Ein Weihnachtswunder - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
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Frida Luise Sommerkorn

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Beschreibung

"Kann ein Wunder das Fest und die Liebe retten?"

Die weihnachtliche Vorfreude der Bewohner des Waldbachtales wird jäh unterbrochen, als ein Wintersturm aufzieht und viele Häuser unbewohnbar macht. Was soll nun aus dem Weihnachtsfest werden? Wieder einmal scheint der neue Rosenhotelbesitzer der Retter in der Not zu sein, denn er nimmt die Obdachlosen bei sich auf. Auch Marie folgt mit ihrem Sohn Tommi der Einladung, wenn auch mit gemischten Gefühlen. Schließlich hatte sie Ex-Mann Daniel, der von seiner neuen Freundin verlassen worden war, ausgerechnet das Rosenhotel empfohlen. Und nun glaubt Daniel an einen Neuanfang unterm Tannenbaum.
Sehnsüchtig denkt Marie an Hannes. Seit dem Adventsmarkt war da wieder diese zarte Verbindung zwischen ihnen. Doch Hannes ist weg und die Stimmung im Hotel chaotisch. Als dann auch noch die Kinder versuchen, auf eigene Faust das Weihnachtsfest zu retten, gerät die Situation vollends außer Kontrolle.

Das spannende Finale der Winterwunder-Reihe beweist einmal mehr, dass es sich immer lohnt, an ein Wunder zu glauben.

Weitere Titel dieser Reihe

Ein Rauhnachtswunder - Band 1
Ein Adventswunder - Band 2

Bisherige Veröffentlichungen von Sylke Höhold

Emmelie - Der erste Fall
Hexenbrennen - Der zweite Fall
Recht wie Wasser - Der dritte Fall
Was dir den Atem nimmt - der vierte Fall

Bisherige Veröffentlichungen von Frida Luise Sommerkorn

Ostseetraumreihe
Nordseeglückreihe
Ostseeliebereihe
Sehnsuchtstrilogie
Zum Glück Reihe

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Frida Luise Sommerkorn

Ein Weihnachtswunder

Sylke Hörhold / Frida Luise Sommerkorn Band 3 der erfolgreichen Winterwunderreihe entführt in eine turbulente Weihnachtszeit mit der großen Hoffnung auf ein Wunder.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Danksagung

Weitere Titel der Winterwunderreihe

Unsere Lieblingsrezepte

Die Autorinnen

Impressum

Ein Weihnachtswunder

Sylke Hörhold

Frida Luise Sommerkorn

Prolog

Mit Macht drängte kalte Polarluft über die Nordsee.

Sie schaukelte das Meer auf und sorgte für dramatische Warnungen vom Deutschen Wetterdienst. Sturmböen seien zu erwarten in diesen Tagen kurz vor dem Weihnachtsfest, starke Niederschläge und nachfolgend ein strenger Frost. Vor sich her trieb das Tiefdruckgebiet eine Warmfront, die reichlich Regen für die Mittelgebirge mit sich brachte und für Tauwetter sorgte. Auch im Waldbachtal schmolz der Schnee dahin und vermengte sich mit den Regenschauern. Erinnerungen an die letzte Flutkatastrophe wurden wach in der Nachbarschaft. Besorgte Blicke gingen gen Himmel und zum Bächlein zwischen Wald und Häusern, das bereits zu einem rauschenden Fluss angewachsen war. Die Baumwipfel wiegten sich wie düster mahnende Naturgeister über den weihnachtlich geschmückten Gärten und Häusern. Traurig hing dem Schneemann die Möhrennase herab. Fast schien es, als weinte er. Schließlich rutschte der Topf von seinem Schneekugelkopf und fiel mit einem Platschen in die Schneereste vor dem einstigen Hühnerstall.

Kapitel 1

Marie schlang die Strickjacke eng um ihren Körper und angelte nach einem Strick, der über einem morschen Balken hing. Seit wann war eigentlich der Gürtel der knielangen Jacke verschwunden? Als sie den Strick um ihre Taille verknotet hatte, schaute sie aus dem Fenster ihres Schuppens. Die Scheibe war schon seit Jahren blind, trotzdem konnte sie den stürmischen Regen vorbeifegen sehen. Sie fröstelte.

Plötzlich huschte eine Gestalt durch ihren Garten. Maries Herz begann zu hüpfen. Hannes hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen und hielt sie mit einer Hand fest, damit sie der Wind nicht wieder herunterriss. Im nächsten Moment stürmte er zur Tür herein.

»Was für ein Sauwetter!«, legte Hannes los, noch bevor er die Schuppentür geschlossen hatte. »Willst du nicht lieber reingehen? Ich schaff das auch alleine hier.«

Jetzt schob er die Kapuze vom Kopf. Regentropfen liefen ihm über die Stirn und das Gesicht. Trotzdem strahlte er, als würde ihm das alles nichts ausmachen.

»Und dich hier für mich schuften lassen? Kommt nicht infrage. Schließlich tust du mir einen Gefallen und versorgst uns mit Feuerholz.« Marie zog ein Packung Papiertaschentücher aus der Jackentasche und reichte sie Hannes. »Willst du dich erstmal abtrocknen?«

Als Hannes nach der Packung griff, berührten sich ihre Hände. Ein warmer Schwall rauschte durch Maries Körper. Am liebsten hätte sie ihm das Gesicht getrocknet, aber sie wagte es nicht, ihm zu nahe zu kommen. Seit dem Adventsmarkt war da wieder eine Vertrautheit, etwas, das sie schon verloren geglaubt hatte. Und das wollte sie auf keinen Fall wieder aufs Spiel setzen, indem sie vielleicht zu forsch vorging. Konnte sie das überhaupt?

»Dann lass uns mal loslegen«, sagte Hannes und holte sie aus ihren Gedanken. Er zog sich die Jacke aus und schob die Ärmel seines Wollpullis nach oben. Unschlüssig blieb er stehen und schaute sie lächelnd an.

Marie schluckte. Beim Anblick seiner muskulösen Unterarme wünschte sie sich, dass sie doch mutiger gewesen wäre und ihn mit einer Umarmung begrüßt hätte. Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden. Hannes’ Lächeln wurde breiter.

»Geht’s dir gut?«, fragte er.

Seine tiefe Stimme wirkte wie Balsam auf ihrer Seele. Wie sollte sie nur mit diesem Knistern zwischen ihnen umgehen? Sollte sie den ersten Schritt tun? Einem winzigen Impuls folgend, nickte sie und trat vor ihn. Und noch bevor sie weiter grübeln konnte, hatte er seine Arme um sie geschlungen. Marie seufzte wohlig. Jetzt ging es ihr gut!

War es eine Ewigkeit oder nur ein Moment? Sie wusste es nicht. Immer noch lächelnd lockerte Hannes die Umarmung. Eine Strähne hatte sich aus Maries Pferdeschwanz gelöst. Liebevoll strich er sie ihr aus dem Gesicht.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er noch einmal.

Marie holte tief Luft. »Ja, mir geht es gut. Ich freu mich, dass du da bist und mir hilfst.«

Hannes nickte. »Das mach ich gerne für dich!«

Endlich konnte sich Marie von ihm lösen. »Wie wollen wir es machen? Ich reich dir das Holz an und du schwingst die Axt?«

So arbeiteten sie eine ganze Weile ohne Worte. Ab und an trafen sich ihre Blicke. Und jedes Mal lief Marie ein Schauer über den Rücken. Es fühlte sich einfach so gut an. Als sollte das alles so sein. Und tief in ihr reifte der Wunsch, dieses Gefühl für immer spüren zu wollen, Hannes für immer in ihrer Nähe haben zu wollen.

Ein Gedanke blitzte auf. Wie wäre es wohl, wenn sie mit Hannes zusammen das eine oder andere Rauhnachtsritual begehen würde? Aber was würde sein Vater dazu sagen?

»Wie geht es Kurt?«, fragte Marie.

Hannes schnaufte kurz durch und ließ die Axt sinken. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.

»Na ja, seitdem sie bei ihm diese Herzschwäche festgestellt haben, ist er noch grantiger geworden. Eigentlich auch kein Wunder. Wenn ich mir vorstelle, dass er doch ein Leben lang Herr seiner Kräfte gewesen ist und immer alles gemeistert hat, und jetzt folgt eine Erkrankung auf die andere, das würde mich auch bedrücken. Deshalb …« Hannes legte die Axt auf den Holzstamm und holte tief Luft. »Also … ich wollte dich fragen, ob du in den nächsten Tagen mal nach ihm schauen kannst. Vielleicht nicht so offensichtlich. Du weißt ja, dass er es nicht mag, wenn man ihn bemuttert. Aber ich würde mich wohler fühlen.«

Eine Vorahnung fuhr Marie in den Magen und machte sich drückend breit. »Wo bist du denn?«, fragte sie.

Hannes klopfte sich ein paar Holzspäne von der Hose. Es wirkte unbeholfen. »Ich fahre für ein paar Tage ins Isergebirge. Firmenausflug«, sagte er. Erst jetzt schaute er Marie wieder an.

»Aha«, antwortete Marie. Die Gedanken überschlugen sich. Also würde es wohl nichts mit den gemeinsamen Rauhnachtsritualen werden. Fuhr er mit Fiona weg? Mit ihr allein? Oder war es wirklich ein Ausflug mit allen, die dort arbeiteten? Warum sollte Hannes sie belügen? Aber wieso wand er sich dann so? Sie schluckte die Enttäuschung herunter. »Ja klar, ich geh ab und an mal rüber zu Kurt. Ich lass mir was einfallen.«

Hannes lächelte und sah erleichtert aus. Gerade als er ansetzte, um noch etwas zu sagen, stürmte Tommi in den Schuppen herein.

»Mama, ich hab Hunger! Es ist schon dunkel draußen und außerdem wackeln die Gardinen in meinem Zimmer. Das ist gruselig. Hallo Hannes!« Tommi schob sich an Hannes vorbei und legte seine Arme um Maries Körper.

Marie drückte ihn an sich. Sie wusste, dass der Wind, der um die Hausecken fuhr, beängstigende Geräusche verursachte. »Ist schon gut, mein Schatz! Ich komm jetzt mit rüber und wir bereiten das Abendessen vor, ja?«

»Kann Hannes mit uns essen? Bitte!« Tommi löste sich von Marie und nahm ihre Hand. Dabei schaute er sie strahlend an.

Ein warmes Gefühl durchströmte Marie. Sie schob die traurigen Gedanken darüber, dass Hannes verreisen wollte, beiseite und nickte. »Na klar kann Hannes mit uns essen, wenn er das möchte.«

»Ich hab schon einen Bärenhunger«, antwortete Hannes. Er wuschelte Tommi durch die Haare. »Wenn der Korb hier voll ist, komm ich rüber ins Haus. Einverstanden?«

Tommi nickte und zog Marie mit sich.

In der Küche angekommen, schaltete Marie als erstes den Wasserkocher an. Die Kälte war ihr mittlerweile in alle Glieder gefahren. Jetzt brauchte sie einen heißen Tee. Oder vielleicht sogar einen Grog? Den konnte Hannes sicher auch gut vertragen. Lächelnd holte sie zwei Tassen aus dem Schrank und nahm die Flasche Rum von der Anrichte. In was hatte sie sich denn vorhin reingesteigert? Hannes konnte doch verreisen, wohin und mit wem er wollte. Sie sollte ihre Gefühle besser im Griff haben. Es konnte ja sein, dass Hannes das Knistern zwischen ihnen gar nicht wahrgenommen hatte, sondern dass alles ihrer Fantasie entsprungen war.

Der Wasserkocher klickte. Sie füllte die Tassen bis knapp unter den Rand, gab reichlich Zucker und einen ordentlichen Schuss Rum dazu. Gedankenverloren rührte sie in beiden Tassen gleichzeitig. Warum war das mit der Liebe eigentlich so kompliziert? Sie hatte doch eindeutig gespürt, dass sie Hannes etwas bedeutete. Und das schon seit ihrer ersten Begegnung vor einem Jahr. Was hätte daraus entstehen können? Doch dann kam der Sommer und alles hatte sich anders angefühlt. Und jetzt? Seit dem Adventsmarkt tanzten wieder die Schmetterlinge, sobald sie Hannes sah. Aber was fühlte er? Kamen sie deshalb nicht zusammen, weil Hannes sich nicht sicher war? Oder wartete er darauf, dass Marie den nächsten Schritt machte? Nur welchen?

Das Klopfen an der Terrassentür ließ Marie auffahren. Sie eilte ins Wohnzimmer und öffnete Hannes, der völlig durchnässt mit einem Korb Holz vor ihr stand.

»Kann ich den Korb hier abstellen? Ich will keine Wasserflecken machen.«

»Na klar, stell ab. Du bist ein Schatz!« Marie hielt inne und schaute Hannes an.

Der hievte den Korb durch die Terrassentür und stellte ihn auf die Fußmatte im Wohnzimmer. Dann zog er sich die Stiefel von den Füßen und trat ein.

Die Wärme in seinen Augen ließ Marie mutiger werden. Ja, vielleicht wartete er auf ein Zeichen von ihr. Sie trat näher an ihn heran und wischte ihm die Regentropfen von der Wange. Das war so ein Reflex. Genauso hätte sie es auch bei Tommi getan. Erschrocken zog sie die Hand zurück. Noch immer ruhte Hannes’ lächelnder Blick auf ihr.

»Du kannst den Korb hier neben den Ofen stellen«, sagte Marie leise. Ihre Stimme klang rau. »Ich habe uns Grog gemacht. Komm in die Küche, bevor er kalt wird.«

Als Hannes kurz darauf die Küche betrat, hatte sie sich wieder gefangen. Mutige Vorstöße gehörten nicht zu ihren besten Eigenschaften.

»Das duftet herrlich. Du hast es so gemütlich hier«, sagte Hannes und durchbrach endlich die Stille.

Marie schob ihm eine Tasse zu und deutete auf einen der Stühle. Sie setzten sich über Eck, ihre Knie berührten sich. Vorsichtig hob Marie die Tasse an, pustete noch ein paarmal und nahm dann den ersten Schluck. Sie spürte im Brustkorb, wie die warme Flüssigkeit hinunterlief. Auch Hannes schien den Grog zu genießen. Er hatte kurz die Augen geschlossen und seufzte wohlig.

Marie hatte schon wieder das Bedürfnis, ihn zu berühren, unterließ es aber. »Wir haben nicht so viel Essbares im Haus, aber wenn du mit Brot, Käse und sauren Gurken einverstanden bist? Ich könnte auch noch Spiegeleier dazu machen«, sagte sie stattdessen.

»Klingt alles super«, antwortete Hannes. Er stellte die Tasse ab und legte seine Hände darum. »Sag mir, wie ich dir helfen kann.«

Marie sprang auf. Wie bei einer richtigen Familie, schoss es ihr durch den Kopf. »Die Teller sind dort drüben im Schrank, Besteck gleich daneben.« Sie wollte das Gefühl unbedingt so lange wie möglich aufrechterhalten.

»Du bist ja schon da!«, rief Tommi noch vom Hausflur aus und kam in die Küche gerannt. Er strahlte Hannes kurz an und schaute dann zu Marie, die eine Pfanne auf den Herd stellte. »Gibt’s heute Arme Ritter? Lecker!«

Marie lachte. »Eigentlich wollte ich uns Spiegeleier braten, aber ich kann dir auch dein Brot im Ei backen.«

Tommi klatschte in die Hände.

Das Klingeln an der Haustür zerriss die traute Stimmung.

Enttäuscht hielt Marie inne. Wer auch immer jetzt kam, der ging hoffentlich schnell wieder. Sie wollte das Abendessen zu dritt genießen.

Tommi war bereits aufgesprungen und zur Tür gerannt. Und spätestens nach seinem Freudenschrei wusste Marie, dass der Abend anders verlaufen würde, als sie es sich gewünscht hatte.

»Papa, was machst du denn hier?«, jubelte Tommi. »Mama, der Papa ist da.«

Marie wagte kaum, Hannes anzuschauen.

Er räusperte sich. »Ja, dann verschieben wir das Essen«, sagte er leise. Er trat zu Marie. Seine Hand berührte kurz ihre, bevor er sie wieder sinken ließ.

Nein, sie wollte nichts verschieben. Sie hatte sich so auf diesen Abend gefreut!

Tommi stürmte zur Küchentür herein. Daniel folgte ihm, als wäre es das Normalste von der Welt.

»Guten Abend«, sagte er laut. »Ah, ihr habt Besuch?«

»Ich wollte gerade gehen«, antwortete Hannes, noch bevor Marie reagieren konnte. »Ich habe ihr nur das Holz gebracht.« Er nickte Marie zu. Dann wandte er sich an Tommi. »Mach’s gut, Kumpel«, sagte er und verließ rasch die Küche.

Erst jetzt regte sich wieder etwas in Marie. Nun stand sie mit Tommi und Daniel in einem Raum und das fühlte sich so falsch an.

»Bin gleich wieder da«, murmelte sie und lief hinter Hannes her.

Der hatte mittlerweile seine Stiefel übergezogen und war dabei, das Haus zu verlassen.

»Hannes!«, rief Marie.

Hannes drehte sich noch einmal um.

»Danke … und … viel Spaß im Isergebirge!« Marie hatte das Gefühl, als müsste sie die Worte wie Kaugummi aus ihrem Mund ziehen.

Hannes lächelte noch einmal kurz. »Gerne«, antwortete er leise. Dann schloss er die Tür hinter sich.

Wie versteinert blieb Marie im Hausflur stehen. Sie hörte Tommi plappern und Daniel lachen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sich jetzt am liebsten in Luft aufgelöst. Doch stattdessen wandte sie sich um und ging zurück in die Küche.

»Du hast ja einen tollen Nachbarn, der dir das ganze Holz hackt«, begrüßte Daniel sie, kaum dass sie sich an den Tisch gesetzt hatte.

»Der Papa kann doch jetzt mit uns essen, oder?« Tommi nickte, als wolle er so Maries Antwort vorwegnehmen.

Marie seufzte innerlich. Wenn sich ihr Kleiner so darüber freute, dass sein Papa da war, dann sollte es wohl so sein. »Na klar«, rang sie sich ab und machte sich wieder am Herd zu schaffen. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu dem abrupten Ende des gemeinsamen Abends mit Hannes. Und auch zu dem unguten Gefühl, das sie beim Abschied verspürt hatte. Während des Essens konnte sie kaum der fröhlichen Unterhaltung zwischen Vater und Sohn folgen.

Später, nachdem Daniel Tommi ins Bett gebracht hatte, machte er noch immer keine Anstalten zu gehen. Argwohn stieg in Marie auf.

»Musst du nicht langsam nach Hause?«, fragte sie Daniel, der sich wie selbstverständlich wieder zu ihr an den Tisch gesetzt hatte.

»Ach, ich hab noch Zeit«, antwortete er. Dabei fuhr er sich mit der Hand durch die Haare.

Nun schrillten bei ihr die Alarmglocken. Marie kannte Daniel zu gut. Sie wusste, dass das nicht nur eine Geste war, sondern die Unsicherheit, wenn er ein unangenehmes Thema ansprechen musste. Was wollte er denn nun schon wieder? Ging es um Tommi? Wollte er ihn häufiger sehen? Oder hatte es etwas in der Schule gegeben, wovon sie nichts wusste? Marie schüttelte innerlich den Kopf über sich. Das konnte eigentlich nicht sein. Die Schule würde immer zuerst bei ihr anrufen.

»Was ist los?«, fragte sie. Sie hörte die Schärfe in ihrer Stimme, die Daniel zusammenzucken ließ. Sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Vielleicht hatte er ja wirklich etwas auf dem Herzen und sie knurrte ihn so an? Andererseits hatte er doch für solche Probleme jetzt seine Freundin.

»Das ist es ja«, begann Daniel. »Es ist eben nichts mehr los.« Wieder huschte die Hand durch die Haare.

Maries Herz begann heftig zu pochen. Sie stand auf und stellte sich mit dem Rücken an sie Spüle. Sie hatte das Gefühl, so viel Abstand wie möglich zu Daniel halten zu müssen. Da war eine Färbung in seiner Stimme, die sie noch nie an ihm gemocht hatte. Und von der sie wusste, dass sie sie einlullen würde. Eine unbestimmte Furcht legte sich wie eine Kralle um ihre Kehle. »Und was heißt das?«, fragte sie vorsichtig. Jetzt hätte sie sich die Schärfe in ihrer Stimme gewünscht, aber es klang eher kläglich.

Daniel schaute sie an. Sein Blick wirkte flehentlich. »Sie hat mich vor die Tür gesetzt. Und jetzt weiß ich nicht, wohin ich gehen soll. Ich dachte, ich könnte vielleicht hier …« Er deutete ausladend in den Raum. »Ich meine, Tommi freut sich doch immer so sehr, wenn ich da bin. Und du vielleicht auch ein bisschen. Marie, das war alles ein großer Fehler. Ich weiß, dass ich dir furchtbar weh getan habe. Aber ich kann das wieder gutmachen. Lass uns noch einmal von vorne beginnen. Wir gehören doch zusammen, stimmt’s?« Er war aufgestanden und auf Marie zugegangen.

Mit jedem seiner Worte war Marie, als hätte die Hand, die sie um ihren Hals spürte, fester zugedrückt. Die Gedanken wirbelten durcheinander. Hatte Daniel ihr gerade mitgeteilt, dass er wieder hier einziehen wollte? Dass sie die Schmerzen der ganzen letzten Monate vergessen sollte und sie wieder ein Paar sein sollten? Einfach so?

»Marie, es tut mir so leid, was ich dir und Tommi angetan habe. Ich verspreche dir, dass das nie wieder vorkommen wird.« Jetzt stand Daniel direkt vor ihr und griff nach ihrer Hand.

Marie wurde schlecht. Übelkeit kroch langsam von ihrem Magen nach oben. Diese Sätze hatte sie schon tausendmal gehört. Im Fernsehen, im Kino und von Daniel. Das waren doch nur leere Phrasen. Die konnte jemand einfach so sagen, ohne etwas zu fühlen. Nur, um ein Ziel zu erreichen. Und Daniels Ziel war eindeutig - hier bei ihr einzuziehen. Wieder heile Welt spielen zu wollen.

Sie zog ihre Hand aus seiner und schob sich aus der Enge. Mit verschränkten Armen und sicherem Abstand schaute sie ihn an. Sein Blick wirkte weich und er schien ehrlich verzweifelt zu sein. Konnte es sein, dass er wirklich entdeckt hatte, dass sie zusammengehörten? Dass er sie doch liebte?

»Warum hat sie dich rausgeschmissen?« Die Frage war einfach so herausgerutscht.

Daniel blinzelte, seine Augen füllten sich mit Tränen. »Das ist doch nicht wichtig. Es geht doch um uns, Marie! Reicht es nicht, dass ich erkannt habe, dass ich einen großen Fehler begangen habe? Ich bereue wirklich alles, was sich in der letzten Zeit abgespielt hat. Wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen, glaub mir.« Wieder war er ihr näher gekommen, berührte sie aber nicht.

Seine Worte hallten in Maries Kopf nach. Was, wenn er es tatsächlich bereute? Sie ließ es sacken. Es fühlte sich nicht echt an. Tommi würde ausflippen vor Freude. Daran gab es keinen Zweifel. Er vermisste seinen Papa so sehr.

Als Marie merkte, dass sie begonnen hatte, auf ihrer Unterlippe zu kauen, hielt sie schnell inne. Daniels Blick ruhte auf ihrem Mund, und mit einem Mal lag da etwas Strahlendes in seinen Augen. Hoffnung? Triumph? Er glaubte also, sie schon überzeugt zu haben. Aber so schnell ging das nicht. Er konnte doch nicht einfach hier auftauchen und glauben, dass alles wieder so wie früher werden würde! Eine heilsame Wut stieg in ihr auf.

Plötzlich tauchte Hannes vor Maries innerem Auge auf. Die gemeinsame Arbeit im Schuppen, die Wärme, die er ausstrahlte, das Knistern, das zwischen ihnen in der Luft lag. Und die Freude auf den gemeinsamen Abend, den Daniel durch sein Erscheinen zerstört hatte. Marie seufzte. Ihr Kopf begann zu schmerzen. Sie drückte eine Hand gegen die Schläfe.

»Daniel, das geht nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Du kannst doch nicht annehmen, dass du heute Abend noch hier einziehen kannst! Was denkst du dir denn?«

Das leichte Zucken in Daniels Gesicht war ihr nicht entgangen. Doch sofort hatte er wieder seine mitleidheischende Miene aufgesetzt. »Aber wo soll ich denn um die Uhrzeit noch hin?«, kam prompt die passende Frage.

Marie gab sich einen Ruck. »Du kannst ins Rosenhotel ziehen«, sagte sie mit fester Stimme. »Du weißt schon, das Hotel oben am Berg. Das ist ganz neu eröffnet worden. Es wird dir gefallen.« Damit ging sie zur Küchentür hinaus in den Flur.

Daniel folgte ihr. »Ich soll jetzt noch in ein Hotel gehen? Was, wenn dort gar kein Zimmer frei ist? Du kannst mich doch jetzt nicht wegschicken! Außerdem habe ich Tommi schon erzählt, dass ich heute Nacht hierbleibe.«

»Du hast was?« Maries Herz raste wie wild. »Wie kannst du sowas machen? Darüber musst du doch erst mit mir sprechen! Das ist mein Haus!«

»Er hat sich so gefreut! Du hättest ihn sehen sollen, Marie.«

Jetzt verursachte Daniels Gesichtsausdruck nur noch mehr Übelkeit bei ihr. »Das hättest du nicht tun dürfen. Du kannst doch Tommi da nicht mit reinziehen. Ja, er ist unser Sohn, aber das war er auch, als du vor einem reichlichen Jahr ausgezogen bist. Geh jetzt bitte. Ich muss ins Bett.« Mittlerweile pochten ihre Kopfschmerzen so heftig, dass ihr schwindelig wurde. Sie wollte aber keine Schwäche zeigen. Also riss sie sich zusammen und beobachtete, wie Daniel betont langsam seine Schuhe anzog und die Jacke von der Garderobe nahm.

»Aber versprich mir, dass wir wenigstens darüber reden, ja? Lass uns uns doch morgen treffen. Dann sieht die Welt bestimmt schon ganz anders aus.«

Wieder so eine Floskel. Hatte er schon immer so geredet? Um Daniel endlich loszuwerden und etwas gegen die Kopfschmerzen tun zu können, nickte Marie. Sie sah zu, wie Daniel nach draußen zu seinem Auto ging und im Kofferraum kramte. Als er sich umwandte und ihr zuwinkte, schloss sie schnell die Tür. Was für ein Abend! So anders, als sie es sich gewünscht hatte. Sie musste jetzt dringend eine Schmerztablette nehmen und sich schlafen legen. Vielleicht hatte Daniel ja recht, dass morgen alles anders aussehen würde. Allerdings hoffte sie eher darauf, dass es nur ein böser Traum war.

Kapitel 2

»Und zum Schluss der Meldungen noch eine Warnung des Deutschen Wetterdienstes … ist mit heftigen Sturmböen und großen Niederschlagsmengen zu rechnen. Das Sturmtief bewegt sich nur langsam in Richtung Osten … bedingt durch eine Omega-Wetterlage … in den Randlagen nachfolgend zu starkem Frost kommen. Informieren Sie sich …«

In Maries Küche ging das Licht aus. Bestimmt waren sie nun an den großen Tisch gezogen und aßen gemeinsam ihr Abendbrot. Die Familie traut vereint. Hannes stopfte den Skipullover in seinen Trekking-Rucksack, ohne den Blick von Maries Haus zu wenden. Waren sie das, eine traute Familie? Zerstörte er etwas, indem er nun dort hineinbrach mit seinen Wünschen und Hoffnungen? Hatte er etwas übersehen? Marie war ihm wieder so vertraut geworden in den vergangenen Tagen, als habe es die Entfremdung im letzten Sommer niemals gegeben. Sie hatte erschrocken gewirkt, als ihr Ex-Mann plötzlich vor der Tür stand. Also hatte sie Daniel offensichtlich nicht erwartet. Tommi jedoch war, voll unverstellter Freude, seinem Vater um den Hals gefallen. Die Erinnerung an diese Szene hing wie ein hämisch grinsender, fetter Kobold an seinen Hals und drückte ihm die Luft ab. Wenn auch nur der Hauch einer Chance bestand, dass sich Tommis Eltern wieder versöhnten, durfte er die aus egoistischen Gründen zerstören? Hannes wünschte, er könnte sich mit seiner Mutter beraten. Die hatte immer Rat gewusst in Herzensdingen. Wenn es darum ging, sich auf Beziehungen einzulassen, stellte sich Hannes mit seinen über dreißig Jahren noch immer an wie ein Teenager. Wurde das Herz denn niemals klug? Mutter Käthe ruhte seit zwei Jahren auf dem Friedhof unten im Dorf. Sie fehlte ihm im Moment so sehr, dass es ihm fast die Luft nahm. Hannes räusperte sich, um dieses kindliche Verlangen nach Trost abzuschütteln. Er sortierte Skihandschuhe, Mütze und Schlauchschal so sorgsam auf der Küchenbank, als stünde sein Aufbruch in den Schnee unmittelbar bevor. Dabei waren sie erst für morgen früh zum Aufbruch in das verschneite Isergebirge verabredet. Die Aussicht auf diesen winterlichen Kurztrip munterte Hannes etwas auf. Mit den Zimmerleuten und den anderen Mitarbeitern aus Fionas Baufirma verstand er sich prächtig. Bodenständige Menschen der Tat mit großzügigen Herzen und deftigem Humor. Der gemeinsame Ausflug in den Schnee und drei Tage in der urigen Baude waren das Dankeschön an die Belegschaft für ein Jahr fleißige Arbeit, neue Entwicklungen und erfolgreiche Abschlüsse. Sie hatten spannende Projekte in Aussicht. Hannes freute sich auf die Truppe, das Austoben in den Bergen und die gemütlichen Baudenabende. Und doch war tief in ihm eine Beunruhigung. War es die Unklarheit in Bezug auf Marie? Gedankenvoll schnürte Hannes seinen Rucksack zu.

Regen trommelte in boshafter Beständigkeit an die Scheiben. Hannes war froh, in der warmen Küche des Umgebindehauses zu sein. Das Heulen des Sturmes erinnerte ihn jedoch daran, was ihn eigentlich bedrückte. Er sollte hierbleiben. Er sollte bleiben. Nicht wegen Marie oder Daniel. Wegen Vater.

Hannes blickte auf seinen gepackten Rucksack auf der Küchenbank und das Herz wurde ihm schwer. Konnte er Kurt wirklich für drei Tage allein lassen mit seiner Herzschwäche und bei der bedrohlichen Wetterlage?

Im Radio spielten sie kitschige Weihnachtsschlager. Eben wollte Hannes es ausstellen, als er hörte, wie Kurt draußen im Flur rumorte. Vater war also vom Friedhof zurück. Er ging täglich dahin, um Zwiesprache mit seiner Käthe zu halten. Kein noch so starker Regensturm konnte ihn davon abhalten. Vielleicht sollte auch Hannes noch einmal zum Grab seiner Mutter gehen und schauen, ob die Grabkerze noch brannte, oder ob der Sturm sie ausgeblasen hatte – und ob Mutter Käthe einen Rat in Sachen Marie für ihn hätte. Vielleicht könnte sie ihn auch beraten, ob er besser daheimbleiben oder doch ein paar fröhliche Tage im Schnee verbringen sollte, weit weg von all den Unklarheiten.

---ENDE DER LESEPROBE---