Immer wieder im Juni - Frida Luise Sommerkorn - E-Book
SONDERANGEBOT

Immer wieder im Juni E-Book

Frida Luise Sommerkorn

0,0
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Clara liebt ihr Leben in Berlin, ihre Modeboutique und ihren Freund Bertram. Doch immer wieder drängt sich diese ungestillte Sehnsucht auf, die sie schon ihr ganzes Leben lang begleitet.

Als ihr Vater stirbt und sie ihrer Mutter auf dem Allgäuer Hof zur Hand geht, ahnt sie nicht, dass ausgerechnet sein Vermächtnis ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Denn eines Tages tauchen Briefe einer Unbekannten im Schlafzimmerschrank ihres Vaters auf. Neugierig vertieft sie sich in die geheimnisvolle und irgendwie vertraute Liebesgeschichte. Wer war diese Frau, deren Worte sich wie eine Umarmung anfühlen?

Allmählich reift bei Clara die Erkenntnis, dass dieses Rätsel nur eine Person lösen kann und dass danach nichts mehr so sein wird, wie es bisher war.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Sehnsuchts – Trilogie:
Immer wieder im Juni – Sehnsuchts-Trilogie 1
Manchmal ist das Glück ganz nah – Sehnsuchts-Trilogie 2
Endlich schwingt die Liebe mit - Sehnsuchts-Trilogie 3

Ostseeliebe – Reihe:
Kaffeeduft und Meeresluft – Ostseeliebe 1
Sanddornpunsch und Herzenswunsch – Ostseeliebe 2
Himbeerschaum und Dünentraum – Ostseeliebe 3

Ostseetraum - Reihe:
Tanz auf den Wellen - Teil 1
Frag nach der Liebe - Teil 2
Schau mit dem Herzen - Teil 3

Nordseeglück - Reihe:
Insel wider Willen - Teil 1
Träume sind wie Wellen - Teil 2
Liebe dank Turbulenzen - Teil 3

Zum Glück Romane:
Zum Glück Ostseestrand: Ferien Küste Kuckucksmänner
Zum Glück Neuseeland: Kiwi gesucht
Zum Glück Costa Rica: Herzchaos im Gepäck

Winterwunder - Reihe:
Ein Rauhnachtswunder - Teil 1
Ein Adventswunder - Teil 2
Ein Winterwunder - Teil 3

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frida Luise Sommerkorn

Immer wieder im Juni

Sehnsuchts-Trilogie 1

Frida Luise Sommerkorn schreibt Geschichten, die mit Herz, Humor und Spannung gespickt sind. Da sie das Meer und die Berge liebt, spielt die Sehnsuchtsreihe im schönen Allgäu. Wer keine Neuigkeiten verpassen will, der kann sich unter www.autorin-jana-thiem.de für ihren Newsletter anmelden.

Inhaltsverzeichnis

Begriffe, die zum Teil nur im Allgäu vorkommen

Prolog

Theresia

Clara

Traudl

Theresia

Clara

Ferdinand

Traudl

Theresia

Clara

M.

Quirin

Traudl

Theresia

Clara

Quirin

Traudl

Theresia

Ferdinand

Traudl

Quirin

Theresia

Clara

Theresia

Quirin

Theresia

Traudl

Epilog

Danksagung

Bisherige Veröffentlichungen

Impressum

Begriffe, die zum Teil nur im Allgäu vorkommen

Alpe

Bergweiden inklusive einer Hütte für die Hirten

Sennalpe

Alpe, auf der Kühe gehalten werden, deren Milch direkt vor Ort zur Käse verarbeitet wird

Senn

Hirte, der sich auch um die Herstellung des Käse kümmert

Viehscheid

Rückgabe der einzelnen Tiere an ihre Besitzer, die den Sommer auf der Alpe verbracht haben

Braunvieh

Allgäuer Rindvieh

Schumpen

weibliches Jungvieh

Schellen

Kuhglocken

Grünten

„Wächter des Allgäu“, 1.783 m hoch

Reiberdatschi

Kartoffelpuffer

Prolog

Früher ...

Wehmütig saß sie auf der alten Bank des zugigen Bahnsteigs und hielt ihre Tasche fest umschlungen. Das war jetzt also aus ihr geworden. Eine junge Frau auf der Flucht. Jedenfalls fühlte es sich so für sie an.

Eigentlich war sie voller Euphorie in ihre Heimat zurückgekehrt, wollte im Schoß der Familie Kraft tanken. Ein bisschen auf dem Hof arbeiten, Freunde treffen, eben das Leben ihrer Jugend genießen. Aber nun war schon wieder alles vorbei. So schnell hatte sie nicht wieder Abschied nehmen wollen.

Natürlich wollte sie auch nicht ewig hierbleiben. Noch war ihre Abenteuer- und Entdeckerlust nicht gestillt. Aber das Schicksal hatte andere Pläne mit ihr gehabt. Wer konnte schon ahnen, dass sie ausgerechnet hier ihre große Liebe finden würde. Und nicht nur die, es gab jetzt auch ein kleines Wesen, so zerbrechlich und doch mit einem starken Blick, für das sie hätte da sein müssen.

Wieder überkam sie das tiefe Schluchzen. Sie musste sich jetzt zusammenreißen, wollte nicht auffallen. Auch wenn so früh am Morgen erst wenige Leute unterwegs waren, keiner durfte davon erfahren, dass sie heimlich und widerstrebend aufgebrochen war.

SIE hatte ihr eindringlich dazu geraten, hatte das neue Leben in den schönsten Farben gemalt und ihr dann aufmunternd auf die Schulter geklopft. So, als wären sie beste Kumpel. Aber das waren sie nicht. Sie waren mehr als das. Nur dass sie SIE enttäuscht hatte und nun dafür büßen musste.

Aber vielleicht hatte SIE recht. Wahrscheinlich war es für alle am besten, wenn sie nicht mehr dazwischenstand. Und so mittellos wie sie war, hätte sie niemals auch noch für ein Kind sorgen können.

Ja, sie wollte die Welt entdecken und frei sein, jedenfalls hatte SIE ihr das eingeredet. Immer und immer wieder, bis sie es selbst glaubte.

Und dann der Abschiedsbrief. Auch den hatte SIE für sie vorgeschrieben. Sie musste ihn nur Wort für Wort übernehmen. Die Schmerzen, die sie dabei empfand, hatte sie verdrängt. So wie alles andere auch.

Warum hatte er sich auch nicht für sie entschieden? Warum konnte er nicht zu ihr stehen und ein gemeinsames Leben mit ihr beginnen? Sie hatten doch so viel zusammen erlebt! Sie hätten eine wunderschöne Zeit miteinander haben können! Sie hätten reden und eine Lösung finden müssen. Aber Reden war noch nie seine Stärke gewesen. Lieber zog er sich zurück und ließ die Dinge auf sich zukommen.

Schluchzend legte sie die Hände vor das Gesicht. Nein, sie wollte diesen Schritt nicht gehen und tat es doch. Sie war genauso wie er, hatte auch zu wenig Mut.

Mit quietschenden Bremsen hielt der Zug an. Automatisch stand sie auf, strich sich ihre Kleidung glatt, nahm die Tasche und bestieg den Zug.

Sie sah nicht ein einziges Mal zurück.

Theresia

»Hast du schon was von Ferdl gehört?«, fragte Traudl und wischte sich mit dem Handrücken über die tränennassen Augen. Ihre brüchige Stimme versagte ihr fast bei dieser Frage.

»Nein, Mutter!«, antwortete Theresia. Genervt schaute sie vom großen Holztisch auf, an dem sie seit einer geschlagenen Stunde saß und versuchte, sich auf die Sitzordnung der nachmittäglichen Trauerfeier zu konzentrieren.

»Und du weißt doch, dass er nicht mehr Ferdl genannt werden möchte. Er ist erwachsen und heißt Ferdinand. So habt ihr ihn jedenfalls vor 26 Jahren getauft.«

Als die Worte raus waren, biss Theresia sich auf die Zunge. Das Wort ihr hatte sie tunlichst vermeiden wollen. Schließlich gab es seit ein paar Tagen kein Ihr mehr. Heute sollte die Beerdigung ihres Vaters sein und sie wusste jetzt schon nicht mehr, wo ihr der Kopf stand.

Traudl hatte sich auf den einzigen Stuhl im Raum gesetzt, der nicht am Tisch, sondern direkt neben der Küchenarbeitsplatte am Fenster stand. Dort hatte Georg, ihr Vater, immer am liebsten gesessen. Und geschwiegen. Georg war kein Mann der großen Worte, auch wenn alle Leute im Ort immer behaupteten, dass er früher bei jeder Feier die Menge unterhalten konnte. Theresia hatte nie viel darauf gegeben, was die Leute sagten, aber sie konnte sich auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr Vater als Entertainer auf dem Tisch getanzt hätte. Für sie war er ein zurückgezogener Mann. Unter seinen Blicken war sie so manches Mal zur Ameise geworden. Aber er war nie laut geworden, hatte eben seine Arbeit erledigt und sich sonst aus allem rausgehalten.

Theresia schaute an ihrer Mutter vorbei aus dem Fenster. Wenn sie jetzt an ihn dachte, kam ihr immer wieder in den Sinn, dass er trotz des starren Blickes kein böser Mann gewesen war. Egal welche Probleme sie oder ihre Geschwister hatten, er war immer für sie da gewesen. Nur eben zurückhaltend und wortkarg. Bis zu einer Zeit, da er auch diese Nähe nicht mehr zugelassen hatte. Da war sie zwölf oder dreizehn. Plötzlich war sogar das leichte Lächeln, das er noch manches Mal für sie gehabt hatte, verschwunden.

Theresia schüttelte die Gedanken ab. Seitdem sie mit dem Pfarrer wegen der Trauerrede über ihren Vater gesprochen hatte, kamen ihr immer wieder Zweifel, ob sie ihren Vater wirklich gekannt hatte. Aber dafür war es nun zu spät und Theresia war genervt, dass sie sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Warum stellte der Pfarrer eigentlich immer erst solche Fragen, wenn es zu spät war? Sollte die Kirche nicht vielleicht monatlich solche Gespräche führen? Dann müsste man sich schon eher Gedanken über seine Familie und Mitmenschen machen. Oder nahm ihr Pfarrer diese Aufgabe sogar wahr? Schließlich hatte sie ihn öfter mal auf dem Hof gesehen, aber aus Zeitgründen selten mit ihm gesprochen. Und wenn, dann nur im Vorbeigehen zwischen Tür und Angel.

»Aber, er ist doch mein Ferdl«, hörte Theresia ihre Mutter murmeln und musste sich erst wieder daran erinnern, worüber sie gerade eben gesprochen hatten.

Sie schaute auf die Uhr. Gleich 11 Uhr. Ferdinand und Clara wollten schon längst da sein. Der Jüngste im Geschwisterbunde studierte schon seit ein paar Jahren in Bremen. Meeresbiologie! Ihre Eltern hatten nie verstanden, wie es einen echten bayerischen Buben an die Küste verschlagen konnte. Aber Ferdinand hatte sich durchgesetzt.

Clara dagegen, das Sandwichkind, musste sowieso nie etwas durchsetzen. Sie musste als Kind nicht zur Schule, wenn der Bauch weh tat, sie konnte lieber lernen, wenn sie keine Lust zur Stallarbeit hatte und sie durfte in Berlin Design studieren, ohne dass sich ihre Eltern beschwert hätten. Manchmal kam sich Theresia wie das schwarze Schaf der Familie vor.

Aber eigentlich mochte sie ihre Geschwister sehr. Und auch wenn sie das Gefühl hatte, dass die beiden bevorzugt wurden, hatten sie das nie gegen sie ausgespielt. Clara war viel zu lieb, um sich gegen jemanden zu stellen. Erst recht, seitdem sie Bertram kennengelernt hatte. Auch wenn Theresia ihn erst einmal gesehen hatte, er schien schon der Richtige für ihre Schwester zu sein. Und Ferdinand war zwar ein kleiner Lausbub gewesen, aber er hatte es immer geschafft, sie um den kleinen Finger zu wickeln.

Plötzlich kam Bewegung in die zusammengesunkene Gestalt ihrer Mutter.

»Da ist er«, sagte sie und schob ihren Zeigefinger in die Richtung, aus der ihr Sohn kam.

Theresia seufzte. Endlich! Das Lieblingskind war da und sie konnte sich wieder auf ihren Sitzplan konzentrieren. Natürlich gab es keine Tischkärtchen wie bei einer Hochzeit, aber wenigstens wollte sie den Überblick behalten, sodass nicht plötzlich verfeindete Familien, von denen es einige im Ort gab, nebeneinander saßen.

Als ihre Mutter die Küche verlassen hatte, um ihrem Sohn entgegenzueilen, ließ Theresia den Kopf auf die Arme sinken. Hoffentlich war dieser Tag bald vorbei, damit sie sich wieder den Alltagsdingen widmen konnte. Schließlich warteten in der heimischen Käserei noch Regale voller Käselaibe, die gewendet, gebürstet und verfeinert werden wollten.

Clara

»Noch drei Stunden, dann haben wir es geschafft!«

Bertram aktivierte das Navi und nickte, als er die Ankunftszeit sah.

»Und pünktlich werden wir auch sein. Laut Navi kommen wir ungefähr um 12 Uhr an«, sagte er und schaute Clara lächelnd an.

Dankbar zog Clara ihn zu sich heran und küsste Bertram auf die weichste Stelle der Wange, die sie so liebte. Wie eigentlich alles an ihm.

Während Clara sich anschnallte, lenkte Bertram das Auto vom Rastplatz und reihte sich zügig in die viel befahrene Autobahn ein.

Je näher sie ihrer Heimat kam, umso mulmiger wurde Claras Bauchgefühl. So war es ihr schon immer gegangen. Egal, ob sie von langen Urlaubsreisen kam oder sich kurze Auszeiten vom Studium genommen hatte. Sie hatte nie feststellen können, warum das so war. Eigentlich liebte sie ihre Heimat, die Wiesen, die Berge und ihren Hof. Und natürlich ihre Familie. Trotzdem hatte sie immer das Gefühl gehabt, nicht richtig dorthin zu passen. Vielleicht hatte sie das schlechte Gewissen darüber auch immer wieder in die Ferne getrieben.

Traurig schaute sie aus dem Fenster und betrachtete die vorbeifliegende Landschaft. Der Juli hatte es richtig gut mit ihnen gemeint. Hohe Temperaturen und strahlender Sonnenschein waren Grund genug gewesen, sich auch in Berlin viel im Freien aufzuhalten und die Cafés oder Grünanlagen zu genießen. Oder auch mal einen Ausflug in die märkische Natur zu unternehmen.

Sie hatten sich sogar spontan einen Kurzurlaub auf dem Darß gegönnt und Bertrams Familie besucht. Nachdem seine Schwester Anne ein kleines Häuschen am Bodden geerbt und restauriert hatte, konnten sie dort unbeschwerte Stunden allein oder im Kreise der Familie verbringen. Auch Annes Freundinnen Stine und Caro waren oft dabei.

Jedes Mal, wenn Clara an die Zeit auf dem Darß und Bertrams Familie dachte, setzte sich ein wohlig warmes Gefühl in ihr fest. Sie war froh, ein Teil dieser Familie geworden zu sein. Auch wenn Bertram und sie noch nicht verheiratet waren, so fühlte es sich doch so an, als hätte sie schon immer dazugehört.

Ganz anders musste sich Bertram bei ihrer Familie gefühlt haben. Sie hatte ihn nie darauf angesprochen, da sie Angst vor seiner Antwort hatte. Was sollte sie tun, wenn er sich nicht akzeptiert fühlte? Sie wollte sich weder von ihm trennen noch von ihrer Familie lossagen. Und wenn sie jetzt so darüber nachdachte, hatte das auch noch nie jemand von ihr verlangt. Was war das also? Alles Einbildung?

Clara schüttelte den Kopf. Sie musste diese miesen Gedanken loswerden. Sie brauchte nicht über Entscheidungen nachzudenken, wenn es gar nichts zu entscheiden gab.

Außerdem war ihr Vater tot. Er war derjenige gewesen, der sie manchmal mit seinem Blick durchbohrt hatte. Clara hatte nie verstanden, was diese Blicke zu bedeuten hatten. Oft schien er dabei in einer ganz anderen Welt zu sein. Besonders schlimm wurde es, wenn sich diese tiefe Traurigkeit dazu mischte. Dann wäre sie am liebsten immer aufgesprungen und hätte ihn geschüttelt, ihn angeschrien oder einfach nur in den Arm genommen. Wie oft war sie sich sicher gewesen, dass seine Gedanken jeden Moment in Worte gefasst zum Vorschein kommen würden. Sie hatte minutenlang seinem Blick standgehalten, heimlich gebetet, dass er endlich reden würde, aber er hatte es nie getan. Im Gegenteil! Mit jedem dieser Dämmerzustände wurde seine Zurückhaltung größer. Manchmal fühlte sie sich danach wochenlang unsichtbar neben ihm.

Clara hatte diese Zwiespältigkeit nie verstanden. Einerseits konnte er ein liebevoller Vater sein, der sich für seine Kinder Zeit nahm und ihnen die Welt erklärte. Aber dann waren da diese Momente, in denen sie sich von ihm weggestoßen fühlte. Ob es ihren Geschwistern auch so ergangen war? Sie konnte sich nicht daran erinnern, mit ihnen darüber gesprochen zu haben. Anfangs war sie zu klein, dann zu rebellisch und dann nur noch auf der Flucht.

Trotz allem fühlte Clara tiefe Dankbarkeit, wenn sie an ihre Eltern dachte. Im Gegensatz zu Theresia hatte sie sich viel mehr leisten können. Im positiven wie im negativen Sinne. Über ihre Streiche, die sie mit ihren Freundinnen ausgeheckt hatte, ließen sie oft kein Wort verlauten. Strafen gab es kaum welche. Und wenn sie Lust hatte, das Wochenende bei einer Freundin in Sonthofen zu verbringen, war das nie ein Problem gewesen. Sie hatte sich schon immer gewundert, warum ihre Eltern die Geschwister so unterschiedlich behandelten. Theresia bekam sofort geschimpft, wenn auch nur eine Kleinigkeit nicht nach ihren Vorstellungen lief. Und Übernachtungen bei Freundinnen waren schon deshalb nicht drin, weil Theresia auf dem Hof helfen musste.

Es war nicht so, dass sie selbst nicht auch oft geholfen hätte. Clara erinnerte sich noch genau daran, wie umständlich sie ihre erste Kuh gemolken hatte. Da stellte sich Theresia viel geschickter an. Und als sie dann auch noch versehentlich die Milchkanne umgekippt hatte und die halbe Milch auf den Stallboden geflossen war, gab es nur eine kleine Rüge. Im Gegensatz dazu wurde Theresia aber nicht gelobt, dass sie die Dinge viel besser konnte.

Wenn Clara jetzt so darüber nachdachte, wunderte sie sich, dass Theresia und sie trotzdem in der Kindheit unzertrennlich gewesen waren. Theresia hatte alles mit einer Ruhe weggesteckt, die Clara nie hätte aufbringen können. Sie waren in vielen Dingen so verschieden und hatten dennoch immer zusammengehalten.

Vielleicht hatten ihre Eltern in Theresia den Sohn gesehen, der einmal alles erben und fortführen würde. Denn schon früh war klar gewesen, dass Ferdinand, der Jüngste im Bunde, dazu nie bereit wäre. Er war das Nesthäkchen und ihre Mutter verhätschelte ihn, wo sie konnte. Natürlich hätte sie sich gewünscht, dass er, wenn schon nicht auf dem Hof, dann doch wenigstens in ihrer Nähe geblieben wäre. Aber schon in der Grundschule hatte Ferdinand verkündet, dass er einmal die Tiefen der Meere erforschen würde. Das halbe Kinderzimmer hatte aus Aquarien bestanden, die er sich allesamt zusammengespart hatte. Natürlich musste auch er auf dem Hof helfen, aber sobald er damit fertig war, holte er sich sein Fahrrad aus dem Schuppen und radelte nach Burgberg. Sicherlich wäre er lieber ins Meeresaquarium nach Konstanz gefahren. Aber da das wegen der Entfernung überhaupt nicht in Frage kam, half er im Burgberger Tierparadies aus, wo es ging. Und sparte sich damit seine Unterwasserwelt zusammen. Zum Leidwesen des Vaters. Als Ferdinand dann nach dem Abitur direkt nach Bremen gegangen war, hatte Vater dafür gesorgt, dass alle Aquarien aus dem Haus verschwanden. Die Enttäuschung war ihm wochenlang anzusehen gewesen. Umso mehr wunderte es Clara, dass er bei ihr damals keinen Aufstand gemacht hatte. Als sie verkündet hatte, dass sie in Berlin Design studieren würde, hatte ihr Vater nur genickt und einen Glückwunsch gemurmelt.

Bertrams plötzliche Berührung schreckte Clara aus ihren Gedanken.

»Wir sind gleich da, mein Schatz«, sagte er leise und schaute sie lächelnd an.

Clara setzte sich aufrechter hin. Sie versuchte, sich zu orientieren. Konnte es sein, dass sie so lange in Gedanken versunken gewesen war? Gerade verließen sie die A7, um der B19 zu folgen. Blieben ihr also noch ein paar Minuten Zeit, sich zu sammeln. Sie hatte schon ewig nicht mehr so viel über ihre Familie nachgedacht. Aber das war bei einer Beerdigung sicher verständlich.

Die Beerdigung! Auch hier war Clara wieder froh, dass Theresia vor Ort wohnte und sich um alles gekümmert hatte. Sie hatte auch Claras Angebot abgelehnt, eher zu kommen, um ihr unter die Arme greifen zu können. Das schaffe sie jetzt auch schon allein, war ihr Argument. Clara wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Vielleicht steckte ja doch ein kleiner Vorwurf mit drin? Na ja, sie würde es merken, wenn sie gleich auf den Hof einbogen. Für die nächste Woche hatte sie jedenfalls Urlaub eingeplant, um für ihre Familie da zu sein.

Traudl

»Mein herzliches Beileid, Traudl! Er war so ein Guter«, schluchzte die ältere Dame und drückte Traudls Hand so fest, dass sie sie schnell zurückzog. Mit einem Kopfnicken bedankte sie sich. Lächeln konnte sie schon lange nicht mehr. Die Schlange der Kondolierenden wollte kein Ende nehmen. Traudl war froh, dass Theresia ihr irgendwann einen Stuhl hingeschoben hatte und seitdem einen Regenschirm als Sonnenschutz über sie hielt. Der Friedhof lag am Grab ihres Mannes ungeschützt in der prallen Sonne und sicher hätten ihre Knie irgendwann nachgegeben.

Als die letzten Beileidsbekundungen überbracht waren, half Theresia ihrer Mutter auf. Sie hakte sich bei ihr unter und wollte sie zum Ausgang führen.

»Ach, lass mich doch noch ein bisschen beim Schorsch bleiben«, bat Traudl. Sie klammerte sich an Theresias Unterarm.

»Mutter, die Gäste werden zuhause warten«, mahnte Theresia. »Schau, wie lange wir jetzt schon hier gestanden haben. Da sind die ersten sicher schon bei uns auf dem Hof.«

»Sollen sie halt warten«, murmelte Traudl und löste sich vorsichtig vom Arm ihrer Tochter.

Sie beugte sich hinunter und richtete die Schleife des größten Kranzes, den Theresia für die Familie ausgesucht hatte.

»Hatten die keinen Flieder, den sie hätten mit reinbinden können?«, fragte Traudl und kam ächzend wieder nach oben.

Theresia seufzte leise.

»Nein, Mutter, Anfang August gibt es keinen Flieder mehr. Da hätte der Vater im Mai sterben müssen.«

Kaum war der Satz über ihre Lippen gekommen, schlug sich Theresia die Hand auf den Mund.

»Entschuldige ...«, murmelte sie erschrocken.

Traudl musterte ihre Tochter missbilligend, sagte aber kein Wort. Stattdessen schaute sie zum Grab ihres Mannes und schüttelte unmerklich den Kopf.

Die Resi war noch nie einfühlsam gewesen, dachte Traudl und schluckte. Aber ihrem Vater jetzt auch noch vorzuschreiben, wann er zu sterben hätte, nur damit er mit seinen Lieblingsblumen beerdigt werden könnte, war noch weniger als das. Trotzdem wusste Traudl, dass dem Schorsch die Bemerkung gefallen hätte. Auch wenn er es sich hätte nicht anmerken lassen. Schon gar nicht mehr seit damals, aber solche unbedachten Äußerungen seiner Großen hatten ihn immer amüsiert. Leider hatte er der Resi nie zeigen können, wie sehr er sie geliebt hat, dachte Traudl traurig. Lieber spannte er sie in die Hofarbeit ein und verband so das Angenehme mit dem Nützlichen, sie war in der Nähe und er hatte Hilfe. Als Resi dann auch noch Quirin kennengelernt hatte und der auf dem Hof mit einstieg, war sein Glück perfekt. Wenigstens würde ihm ein Kind erhalten bleiben. Noch dazu, wo sie nach ihm geraten war.

»Mutter, wir müssen los«, mahnte Theresia leise.

Traudl winkte ab. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie sich den Leichenschmaus gespart. Wo waren denn die ganzen Leute gewesen, als es dem Schorsch so schlecht gegangen war? Vereinzelt waren ein paar halbherzige Anfragen gekommen, aber letztendlich hatte ihnen niemand unter die Arme gegriffen. Hätte sie sowieso nicht gewollt.

Traudl setzte sich wieder auf den Gartenstuhl, der noch immer in der Nähe des Grabes stand.

»Ihr könnt schon rübergehen«, bot Ferdinand flüsternd an. »Ich komme so schnell wie möglich mit ihr nach.«

Mit dem Kopf deutete er auf die trauernde Mutter hinter sich.

»Meinst du wirklich? Die Mutter muss doch dabei sein ...«, begann Theresia.

»Ach komm, lass Mutter noch ein bisschen hier. Die Leute freuen sich jetzt auf Kaffee und Kuchen oder eine Brotzeit und ein Bier. Da ist es wahrscheinlich egal, wann sie nachkommt«, sagte Clara.

Die drei Geschwister standen im Halbkreis neben dem Grab und betrachteten ihre Mutter.

»Na gut, aber bleibt nicht zu lange, ja?«

Theresia drückte Ferdinand die Hand und hakte sich bei Clara unter. Langsam bewegten sie sich auf den Ausgang des Friedhofs zu, an dem Bertram mit Theresias Kindern wartete.

»Endlich haben wir Ruhe«, sagte Traudl unvermittelt und schaute ihren Töchtern nach. Sie hatte sich in der Zwischenzeit den Regenschirm wieder aufgespannt und legte ihn auf der Schulter ab, sodass ihr Kopf fast ganz darunter verschwand.

Lautlos trat Ferdinand neben sie.

»Dein Vater hat dich sehr geliebt, weißt du das?«, fragte Traudl nach einer langen Stille.

Ferdinand wusste nicht recht, was er sagen sollte. Ihm war es nicht immer so vorgekommen. Erst recht nicht mehr, seitdem er zum Studium in den Norden gezogen war. Mit seinem »Meeresbiologietick« sollte er seinem Vater gestohlen bleiben. Das waren jedenfalls die Worte, die er von ihm mit auf dem Weg nach Bremen bekommen hatte.

»Also, wusstest du das?

---ENDE DER LESEPROBE---