Frag nach der Liebe - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
SONDERANGEBOT

Frag nach der Liebe E-Book

Frida Luise Sommerkorn

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Endlich ist der Frühling auf dem Darß eingekehrt und Sontje kann das Leben in ihrer Heimat genießen. Während der Nestbau für sie und ihr Baby im Haus ihrer Großeltern voranschreitet und ihre Mutter wieder ins Leben zurückfindet, beschließt ihre Freundin Chloé aus dem Elsass nach Prerow zu ziehen. Doch trotz all des Glücks, das sie umgibt, gerät Sontjes Herz noch immer aus dem Takt, sobald sie Florian, ihre große Liebe, trifft.

Als wäre das nicht schon genug, erfährt Sontje, dass Opa Fiete das Familiengestüt verkaufen will. Ein Kompromiss scheint die einzige Lösung zu sein, aber das würde bedeuten, Florian näher kommen zu müssen, als es ihr gut tut. Was also tun, wenn die Vernunft sich dafür entscheidet, das Herz hingegen rebelliert?

Weitere Reihen der Autorin:
Ostseeliebetrilogie
Nordseeglücktrilogie
Sehnsuchtstrilogie
Zum Glück Reihe
Winterwunderreihe

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frida Luise Sommerkorn

Frag nach der Liebe

Ostseetraum 2

Frida Luise Sommerkorn schreibt Geschichten, die mit Herz, Humor und Spannung gespickt sind. Sie liebt das Meer und besonders den Darß. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass ihre Geschichten immer wieder auf dieser schönen Halbinsel spielen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Danksagung

Meine Veröffentlichungen

Impressum

Kapitel 1

Sontje stand am Fenster und genoss das Spiel von Licht und Schatten. Die Frühlingssonne hatte in den letzten Märztagen an Kraft gewonnen. Helle Wolken zogen am Himmel vorbei und verschwanden wieder. Sie hatte die Augen geschlossen, um sich ganz dem Glücksgefühl hinzugeben, das sie durchströmte. Lächelnd drehte sie sich um.

„Und du bist dir ganz sicher, Mama, dass Opa das alles für mich machen will? Was für ein Aufwand!“, sagte sie.

Ihre Mutter Ingela saß auf dem kleinen Sofa, das direkt neben dem Küchenfenster stand. Mit einer Wolldecke auf den ausgestreckten Beinen suchte sie nach einer bequemen Position. Endlich schien sie zufrieden. Lächelnd lehnte sie sich zurück und seufzte leicht.

Sontje ließ sich auf der flachen Sofalehne nieder. Sie konnte sich nicht erinnern, wie oft sie voller Dankbarkeit auf die letzten Monate zurückgeblickt hatte. Nachdem sie im letzten Herbst nach fünf Jahren wieder in ihre Heimat, den Darß, zurückgekehrt war, hatte sich ihr Leben komplett verändert. An die Zeit fern der Heimat wollte sie nicht denken, aber auch jetzt hier in Prerow war nichts mehr, wie es früher gewesen war. Noch in der Adventszeit hatte alles so aussichtslos gewirkt. Da war ihre Schwangerschaft von einem Mann, den sie nie wieder sehen wollte, die Teilnahmslosigkeit ihrer Mutter, die nach einem Unfall mit einer Pferdekutsche regungslos im Rollstuhl saß, und die Angst vor jeder Begegnung mit ihrer großen Liebe Florian, den sie damals verlassen hatte und der nun vergeben war.

Jetzt, einige Monate später, sah die Welt für Sontje wieder freundlicher aus. Das Kind in ihrem Bauch wuchs gesund heran; mit dem Vater des Kindes hatte sie sich darauf einigen können, dass jeder bekam, was er wollte. Er ihre Entwürfe für die neue Kollektion, sie ihre Ruhe mit dem Baby. Zwar kamen immer wieder Zweifel auf, ob sie das alles wirklich allein schaffen konnte, aber die rückten bei dem Gedanken an ihre Familie sofort wieder in den Hintergrund. Sie war nicht allein. Sie hatte Oma Ella und Opa Fiete. Und wenn ihre Mutter weiterhin so große Fortschritte machte, würde auch sie eine liebevolle Großmutter sein können.

Den ganzen Februar war sie mit ihrer Mutter im Schwarzwald gewesen, um sie bei einer neurologischen Intensivkur zu begleiten. Fast täglich hatte ihre Mutter Fortschritte gemacht. Sie konnte schon fast wieder normal sprechen, wenn auch noch etwas verzögert, und durch das Training waren ihre Muskeln mittlerweile so stabil, dass sie den Rollstuhl immer häufiger verlassen konnte.

Gedankenverloren strich Sontje mit der Hand über die Wolldecke. Nur eine Sache hatte sich nicht wieder eingerenkt. Flo ging ihr noch immer aus dem Weg.

„Sontje, hörst du?“

Die warme Stimme ihrer Mutter holte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie blinzelte. „Äh, was hast du gesagt?“

„Ich habe dich gefragt, ob du dich wohl genug fühlst, um bei der Planung dabei zu sein? Der Umbau wird sicher keine große Sache, aber es soll dir ja schließlich gefallen. Dir und meinem Enkelkind.“ Ingela holte tief Luft. Das tat sie immer, wenn sie mehrere Sätze nacheinander gesprochen hatte.

„Mama, ich bin schwanger, nicht krank.“ Sontje lachte. „Ich möchte unbedingt dabei sein. Hat Opa denn schon was unternommen?“

Ingela schüttelte den Kopf. Ihre dunkelblonden halblangen Haare wippten im Einklang dazu. „Er hat nur schon mal eine Zeichnung gemacht. Schau mal, die müsste auf dem Tisch liegen.“

Sontje stand auf und ging zum Tisch. Sie grinste. Opa Fiete liebte es, Dinge zu skizzieren. Wie oft hatte sie früher in der Kutscherstube, dem kleinen Raum gegenüber dem Stall in ihrem Gestüt, solche Zettel gefunden. Meistens hatte er sich selbst nicht mehr daran erinnern können, was er darauf gekritzelt hatte.

„Kannst du was erkennen?“, fragte Ingela.

Trotz der verzögerten Stimme konnte Sontje das Grinsen heraushören. Sie schnappte sich den Zettel und hockte sich wieder auf die Sofalehne.

„Na ja, mit viel Fantasie könnte ich mir vorstellen, was er meint.“ Lachend gab Sontje das Stück Papier an ihre Mutter weiter.

Wie aufs Stichwort hörten sie Geräusche an der Haustür. Sontje eilte in den Flur.

„Gib mir den Korb“, rief sie Oma Ella zu. „Ihr solltet mir doch Bescheid geben, wenn ich euch beim Ausladen helfen soll.“

„Machst du doch jetzt“, antwortete Oma Ella kopfschüttelnd. „Und im Übrigen bist du diejenige, die nicht mehr schwer heben soll.“

Zusammen betraten sie die Küche. Opa Fiete kam kurz darauf mit dem zweiten Korb dazu.

„Ach, wie freu ich mich auf den Mai, wenn die Frischemärkte wieder stattfinden. Es ist zwar schön, dass wir in Barth einiges bekommen, aber die Auswahl ist begrenzt.“ Während Oma Ella sprach, räumte sie das Obst und Gemüse, den Käse und Fisch in den Kühlschrank.

„Du hast dir meine Zeichnung schon angesehen?“, fragte Opa Fiete. Er hatte sich an den Küchentisch gesetzt und zeigte auf das Blatt, das Ingela noch immer in der Hand hielt.

„Ich mach mal Tee für uns, dann können wir uns alle deine Ideen anhören.“ Oma Ella strich ihrem Mann liebevoll übers Haar und zwinkerte Sontje schelmisch zu.

Nachdem Sontje die Tassen auf den Tisch gestellt hatte und sie alle saßen, beugte sich Oma Ella zu Opa Fiete. „Nun erzähl mal! Wir sind gespannt.“

„Ach, das ist doch kein Hexenwerk.“ Opa Fiete winkte ab, aber Sontje sah ihm an, dass er sich darauf freute, allen von seinen Plänen zu berichten. „Wir Alten bleiben natürlich hier unten. Allerdings dort, wo jetzt unser Schlafzimmer ist, bekommt Ingela ihr Reich.“

„Dann gehöre ich jetzt auch zur alten Garde?“, fragte Ingela mit gespielter Empörung.

Opa Fiete zuckte mit den Schultern. „Du wirst schließlich Großmutter, da ...“ Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Da zählst du dann auch zu den weisen Frauen“, ergänzte Oma Ella lachend. Sie tätschelte Ingelas Hand.

Opa Fiete grummelte leise. Dabei schüttelte er den Kopf und schaute Sontje an. „Nun zu deinen Räumen im Obergeschoss. Wir haben drei Zimmer und eine Abstellkammer. Ich habe letztens schon mit dem Müller gesprochen, dem Klempner hier im Ort, du weißt schon. Der kennt unser Haus ja ganz gut und meinte, das sollte kein Problem sein. Also, hier soll das Bad reinkommen, hier dein Wohnzimmer und hier euer Schlafzimmer.“ Er hatte mit dem Bleistift auf die einzelnen Räume gezeigt, hielt jetzt aber inne. „Oder braucht das Kleine ein eigenes Zimmer?“

Sontje wurde es ganz warm ums Herz. Wie sehr sich ihre Familie für sie einsetzte! Und wie sehr sie sich auf das Kind freuten, obwohl doch nichts normal lief bei ihr. „Opa, das ist so toll! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Natürlich braucht das Baby erstmal kein eigenes Zimmer. Aber warte mal, wo schlaft ihr denn, wenn Mama in euer Schlafzimmer zieht?“

„Das habe ich mich auch schon gefragt“, mischte sich nun Ingela mit ein.

„Na, im Abstellraum hinten am Ende vom Flur. Wo denn sonst?“

„Im Abstellraum?“, fragten Sontje und Ingela unisono.

Opa Fiete grinste. „Da haben wir jede Menge zu tun. Der muss ausgemistet werden.“ Er schaute seine Frau an.

Auch wenn Oma Ella die Hände über dem Kopf zusammenschlug und lamentierte, dass sie niemals mit ihren ganzen Schätzen, die dort lagerten, woandershin ziehen würde, hatte Sontje das Gefühl, dass sie längst eingeweiht war.

Prompt prusteten ihre Großeltern los. „Du liebe Güte, jetzt macht doch nicht solche Gesichter. Auch dafür hat Opa schon einen Plan. Wir bauen an!“

Nun war Sontje doch platt. „Anbauen? Wohin denn?“

Opa Fiete winkte ab. „Hab ich schon alles besprochen. Morgen kommt der Martin, der hat doch früher auf dem Bau gearbeitet, und der will uns die Abseite anbauen.“

„Abseite?“ Sontje überlegte, ob sie den Begriff schon mal gehört hatte.

„Na ja, vielleicht ein bisschen größer als eine Abseite“, legte Opa Fiete schnell nach, als er Oma Ellas fragenden Blick sah. „Das wird uns der Martin morgen alles schon sagen. Macht euch mal keine Gedanken.“

Noch einmal beugte sich Sontje über den Zettel mit der Zeichnung. Unglaublich, dass sie bald eine eigene kleine Wohnung im Haus ihrer Großeltern haben würde. Nur für eine Küche war kein Platz mehr, aber da hätte Oma Ella sowieso protestiert. Wenn sie nicht für alle kochen und backen konnte, wurde sie krank. So ihre Worte. Sontje stand auf und fiel Opa Fiete um den Hals.

„Na na, ist ja gut mein Kind“, brummte er. „Wir sind eben froh, dass du wieder da bist. Und wir wollen uns doch alle hier wohl fühlen, was?“

Sontje schob sich wieder auf den Stuhl. Sie wischte sich eine einzelne Träne von der Wange. „Mama, aber dann hast du nur noch ein Zimmer für dich. Das geht doch nicht.“

„Jetzt mach doch nicht die Pferde scheu“, antwortete Ingela. „Wir machen das jetzt erstmal so und wenn sich irgendwann was ändern sollte, werden wir weitersehen.“

Sofort tauchte das Bild von Flo vor Sontjes innerem Auge auf. Schnell schob sie es beiseite. Bei ihr würde sich sicher nicht so schnell etwas verändern.

Kapitel 2

Die Trompetenklänge hörte Florian bereits, als er sein Rad vor der Werkstatt des Fahrradverleihs abstellte. Er schnaufte tief durch, bevor er die Klinke hinunterdrückte. Wenn er jetzt die Tür öffnete, schlugen ihm die französischen Chansonklänge unbarmherzig entgegen. Die Sängerin mit der rauchigen Stimme verursachte ihm Unbehagen. Nicht, dass er die Musik nicht mochte, aber gerade jetzt wollte er nichts hören, das sich nach Herzschmerz anhörte.

Florian trat einen Schritt zur Seite und schaute durch das Fenster. Von David war weit und breit nichts zu sehen. Er schien ganz hinten in der Werkstatt zu sein. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich der lauten Musik zu stellen. Er nutzte die Gunst und trat in der winzigen Pause zwischen zwei Titeln geräuschvoll ein.

„David?“, rief er, doch schon hatte der nächste Song seine Stimme verschluckt.

Trotzdem schien sein Bruder ihn gehört zu haben. Mit einem Schraubenschlüssel in der Hand, den er wie ein Mikrofon vor sein Gesicht hielt, tänzelte er auf Florian zu. Dabei bewegte er den Mund, als würde er mitsingen. Erst beim Refrain schien er einen winzigen Teil zu beherrschen.

„Je veux, lala lala lalalalalala“, trällerte er, beugte sich grinsend über den Verkaufstresen und stellte die Musik leiser.

„Dein Geschmack wird immer gewöhnungsbedürftiger“, konnte sich Florian nicht verkneifen zu sagen. Er wusste ja, dass sein Bruder gerne die aktuellen Charts hörte, wohingegen es bei ihm rockiger sein durfte. Aber woher kam jetzt die Leidenschaft für französische Jazzmusik?

„Wusstest du, dass ‚je veuxʼ auf Deutsch ‚ich will“ heißt?", fragte David und tat so, als hätte er Florians Einwand überhört.

„Interessant“, murmelte Florian. Er hatte keine Lust, sich von Davids guter Laune anstecken zu lassen. Woher auch immer diese kam. „Was gibt’s zu tun?“

Noch immer lag ein Grinsen auf Davids Gesicht. Er zeigte hinter sich zur Werkstatt. „Zwei Räder müssen repariert werden. Du kannst dir aussuchen, ob du die Bremsen wechselst oder die Acht aus dem Vorderrad ziehst.“ Damit drehte er sich um und tänzelte wieder davon.

Florian legte seinen Rucksack hinter den Tresen. Seitdem sie im April den Fahrradverleih für die neue Saison geöffnet hatten, war er fast jeden Tag hier, um zu helfen. Noch vor den Osterferien hatte sich der Ort wieder mit Urlaubern gefüllt. Er wusste ja, dass sie wichtig für den Darß und Prerow waren, trotzdem liebte er die kurze Winterzeit, in der wesentlich weniger Touristen den Weg ans Meer fanden.

Der Arbeitseifer hier in der Werkstatt hatte allerdings auch noch einen ganz anderen Hintergrund. Seitdem ihm Opa Fiete Ende des letzten Jahres eröffnet hatte, dass er das Gestüt verkaufen wolle, war ihm die Leidenschaft für die Arbeit dort verloren gegangen. Zwar war er immer noch gerne mit den Pferden zusammen, versorgte sie und sah zu, dass die Ställe sauber waren, aber alles hatte keine Zukunft mehr. Wer wusste schon, wann sich ein neuer Besitzer finden würde? Und ob der Florian weiter beschäftigen würde? Er kam ja scheinbar als Käufer für Opa Fiete nicht in Frage. Sonst hätte der alte Herr ihm nicht so eine Abfuhr erteilt. Er hätte ihn wenigstens fragen können! Oder wollte doch Sontje wieder ins Geschäft einsteigen? Warum hatte er sonst schon seit Monaten nichts mehr von dem Thema gehört?

In der Werkstatt entdeckte Florian das verbogene Vorderrad. Er schob es in den Zentrierständer und begann, mit dem Speichenspanner nach und nach das Rad zu zentrieren. Dabei kreisten seine Gedanken unaufhörlich weiter. In den ganzen Monaten, in denen Sontje wieder zuhause war, hatte er sie nur ein paarmal auf dem Pferdehof gesehen. Wenn es möglich war, ging er ihr aus dem Weg. Er wusste, dass das kindisch war, aber sein Ego entschuldigte es damit, dass sie einfach nichts mehr verband. Worüber sollten sie reden? Über die Pferde? Vielleicht das, ja. Über ihr Privatleben? Darüber, dass sie ein Kind von einem Mann erwartete, den sie in die Wüste geschickt hatte? Das jedenfalls hatte er von Kimmi erfahren, die es wiederum von Freundinnen gehört hatte. Ob es stimmte, konnte er nicht sagen. Und wollte er auch nicht. Trotzdem hatte es ihn gestört, wie Kimmi über Sontje geredet hatte. Er hatte es für sich behalten und so getan, als würde es ihn nicht interessieren. Tat es ja auch nicht!

Erst jetzt nahm Florian die wohltuende Ruhe wahr. Er schaute auf. David tippte lächelnd auf seinem Handy herum. Irgendetwas war anders an seinem Bruder. Es hieß zwar immer, dass Zwillinge eine enge Verbindung hatten, aber in letzter Zeit reichte die nur bis zu den Augen. Keiner von beiden ließ den anderen in sein Herz schauen.

„Mit wem schreibst du?“, fragte Florian. Es hatte unbedarft klingen sollen, aber er hörte selbst, dass seine Stimme viel zu bissig geklungen hatte.

„Warum?“, kam prompt Davids unverbindliche Antwort.

Florian zuckte mit den Schultern. „Nur so. Du grinst in letzter Zeit ziemlich viel. Das hat doch was zu bedeuten.“

„Vielleicht.“ David zuckte mit einer Schulter und beugte sich wieder über das Rad, das vor ihm verkehrt herum auf Sattel und Lenker stand.

„Wer ist es diesmal?“ Florian war nun doch neugierig geworden.

„Ist nicht spruchreif“, antwortete David gepresst, als er eine Schraube festzog. „Aber du bist der Erste, dem ich davon berichten werde, falls es was wird.“

Florian verzog das Gesicht. Er löste das Vorderrad aus dem Ständer, hielt es an der Nabe fest und kontrollierte, während es sich drehte, noch einmal die Spur. Es schien wieder gerade zu laufen. Also setzte er es ein und schob das fertige Rad nach vorn zu den anderen. Er schaute auf die Uhr. Es wurde Zeit, den Fahrradverleih zu öffnen. Vor der Tür stand schon eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Jetzt im Mai war die Zeit der jungen Familien, die noch keine Schulkinder hatten, und der Rentner, die dem Trubel im Sommer aus dem Weg gehen wollten.

Als er die Tür öffnete und nach draußen trat, sah er Kimmi vorbeiradeln. Sie winkte ihm stürmisch zu, dabei schüttelte sie leicht den Kopf. Schnell warf sie noch eine Kusshand nach, dann war sie hinter einem Haus verschwunden. Florian wusste, dass ihr Dienst in der Arztpraxis gleich begann.

Die junge Familie schien noch zu diskutieren, was sie sich ausleihen wollten. Letztendlich entschieden sie sich für einen Bollerwagen, den Fahrradausflug wollten sie auf morgen verschieben. Florian half dabei, die Kinder in den Bollerwagen zu setzen. Mit strahlenden Augen machten es sich die beiden gemütlich und trieben ihren Vater an, der sich wie ein Pferd im Galopp in Bewegung setzte. Die Mutter lächelte zum Abschied, dann war es wieder ruhig. Florian spürte einen Stich. Jedes Mal setzte ihm solch eine Familienidylle zu. Er hatte noch nicht herausbekommen, warum das so war. Wenn er an seine Zukunft dachte, waren da keine Kinder. Und wenn er ganz ehrlich war, dann war da auch keine Kimmi. Es gab überhaupt keine Frau an seiner Seite. Spätestens wenn er in seiner Gedankenschleife hier angekommen war, riss er sich los. Was sollte das denn? Er war gerade Mitte zwanzig, da konnte noch viel passieren. Vielleicht war das auch ganz normal, dass er keine Zukunftsvisionen hatte. Wie auch? Was sollte er denn beruflich anfangen, wenn er nicht mehr auf dem Gestüt arbeiten konnte? Jedenfalls nicht mit David gemeinsam den Verleih betreiben. Für zwei reichte der Umsatz nicht aus. Und es befriedigte ihn auch nicht. Am Ende würde er doch noch irgendwohin gehen, um zu studieren, oder sich eine Arbeit weiter entfernt suchen. Florian holte tief Luft. Ja, das fühlte sich gar nicht schlecht an. Außer, dass sofort das schlechte Gewissen gegenüber Kimmi einsetzte. Aber vielleicht ging sie ja mit ihm? Froh darüber, seinen Gedanken zu entkommen, widmete er sich den nächsten Kunden.

Kapitel 3

„Okay, du kannst!“ Chloé stand auf einer Leiter und drückte eine Tapetenbahn fest an die Wand. „Aber schön vorsichtig! Nicht, dass sie mir wieder aus der Hand rutscht.“

Sontje kniete auf dem Boden und zog die feuchte Tapete langsam nach unten. Sie schob die Bahn sorgfältig an die daneben hängende, dann begann sie, mit einer weichen Bürste darüber zu streichen. So arbeitete sie sich nach oben, während Chloé ihr von der Decke aus entgegenkam. Als sie alle Unebenheiten ausgestrichen hatten, sprang Chloé von der Leiter und begutachtete ihr Werk.

„Geht doch, oder? Von wegen, wir kriegen das nicht hin. Wenn dein Opa wüsste, wie oft ich meinen Eltern beim Renovieren zur Hand gehen musste. Und glaube mir, meine Oldies lieben es, das Haus umzugestalten. Da ist das hier ein Klacks.“ Chloé pustete sich eine Strähne ihrer roten Locken aus dem Gesicht und steckte sie dann hinter das Ohr. Sie hatte die Haare zu einem wilden Knoten auf dem Kopf zusammengebunden, trotzdem lösten sich immer wieder widerspenstige Strähnen.

Sontje schaute ihre Freundin liebevoll an. Seit Weihnachten war Chloé häufig bei ihr gewesen. Im Januar hatte sie sich von Paris verabschiedet und war wieder zu ihren Eltern ins Elsass gezogen. Doch da sie es dort auch nie lange aushielt, war Prerow schon so etwas wie ihre zweite Heimat geworden. Jedenfalls schien sie sich hier richtig wohl zu fühlen.

„Möchte ich wissen, was gerade in deinem Kopf vorgeht?“, fragte Chloé und grinste. Dann nahm sie eine neue Tapetenbahn und legte sie auf den langen Klapptisch.

„Ich frage mich gerade, ob ich nicht, statt einer Abstellkammer, lieber dir ein Zimmer einrichten sollte“, antwortete Sontje mit einem Schmunzeln.

„Na sag mal, ich schlafe doch nicht in der Abstellkammer. Obwohl ich sagen muss, dass der Raum größer ist als manch eines der Zimmer, in denen ich in Paris stellenweise gehaust habe. Als wir uns kennengelernt haben, habe ich quasi in einer Luxussuite gelebt.“ Chloé klatschte mit einem großen Pinsel den Kleister auf die Tapete und begann ihn zu verstreichen.

„Fast wie ich, was?“, fragte Sontje und versuchte es mit einem Lachen. Sie erinnerte sich noch gut an Chloés kleine Wohnung in einem der Häuserblocks unweit der Villa, in der sie gewohnt hatte. Und wie sehr sie ihre Freundin darum beneidet hatte. Wie gerne hätte sie mit ihrem goldenen Käfig getauscht.

„Kusch“, rief Chloé. Sie bewarf Sontje mit einem Lappen. „Weg mit den miesen Gedanken! Der Typ ist es nicht wert. Und überhaupt! Wie soll es denn deinem Baby gehen, wenn die Mama ständig grübelt. Lass uns jetzt mal endlich fertig werden hier. Ich freu mich schon so auf Opa Fietes Gesicht!“

Sontje nickte. Chloé hatte ja recht. Sie sollte nicht ständig an die Vergangenheit denken. Auch wenn ihr das wirklich nicht leichtfiel. Immer wieder fragte sie sich, wie Chloé das machte. Sie hatte in Paris alle Zelte abgebrochen, ihren gutbezahlten Modeljob an den Nagel gehängt und war einfach wieder in die Heimat gezogen. So ähnlich war es ihr selbst ja auch ergangen. Aber irgendwie wollten sich die Schatten der Vergangenheit nicht so einfach abschütteln lassen.

Einige Zeit später hing auch die letzte Bahn der Tapete. Die beiden Freundinnen setzten sich auf die Campingstühle, die sie sich zwischenzeitlich organisiert hatten.

Bevor Sontje etwas sagen konnte, sprang Chloé wieder auf. „Ich bin gleich wieder da. Hole schnell was zu trinken.“

Sontje seufzte. Sie hatte sich immer wieder ausruhen müssen, da so allmählich die Füße schmerzten und der Bauch hart wurde. Als ihre Hebamme von den Renovierungsmaßnahmen erfahren hatte, hatte sie sie ermahnt, auf sich zu achten. Und natürlich wollte Sontje kein Risiko eingehen. Liebevoll legte sie ihre Hände auf den Bauch. Sie wusste, wenn sie jetzt noch eine Weile ruhig sitzen blieb, würde das Kleine anfangen zu zappeln. Das tat es immer, sobald Sontje sich zu entspannen versuchte.

Glücklich betrachtete sie ihr Tagwerk. Sie hatte sich für einen Mintton entschieden. Das war neutral und erdrückte nicht. Die Dachschräge und eine Wand hatten sie in ganz zartem Grau gestrichen. Die Wand mit der Tür zierte eine mintfarbene Tapete und für die letzte Wand hatte sie sich für eine helle Tapete mit Punkten entschieden, die mit verschiedenen Farbnuancen abgestimmt zum Rest des Raumes passte. Zufrieden lächelte sie. Genauso hatte sie sich das vorgestellt. Und sie hatten es ganz allein geschafft. Auch das machte sie glücklich. Morgen wollten sie sich einen Tag Ruhe gönnen und dann das Wohnzimmer in Angriff nehmen.

Die Tür sprang auf. Chloé stürmte herein und drehte sich dann direkt wieder um. Sontje ahnte, dass sie Opa Fiete im Schlepptau hatte und seine Reaktion sehen wollte.

„Mensch Mädels, das sieht toll aus“, sagte Opa Fiete anerkennend und nickte dabei. „Das hätte ich nicht besser gekonnt.“

Chloé klatschte in die Hände. „Siehst du, habe ich dir doch gesagt, dass wir das können.“ Sie schaute Sontje triumphierend an.

„Wie geht’s denn bei euch voran?“, fragte Sontje. Das Baby schien aufzuwachen, denn jetzt spürte sie eine kleine Beule unter ihrer Hand, die sich hin und her bewegte.

Opa Fiete, der nun doch noch näher an eine Wand getreten war und alles ganz genau begutachtete, nickte wieder. „Das wird schon. Der Abstellraum ist schon fast leergeräumt und morgen kommt der Martin mit ein paar Jungs, um mit der Abseite zu beginnen. Gott sei Dank ging das mit der Bewilligung schnell, da es schon einmal so einen kleinen Anbau gegeben hat. Na ja ...“ Er hielt inne und schaute sich noch einmal um. „Um euch muss ich mir ja nun keine Sorgen mehr machen.“ Dann zeigte er auf Sontjes Bauch. „Du passt auch schön auf meinen Urenkel auf?“

Sontje lächelte beruhigend und nickte.

„Oder Urenkelin, wer weiß?“, antwortete Chloé.

„Nee, das wird ein Junge. Es sind eindeutig zu viele Frauen hier im Haus. Ich brauche doch Verstärkung.“ Opa Fiete blinzelte Sontje zu. „So, das Abendessen ist gleich fertig. Ich soll euch schon mit runterbringen. Anweisung von der Küchenfee. Also los, Mädels.“

„Boah, Oma Ella, ich muss unbedingt mal einen Kochkurs bei dir machen. Das war wieder so lecker!“, verkündete Chloé kurz darauf und verdrehte genüsslich die Augen.

„Ach Kind“, lachte Oma Ella herzhaft. „Das waren nur Wickelklöße. Da ist nichts Kompliziertes bei.“

„Wer hätte gedacht, dass mal eine waschechte Französin deine Kochkunst lobt, was?“ Opa Fiete zwinkerte Oma Ella zu.

Nun prustete Chloé los. „Das halte ich für ein Gerücht, dass alle Franzosen von Haus aus gut kochen können. Also, ich habe da so meine Standardgerichte und das war’s.“

„Aber die sind lecker“, mischte sich nun auch Sontje ein.

Mitten in die ausgelassene Stimmung hörten sie die Türklingel.

„Huch, wer ist das denn um die Zeit? Kriegt ihr noch Besuch?“, fragte Oma Ella und schaute Sontje an.

„Vielleicht ist was mit den Pferden?“ Ingela hatte die ganze Zeit nur gelauscht, schaute jetzt aber besorgt drein.

„Am besten, wir gehen mal nachschauen, oder?“ Chloé sprang auf und eilte in den Hausflur. Dann schaute sie doch noch einmal zur Küche herein. „Kommst du, Sontje?“

Wesentlich bedächtiger stand Sontje auf und folgte Chloé. Der Einwand ihrer Mutter hallte noch in ihren Ohren nach. Wenn was mit den Pferden wäre, dann würde jetzt sicher Flo vor der Tür stehen. Andererseits hätte er auch anrufen können. Ob das Telefon nicht funktionierte?

Chloé hatte bereits die Tür aufgerissen. David stand davor. Nicht Flo. Fiel ihr nun ein Stein vom Herzen oder spürte sie doch ein bisschen Enttäuschung?

„Hey, bei euch ist ja eine Stimmung! Das hört man bis zur Straße“, begann David und begrüßte Chloé mit einem Küsschen auf die Wange.

Oha, wurde er dabei rot? Noch bevor Sontje sich ein genaueres Bild machen konnte, spürte auch sie seine Bartstoppeln in ihrem Gesicht.

„Ich will nicht lange stören“, redete David weiter.

Einen Ticken zu schnell, wie Sontje fand.

„Ich wollte euch fragen, ob ihr Lust habt, am Sonntag eine Bootstour mit mir zu machen? Das Wetter soll super werden. Vielleicht beißt ein Fisch an, den können wir danach über dem Feuer brutzeln. Was meint ihr?“ Er holte tief Luft.

„Hm, ich wollte zwar Sonntag wieder nach Hause fahren, aber bei so einem verlockenden Angebot kann ich nicht nein sagen. Sontje?“ Chloé schaute sie fragend an.

„Ich weiß nicht, ob ich mit der Murmel noch rausfahren will.“ Eigentlich war das nur eine Ausrede, weil sie nicht wusste, wer noch mit von der Partie sein würde.

David nickte und wirkte nachdenklich dabei. „Tja, das verstehe ich.“ Er wandte sich an Chloé. „Dann kommst du eben alleine mit. Hast du Lust?“

Chloés Blick wirkte nun ratlos. Dabei zuckte sie mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Wollen wir nicht was anderes machen? Irgendwas, wo Sontje dabei sein kann?“

Sontje kannte ihre Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie eigentlich große Lust auf die Tour hatte. „Ach Quatsch, wenn ihr was fangt, dann esse ich natürlich mit. Ansonsten macht euch einen schönen Tag auf dem Wasser. Ich kann ja am Strand auf euch warten.“

„Tja dann ...“ Chloé holte tief Luft. „Was kann ich mitbringen?“

David strahlte. „Nichts! Das kriege ich schon hin.“ Er trat einen Schritt auf Chloé zu.

Dafür ging Sontje zur Seite. Mit ihrer Modelgröße war Chloé fast so groß wie David. Trotzdem wirkte sie zierlich neben ihm. David war schon immer kräftiger gewesen als Flo. Er war auch der Aktivere, immer unterwegs. Mit dem Rad, zu Fuß oder auf dem Wasser. Hatte jemand eine Idee, war David mit dabei.

Sontje erwischte sich bei dem Gedanken, dass sie froh war, dass Chloé, seitdem sie den Modeljob aufgegeben hatte, ein paar Kilo zugenommen hatte. Sie wirkte viel weiblicher. Dank ihrer hellen Haut, den grünen Augen und den rötlichen Locken auch noch sinnlich. Sie zog die Stirn in Falten. Was hatte das jetzt mit dem Treffen mit David zu tun? War es so offensichtlich, dass David verknallt war? Und verkuppelte ihr Unterbewusstsein die beiden?

Noch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, drückte David sie an sich, strich danach kurz über ihren Bauch und nickte anerkennend. Dann war er verschwunden.

Später, als die beiden Freundinnen in Sontjes großem Bett lagen, stützte Chloé ihr Kinn auf eine Hand und schaute Sontje an. „Wenn dein Murkel geschlüpft ist, werde ich mir lieber eine Ferienwohnung oder ein Zimmer in einem Hotel suchen. Dann bist du hier oben ungestört.“

„Hast du Angst um deinen Schlaf?“, fragte Sontje grinsend. Sie hatte die Augen geschlossen und genoss gerade die Entspannung, die endlich ihren Rücken erreichte.

Chloé schnalzte mit der Zunge. „Das soll nicht zu unterschätzen sein, aber ich meine es wirklich ernst.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe. „Weißt du eigentlich, wie der Wohnungsmarkt hier so ist? Vielleicht suche ich mir ja auch eine kleine Wohnung?“

Jetzt schlug Sontje die Augen auf. Ungläubig schaute sie Chloé an. „Du meinst, so richtig was anmieten? Für länger?“

Chloé zuckte mit einer Schulter. Dabei zupfte sie imaginäre Fussel von der Bettdecke. „Warum nicht?“

Ächzend schob sich Sontje in Sitzposition und lehnte sich am Kopfende des Bettes an. „Heißt das, dass du richtig hier wohnen willst?“ Sie spürte ein Kribbeln im Bauch. Ermutigt von Chloés Schmunzeln fragte sie weiter: „Du willst zu mir nach Prerow ziehen?“

„Ich bin ja sowieso schon so oft hier. Und bei meinen Eltern im Elsass will ich nicht wieder unterkommen. Hier ist so viel mehr Luft. Ja, genau! Die Meeresluft ist es. Hier kann ich atmen, alles ist viel weitläufiger. Und habe ich mal Lust auf Wald, schnappe ich mir ein Rad und fahre zum Leuchtturm. Oder wir hängen einen Anhänger an dein Rad und fahren beide zu Stine nach Ahrenshoop und genießen ihre Törtchen. Was meinst du? Wäre das nicht toll?“ Chloé hatte sich in Rage geredet. Rote Flecken bildeten sich an ihrem Hals. Ihre Augen sprühten vor Energie. Sie hatte beide Hände auf Sontjes Unterarm gelegt und kniff fest zu.

„Ah, den brauche ich noch!“ Lachend entzog sich Sontje Chloés Griff. „Sonst wird das nichts mit den Radtouren.“ Sie strich sich über die roten Fingerabdrücke.

„Oh, Pardon! Ich bin so aufgeregt.“ Chloé schob sich eine Strähne hinter das Ohr und schaute Sontje immer noch fragend an.

„Hast du dir das gerade überlegt? Oder wie lange denkst du schon darüber nach?“ Bevor sie ihrer Freude freien Lauf ließ, wollte Sontje erst ausschließen, dass es keine Schnapsidee von Chloé war.

Chloé holte tief Luft. „Ich habe ja immer genug Zeit zum Nachdenken, wenn ich zwischen dem Darß und dem Elsass pendele. Und irgendwann ist mir aufgegangen, dass ich viel trauriger bin, wenn ich von hier wegfahre, als andersherum. Das hat mich stutzig gemacht. Und dann kam ein Gedanke nach dem anderen und am Ende dachte ich, warum nicht?“

Jetzt endlich ließ Sontje ihren Gefühlen freien Lauf. „Süße, das ist so schön! Ich freu mich riesig! Wirklich! Wir finden bestimmt eine tolle Wohnung für dich. Opa Fiete kennt doch hier fast jeden. Und beim Tapezieren sind wir ein unschlagbares Team.“ Sie war ihrer Freundin um den Hals gefallen, musste allerdings wieder abrücken, als sie ein Stechen im Bauch verspürte.

„Was ist?“, fragte Chloé besorgt.

„Ach, ich denke, das Murkel freut sich auch sehr und will uns das zeigen.“ Sontje atmete ein paar Mal tief ein und aus, dann zog wieder Ruhe ein.

„Hast du denn eine Idee, was du beruflich machen willst?“, fragte sie.

Jetzt war es Chloé, die die Luft scharf einsog.

---ENDE DER LESEPROBE---