Tanz auf den Wellen - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
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Tanz auf den Wellen E-Book

Frida Luise Sommerkorn

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Beschreibung

Fünf Jahre ist es her, dass Sontje ihre Heimat Prerow auf dem Darß fluchtartig verlassen hat. Jetzt zieht sie wieder in das kleine Fischerhaus ihrer Großeltern, die sie liebevoll umsorgen und keine Fragen stellen. Doch sie weiß, dass sie irgendwann ihr Schneckenhaus verlassen und sich der Vergangenheit widmen muss. Denn seit einem Unfall mit einer Pferdekutsche sitzt ihre Mutter reglos im Rollstuhl. Und dann ist da noch Sontjes große Liebe Florian, den sie damals ohne ein Wort der Erklärung zurückgelassen hat und der ihr nun aus dem Weg geht. Als die Adventszeit naht, scheint sich endlich alles zum Besseren zu wenden. Doch eines Tages steht ausgerechnet der Mann vor der Tür, der Sontjes Leben im letzten Jahr zur Hölle gemacht hat. Und nur er kennt ihr Geheimnis. **************************************** Bisherige Veröffentlichungen: Nordseeglück - Reihe: Insel wider Willen: Teil 1 Träume sind wie Wellen: Teil 2 Liebe dank Turbulenzen: Teil 3 Ostseeliebe-Reihe: Kaffeeduft und Meeresluft: Teil 1 Sanddornpunsch und Herzenswunsch: Teil 2 Himbeerschaum und Dünentraum: Teil 3 Sehnsuchts-Trilogie: Immer wieder im Juni: Teil 1 Manchmal ist das Glück ganz nah: Teil 2 Endlich schwingt die Liebe mit: Teil 3 Fernwehromane: Zum Glück Ostseestrand: Ferien Küste Kuckucksmänner Zum Glück Neuseeland: Kiwi gesucht Zum Glück Costa Rica: Herzchaos im Gepäck Winterwunderreihe: Ein Rauhnachtswunder Ein Adventswunder

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Frida Luise Sommerkorn

Tanz auf den Wellen

Ostseetraum 1

Gerne informiere ich euch per Mail über meine Neuerscheinungen. Ihr könnt ganz einfach meinen Newsletter bestellen unter: https://www.autorin-jana-thiem.de/newsletter.  Als kleines Dankeschön erwartet euch eine herzerwärmende Kurzgeschichte. Instagram:www.instagram.com/frida_luise_sommerkorn

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Danksagung

Meine Veröffentlichungen

Impressum

Kapitel 1

Allmählich begann sich alles zu verändern. Noch konnte Sontje es nicht an Einzelheiten festmachen. Wenn, dann vielleicht am Geruch. Der Duft des Meeres schien sich in die Luft gemischt zu haben, fuhr ihr mit jedem Atemzug durch die Nase und füllte ihre Lungen. Oder bildete sie sich das nur ein?

Als sie die A 19 bei Rostock verließ, war sie sich sicher, dass ihr der Geruchssinn keinen Streich spielte. Fast schon meinte sie, das Salz auf ihrer Gesichtshaut zu spüren. Eine innere Unruhe ergriff sie.

In Berlin hatte sie das Flugzeug noch voller Zuversicht verlassen, war in ihren Mietwagen gestiegen und ohne weiter darüber nachzudenken losgefahren. Doch je näher sie dem Darß kam, umso unsicherer wurde sie.

Rövershagen. Erinnerungen an eine unbeschwerte Jugendzeit, als sie mit Lina den Erdbeerhof besucht hatte. Mit Lina und den Jungs. Sontje schluckte. Sie durfte jetzt nicht daran denken, sonst würde sie doch wieder umkehren. Sie versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie sah. Sie bog von der B 105 in Richtung Dierhagen ab und schon bald tauchte auf der rechten Seite der Bodden auf. Mit jedem Meter sank ihr Mut, das Richtige zu tun. Die Gedanken überschlugen sich. Natürlich war es richtig, wieder in die Heimat zu reisen. Schon viel zu lange hatte sie sich nicht mehr bei ihren Großeltern gemeldet. Und sie wusste, welchen Kummer sie ihnen damit bereitet hatte. Doch alles in ihr sträubte sich, wenn sie daran dachte, was mit ihrer Mutter passiert war.

Ein Auto raste an ihr vorbei, ein zweites hupte wie wild hinter ihr. Sontje blinzelte. Die Anzeige auf dem Tacho verriet ihr, dass sie im Schneckentempo fuhr. Seufzend gab sie Gas, konnte aber kaum beschleunigen. Was konnte sie denn dafür, dass sich der eine Teil in ihrem Körper weigerte, ihrem Ziel auch nur noch einen Meter näher zu kommen, während der andere vor Aufregung zitterte. Sollten sie doch an ihr vorbei fahren. Sie würde das Hupkonzert schon aushalten.

Dierhagen. Das Meer zeigte sich. Hier begann die engste Stelle zwischen Bodden und der See. Nur ein schmaler Landstrich zog sich entlang der Küste. Als Kind hatte sie oft gebangt, dass sie nie wieder die Halbinsel verlassen könnte, weil sich das Meer auch dieses Stück Land geholt hatte. Ein leichtes Schmunzeln huschte über Sontjes Gesicht. Sie atmete tief ein und aus. Die Gedanken an ihre unbeschwerte Kindheit und Jugendzeit lösten ein schmales Band von ihrem Herzen. Auch wenn da noch genügend andere waren, so konnte sie doch wieder ein wenig optimistischer auf ihre Ankunft blicken.

Sie durchquerte Wustrow und gleich darauf Ahrenshoop. Wieder spürte sie die Enge in ihrem Brustkorb. Wie oft hatte sich Stine bei ihr gemeldet und gefragt, warum sie so plötzlich verschwunden war. Anfangs noch mit Sorge, dann ärgerlich und der letzte Gruß war voller Traurigkeit. Sontje schluckte. Was auch immer die Zukunft bringen würde, Stine musste sie besuchen und versuchen, ihr alles zu erklären.

Der Darßer Wald kam in Sicht. Hätten sie jetzt Hochsommer, wäre sie stehen geblieben, um den Duft der Kiefernnadeln auf trockenem Sandboden einzuatmen. Sie hätte die Sonne auf ihrer Haut gespürt und den Wind mit ihren Haaren tanzen lassen. Aber der Sommer war lange vorbei. Kalter Herbstwind tobte vor ihrer Scheibe. Die Bäume bogen sich im Wind. Auch das gehörte hierher.

Sontje spürte Übelkeit aufsteigen. Jetzt nur nicht schlappmachen. Sie wusste, dass sie nur noch einen Bogen über Born und Wieck fahren musste, dann war Prerow nicht mehr weit. Sie hatte sich vorgenommen, erst einmal anzukommen. Vielleicht suchte sie sich doch eine Ferienwohnung und machte den nächsten Schritt, wenn sie so weit war.

Und dann war sie plötzlich da. Statt eines Ortseingangsschildes entdeckte sie den Ortsnamen zu ihrer Linken auf einem kleinen Wall. Kürbisse schmückten den Hügel. Ohne weiter nachzudenken, bog Sontje links ab. Ihr Herz raste. War sie wirklich schon fünf Jahre nicht mehr hier gewesen? Nur fünf Jahre? Es hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt. Ihre Finger krampften sich um das Lenkrad, bis die Knöchel weiß hervortraten. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Automatisch bog sie in die Hafenstraße ab. Dabei stierte sie nach draußen, als hätte sie Angst, jemanden zu überfahren. Nur wenige Menschen huschten, in dicke Jacken gehüllt, mit Mützen auf dem Kopf und unter Kapuzen versteckt, am Straßenrand entlang. Kannte sie den Mann nicht? War das nicht eine ihrer Klassenkameradinnen gewesen? Sontje stöhnte laut auf. Was machte sie denn da? Egal, wer diese Menschen waren, sie hatte jetzt ganz andere Probleme.

Schon von weitem sah sie die wilde Hecke, die dem Garten im Sommer dicht und grün Schutz vor neugierigen Blicken bot. Jetzt ragten blätterlose Zweige in den Himmel und ließen sie trostlos aussehen. Langsam fuhr Sontje an der Einfahrt vorbei und versuchte, einen Blick auf das Haus zu erhaschen. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Dämmerung schon längst eingesetzt hatte. Die Küchenfenster waren hell erleuchtet und sie erinnerte sich noch genau an die behagliche Gemütlichkeit, die sie dort immer umfangen hatte. Sie konnte förmlich den Duft von schwarzem Tee und frisch gebackenem Apfelkuchen riechen. War da nicht eine Gestalt am Fenster? Oma Ella oder Opa Fiete? Sie hatte es nicht erkennen können.

An der nächsten Weggabelung wendete sie, fuhr wieder ein Stück in die Hafenstraße hinein und hielt am Rand. Ihr Atem ging schwer. Sie versuchte, die Tränen wegzuschlucken, aber es wollte nicht gelingen. Als müsste die ganze Trauer der letzten Jahre aus ihr brechen, schüttelte es sie. Sie legte den Kopf auf das Lenkrad und ließ es geschehen. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Was sollte sie denn jetzt tun? Sie konnte doch nicht einfach klingeln und sagen: Hier bin ich. Oder doch? Wäre ihre Familie sauer oder würden sie sich freuen? Und wie um alles in der Welt sollte sie ihrer Mutter begegnen? Falls das überhaupt noch möglich war.

Als sie wieder aufblickte, war es dunkel um sie herum. Nur die Straßenlaternen spendeten ein karges Licht. Regen hatte eingesetzt, der böig über die Straße fegte. Novemberwetter. Wie immer tauchte eine von Opa Fietes Weisheiten auf: Regen ist erst, wenn die Heringe auf Augenhöhe vorbei schwimmen. Wieder entfuhr ihr ein tiefer Schluchzer.

Kaum hatte sie an ihn gedacht, entdeckte sie Opa Fiete in der Hofeinfahrt. Wie jeden Abend machte er seine Runde durch den Garten und kontrollierte, ob das Tor geschlossen war. Sontje sah, wie er stehenblieb und in ihre Richtung schaute. Er hatte eine Hand über seine Augen gelegt, als würde ihn die Sonne blenden. Sontjes Herzschlag setzte aus. Hatte er sie erkannt? Sollte sie jetzt einfach aussteigen und zu ihm gehen? Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, doch dann siegte die Sehnsucht, sich in seine Arme zu werfen, wie zu der Zeit, als sie noch ein kleines Kind war. Schnell öffnete sie die Tür. Der Wind zerrte an ihr, gleich darauf spürte sie die Nässe auf ihrer Haut. Ohne weiter darüber nachzudenken, stürmte sie auf das Gartentor zu. Erst kurz bevor sie ankam, erkannte Opa Fiete sie. Ungläubig öffnete er das Tor und schon lag sie in seinen Armen.

„Na, mein Kind, was machst du denn bei dem Wetter hier draußen?“, murmelte er, als wäre es das Normalste von der Welt, Sontje zu sehen. „Nun komm erstmal rein, du wirst ja ganz nass.“

Doch Sontje ließ ihn nicht los. Sie schluchzte an seine Brust gelehnt, bis er sie sanft, aber bestimmt von sich schob. „Ist ja gut, mein Mädchen.“ Unbeholfen tätschelte er ihre Wange. „Deine Oma wird Augen machen.“ Opa Fiete schüttelte ungläubig den Kopf. Dann nahm er Sontjes Hand und zog sie zum Haus. Jetzt hatte er keinen Blick mehr für das offen stehende Gartentor.

Täuschte sich Sontje oder hinkte ihr Opa? Auch wenn sie in seinem Gesicht kaum Spuren der Alterung erkennen konnte, schien doch irgendwas mit seinem Bein zu sein. Oh Gott, was hätte sie nur gemacht, wenn sie ihn nie wieder hätte sehen können! Wenn er ... Nein, daran wollte sie nicht denken.

Ohne anzuhalten, betraten sie den kleinen Flur und Opa Fiete schob Sontje durch die geöffnete Küchentür. Oma Ella stand am Herd und füllte heißes Wasser in die Teekanne. „Wird aber Zeit, mein Lieber, du bist doch sicher schon ganz nass“, sagte sie mit ihrer warmen lächelnden Stimme, die Sontje so vermisst hatte. Erst jetzt schaute sie auf. Der Schreck schien ihr in alle Glieder zu fahren. Mit dem Teekessel in der Hand eilte sie auf Sontje zu. Opa Fiete konnte ihr den heißen Kessel gerade noch abnehmen.

„Kind! Sontje!“, schluchzte Oma Ella auf. „Wo warst du denn?“ Sie schlang ihre Arme um Sontjes Hals und Sontje fiel auf, wie klein ihre Oma war. Schon wieder konnte sie die Tränen nicht aufhalten, wollte sie auch gar nicht. Es war einfach zu schön, die Liebe ihrer Großeltern zu spüren. Sie hatte doch so viel Unglück über die Familie gebracht. Warum waren sie denn nicht böse auf sie? Wie konnten sie sie noch so gern haben?

Kapitel 2

„Ich hab gewonnen! Ich hab gewonnen!“ Jubelnd hüpfte Lina durch die Kutscherstube, die gegenüber vom Pferdestall lag. Dabei streckte sie immer wieder beide Arme in die Höhe und strahlte über das ganze Gesicht.

„Du hast bestimmt geschummelt“, beschwerte sich Florian mit gespielter Empörung.

Lina hielt inne und schaute ihn verwundert an. „Ich schummel nie, das weißt du doch!“

Jetzt schnappte Florian nach Lina und kitzelte sie an den Seiten. „Dann hab ich wohl schon wieder verloren. Du bist einfach die Mau-Mau-Königin.“

Kreischend wand sich Lina aus seiner Umklammerung. „Nicht kitzeln!“ Sie rannte um den Tisch herum und setzte sich auf ihren Platz. „Noch eine Runde“, rief sie ihm zu.

Florian schaute auf die Uhr. „Für heute müssen wir Schluss machen. Deine Eltern warten auf dich.“

„Och, schon? Es ist doch noch so viel Zeit. Ich muss erst zum Abendbrot zuhause sein.“ Lina hatte ihren Kopf in die Hände gestützt und verzog den Mund.

„Ja, und das gibt’s in einer knappen halben Stunde. Also haben wir noch Zeit, hier aufzuräumen und den Pferden Tschüss zu sagen. Und du weißt doch noch, was deine Mama gesagt hat? Heute macht sie dein ...“

„Mein Lieblingsabendbrot“, fiel Lina ihm ins Wort. „Arme Ritter mit viel Ei und Apfelmus.“ Eilig sammelte sie die Karten ein und versuchte, sie in die Hülle zu stecken.

„Klappt es?“, fragte Florian.

„Klar, das ist nicht schwer!“ Lina sortierte sorgfältig nach und nach die Karten ein. Dabei lugte eine Zungenspitze aus ihrem Mundwinkel.

Florian schaute ihr lächelnd zu. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er Lina als kleines Mädchen im Pferdestall entdeckt hatte. Sie war von zuhause weggelaufen, um sich die großen Tiere anzuschauen. Doch dann hatte sie sich vor ihnen gefürchtet, sich in der letzten Box, die zu der Zeit leer stand, versteckt und war eingeschlafen. Als sie sie gefunden hatten, wussten sie noch nichts von Linas Behinderung. Sie war damals vier Jahre alt und hatte sofort angefangen zu weinen. Allerdings hatte sie auch nicht getröstet werden wollen. Gott sei Dank waren gerade ein paar Reitmädchen in der Nähe, die Lina kannten und ihre Mutter geholt hatten. Erst da hatten sie erfahren, dass Lina mit Down-Syndrom zur Welt gekommen war.

Am nächsten Tag waren Lina und ihre Mutter wieder da und hatten einen selbstgebackenen Kuchen gebracht. Von da an waren die beiden einmal in der Woche vorbeigekommen und allmählich hatten sie sich angefreundet.

Jetzt war sie schon zehn und kam ganz allein. Florian freute sich immer sehr über die gemeinsame Zeit. Da es mit dem Lehrerberuf nichts geworden war, konnte er wenigstens für Lina da sein. Besonders seit ... Er bremste seine Gedanken aus. Nein, er wollte nicht schon wieder an damals denken. Langsam gewöhnte er sich daran, dass sein Leben anders verlief, als er es sich gewünscht hatte.

„Bin fertig“, rief Lina und hielt ihm das Kartenset hin.

„Super gemacht! Und jetzt fliegen wir los.“ Sie zogen ihre Jacken über und dann breitete Florian seine Arme aus. Er sauste über den Hof in den Pferdestall, an den Boxen vorbei und winkte jedem Pferd zu. Lina immer hinterher. Schnaufend kamen sie vor dem Stall zum Stehen.

„Und jetzt die Schubkarre“, forderte Lina.

„Ach Lina, nicht jedes Mal“, antwortete Florian. Wobei er kaum Hoffnung hatte, sie zu überzeugen. Wenn sich Lina etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann wollte sie das auch machen. Das hatte er sich selbst zuzuschreiben, schließlich war es irgendwann mal seine Idee gewesen, das Mädchen mit der Schubkarre nach Hause zu fahren.

„Doch, immer, das macht so viel Spaß!“ Schon lief Lina schnurstracks auf die Schubkarre zu.

Florian beeilte sich und half ihr hinein. Dann machten sie sich auf den Weg. Lina strahlte alle Passanten, die sie trafen, an und winkte ihnen zu.

Wenigstens meinte es das Wetter gut mit ihnen. Zwar zogen graue Wolken am Himmel dahin, aber es regnete nicht.

„Mama, wir kommen“, rief sie schon von Weitem, als sie ihre Mutter im Garten ihres Häuschens entdeckte.

„Na, das passt ja, mein Schatz“, sagte Nicole. Sie hatten das Gartentor erreicht und Florian hob Lina aus der Schubkarre. „Ich bin gerade erst heimgekommen. Ob der Papa wohl schon das Abendbrot vorbereitet hat?“

„Ich klingel schon mal“, erklärte Lina, winkte Florian zu und rannte zur Haustür.

„Wie war’s heute?“, fragte Nicole.

„Was soll ich sagen. Sie hat schon wieder beim Kartenspiel gewonnen“, antwortete Florian lachend. „Auch sonst war heute ein richtig guter Tag.“

Dankbar lächelte Nicole. „Möchtest du noch mit reinkommen?“

„Heute nicht, ich muss noch zu meinem Bruder in die Werkstatt.“ Florian gab Nicole die Hand und nahm die Schubkarre wieder auf. „Außerdem muss ich Linas Fahrzeug wieder zurückbringen. Sonst bekomme ich Ärger mit Fiete.“ Er grinste.

„Mit Fiete? Mit dem kann man keinen Ärger bekommen“, lachte Nicole, hob die Hand zum Gruß und lief zum Haus.

Nachdem Florian die Schubkarre wieder verstaut und noch einmal nach den Pferden geschaut hatte, schnappte er sich sein Fahrrad und fuhr Richtung Ortsmitte. Der Wind zerrte an seiner Kleidung. Heute würde es sicher noch Regen geben, dachte er. Als er in die Hafenstraße einbog, trat er automatisch fester in die Pedale. Es hatte Tage gegeben, da hätte er hier nicht langfahren können. Doch manchmal zwang er sich dazu, schließlich musste irgendwann Schluss sein damit. Er brauchte wieder sein eigenes Leben.

Trotz aller Vorsätze schielte er beim Vorbeifahren zum Haus der Deters. Natürlich war niemand zu sehen. Wer trieb sich bei dem Wetter auch draußen rum? Florian wusste, dass Fiete sich auf ihn verließ. Fiete war nicht mehr der Jüngste und hatte irgendwann erklärt, dass er abends zuhause sein wollte. Da Florian sowieso fast jeden Nachmittag im Stall war und bei Bedarf auch Reitstunden gab, kümmerte er sich danach um die Tiere. Allerdings wusste er nicht, was werden sollte, wenn Fiete gar nicht mehr konnte. Wer sollte dann die Kutschfahrten übernehmen?

Florian schnaufte. Schon wieder waren seine Gedanken zu weit gekreist. Er bog in die Bergstraße ein und kämpfte sich bei Gegenwind bis zur Grünen Straße. Als er vom Rad sprang, spürte er seine Hände kaum noch. Eilig lief er um das Haus herum in den Hinterhof und schlüpfte durch die Werkstatttür.

„Du kommst spät“, rief sein Zwillingsbruder David von hinten. „Die Lieferung der neuen Räder ist da. Wir haben viel zu schrauben.“ Er stand auf und stellte sich neben Florian. „Du siehst aus, als könntest du erstmal was Warmes gebrauchen.“ David holte eine Thermoskanne aus seinem Rucksack und goss zwei Becher voll mit dampfendem Tee. Dann öffnete er die Schranktür des Schreibtisches und holte eine Flasche Rum hervor. „Mit Schuss?“, fragte er.

„Von mir aus“, murmelte Florian. Er schaute sich in der Werkstatt um. „Die müssen wir doch nicht gleich zusammenbauen“, sagte er und nahm den Becher entgegen.

Einträchtig standen die Brüder nebeneinander. „Ich weiß, aber die sehen einfach spitze aus. Wann gab es das in den letzten Jahren, dass wir mal genug Kohle für Neuanschaffungen hatten? Da kribbelt es in meinen Fingern.“ David nahm einen Schluck und stellte den Becher auf dem Schreibtisch ab. „Schau mal, das wird doch die Herzen der Mädels höher schlagen lassen. Hollandräder in Himmelblau.“ Er grinste.

Florian seufzte. Eigentlich hätte er sich jetzt viel lieber in seine Wohnung verzogen und sich in ein Buch vertieft. Aber er wollte seinem Bruder den Wunsch nicht abschlagen. „Na dann, lass uns mal anfangen. Aber nicht wieder bis Mitternacht.“

Kapitel 3

Die ersten Töne des Morgens drangen langsam in ihr Bewusstsein. Sie hörte den tosenden Wind und immer wieder das Prasseln des Regens an ihre Fensterscheiben. Wann hatten sie denn mal so mieses Wetter in ... Sontje schlug die Augen auf. Wie in einem Film rasten die Bilder der letzten Tage durch ihr Gehirn. Die überstürzte Abreise, das bange Warten am Flughafen, dann endlich der ersehnte Flug nach Berlin und die Ankunft in Prerow. Oma Ella und Opa Fiete. Zuhause.

Sontje schob ihr Kissen hinter dem Rücken höher und setzte sich auf. Noch einmal schloss sie die Augen und versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Alles war gut! Hier konnte ihr nichts passieren.

Jetzt ließ sie ihren Blick durch das Zimmer streifen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es sah noch genauso aus, wie sie es verlassen hatte. Als wäre sie nie weg gewesen, lagen ein Zeichenblock und Stifte auf ihrem Schreibtisch, die Haarbürste mit den bunten Gummis, die sie immer um den Stiel gewickelt hatte, klemmte neben einem kleinen Wandspiegel, selbst die oberste Schublade ihrer Kommode stand wie immer ein kleines Stückchen offen, da sich irgendwas verklemmt hatte. Nur die getragenen Klamotten, die sie sonst haufenweise auf dem Stuhl hortete, waren verschwunden. Sicher hatte Oma Ella sie gewaschen und in den Schrank sortiert.

Sontje schaute aus dem Fenster. Es war klar, dass hier im November Sturm und Regen die Oberhand hatten. Sie fühlte ein Kribbeln aufsteigen. Wie lange war sie schon nicht mehr am Meer gewesen? Und schlechtes Wetter hatte es für sie nie gegeben. Auf sie hatte schon immer die raue See den gleichen Reiz ausgeübt wie die sanften Wellen, die bei schönstem Sonnenschein ans Ufer rollten. Hauptsache, sie konnte draußen sein und in die Ferne blicken.

Schwungvoll schlug sie die Decke zurück und schlüpfte eilig in ihren Bademantel. Sie hatte vergessen, dass es bei kalten Temperaturen morgens immer noch frisch in ihrem Zimmer war. Sontje öffnete ihre Reisetasche und suchte nach passenden Sachen. Hm, mit Designerkleidung brauchte sie wohl nicht nach unten zu kommen. Oma Ella würde ihr was erzählen, wenn sie zu dünn angezogen wäre. Also schob sie die Tasche wieder beiseite und zog die Tür ihres Kleiderschrankes auf. Der Duft ihres früheren Lebens schlug ihr entgegen. Irgendwie erdig und salzig. Schnell überflog sie die Auswahl und entschied sich für eine blaue

Jeans und einen cremefarbenen Wollpulli, der am Hosenbund endete. Dann bürstete sie ihre Haare und band sie am Hinterkopf zu einem Knoten zusammen. Sie betrachtete sich im Spiegel und wollte schon nach ihrem Schminktäschchen greifen, entschied sich dann aber dagegen. Auch wenn sie sich fast ein bisschen nackt im Gesicht fühlte, hier würde der Naturlook reichen.

Gerade wollte sie das Zimmer verlassen, als ihr Blick auf den Zeichenblock fiel, der auf dem Schreibtisch lag. Vorsichtig schob sie das Deckblatt beiseite. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Als wäre es gestern gewesen, konnte sie sich noch erinnern, wo sie gesessen hatte, als die Entwürfe entstanden waren – bei einem Picknick am Weststrand. Sie waren mit den Rädern zum Darßer Ort gefahren und dann ein Stück am Strand entlanggegangen, um ungestörter sein zu können. Die Sonne hatte zwar am blauen Himmel gestanden, aber ein heftiger Wind war über den Sand gefegt, so dass sie sich schützend hinter einem umgestürzten Baum hatten verstecken müssen. Und dann waren da plötzlich die Ideen entstanden. Kinderkleider, Jacken, Röcke, Hosen, farbenfroh und fürs Toben geeignet. Sontje seufzte und schlug das Deckblatt des Zeichenblocks wieder zurück. Die Erinnerung passte gerade gar nicht in ihr Leben. Kurz schloss sie die Augen und verdrängte die Gedanken, die sich unweigerlich in den Vordergrund schoben.

Leise klopfte es an die Tür. „Sontje, bist zu wach?“, rief Opa Fiete. „Oma fragt, ob wir gemeinsam frühstücken wollen.“

„Ich komme“, antwortete Sontje. „Natürlich will ich mit euch frühstücken!“ Eine Welle der Geborgenheit hüllte sie ein. Gott sei Dank ging es ihren Großeltern noch gut, auch wenn sie älter wirkten als damals. Was hätte sie nur gemacht, wenn es sie nicht mehr gegeben hätte? Wieder ein Gedanke, den sie nicht zu Ende denken wollte.

Sie hatten am gestrigen Abend noch lange in der Küche beisammengesessen. Sontje hatte viele Fragen zum Leben ihrer Großeltern in den letzten Jahren gestellt und den ausgeschmückten Geschichten ihres Großvaters gelauscht. Das hatte er schon immer gut gekonnt. Allerdings hatte auch Oma Ella einiges wissen wollen. Doch noch war Sontje nicht bereit dafür. Sie wusste ja selbst noch nicht, wie es weitergehen konnte. Nur eines war gewiss, in ihr bisheriges Leben wollte sie nie mehr zurück. Alles andere würde sich finden müssen. Und natürlich war es ihr auch nicht entgangen, dass sie ein Thema nicht angesprochen hatten. Weder ihre Großeltern noch Sontje selbst. Aber heute würde sie sich nach ihrer Mutter erkundigen müssen. Auch wenn sich alles in ihr sträubte. Nicht, dass sie nicht wissen wollte, wie es ihrer Mutter ergangen war. Aber würde sie es ertragen können? Zwischen den Zeilen hatte sie immerhin heraushören können, dass sie noch lebte. Und das gab ihr Zuversicht.

Sie öffnete die Zimmertür und lief die schmale Holztreppe nach unten. Schmunzelnd stellte sie fest, dass sie noch immer genau wusste, welche Treppenstufe knarrte. Vor Jahren war sie immer wieder hoch und runter gelaufen, um genau herauszubekommen, welchen Tritt sie nachts meiden musste. Die Jungs hatten am Fuße der Treppe gesessen und alles ganz genau aufgeschrieben. Am Ende hatte es sich gelohnt, denn so konnte sie ein paar Mal ungehindert auch abends noch verschwinden, ohne erwischt zu werden.

Schon im Hausflur zog ihr ein vertrauter Duft entgegen. Sontje riss die Küchentür auf. „Hier riecht es himmlisch! Sag nicht, dass es ...“ Sie hatte Oma Ella erreicht und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Wenn mein Mädchen zuhause ist, gibt es natürlich Leuchtturm auf Toast!“, antwortete Oma Ella strahlend.

„Oma, du bist die Beste! Ich weiß schon, das hätte ich mir in den letzten Jahren auch selbst machen können. Aber bei dir schmeckt es nun mal am leckersten!“

Sontje beobachtete, wie Oma Ella etwas Butter und Knoblauch in eine Pfanne gab. Dann stach sie runde Toastbrotscheiben aus und wendete sie in der Knoblauchbutter, bis sie von beiden Seiten goldbraun waren. Darauf setzte sie einen kleinen Spieß, der abwechselnd mit Tomaten und Mozzarella bestückt war. Am Ende würzte sie das Ganze mit Salz und Pfeffer und stellte die Leuchttürme auf den Tisch.

„Auf Basilikum müssen wir heute verzichten“, sagte Oma Ella, als sie sich setzte. „Den gibt’s nur im Sommer.“ Sie legte ihre Hand auf Sontjes Arm und tätschelte ihn leicht. „Dann lass es dir mal schmecken.“

Das ließ sich Sontje nicht zweimal sagen. Schon als Kind hatte sie dieses Frühstück geliebt. Anfangs sicher, weil Leuchttürme zu ihrem Leben gehörten. Später wusste sie, dass sie eher für herzhafte als für süße Speisen zu haben war. Obwohl sie um Oma Ellas Kuchen nicht herumkam.

„Was hast du heute vor?“, holte Opa Fiete sie aus ihren Gedanken. „Willst du mal mit zum Gestüt kommen? Mal schauen, ob dich Umbra noch erkennt.“

Sontje zuckte zusammen. Sie sah Oma Ellas tadelnden Blick und Opa Fietes fragendes Gesicht.

„Ich weiß noch nicht“, antwortete sie leise. „Vielleicht packe ich erstmal meine Sachen aus und bleibe ein bisschen bei Oma Ella.“

„Das mach mal“, sagte Oma Ella. Sie nahm schlürfend einen Schluck Kaffee. Dann setzte sie die Tasse ab und schaute Sontje an. „Trotzdem ... vielleicht möchtest du wissen, wie es deiner Mutter geht?“

Sontjes Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie versuchte, den Bissen im Mund herunterzuwürgen. Sie wusste, dass sie jetzt der Wahrheit ins Auge schauen musste. Und sie rechnete mit dem Schlimmsten, denn ihre Mutter lebte gerade eindeutig nicht in diesem Haus. War alles noch viel schlimmer geworden und sie hatte in ein Heim gemusst? Hatte sie sich etwas angetan und lag nun im Koma? Sontje schüttelte leicht den Kopf. Sie musste diese schweren Gedanken loswerden. Immer wenn sie an ihre Mutter dachte, fielen ihr nur diese Horrorszenarien ein. Sie hatte Angst davor, dass sie sich nun bestätigten. Langsam hob sie den Kopf und schaute ihre Großmutter an. „Wie geht es Mama?“, fragte sie flüsternd.

Kapitel 4

5 Jahre zuvor

Ein Schatten verdunkelte die Sonne, dann fielen kalte Tropfen auf ihren Bauch. Sontje schrie auf. „Was soll das?“

Lachend ließ sich David neben ihr in den Sand fallen. Noch immer schüttelte er seine halblangen nassen Haare. „Hey, Sonnenschein, ich dachte, du könntest eine Abkühlung gebrauchen. Komm mal mit ins Wasser. Selbst mein scheuer Bruder traut sich gerade rein. Los, wir spielen eine Runde Volleyball.“ David sprang wieder auf und lief zurück zum Meer.

Sontje legte eine Hand über ihre Augen und entdeckte Flo, der bis zu den Knien im Wasser stand und ihr winkte. Bei seinem Anblick stellte sich eine wohlige Wärme ein. Lächelnd grüßte sie zurück.

Wie lange kannten sie sich jetzt schon? Eigentlich seit dem Kindergarten. Und genauso lange waren sie beste Freunde – Florian, Sontje und David. Ein Sonnenstrahl zwischen zwei Gewitterwolken, wie ihre Oma Ella immer sagte. Natürlich mochte sie die Jungs, aber die hatten es in ihrer Kindheit auch faustdick hinter den Ohren gehabt. Und Sontje hatte bei jedem Streich mitmachen müssen, weswegen auch sie ihren Ruf im Ort weghatte. Damals dachte sie noch, dass sie für immer zu dritt zusammen sein würden. Doch mittlerweile hatten sie das Abitur geschafft und nun bahnte es sich an, dass doch jeder seiner Wege gehen würde.

Obwohl Florian und David Zwillinge waren, hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Nicht nur, was das Aussehen anging, auch vom Wesen her waren sie verschieden. David war immer auf Achse, am liebsten auf dem Meer. Sontje hatte schon oft behauptet, dass er keine fünf Minuten stillsitzen konnte. Und genauso viele Ideen hatte er, wenn es um seine Berufswahl ging. Am liebsten würde er Surflehrer werden, doch das hielten seine Eltern für Blödsinn. Surflehrer war doch kein Beruf, das konnte er in seiner Freizeit tun. Da kam ihm seine zweite Leidenschaft, das Sammeln von alten Mopeds, recht. Trotz Abitur hatte er keine Lust zu studieren und wollte ab September eine Lehre als Mechatroniker beginnen. Sie wusste, dass sein Vater hoffte, ihn in der Nähe halten zu können, denn schließlich brauchte er Hilfe in der Werkstatt seines Fahrradverleihs.

Florian hingegen war gerne mit Menschen zusammen, am liebsten mit Kindern. Es hatte Sontje also nicht verwundert, als er verkündet hatte, Grundschullehramt zu studieren. Noch vor einiger Zeit hatte sie ihn bestärkt, sich einen Studienplatz in einer netten Studentenstadt zu suchen. Aber jetzt hatte sich alles geändert – sie waren ein Paar. Wenn sie nur daran dachte, dass er ab Oktober in die Ferne zog, brach es ihr das Herz.

„Sontje!“, riefen beide vom Wasser her. Lachend sprang Sontje auf. Ach, was würde sie nur ohne ihre Jungs machen. Sie war so froh, dass ihre Beziehung mit Flo die Freundschaft zu David nicht beeinflusste. Im Gegenteil hatte er behauptet, schon lange darauf gewartet zu haben. Passiert war es dann bei der letzten Silvesterfeier. Wie immer hatten sie sich mit Freunden am Meer getroffen und auf das neue Jahr angestoßen. Dabei waren sie ausgelassen zur Musik herumgesprungen. Flo hatte wohl schon zu viel getrunken, denn bei einer seiner Drehungen war ihm sein Glas aus der Hand gerutscht und der Sekt hatte sich über Sontjes Pullover ergossen. Da sie den Anorak ausgezogen hatte, war die kalte Flüssigkeit direkt bis zu ihrer Haut vorgedrungen. Erschrocken hatte Flo sie genötigt, mit zu ihm nach Hause zu gehen und trockene Kleidung von ihm überzuziehen. Doch dazu war sie nicht mehr gekommen. Flo hatte ihr beim Ausziehen geholfen und plötzlich hatten sie sich in den Armen gelegen und erst am Morgen wieder losgelassen. Sontje hatte das Gefühl gehabt, noch nie so glücklich gewesen zu sein. Und das bis heute.

„Also Jungs, wen soll ich zuerst tauchen“, rief sie ihnen zu, als sie das Wasser erreicht hatte. Sie wusste, dass Flo immer länger brauchte, um ins kühle Nass zu gleiten, also stürzte sie sich auf David und wollte ihn umwerfen. Der blieb jedoch wie ein Fels in der Brandung stehen und so war sie es, die im Wasser landete. Prustend kam sie wieder nach oben.

„Musst du immer so stark tun? Lass dich doch einmal fallen“, rief sie lachend.

„Ich tue nicht so, ich bin es“, antwortete David mit gespielter Überheblichkeit. Dabei hatte er beide Arme vor der Brust verschränkt.

In der Zwischenzeit hatte sich Flo von hinten angeschlichen und auf sein Zeichen stürzten sie sich gemeinsam auf David und brachten ihn zu Fall.

Plötzlich hielt Sontje inne. „Wie spät ist es eigentlich?“

David schaute auf seine Uhr. „Kurz vor drei. Warum?“

„Oh Mist, ich habe meiner Mutter versprochen, ihr beim Einspannen der Pferde zu helfen. Sie war noch in Rostock und meinte, dass sie nicht rechtzeitig da sein würde. Um drei hat sie eine bestellte Kutschfahrt zum Darßer Ort.“

Flo war sofort bei ihr. „Bist du mit dem Rad da?“, fragte er.

Als Sontje verneinte, zog er sie aus dem Wasser.

---ENDE DER LESEPROBE---