch den Kopf ab.

Caleb betrachtete sie aufmerksam, während er sich über die Reste des Gulaschs vom Abend zuvor hermachte, das er aus dem Kühlschrank geholt hatte und kurzerhand kalt vertilgte. „Warum bist du wirklich hier, Luce?“

„Ich will mich nur ein bisschen erholen.“

Seine zweifelnde Miene weckte in Lucy erneut Gewissensbisse. Auch ihren Eltern hatte sie nicht die ganze Wahrheit erzählt, als diese sie gefragt hatten, warum sie sich zu diesem überraschenden Trip von New York nach Wyoming entschlossen hatte.

Wenn sie schon ihren kleinen Bruder nicht davon überzeugen konnte, dass alles in bester Ordnung war, dann würden ihre Eltern ihr die Geschichte erst recht nicht abkaufen.

Belle und Lucys Vater waren vor zwei Wochen in die Ferien gefahren. Lucy hatte ihnen bewusst verschwiegen, wie schwer ihr Unfall wirklich gewesen war, damit sie nicht auf die Idee kamen, ihren Urlaub zu verschieben.

Sie hatte ihnen auch nicht erzählt, was dem Unfall vorausgegangen war, denn dann hätte sie berichten müssen, dass sie Lars, der Mann, mit dem sie seit zwei Jahren zusammen war und den sie zu lieben geglaubt hatte, mit einer anderen Frau im Bett erwischt hatte.

Ebenso wenig hatte sie ihrer Mutter erzählt, dass sie nach dem Sturz drei Wochen lang eine Schiene hatte tragen müssen, die ihre Tourneepläne für den Sommer zunichtegemacht und damit ihre Karriere beim NEBT beendet hatte, und dass sie seitdem bei ihrer Freundin Isabella, einer ehemaligen Tänzerin und nun Garderobiere des Theaters, Unterschlupf gefunden hatte.

Fühlte sie sich deswegen schuldig? Ja! Würden ihre Gewissensbisse nachlassen, wenn sie ihren Eltern alles beichtete? Nein! Sie hätten dann bloß ihre sechswöchige Europareise gestrichen, auf die sie sich schon seit Jahren gefreut hatten. Lucy hätte sich die größten Vorwürfe gemacht, wenn sie ihren Eltern den Spaß verdorben hätte.

„Mein Knie macht große Fortschritte“, verkündete sie ihrem Bruder deshalb wesentlich optimistischer, als ihr zumute war. „Aber ich hatte einfach mal wieder Lust auf zu Hause. Du weißt doch selbst, wie das ist. Schließlich verbringst du auch die ganzen Ferien hier. Da ich im Moment sowieso nicht arbeite, kann ich genauso gut hier ein bisschen relaxen.“

Er stopfte sich die letzte Gabel Gulasch in den Mund. „Das verstehe ich. Hast du schon jemanden getroffen, seit du hier bist?“