Zum Glück Costa Rica - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
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Zum Glück Costa Rica E-Book

Frida Luise Sommerkorn

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Beschreibung

Vom Ostseestrand nach Costa Rica, Heli will so weit weg wie möglich. Doch auch dort wartet nicht nur die wilde Schönheit des Landes auf sie, sondern ein Wirbelsturm an Gefühlen.

Als Heli von ihrem Freund einen Heiratsantrag bekommt, kann es für sie nur eine Antwort geben: Nichts wie weg! Kurzentschlossen fliegt sie nach Costa Rica und landet mitten in einer munteren Reisegruppe, mit der sie auf abenteuerliche Fahrt durch das traumhafte Land geht. Trotzdem kommen auch hier Helis Gefühle nicht zur Ruhe. Denn da gibt es den Reiseleiter Carlos, der ihr nicht nur die besonderen Plätze Costa Ricas zeigen möchte, und da ist Benno, ein junger Pfarrer auf Sinnsuche, dessen Anziehungskraft sie zu ignorieren versucht. Doch bald schon merkt sie, dass ihr Herz immer weiter ins Chaos schlittert. Erst ein magischer Moment in einem kleinen Küstenstädtchen am Pazifik lässt sie ahnen, was wirklich im Leben zählt.

Frida Luise Sommerkorn, selbst viel als Backpackerin unterwegs gewesen, entführt euch auf bezaubernde Weise in ein Land voller Überraschungen.

*****************************************

Bisherige Veröffentlichungen:

Ostseetraum-Trilogie
Tanz auf den Wellen

Nordseeglück-Trilogie:
Insel wider Willen: Teil 1
Träume sind wie Wellen: Teil 2
Liebe dank Turbulenzen: Teil 3

Ostseeliebe-Reihe:
Kaffeeduft und Meeresluft: Teil 1
Sanddornpunsch und Herzenswunsch: Teil 2
Himbeerschaum und Dünentraum: Teil 3

Sehnsuchts-Trilogie:
Immer wieder im Juni: Teil 1
Manchmal ist das Glück ganz nah: Teil 2
Endlich schwingt die Liebe mit: Teil 3

Fernwehromane:
Zum Glück Ostseestrand: Ferien Küste Kuckucksmänner
Zum Glück Neuseeland: Kiwi gesucht
Zum Glück Costa Rica: Herzchaos im Gepäck

Winterwunderreihe
Ein Rauhnachtswunder
Ein Adventswunder

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Frida Luise Sommerkorn

Zum Glück Costa Rica

Herzchaos im Gepäck

Frida Luise Sommerkorn lässt in ihrem neuen Roman „Zum Glück Costa Rica: Herzchaos im Gepäck“ eine Reisegruppe auf ihren Spuren wandeln, denn die Autorin hat vor fast 20 Jahren das Land als Backpackerin bereist. Humorvoll, spannend, herzerwärmend!

Inhaltsverzeichnis

Ankunft in San José

Tag 1 – Vulkan Irazú

Tag 2 – Tortuguero

Tag 3 – Tortuguero

Tag 4 – Cahuita

Tag 5 – Cahuita

Tag 6 – San José

Tag 7-9 – San José – Halbinsel Osa – San José

Tag 10 – Vulkan Arenal

Tag 11 – Canopy Tour

Tag 12 – Montezuma

Tag 13 – Montezuma

Tag 14 – Rückreise

Danksagung

Meine Veröffentlichungen

Impressum

Ankunft in San José

»Hab ich mir doch gedacht, dass Sie dazugehören! Auf Missionsreise unterwegs, was?«

Heli hielt dem ganz in schwarz gekleideten Mann die Hand hin und lächelte ihn breit an.

»Helena Frischauf, aber alle nennen mich Heli«, sagte sie und nickte ihm auffordernd zu.

»Guten Tag, Heli Frischauf, Benno Kaiser mein Name. Aber alle nennen mich Pfarrer Benno.«

Der große, dunkelhaarige Mann schaute ebenso freundlich lächelnd zurück. Heli schätzte ihn auf Mitte 30. Seine Augen mit einem undefinierbaren Mix aus Braun- und Grüntönen ruhten auf ihr. Sie räusperte sich.

»Ähm ja, dann wünsche ich uns eine gute Reise. Wir sehen uns!« Heli lächelte noch einmal schief und drehte sich weg. Noch immer hatte Benno ihre Hand gehalten. So war das nicht gemeint gewesen. Sie wollte keine Beichte ablegen. Warum diese Geistlichen immer so einen durchdringenden Blick haben mussten! Sie war schon seit Jahren nicht mehr zur Kirche gegangen. Aus gutem Grund. Irgendwie glaubte sie ja schon an Gott, aber die kleinen und großen Probleme ihrer eigenen Welt löste sie lieber selbst und überließ das nicht einem Herrn, der irgendwo hoch oben im Himmel wohnte.

Bevor sie weitere Mitreisende beobachten konnte, fiel ihr Blick auf einen sportlichen Typ mit schwarzen Locken, der zielstrebig auf die müde Menschenmenge zusteuerte.

»Hola gente, wie geht es euch?« Strahlend entblößte er eine Reihe weißer Zähne und breitete beide Arme weit aus.

»Willkommen im Land der Ticos! Ihr seid also meine Versuchskaninchen. Mein Name ist Carlos Romero, ich bin euer Reiseleiter für die nächsten zwei Wochen. Und darüber hinaus, wer will.«

Beim letzten Satz ließ er seinen Blick über Helis Körper gleiten und zwinkerte ihr dann verschmitzt zu. Unbehaglich verschränkte Heli die Arme vor ihrer Brust. Das fing ja gut an.

»Was heißt hier Versuchskaninchen? Wir sind nicht vom Karnickelverein, ja? Und ich hoffe sehr für die Reisegesellschaft, dass sie uns hier keinen Grünschnabel vorgesetzt haben.« Die korpulente Frau mit der lauten Quäkstimme schob ihr Kinn verächtlich in Carlos‘ Richtung, um sich dann wieder der Gruppe zuzuwenden.

»Ich bin übrigens Sieglinde Rübschläger. Und der Prachtkerl hier ist mein Sohn Karl-Eduard.« Sie schlug ihrem ebenso kräftigen Sohn die dralle Hand auf den Rücken, so dass er sofort zu hüsteln begann. Bei der Bemerkung blieb ihr Blick ebenfalls an Heli hängen.

»Sind wir hier auf einer Heiratsbörse?«, murmelte Heli und schaute zur Seite. Direkt in Pfarrer Bennos Augen. »Klar, immer zur richtigen Zeit am richtigen Fleck.«

Sie stöhnte leise. Im Moment wäre ihr der Karnickelverein dreimal lieber gewesen.

Benno lächelte freundlich und meldete sich zu Wort. »Carlos, mich würde auch interessieren, wie Sie das gemeint haben. Sind wir Ihre erste Reisegruppe?«

Carlos nickte begeistert. »Si, Amigos, und ich freue mich riesig darauf, euch mein schönes Land zu zeigen. Seid ihr bereit? Die Vorstellungsrunde machen wir im Hotel.«

Grinsend zog er ein Pappschild in Form eines knallgrünen Frosches mit roten Augen hervor und hielt es in die Höhe.

»Das ist unser Erkennungszeichen, falls mal einer auf Abwegen ist und mich sucht. Hier ...« Damit zog er den Teleskopstab aus und der Frosch schnellte, für alle sichtbar, in die Höhe.

Heli schob ihren Kopf zwischen die Schultern. Vorsichtig schaute sie sich um. Sie war geneigt, dem Fremdschämgefühl nachzugeben. Da sie aber rundherum in erschöpft lächelnde Gesichter schaute, beschloss sie kopfschüttelnd, Carlos eine Chance zu geben. Wie die anderen neun Teilnehmer folgte sie ihrem gutgelaunten Guide.

Am Ausgang des Flughafengebäudes blieben alle wie angewurzelt stehen. Eine Wand aus heißer, feuchter Luft prallte ihnen entgegen.

Da Carlos jedoch, den Frosch fröhlich auf und ab wippend, schnurstracks auf einen Parkplatz zuhielt, blieb der Gruppe nichts anderes übrig, als direkt zu folgen.

»Sag mal, da hat aber keiner was von gesagt, dass hier so eine Bullenhitze ist«, ächzte Sieglinde Rübschläger.

»Gesagt nicht«, antwortete Karl-Eduard leise. »Aber hättest du den Reiseführer gelesen, den ich dir vor Monaten geschenkt habe, wüsstest du das.« Zufrieden stapfte er voran.

»Du immer mit deinen Büchern! Wann hab ich denn mal Zeit zum Lesen!« Sieglinde Rübschläger fuhr sich mit einem Taschentuch über die Stirn.

Am Parkplatz angekommen öffnete Carlos die Tür eines kleinen Reisebusses und deutete eine Verbeugung an. „Das wird in den nächsten Tagen unser Fortbewegungsmittel sein. Also, solange wir damit durchkommen. Manchmal steigen wir auf Boote um, aber ansonsten hoffen wir, dass uns die alte Dame gut durch das Land bringt.“ Er lachte laut, als habe er einen amüsanten Witz erzählt.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete Heli den Bus. Es schien, als habe er seine besten Jahre hinter sich. Aber man soll ja nicht von Äußerlichkeiten auf das Innenleben schließen. Die Reisegesellschaft würde schon wissen, was sie tat.

„Also, ich muss ganz vorn sitzen, sonst wird mir schlecht“, rief Sieglinde Rübschläger, als sich die Gruppe zum Einsteigen anschickte. „Und der Karl-Eduard natürlich auch.“

„Mir wird nicht schlecht, Mutter“, antwortete Karl-Eduard eilig.

Auf den strengen Blick seiner Mutter hin nickte er schließlich ergeben. „Ich bleibe natürlich bei dir, falls du Hilfe brauchst.“

Eine Frau mittleren Alters stieg vor Heli auf wackeligen Beinen die zwei Stufen nach oben.

„Geht es?“, fragte Heli besorgt. Sie hatte schon von Anfang an bemerkt, dass die Frau nicht besonders gesund wirkte. Vielleicht lag es an dem langen Flug.

Die Frau nickte nur zaghaft und setzte sich direkt auf den Platz hinter dem Busfahrer. Heli machte es sich im hinteren Teil bequem. Kurz überflog sie die Anzahl der Sitzplätze und stellte zufrieden fest, dass jeder eine eigene Bank beziehen konnte. Pfarrer Benno rutschte in die Bankreihe neben ihr. Lächelnd wandte er sich ihr zu. Heli nickte zurück, legte dann ihre Jacke als Kissen ans Fenster und bettete ihren Kopf darauf.

Sie hörte Carlos im vorderen Teil des Busses mit Sieglinde Rübschläger diskutieren. Wie es schien, hatte er die Rangelei um den Platz in der ersten Reihe verloren. Obwohl er meinte, dass dieser Platz immer für den Reiseleiter vorgemerkt war, ließ sich Sieglinde Rübschläger nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Also blieb Carlos stehen und begrüßte die Teilnehmer noch einmal herzlich. Der Bus setzte sich langsam in Bewegung. Da schon die Dämmerung eingesetzt hatte, konnte Heli nicht mehr viel von der Stadt erkennen. Außerdem fielen ihr die Augen immer wieder zu, so sehr übermannte sie die Müdigkeit.

„Heli, wach auf“, hörte sie kurze Zeit später eine Stimme. Benno hatte sich über sie gebeugt und schaute sie lächelnd an.

Erschrocken fuhr Heli auf. Dabei stieß sie mit ihrer Stirn an Bennos Kinn.

„Warum bist du so schreckhaft?“, fragte Benno, der zurückgewichen war und sich den unteren Teil seines Gesichts massierte.

„Weil ich selten von fremden Männern geweckt werde“, knurrte Heli zurück. Auch sie betastete ihre Stirn. Dann schnaufte sie. „Entschuldige, ich muss echt fest eingeschlafen sein.“

„So, liebe Leute, wir treffen uns gleich an der Rezeption des Hotels. Euer Gepäck könnt ihr dann dort entgegennehmen.“ Carlos winkte wieder mit seinem Frosch und verließ den Bus. Einer nach dem anderen kletterte ihm hinterher.

Heli spürte plötzlich einen unbändigen Durst. Hoffentlich war die Minibar im Hotelzimmer gut gefüllt. Oder noch besser wäre es, einen Absacker an einer Bar zu nehmen.

Die Ausgabe der Schlüssel und die Suche nach dem eigenen Gepäckstück nahmen ziemlich viel Zeit in Anspruch. Heli hatte es sich in einem der Sessel in der Lobby bequem gemacht und schaute sich um. Sie konnte es kaum glauben, dass sie jetzt in einem Vier-Sterne-Hotel übernachten würde. Normalerweise war sie mit Rucksack in Bed and Breakfast-Unterkünften unterwegs. Der Reiseplan sah vor, dass sie hier immer wieder Station machen würden, wenn sie von ihren mehrtägigen Touren zurückkamen. Wo sie zwischendurch übernachten würden, war nicht so genau beschrieben. Hier jedenfalls ließ es sich aushalten. Alles war sauber, klimatisiert und die Menschen am Empfang sehr freundlich.

„Okay“, rief Carlos nach einer Weile. „Ich würde sagen, ihr bezieht eure Zimmer und wir treffen uns in einer halben Stunde im Restaurant. Hier gibt es ein kleines Abendessen und wir können uns endlich alle miteinander bekannt machen. Das wird lustig.“

Müde schlurfte die Reisegruppe auseinander. Heli musste in den zweiten Stock. Sie zog ihren Rollkoffer hinter sich her und hatte den großen Rucksack über die Schulter gehängt. Der kleine Rucksack baumelte an ihrem Handgelenk. Sie fragte sich, was Carlos wohl so lustig an einer Vorstellungsrunde fand. Aber eigentlich war ihr Gehirn zu träge, um intensiver darüber nachzudenken.

Da in den Aufzug immer nur drei Leute nebst Gepäck passten und sie keine Lust hatte, die schwere Last über die Treppe nach oben zu tragen, dauerte auch das Aufsuchen der Zimmer so seine Zeit. Vielleicht sollte sie endlich mal runter- und im Urlaubsmodus ankommen. Es war doch nicht wichtig, wie zügig alles ging. Hauptsache, sie kam heute noch ins Bett. Morgen würde die Welt sicher anders aussehen.

Das Zimmer jedenfalls war spitze. Zwar brummte die Klimaanlage, aber sie konnte sich entscheiden: Hitze oder Lärm. Da sie Ohrstöpsel nicht mochte, konnte sie nur hoffen, später schnell ins Land der Träume abzugleiten.

Heli stellte ihr Gepäck ab, dann trat sie ans Fenster. Sie staunte nicht schlecht. Ihr Blick ging in den weitläufigen Park, der hinter dem Haus lag. Ein beleuchteter Pool nahm ihre Aufmerksamkeit besonders gefangen. Soweit sie es im Halbdunkel sehen konnte, säumten den Pool und die Strandliegen Palmen und diverse andere Bäume, die sie nicht kannte. Außerdem führten weiße Kieswege durch die üppig blühende Landschaft. Das ließ sich ja gut an. Kurz überlegte sie, noch in den Pool zu springen, ließ es dann aber bleiben. Gleich trafen sie sich im Restaurant. Sie machte sich frisch und auf den Weg nach unten.

Kaum hatte Heli die Lobby betreten, hörte sie auch schon Sieglinde Rübschläger lautstark reden.

„Hören Sie mal, das geht so nicht! Mein Sohn hat ein wunderschönes Zimmer zum Park nach hinten und ich soll in dieser Abstellkammer schlafen, die zur Straße hinaus führt? Was soll das denn bedeuten? Bin ich weniger wert? Schließlich habe ich die Reise bezahlt!“

Carlos stand neben ihr und hatte beide Hände gehoben. „Sieglinde, beruhige dich! Ich werde das klären“, sagte er lächelnd. An seinen Augen erkannte Heli jedoch, dass er nicht mehr ganz so entspannt zu sein schien.

Nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Herrn am Empfang drehte sich Carlos schließlich strahlend um und gab Sieglinde Rübschläger einen neuen Schlüssel, als würde er ihr einen Pokal überreichen. Mit hocherhobenem Haupt verließ sie die Lobby.

Heli schüttelte den Kopf und wollte sich gerade umdrehen, um das Restaurant zu suchen, als Carlos sie entdeckte.

„Helena, oder? Das ist doch dein Name, nicht wahr?“ Er kam mit dem gleichen Strahlen wie bei der Schlüsselübergabe auf sie zu.

Heli nickte. Noch war sie nicht gewillt, ihm ihren Spitznamen anzubieten.

„Die schöne Helena, die schönste Frau ihrer Zeit und Tochter des Zeus.“ Mittlerweile hatte Carlos sie erreicht.

„Mein Vater heißt Manfred! Und wenn du mich noch einmal schöne Helena nennst, muss ich allein weiterreisen“, zischte Heli.

„Si, schon gut. Hast du zu oft gehört, was?“ Carlos zeigte sich verständnisvoll. „Aber schön bist du, wenn ich das sagen darf.“

Heli holte tief Luft. „Wo ist das Restaurant? Wir wollten uns längst dort getroffen haben.“

Carlos nickte und Heli meinte eine leichte Spur der Enttäuschung in seinem Gesicht entdeckt zu haben. Er schob sie sanft neben sich her und deutete kurz darauf auf einen großen Raum auf der rechten Seite. „Ich warte noch auf Sieglinde, komme gleich nach.“

„Ich würde sagen, wir fangen jetzt mit der Vorstellungsrunde an“, sagte Carlos kurz darauf, als sie alle im Restaurant Platz genommen hatten.

„Da fehlt noch jemand“, rief Karl-Eduard. Zum Zeichen, dass er etwas sagen würde, hatte er die Hand gehoben. Mit seiner schwarz umrandeten Brille und dem unübersehbaren Übergewicht hätte er auch als Schulstreber durchgehen können.

„Si, Johanna geht es nicht gut. Die Reise war sehr anstrengend für sie. Sie entschuldigt sich dafür, ruht sich jetzt lieber aus, und wer mehr über sie wissen möchte, kann sie gerne persönlich fragen.“

Eine Falte hatte sich auf Carlos‘ Stirn gebildet, was ihn ein wenig sorgenvoll aussehen ließ.

„Das fängt ja gut an!“ Sieglinde Rübschläger schüttelte den Kopf. „Hoffentlich erholt sie sich wieder. Nicht, dass sie ...“

„Mutter! Bitte!“, fiel Karl-Eduard seiner Mutter ins Wort. „Sie wird ihre Gründe dafür haben.“

Carlos räusperte sich. Er wackelte mit den Schultern, als würde er sie lockern wollen. „Also Karl-Ede, warum fängst du nicht gleich mal an, uns zu erzählen, warum ihr euch auf eine spannende Reise nach Costa Rica gemacht habt?“

Der Angesprochene wandte sich Carlos zu. „Ich heiße Karl-Eduard“, sagte er und lief rot an. Zögerlich schaute er seine Mutter an.

„Der Karl-Eduard und ich kommen aus Düsseldorf. Und die Reise hat mir ein Arbeitskollege empfohlen. Der war im letzten Jahr hier. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, warum er so nett war, denn eigentlich ist er ein unausstehlicher Typ. Nun ja, jedenfalls hat er mir einige Prospekte vom Land und vor allem von dem schönen Hotel hier gezeigt und dann haben der Karl-Eduard und ich entschieden, dass wir das machen wollen.“

Kurz verzog Karl-Eduard das Gesicht. Dann nickte er, was irgendwie gequält aussah.

„Das schöne Hotel, soso.“ Ein Mann Mitte vierzig, drahtig und mit extra kurzem Haarschnitt, grinste. „Na, mal schauen, wie euch die nächsten Unterkünfte so gefallen.“

„Sehr schön! Mach du doch gleich weiter“, versuchte Carlos den Mann zu stoppen. „Heute sind wir hier im schönen Hotel. Danach sehen wir weiter.“ Ein leichter Schweißfilm hatte sich auf seiner Stirn gebildet.

„Ich bin der Hartmut, aber alle nennen mich Hardy. Ihr also auch! Ich arbeite in der IT-Branche und mein Hobby ist eindeutig Sport in allen Variationen. Am liebsten gehe ich laufen. Das werde ich hier hoffentlich auch öfter tun können. Ich möchte im Spätsommer einen Marathon laufen und mich danach auf einen Triathlon vorbereiten. Was heißt einen, mein Ziel ist der Iron-man in Hawaii. Klar, was sonst. Tja, was gibt’s noch zu sagen? Die Reise haben wir von unserer Familie zur Silbernen Hochzeit geschenkt bekommen. Ich wäre ja lieber irgendwo in die Höhe gefahren, um dort zu trainieren. Aber gut, nun sind wir hier. Ach ja, das ist meine Frau Simone.“

Hardy war während seiner Rede aufgestanden und hatte wild gestikulierend erzählt. Jetzt setzte er sich und tätschelte Simone die Hand. Unauffällig zog sie ihre unter seiner weg und lächelte verlegen in die Runde.

„Hola Hardy, hola Simone“, begrüßte Carlos die beiden.

Heli war die Spannung zwischen dem Ehepaar nicht entgangen. Er schien ein ziemlicher Angeber zu sein. Und sie? So unscheinbar wie ein graues Mäuschen. Interessiert musterte sie Simone, bis die ihr direkt in die Augen schaute. Ertappt nickte Heli und hob aus Reflex die Hand. „Also, ich bin Helena.“ Sie schnappte nach Luft. Eigentlich hatte sie nur aus Verlegenheit die Hand gehoben, um irgendwas zu tun und Simone nicht weiter anzustarren. Jetzt musste sie sich also vorstellen. Was würde die Leute hier denn interessieren? Sie schaute in die Runde und bemerkte hier und da ein Grinsen. „Bevor Bemerkungen zu meinem Vornamen auftauchen, ruft mich lieber Heli. Ich habe gerade mein Studium beendet und wollte erstmal ein bisschen von der Welt sehen.“ Sie lehnte sich zurück.

„Was hast du studiert?“, fragte Carlos.

Heli schaute ihn irritiert an. Bei den anderen hatte er doch auch keine Nachfragen gestellt. Das wäre bei dem Ehepaar zuvor nötiger gewesen, um auch etwas über Simone zu erfahren. „Musiktherapie, warum?“

Carlos nickte nur und wandte sich dann einem älteren Ehepaar zu. „Möchtet ihr uns etwas über euch erzählen?“

Die beiden schauten sich an und die Frau zwinkerte ihrem Mann lachend zu. Dabei zeigten sich unzählige Fältchen auf ihrem Gesicht, die sie zufrieden und glücklich aussehen ließen.

„Ja gerne, meine Liebe“, sagte der Mann. Er räusperte sich. „Das ist meine Frau Dörthe und ich heiße Fritz. Fritz Lorenz. Nun, wir reisen eigentlich schon, seitdem wir uns gefunden haben. Und das ist bald vierzig Jahre her. Haben wir eine Reise beendet, überlegen wir uns, wohin es als Nächstes gehen soll. Wir haben da so eine Liste mit reizvollen Zielen. Und die würfeln wir aus. Deshalb sind wir jetzt hier.“ Auch er nahm jetzt die Hand seiner Frau und drückte sie leicht. Dörthe jedoch zog sie nicht weg, sondern lächelte ihn warmherzig an.

Heli seufzte innerlich. Wenn es ihr doch einmal gelingen würde, so eine innige Beziehung zu führen. Ihre bisherigen hatten meist in Sackgassen geendet. Nicht, dass sie ständig wechselnde Partner hatte, aber nach einer Weile stellte sich irgendwie Langeweile ein. Und immer wieder bekam sie vorgehalten, mit ihrer aufgedrehten Art zu nerven, hirnrissige Ideen zu haben oder, was am schlimmsten war, das Leben nicht ernst genug zu nehmen. War das Leben nicht schon ernst genug? Konnte man nicht wenigstens in der Freizeit sein echtes Ich ausleben?

„Sehr schön! Ich freue mich, dass ihr dabei seid!“ Carlos hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht und seine dunklen Augen schienen fast schwarz zu leuchten.

Heli hatte das Gefühl, als würde er sich gar nicht von Dörthe und Fritz losreißen können. Wie er so dastand mit seinen kurzen Cargohosen, dem weißen Hemd, das einen Kontrast zu seiner braunen Haut bildete, und den wilden schwarzen Locken, musste sie sich gestehen, dass Carlos eine sehr männliche Ausstrahlung hatte. Und gut aussah.

„Na gut, dann erzähle ich noch kurz über mich“, begann Benno, als Carlos keine Anstalten machte, sich ihm zuzuwenden.

Ohne sein Kollarshirt sah Benno wie ein normaler junger Mann aus, dachte Heli. Irritiert schüttelte sie den Kopf. Waren Geistliche nicht auch Männer? Und wie jung er war, konnte sie nicht wissen.

„Ich heiße Benno, bin evangelischer Pfarrer und komme aus einer kleinen Gemeinde bei Berlin.“ Er stockte.

„Und jetzt willst du uns missionieren?“, fragte Hardy lachend. Dabei schlug er sich auf einen Oberschenkel.

„Oder vielleicht die Eingeborenen im Busch.“ Sieglinde Rübschläger fiel in das Lachen ein.

Voller Klischees, diese Gruppe, dachte Heli. Benno tat ihr jetzt leid.

Doch der lachte nur über die miesen Scherze. „Nein, eher das Gegenteil. Aber darüber möchte ich jetzt nicht sprechen.“

„Aha ...“ Sieglinde Rübschläger nickte und kniff dabei die Augen zusammen. „Auf Sinnsuche, was?“

„Das werden wir alles erfahren, falls Benno uns das noch erzählen möchte“, mischte sich Carlos eilig ein. Er schaute in die Runde. „Vielen Dank für eure Offenheit. Ich freue mich auf eine spannende Reise. Falls ihr Fragen habt, könnt ihr mich jederzeit ansprechen. Tag und Nacht.“

War es Zufall, dass er bei der letzten Bemerkung mit seinem Blick bei Heli hängenblieb? Seine Attraktivität sank direkt um ein paar Grad.

„Wir genießen jetzt unseren ersten Abend hier.“ Carlos winkte einem Kellner zu. „Lasst es euch schmecken und seid morgen früh um acht pünktlich beim Frühstück. Wir haben viel vor.“

An den Tischen lief die Unterhaltung nur schleppend. Allein Sieglinde Rübschläger konnte ihren Ton nicht senken und so erfuhren alle, dass Karl-Eduard sehr mäklig bei Tisch war.

Heli hörte nur mit einem Ohr hin. Die Müdigkeit war ihr mittlerweile in alle Knochen gekrochen. Auch Fritz und Dörthe, die mit Heli an einem Tisch saßen, lächelten nur ab und an, ein wirkliches Gespräch kam nicht zustande. Schließlich verabschiedete sich Heli und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer im zweiten Stock. Sie sprang noch kurz unter die Dusche und kuschelte sich anschließend genüsslich unter die Bettdecke. Die Klimaanlage würde sie heute wohl nicht stören, so müde war sie. Doch kaum hatte sie die Augen geschlossen, klingelte der Wecker ihres Handys. Erschrocken fuhr sie auf und tippte auf dem Gerät herum, bis es endlich still war. Dann seufzte sie. Das hieß jetzt wohl, dass sie seit 24 Stunden auf den Beinen war. Zufrieden legte sie sich wieder zurück. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. Gestern um die Zeit war sie noch bei ihren Eltern in Zinnowitz auf Usedom und nun lag sie in einem noblen Hotel in der Hauptstadt von Costa Rica. Schon irgendwie unglaublich. Mit dem Gefühl der Vorfreude auf die nächsten Tage schlief sie endlich ein.

Tag 1 – Vulkan Irazú

„Was ist das für ein Frühstück? Gibt’s keine Brötchen und Rührei?“ Sieglinde Rübschläger stand mit einem Trägershirt und einer hellen Stoffhose bekleidet am Buffet und konnte sich nicht entscheiden. „Was soll das denn sein? Pommes? Zum Frühstück?“

Auch Heli schaute skeptisch auf die fettigen Kartoffelecken. Die würde sie besser heute weglassen. Sie hatte zwar wie ein Stein geschlafen, aber der Flug saß ihr noch in den Knochen. Wie jedes Mal nach einer Flugreise hatte sie das Gefühl, wie auf Eiern zu laufen. Wenn sie Glück hatte, legte es sich bis abends. Manchmal hatte sie allerdings zwei Tage damit zu kämpfen.

Nachdem Sieglinde Rübschläger sich weiter über das Frühstücksbuffet ausgelassen hatte, um dann doch von den fettigen Pommes zu nehmen, legte sich Heli exotisches Obst und etwas süßes Brot auf den Teller. Das sollte genügen und sah lecker aus.

„Guten Morgen“, begrüßte sie Fritz und Dörthe, die es schon zeitig ins Restaurant getrieben haben musste, denn ihre Teller waren bereits leer.

„Guten Morgen, Heli! Wie hast du geschlafen?“, antwortete Dörthe. Sie lächelte, wobei sich zwei Grübchen auf ihrem runden Gesicht zeigten.

„Eigentlich ganz gut. Ist immer ungewohnt in der ersten Nacht, aber ich fühle mich fit für Abenteuer.“

„Da wird es aber einige ungewohnte Nächte für dich geben“, sagte Fritz grinsend. „Schau mal, Carlos hat uns vorhin noch einmal die Reiseroute auf die Tische gelegt. Damit wir immer wissen, wo die anderen sind, falls wir uns verlieren. Ich hoffe aber sehr, dass das nur ein Scherz von unserem Jungreiseführer war.“ Jetzt lachte Fritz.

Interessiert betrachtete Heli den Ausdruck, der auf ihrem Platz lag. Schien alles noch so geplant zu sein, wie sie es bei der Buchung gesehen hatte.

Plötzlich stand Johanna neben ihnen am Tisch. „Ist hier noch frei?“, fragte sie fast unhörbar.

Dörthe schob sofort den vierten Stuhl zurecht und nickte. „Ja klar, setz dich ruhig. Wir haben dich gestern Abend vermisst.“ Das freundliche Lächeln auf Dörthes Gesicht verströmte Geborgenheit.

Eine leichte Röte huschte über Johannas Gesicht. „Es tut mir leid. Gestern Abend ging es mir nicht so gut. Ich kann mit Veränderungen schlecht umgehen.“

Und warum unternimmst du dann so eine Reise? Heli hatte die Frage Gott sei Dank nur gedacht und nicht laut ausgesprochen. In den Gesichtern der anderen konnte sie aber ähnliche Gedanken entdecken.

„Ja, ich weiß, dann hätte ich nicht auf so eine Fahrt gehen sollen“, antwortete Johanna, als hätte sie die Frage doch gehört. „Aber ich habe meine Gründe.“ Damit machte sie deutlich klar, dass sie nicht weiter darüber reden wollte. Sie nahm einen großen Schluck Kaffee, bestrich sich das süße Brötchen dick mit einer noch süßeren Paste und biss herzhaft hinein.

Mit dem Magen hat sie es jedenfalls nicht, dachte Heli neidisch. Das Obst rumorte jetzt schon in ihrem Bauch. Um sich abzulenken, schaute sie sich um. Benno, der Pfarrer, saß mit Simone und Hardy am Tisch, der wild gestikulierend von irgendeinem Laufevent erzählte. Die arme Simone, wie hielt sie das mit diesem Mann nur aus? Heli schüttelte leicht den Kopf. Dabei spürte sie Bennos Blick auf sich ruhen. Schnell schaute sie weg.

Am Tisch auf der anderen Seite saßen nur noch Sieglinde Rübschläger und Karl-Eduard. Carlos hatte sich zwar eine Weile zu ihnen gesellt, war aber schon vor einiger Zeit verschwunden. Heli ahnte warum.

Gegen zehn trafen sich alle wieder in der Lobby. Carlos erzählte, dass sie zuerst zu einer Bank fahren würden, damit alle Geld tauschen konnten. Er versuchte zu beschreiben, wie das Betreten der Bank ablaufen sollte, vorstellen konnte es sich Heli nicht so richtig. Doch kurz darauf wusste sie, was ihr Reiseleiter gemeint hatte. Vor dem Gebäude stand eine lange Schlange Einheimischer. Jeder hatte einen Zettel in der Hand. Eintreten durften sie nur einzeln durch eine doppelt gesicherte Glastür. Direkt im Innern erkannte Heli einen bewaffneten Beamten. Nachdem die Ticos, also die Einheimischen, ihre Zettel abgegeben hatten, kamen sie mit einem dicken Bündel Geldscheine wieder heraus. Carlos hatte erzählt, dass sie so ihr Gehalt ausgezahlt bekamen.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrat Heli die Bank durch die Schleuse. Wenn sie Waffen sah, wurde ihr immer ganz anders. Aber hier sollte sie sich dadurch sicherer fühlen. Banküberfälle standen in Costa Rica sicher nicht so hoch im Kurs.

Kurz darauf saßen alle wieder im Bus und die Reise ging weiter in die Innenstadt von San José. Das Erlebnis beim Geldtausch schien Wirkung gezeigt zu haben, denn keiner sagte ein Wort.

Die Stadt wirkte freundlich und grün. Gerade fuhren sie an einem großen Park vorbei. Staunend betrachtete Heli die vielen sportbegeisterten Menschen. Sie sah Jogger, Fußball- und Tennisspieler, einige Basketballplätze, auf denen hart umkämpfte Spiele stattfanden und Menschen, die sich dem Kraftsport hingaben. Unglaublich! Wie ein Fitnessstudio im Freien.

Plötzlich ertönte Carlos‘ Stimme über ein Mikrofon. Erschrocken fuhren alle Köpfe herum. „Amigos, wir sind nun in der Innenstadt von San José, der größten Stadt Costa Ricas. Wir könnten jetzt viele, viele Museen mit alter und neuer Kunst besuchen. Machen wir aber nicht, denn wir wollen ja heute noch zum Irazú. Natürlich haben die Spanier der Stadt ihren Stempel aufgedrückt, deshalb werdet ihr viele Gebäude im Kolonialstil sehen. Gleich kommen wir zum Nationaltheater, da steigen wir mal aus. Und bevor ich es vergesse, nehmt nur das Nötigste mit und passt auf eure Rucksäcke auf. Besser auf den Bauch binden. Die Ticos sind liebe Leute, aber manche haben lange Finger. Das sagt man doch so, oder?“ Carlos lachte laut. Dabei dröhnte das Mikrofon, so dass sich alle die Ohren zuhalten mussten.

Der Bus hielt und die Reisenden kletterten nach draußen. Sie standen auf einem großen Platz mit Springbrunnen in der Mitte. Ein ehrwürdiges Gebäude erhob sich seitlich.

„La Plaza de la Cultura mit dem Nationaltheater“, begann Fritz ehrfürchtig. „Wusstest du, dass die Kaffeebarone damals extra eine Sondersteuer gezahlt haben, um das Haus hier zu finanzieren? Das alte Theater war einem Erdbeben zum Opfer gefallen.“ Mit leuchtenden Augen folgte er Stein für Stein der klassizistischen Fassade. Seine Frau Dörthe war neben ihm stehen geblieben und schien auf weitere Ausführungen zu warten.

„Ah, da ist jemand gut informiert“, sagte Carlos mit einem Grinsen. „Fritz, dann wirst du ja auch wissen, warum es unbedingt ein neues Theater geben musste.“

„Natürlich!“ Fritz wandte sich an Carlos. Und der klappte seinen Mund wieder zu, denn gerade hatte er weitersprechen wollen. „Im Jahr 1890 war die berühmte Opernsängerin Adelina Patti auf Tournee gewesen und konnte nicht in Costa Rica auftreten, weil es kein geeignetes Gebäude gab. Also musste ein neues her. Als Vorbild sollte die Pariser Oper dienen, deshalb wurden extra Architekten und Baumaterial aus Europa eingeflogen.“

Carlos gab einen undefinierbaren Laut von sich. „Si, so war es. Gehen wir rein.“ Er hob den Wackelfrosch hoch und lief voran.

„Dieses Viech will er doch jetzt nicht wirklich immer vor uns herzappeln lassen“, ereiferte sich Sieglinde Rübschläger und erntete damit zustimmendes Gemurmel. „Das müssen wir ihm unbedingt abgewöhnen. Dafür sind Versuchskaninchen ja schließlich da.“

Im Innern des Theaters war nicht mit Gold und Marmor gespart worden. Bevor sie den Saal betraten, hob Carlos wieder seinen Frosch und zeigte auf ein Gemälde an der Decke. Dabei fixierte er Fritz, als wolle er ihn warnen, dass dies sein Revier sei und er den Mund halten solle. „Ein schönes Gemälde, aber leider mit vielen Fehlern. Hat eben ein Europäer gemalt. Kaffee wächst nicht am Meer und die Kaffeepflückerinnen sind weder so schick angezogen, noch sehen sie bei der harten Arbeit glücklich aus. Trotzdem findet ihr das Bild auch auf der 5-Colones-Banknote.“

„Und die Bananen wachsen auch nicht nach unten“, konnte sich Fritz nun doch nicht verkneifen zu sagen.

Carlos holte tief Luft und nickte schließlich noch immer nach oben schauend. „Si, das ist sicherlich der größte Fehler hier. Aber sonst ...“ Er senkte den Kopf und breitete die Hände aus. „Sonst ist es der schönste Bau Costa Ricas. Übrigens wurde das Theater 1897 mit einer Aufführung von Goethes Faust eingeweiht. Das wird euch sicher gefallen.“

Wohlwollendes Nicken der Gruppe gab ihm recht.

Als sie später wieder auf dem Platz standen, zeigte Carlos die Straße entlang in Richtung Innenstadt. „Für einen kleinen Stadtbummel reicht unsere Zeit. Wenn ihr in diese Richtung geht, kommt ihr direkt zur Avenida Central und auch an einer Touristinfo vorbei. Dort könnt ihr Ansichtskarten kaufen, wer schon die ersten Grüße nach Hause schicken möchte.“

So verbrachten sie die nächste Stunde in der größten Mittagshitze im Getümmel der Stadt. Heli hatte ihren kleinen Rucksack, wie von Carlos empfohlen, nach vorn gebunden. Das Geld und die Papiere trug sie sowieso immer in einem Brustbeutel.

„Wollen wir ein Stück zusammen gehen?“, fragte sie Johanna, die unschlüssig stehen geblieben war.

„Sehr gerne! Ich denke aber, dass ich nicht so weit komme. Ich kann mich dann einfach irgendwohin setzen und auf euch warten.“

„Ach Quatsch, wir haben ja heute noch einiges vor uns, da möchte ich jetzt auch nicht durch die Stadt rasen. Lass uns ein bisschen schlendern und irgendwo was Kaltes trinken.“ Heli nickte aufmunternd und Erleichterung legte sich auf Johannas Gesicht.

Die Fußgängerzone machte ihrem Namen alle Ehre. Sie wurde von Händlern mit kleinen Ständen und Straßenkünstlern gesäumt. Schon bald entdeckten die beiden Frauen ein Café und setzten sich in den Schatten. Träge beobachteten sie das bunte Menschengewirr auf der Straße, bis plötzlich eine bekannte Stimme in Helis Bewusstsein drang.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein“, schrie Hardy mit rotem Kopf. „Warum hast du denn nicht aufgepasst?“

Simone stand unbeweglich vor ihm und hob die Schultern. „Carlos hat uns doch gewarnt. Wir sollten den Rucksack immer im Auge haben. Ich konnte doch nicht ahnen, dass uns das hier passiert.“

Sie entdeckten Heli und Johanna und setzten sich zu ihnen an den Tisch.

„Was ist denn passiert?“, fragte Johanna.

„Simone hat nicht aufgepasst. Das ist passiert.“ Hardy schnaufte und versuchte dann, ein Getränk auf der Karte zu finden.

„Das ist nicht wahr“, antwortete Simone. „Als wir an einer Ampel standen, hat ein junger Mann Hardy auf Spanisch angesprochen. Natürlich haben wir nichts verstanden und ihm das klargemacht. Als wir dann weitergegangen waren, ist mir aufgefallen, dass die Außentasche des Rucksackes offen stand.“

„Die haben uns auf offener Straße beklaut“, knurrte Hardy. Er schien noch immer nichts Passendes gefunden zu haben.

„Ach du Schreck, was haben sie denn geklaut?“, fragte Heli. Aus Reflex befühlte sie den Brustbeutel unter ihrem T-Shirt.

„Einen Kugelschreiber“, antwortete Simone und musste sich das Grinsen verkneifen.

„Na und, es hätte auch gut unser Geld sein können“, gab Hardy weiterhin maulend von sich.

„Das du in einem Gürtel um deine Hose geschlungen trägst.“ Das Lächeln auf Simones Gesicht war verschwunden. Sie schüttelte leicht den Kopf und tat, als würde sie die vorbeiziehenden Leute beobachten.

Hier hängt der Haussegen aber mächtig schief, dachte Heli. „Wir sollten langsam wieder aufbrechen“, sagte sie schnell, um der unangenehmen Situation zu entkommen.

Den beiden anderen Frauen schien der Vorschlag willkommen zu sein, denn sie sprangen beide direkt auf. Gemeinsam liefen sie zum Bus, Hardy folgte ihnen.

„Mit Mann ist es nicht einfach, aber ohne ist es auch nicht immer schön“, sagte Johanna leise. Sie ging in der Mitte der drei Frauen.

„Wenn es der Richtige ist, macht das Leben sicher mehr Spaß“, konterte Simone direkt.

Dann sagten beide nichts mehr. Und Heli dachte sich ihren Teil, schließlich war genau das ihr Thema. Im Moment hatte sie aber keine Lust, darüber nachzudenken. Sie wollte sich den vielen Gedanken nicht stellen, sondern sie einfach beiseiteschieben. Vielleicht hoffte sie sogar, dass sich dann alles in Luft auflösen würde. Aber natürlich wusste sie, dass sie bis zum Ende der Reise eine Lösung gefunden haben musste. Nur eben nicht jetzt.

Sie fuhren mit dem Bus noch einmal quer durch die Stadt. Allmählich wurde die Bebauung spärlicher und die Vegetation nahm zu. Hügelige Wälder wechselten sich mit Feldern ab und überall gab es Blüten in allen Farben. Heli konnte sich nicht sattsehen. Auch Benno schien es so zu gehen. Er wandte ständig den Kopf von rechts nach links und versuchte, alles mit seinem Fotoapparat festzuhalten.

„Ah, ich habe etwas vergessen“, quakte plötzlich Carlos durch das Mikrofon. Erschrocken fuhren einige auf, die sicher eingeschlummert waren. Johanna in der ersten Reihe bemühte sich, einen Hustenanfall loszuwerden.

Entschuldigend nickte Carlos Johanna zu. „Also, wir fahren ja jetzt zum Vulkan Irazú. Und der Aussichtspunkt, zu dem ich euch bringen wollte, liegt ganz schön hoch. Ich meine, wir sind dann dort bei über 3.400 Meter. Hat denn jemand von euch mit der Höhe Probleme?“ Er schaute mit großen Augen in die Runde.

„Die Info kommt ein bisschen spät, findest du nicht?“, fragte Fritz als Erster.

„Über 3.000 Meter? Das überlebe ich nicht“, schrie Sieglinde Rübschläger sofort los. „Da platzt mir der Kopf oder das Herz bleibt stehen.“

„Du bekommst vielleicht Kopfschmerzen, aber sonst sollte nichts passieren“, antwortete ihr Sohn beruhigend.

---ENDE DER LESEPROBE---