Einmal Liebe, kein Zurück - Alexandra Görner - E-Book

Einmal Liebe, kein Zurück E-Book

Alexandra Görner

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Beschreibung

Liebe auf Umwegen Als Jay in seinem ehemaligen verschlafenen Heimatort Castle Rock an Englands Südküste ankommt, will er nur eins: sich anhören, was seine verstorbene Tante Loretta ihm vererbt hat und dann nichts wie zurück in sein Leben nach Manchester. Niemals hätte er geahnt, dass Loretta ihm die Hälfte ihres Hotels vermacht. Und noch weniger, dass er sich nun mit der zweiten Erbin, Lorettas Stellvertreterin Grace, rumärgern muss. Grace steht von Anfang an auf Kriegsfuß mit ihm und die restliche Dorfgemeinschaft beäugt ihn mit Argusaugen. Denn Jay ist damals nicht ohne Grund aus Castle Rock weggegangen. Aber bald schon müssen Grace und er eng zusammenarbeiten, wenn sie das Hotel und Lorettas Erbe retten wollen. Und schnell wird klar: Wo gearbeitet wird, sprühen auch Funken …

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Seitenzahl: 395

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Einmal Liebe, kein Zurück

Die Autorin

Alexandra Görner ist 35 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in einer kleinen Stadt in Sachsen. Sie arbeitet in einem Zuliefererbetrieb für die Automobilindustrie und schreibt nur in ihrer Freizeit. Die verbringt sie außerdem am liebsten mit ihrer Familie und natürlich mit tollen Büchern.

Das Buch

Als Jay in seinem ehemaligen verschlafenen Heimatort Castle Rock an Englands Südküste ankommt, will er nur eins: sich anhören, was seine verstorbene Tante Loretta ihm vererbt hat und dann nichts wie zurück in sein Leben nach Manchester. Niemals hätte er geahnt, dass Loretta ihm die Hälfte ihres Hotels vermacht. Und noch weniger, dass er sich nun mit der zweiten Erbin, Lorettas Stellvertreterin Grace, rumärgern muss. Grace steht von Anfang an auf Kriegsfuß mit ihm und die restliche Dorfgemeinschaft beäugt ihn mit Argusaugen. Denn Jay ist damals nicht ohne Grund aus Castle Rock weggegangen. Aber bald schon müssen Grace und er eng zusammenarbeiten, wenn sie das Hotel und Lorettas Erbe retten wollen. Und schnell wird klar: Wo gearbeitet wird, sprühen auch Funken …

Von Alexandra Görner sind bei Forever erschienen:In der London-City-Reihe:Verliebt, verlobt, vielleichtSüße Küsse unterm MistelzweigSie dürfen die Nanny jetzt küssenLand, Luft und LiebeHalbzeitküsseVerlieb dich, verlieb dich nichtHeißkalte Winterküsse

In der Montana-Kisses-Reihe:Verlieben ausdrücklich erlaubtKüssen ausdrücklich erwünschtVerliebt und Zugeschneit

Kein Moment zum VerliebenEinmal Liebe, kein Zurück

Alexandra Görner

Einmal Liebe, kein Zurück

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuli 2020 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-565-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Leseprobe: Kein Moment zum Verlieben

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Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Grace

Gedankenversunken lehnte ich im Türrahmen zum Restaurant. Seit mehr als sechs Jahren arbeitete ich hier im Hotel. Als ich damals von London nach Castle Rock kam, verliebte ich mich sofort in diesen Ort. Und als ich eine freie Stelle in diesem wunderschönen Luxushotel ergatterte, fühlte ich mich, als wäre ich der glücklichste Mensch auf dieser Welt. Allerdings war von diesem Gefühl im Moment nichts übrig geblieben. Heute fühlte ich mich einfach nur richtig mies.

Ich atmete tief durch und versuchte mich zusammenzureißen, während ich die Tische betrachtete, die zu drei langen Tafeln zusammengeschoben und festlich gedeckt worden waren. Weiße Tischdecken und Leinenservietten, Silberbesteck und unzählige Kerzen waren auf ihnen drapiert. Das Licht der Kronleuchter brach sich im Schliff der Kristallgläser. Gedämpfte Musik erfüllte den Raum. Die Gäste amüsierten sich scheinbar hervorragend.

»Geht es dir gut, Grace?«

Hannahs Stimme ließ mich zusammenzucken. Widerstrebend wandte ich meinen Blick von Liam ab und schenkte meiner besten Freundin meine volle Aufmerksamkeit, die gerade neben mir stehen geblieben war.

»Ich sehe schon, es geht dir natürlich nicht gut. Entschuldige bitte die Frage.« Hannah seufzte leise und blickte ziemlich bestürzt drein.

Ich war gerade im Begriff etwas zu erwidern, als ich abgelenkt wurde. Langsam drehte ich mich wieder um. Liam hatte sich mittlerweile von seinem Platz an der Tafel erhoben und klopfte mit einem kleinen Silberlöffel gegen sein Champagnerglas. Als er sich der Aufmerksamkeit aller gewiss war, griff er lächelnd nach Brendas Hand, die auf dem Stuhl neben ihm sitzen geblieben war und jetzt strahlend zu ihm aufblickte. Mir drehte sich der Magen um. Ich konnte mir denken, was jetzt passierte. Ich hätte mir das ersparen und weglaufen können, aber stattdessen blieb ich mit verschränkten Armen stehen und hörte mit heftig klopfendem Herzen zu, was Liam zu sagen hatte.

Wir lebten in einer Kleinstadt. Geheimnisse existierten hier praktisch nicht und die Gerüchteküche brodelte schon seit Tagen.

Liam spannte seine Verwandten und Freunde trotzdem auf die Folter. Bitter dachte ich, dass diese Menschen früher auch für mich wie Familie gewesen waren. Seit unserer Trennung hatte sich vieles verändert. Langsam ließ Liam seinen Blick schweifen und genoss die Aufmerksamkeit sichtlich. Für einen flüchtigen Moment verharrte er auf mir. Doch bevor ich etwas in seiner Miene lesen konnte, wandte er den Blick wieder ab. Hannah drückte mitfühlend meinen Arm, und dann verkündete Liam seine Verlobung mit Brenda. Wir waren seit gut fünf Monaten getrennt. Aber diese Neuigkeit zu hören tat weh. Richtig weh. Liams nun folgende Liebesbekundungen an Brenda gingen um Haaresbreite in den begeisterten Gratulationen unter.

Ich wandte mich schnell ab. Das konnte ich keine Sekunde länger ertragen. Ich fühlte mich, als würde ich jeden Moment ersticken. Hastig flüchtete ich hinaus in die Hotellobby und eilte hinter den Rezeptionstresen.

Ich musste mich erst mal beruhigen, was in Gegenwart der beiden kaum möglich war. Überall hätten die zwei ihre doofe Verlobung feiern können. Aber sie mussten sich ja unbedingt dieses Hotel aussuchen, dachte ich immer noch ziemlich aufgebracht. Am liebsten hätte ich den beiden ordentlich die Meinung gegeigt. Aber Professionalität ging eben vor. So wie es sich für ein Fünf-Sterne-Hotel gehörte. Schließlich wollte ich unseren guten Ruf nicht ruinieren und vor allen Leuten als eifersüchtige Zicke dastehen wollte ich schon gar nicht. Ich atmete tief durch, um wieder runterzukommen. Zeit, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Das würde mich hoffentlich ablenken. Hannah war mir mittlerweile gefolgt.

»Du musst nicht hierblieben. Fahr nach Hause. Prestons Schicht beginnt sowieso in zwanzig Minuten«, schlug sie vor, während sie ebenfalls hinter den Tresen trat und mich besorgt musterte.

Seufzend ließ ich ein paar lose Zettel fallen, die ich eben zusammengesammelt hatte. Die Idee klang verlockend. Den Job an der Rezeption teilte ich mir unter anderem mit Preston, doch in der letzten Zeit hatte ich mehr und mehr damit begonnen, Aufgaben der Hotelleitung zu übernehmen. Loretta, die Besitzerin des Hotels, hatte darauf bestanden. Und nun, nach ihrem plötzlichen Tod, war ich ganz froh, dass sie es getan hatte. Auch wenn mir die Arbeit an der Rezeption nach wie vor den meisten Spaß machte.

Preston arbeitete schon lange im Hotel. Viel länger als ich. Lorettas überraschender Tod hatte ihm, genauso wie allen anderen Angestellten, schwer zugesetzt. Langsam wurde mir das alles zu viel. Sicher, ich hatte mir vorgenommen stark zu bleiben. Aber nun verlor ich doch die Beherrschung.

»Was stimmt denn nicht mit mir? In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass mir alles entgleitet«, sagte ich stockend und kämpfte die plötzlich aufsteigenden Tränen der Enttäuschung, aber vor allem der Wut nieder. Das letzte Mal hatte ich mich so schlecht gefühlt, als Liam mir den Laufpass gegeben und gleich darauf mit Brenda angebandelt hatte.

»Gar nichts. Mit dir ist alles okay«, erwiderte Hannah sofort.

Aber ich lachte nur freudlos auf. »Das sagst du nur, um mich aufzumuntern.«

Hannah schüttelte den Kopf. »Das sage ich, weil ich deine Freundin bin und weil es stimmt.«

»Fünf Jahre waren Liam und ich ein Paar. Aber kein einziges Mal hat er von einer Verlobung gesprochen. Mit Brenda ist er erst seit wenigen Monaten zusammen und schon will er sie heiraten. Wenn du mich fragst, sagt das einiges über mich. Und warum ausgerechnet Brenda? Warum die Frau, dessen Familie seit Monaten versucht Loretta das Hotel wegzunehmen? Und warum verletzt er mich so heftig, und feiert seine Verlobungsparty ausgerechnet hier, in unserem Hotel?«

Hannah schüttelte frustriert den Kopf. »Liam ist einfach ein Idiot und Idioten verhalten sich nun mal so. Und den Ort der Verlobungsparty hat mit Sicherheit Brenda ausgesucht. Sie mag dich nicht besonders. Das ist kein Geheimnis. Außerdem gab es wohl keine bessere Gelegenheit dir eins auszuwischen.«

Ich dachte einen Augenblick über Hannahs Vermutungen nach.

»Zuzutrauen wäre es ihr«, gab ich zurück. Trotzdem blieben einige Fragen offen. Warum Liam sich zum Beispiel so dermaßen bescheuert aufführte. Hätte er Brenda nicht einfach klipp und klar sagen können, dass sie sich ein anderes Hotel für die Party aussuchen sollte? Konnte er sich denn nicht gegen Brenda behaupten? Oder lag ihm daran, mir wehzutun? Wir waren so verliebt gewesen, dachte ich mit einem Anflug von Verbitterung. Und dann war alles aus und vorbei gewesen. Aus heiterem Himmel sozusagen.

Oh Mann, ich sollte wirklich endlich aufhören mir über Liam und Brenda den Kopf zu zerbrechen. Er gehörte nicht mehr zu meinem Leben. Das musste ich einsehen. Was er tat und mit wem er es tat, ging mich nichts mehr an. Aber sich an diesen Vorsatz zu halten war schwer, wirklich schwer. Vor allem, da ich den beiden andauernd zu begegnen schien. Wenn es nicht hier im Hotel war, dann irgendwo anders in Castle Rock. Wie sollte ich es da schaffen einen emotionalen Schlussstrich unter diese Beziehung zu ziehen?

Schließlich griff Hannah nach meiner Hand und drückte sanft zu. »Wie dem auch sei. Jetzt fahr nach Hause und lenk dich ab. Wer weiß, vielleicht kannst du wie durch ein Wunder den Abend sogar noch ein bisschen genießen.«

Die letzten Silben hatten Hannahs Mund gerade verlassen, als die Schwingtür zur Lobby aufflog und Preston durch die Tür marschierte.

Erleichtert schaute ich ihn an. Ich war wirklich froh ihn endlich zu sehen.

»Du kommst wie gerufen«, begrüßte Hannah Preston.

»Ich habe euch auch vermisst, Mädels«, rief er und hauchte uns beiden zur Begrüßung Küsschen auf die Wangen. Dann begann er damit seine Sachen unter dem Tresen zu verstauen.

»Also was habe ich heute Abend verpasst?«, fragte Preston, als er damit fertig war, sich leger gegen den Tresen lehnte und Hannah und mich fragend anschaute.

Hannah und ich setzten ihn über alle Neuigkeiten in Kenntnis. Wobei ich es Hannah überließ, ihm von Liams und Brendas Verlobung zu erzählen.

Preston tätschelte mir die Schulter. »Mach dir nichts draus, Süße. Liam ist ein Vollpfosten. Du hast einen besseren als ihn verdient. Er war mir schon immer unsympathisch. Schon früher konnte ich ihn nicht leiden und daran hat sich bis heute nicht besonders viel geändert.«

Leise seufzend rückte ich Prestons blau-grau gestreifte Krawatte zurecht. »Du bist lieb«, sagte ich lächelnd. »Danke, dass du so viel Energie aufbringst und versuchst mich aufzumuntern. Dafür danke ich euch übrigens beiden«, wandte ich mich auch an Hannah.

Neben Hannah gehörte auch Preston zu meinen besten Freunden.

»Sag mal, kommt Quinn auch zu Lorettas Testamentsverlesung oder nimmst du allein daran teil?«

Sofort schwand Prestons gute Laune und er seufzte leise auf. »Quinn wird dabei sein. Er weiß, dass ich es ohne ihn nicht durchstehen werde. Loretta war für uns wie Familie.«

Ich nickte. Genauso empfand ich es auch. Und das lag sicher auch daran, dass ich eine kleine Wohnung in ihrem wunderschönen Haus gemietet hatte, das direkt über den Klippen von Castle Rock thronte. Sie war nicht nur meine Chefin gewesen, sondern meine Freundin und neben meiner Familie, Hannah und Preston eine meiner engsten Vertrauten. Sie hatte immer ein offenes Ohr für mich gehabt. Vor allem seit der Trennung von Liam. Ich konnte immer noch nicht begreifen, dass sie nicht mehr da war. Von der Diagnose Krebs bis zu ihrem Tod waren nur wenige Wochen vergangen. Niemand von uns hatte Zeit gehabt, sich mit der Situation richtig auseinanderzusetzen. Als wir es richtig begriffen hatten, war Loretta schon von uns gegangen. Der einzige Trost bestand darin, dass sie wohl nicht hatte leiden müssen. Was Preston und Quinn anging, so überraschte es mich nicht, dass die beiden die Testamentsverlesung morgen Seite an Seite durchstehen würden. Ich kannte die beiden sowieso nur zusammen. Preston ohne Quinn – das war undenkbar. Eine Liebe wie diese war wirklich beneidenswert.

Hannah tippte auf ihre Armbanduhr. »Deine Schicht ist um«, erinnerte sie mich. »Jetzt fahr schon endlich nach Hause.«

»Du willst mich wirklich unbedingt loswerden, was?«, gab ich zurück.

»Nein«, erwiderte Hannah gedehnt. »Ich will dir nur Liams und Brendas Geturtel ersparen. Ich denke davon hattest du heute mehr als genug.«

»Und ob. Noch mehr von den beiden kann ich wirklich nicht aushalten.« Gleich darauf begann ich damit meine Sachen zusammenzupacken.

Wie auf Knopfdruck drang fröhliches Gelächter aus dem Restaurant zu uns heraus in die Lobby.

Genervt rollte ich mit den Augen. »Das ist mein Stichwort. Ich fahre dann mal lieber.«

Während ich schließlich nach meiner Handtasche griff, kamen Liam und Brenda auch noch in die Lobby geschlendert. Verdammt, das hatte gerade noch gefehlt. Mir drehte sich der Magen um, als ich die beiden Händchen haltend vorbeikommen sah. Liam nickte Preston zur Begrüßung kurz zu. Der allerdings verzog keine Miene. Während Hannah wirkte, als würde sie den beiden die Pest an den Hals wünschen, machte Preston eher den Eindruck, als könnte er nur mit Mühe und Not ein Würgen unterdrücken.

Als die beiden endlich weg waren, atmete Preston erleichtert auf. »Hannah kann in die Küche flüchten und du kannst jetzt nach Hause fahren. Aber ich muss mir diese Flirterei noch den ganzen Abend über anschauen.«

»Ach du Armer«, versuchte ich zu scherzen, obwohl mir eigentlich nicht danach zumute war und hängte mir dabei meine Tasche über die Schulter.

»Du bist echt nicht zu beneiden«, kommentierte Hannah schmunzelnd und fügte dann hinzu: »Ich gehe jetzt aber wirklich besser zurück in die Küche. Man erwartet mich bestimmt schon.«

Preston grinste und ich erwiderte: »Eine der besten Köchinnen Englands wird mit Sicherheit schon vermisst.«

Ich verabschiedete mich schließlich von Preston, der sich gleich darauf einem Gast zuwandte, der die Rezeption ansteuerte.

Während Preston beschäftigt war, verabschiedete ich mich auch von Hannah.

»Wir sehen uns dann morgen«, sagte ich und Hannah umarmte mich.

»Bis morgen«, erwiderte sie. Einen Augenblick später hielt sie mich auf Armeslänge von sich und blickte ernst drein: »Ich weiß, die Verlobung macht dir zu schaffen. Aber mach keine Dummheiten, okay?«

Beschwichtigend versuchte ich zu lächeln, um Hannah zu beruhigen. »Keine Sorge, ich habe nicht vor aus dem Fenster zu springen. Aber mal im Ernst. Was sollte ich schon für Dummheiten begehen? Mach dir keine Gedanken. Mir geht es gut.«

Erleichtert nickte Hannah. »Okay, dann lasse ich dich jetzt endlich gehen.«

Schließlich machte ich mich auf den Weg und mit jedem Schritt, den ich mich vom Hotel, von Liam, von Brenda und dieser dummen Feier entfernte, ging es mir ein klitzekleines bisschen besser.

Als ich das Hotel verließ und über den Parkplatz Richtung Auto lief, warf ich einen kurzen Blick gen Himmel. Erleichtert stellte ich fest, dass der Wetterbericht von heute Morgen recht zu behalten schien. Denn mittlerweile hatten sich dunkle Wolken zusammengebraut. Die späte Abenddämmerung ging langsam in die Nacht über und dann begann es tatsächlich leicht zu regnen. Ich verlangsamte meine Schritte, hob mein Gesicht für einen Augenblick Richtung Himmel und genoss den feinen Sprühregen, der meine Haut benetzte. Seit Wochen warteten wir auf Regen. Um einiges zufriedener als gerade eben setzte ich den Weg zu meinem Auto fort. Wer hätte gedacht, dass ein kleiner Schauer meine Laune einmal so heben würde. Während ich einstieg und meine Handtasche auf den Beifahrersitz fallen ließ, beschloss ich noch zum Supermarkt zu fahren und eine Flasche Wein zu kaufen. Das Hotel hatte einen exzellenten Weinkeller. Aber der war etwas für Kenner und ich musste ehrlicherweise zugeben, dass ich mir nicht besonders viel aus Wein machte. Der teure Tropfen wäre an mich also reine Verschwendung gewesen. Heute allerdings würde ich eine Ausnahme machen und mir ein Schlückchen gönnen. Während ich fuhr, versuchte ich Hannahs und auch meinen eigenen Rat zu befolgen und nicht weiter über Liam und Brenda nachzudenken. Allerdings hatte ich dabei nur mäßigen Erfolg.

Castle Rock ließ ich schließlich hinter mir und fuhr über die Landstraße, die Richtung Blue Ridge führte. Leider gab es in Castle Rock keinen Supermarkt, daher die Fahrt in den Nachtbarort. Ich hing meinen Gedanken nach, Musik dudelte aus meinem Autoradio und der Regen wurde jetzt immer stärker. Dicke Tropfen klatschten auf die Frontscheibe. Die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren. Aus dem Radio erklangen die ersten Töne von How deep is your love. Für schnulzige Lieder hatte ich jetzt wirklich keine Nerven. Während ich mich der Stadt näherte, drückte ich am Radio herum, wechselte von einem Sender zum nächsten. Aber überall das gleiche. Scheinbar hatte sich heute alles gegen mich verschworen. Auf jedem Sender wurde der Herzschmerz oder die große Liebe besungen. Entnervt schaltete ich das Radio schließlich aus.

Und das war der Moment, in dem ich nur einen kurzen Augenblick unaufmerksam war. Ich hatte meinen Blick für wenige Sekunden nicht mehr auf die Straße gerichtet und als ich gleich darauf wieder aufsah, blieb mir vor Schreck fast das Herz stehen. Eine dunkle Gestalt hastete direkt vor mir über die Straße. Geistesgegenwärtig trat ich auf die Bremse. Doch der Bremsweg meines Autos war bei den Witterungsverhältnissen und bei der Geschwindigkeit, die ich fuhr, zu lang. Einen Sekundenbruchteil später spürte ich einen Aufprall und mein Auto kam kurz darauf endlich zum Stehen.

Sofort riss ich die Tür auf, sprang heraus und rannte hektisch um meinen Wagen herum. Die schwarze Gestalt hockte ein gutes Stück hinter meinem Auto auf der Straße. Vor Schreck schlug ich die Hände vor den Mund. Nur mühevoll konnte ich einen Schrei unterdrücken. Ach du liebe Güte, ich hatte jemanden angefahren.

Eilig rannte ich zu dem Mann. Meine Knie zitterten, meine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an und mein Herzschlag überschlug sich beinahe. Mir war gerade so schlecht, dass ich das Gefühl hatte, mich in den nächsten Sekunden übergeben zu müssen.

»Oh mein Gott, sind Sie verletzt?«, rief ich aufgeregt, während ich mich neben dem Mann auf die Straße kniete. Zwei braune Augen schauten mich unter einer Baseball Cap heraus an. Mein Puls raste und mein Herzschlag lief auf Hochtouren.

Der Mann schüttelte langsam den Kopf, während er die Mütze abnahm und die braunen Haare zurückstrich. Erschrocken hielt ich die Luft an. Eine Platzwunde zierte seine Stirn.

»Nein, ich denke ich bin okay«, stieß er mühsam hervor. Allerdings schien er ziemlich orientierungslos. Kein Wunder, schließlich hätte ich ihn um ein Haar umgebracht. Mir war immer noch total schlecht und ich wusste vor lauter Schreck nicht so recht, was ich eigentlich tun sollte.

Der Regen prasselte auf uns herab und durchnässte unsere Haare und Kleidung. Irgendwie schaffte ich es doch noch mich zu besinnen.

»Am besten ich rufe einen Krankenwagen und die Polizei benachrichtige ich wohl besser auch gleich«, stammelte ich aufgeregt.

»Nicht nötig«, erwiderte er und machte Anstalten aufzustehen.

»Aber Sie haben eine Platzwunde an der Stirn«, protestierte ich und hinderte ihn daran sich zu erheben. »Sie müssen sich untersuchen lassen. Was ist, wenn Sie eine Gehirnerschütterung haben?«, fügte ich sicherheitshalber hinzu und konnte nur hoffen, dass er kapierte, wie ernst die Lage war.

»Es geht schon«, gab er ungehalten zurück. »Ich brauche keinen Arzt und die Polizei auch nicht. Ich komme schon klar. Ist sicher nur ein Kratzer. Außerdem war ich schon schlimmer verletzt«, motzte er und schob meine Hand beiseite.

Er war sauer. Das konnte ich verstehen. Das wäre ich auch gewesen. Ich deutete auf die Reisetasche, die ebenfalls auf der Straße lag. Sie sah tüchtig ramponiert aus. Kein Zweifel, egal was da drin war. Seine Habseligkeiten waren mit Sicherheit Schrott.

»Ich bin gut versichert und ich werde Ihnen den Schaden natürlich ersetzen«, sagte ich beschwichtigend. »Und die Wunde an Ihrem Kopf müssen Sie trotzdem unbedingt ärztlich untersuchen lassen«, beharrte ich.

Langsam tastete der Fremde seine Stirn ab. Als seine Finger die Verletzung streiften, verzog er die Lippen und ich hörte, wie er kurz die Luft einsog.

Dann betrachtete er seine Finger und das Blut, das daran klebte. Er fluchte leise und startete gleich darauf einen neuen Versuch aufzustehen. Diesmal hinderte ich ihn nicht daran, stattdessen half ich ihm, auf die Beine zu kommen.

Außerdem hob ich seine Reisetasche vom Boden auf. Oder besser gesagt, das, was davon übrig geblieben war.

»Tut mir wirklich sehr leid«, sagte ich beschämt und war immer noch ziemlich durcheinander. Ich durfte gar nicht daran denken, was gerade hätte passieren können. Mein Gott, der Mann hätte tot sein können.

Er sparte sich eine Antwort, stattdessen griff er nach der Tasche, aber nun war ich diejenige, die den Kopf schüttelte. »Lassen Sie mich wenigstens die Tasche tragen. Wohin wollten Sie eigentlich?« Mit einem leichten Kopfnicken deutete er auf das kleine Hotel zu seiner Linken. Mittlerweile war ich vollkommen durchnässt und ihm musste es ähnlich gehen. Trotz des Adrenalins, das gerade durch meinen Körper schoss, spürte ich, dass ich zu frösteln begann.

»Eingecheckt habe ich schon. Ich war nur hier draußen, um mein Gepäck zu holen.«

Ich nickte knapp.

»Na gut. Dann gehen Sie am besten voran und ich folge Ihnen einfach.«

Er zögerte einen Moment und musterte mich. Dann seufzte er auf. Schließlich gab er sich geschlagen und sagte: »Da Sie sich wohl nicht abschütteln lassen, kommen Sie eben mit.«

Ich überlegte ob es heute eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Ohne Zweifel, das war einer dieser Tage, an dem man lieber im Bett geblieben wäre.

Gemeinsam überquerten wir die Straße. Während er die Tür des kleinen Hotels aufstieß und mich vorangehen ließ, erklärte er: »Ich wohne in Zimmer 4.«

Ich schaute mich kurz um und fragte dann: »Wie viele Zimmer gibt es?«

Ein kurzes Schmunzeln huschte über sein Gesicht. »Sechs.«

Das Foyer war so gut wie leer, bis auf die junge Frau, die hinter dem Rezeptionstresen stand und in einer Zeitschrift blätterte, während sie gelangweilt auf einem Kaugummi kaute. Sie hob nicht einmal den Blick, als wir eintraten.

»Hier geht’s lang«, sagte der Fremde und ging durch einen schmalen Korridor, der nur spärlich beleuchtet war und dringend mal gestrichen werden musste. Ich folgte ihm. Das Geräusch unserer Schritte wurde von einem ziemlich abgenutzten Teppich verschluckt.

Einen Augenblick später stieß er die Tür auf. »Da wären wir«, sagte er und blieb im Türrahmen stehen und schaute sich zu mir um.

Er streckte die Hand aus und ich gab ihm seine Tasche zurück. Mittlerweile hatte ich mich wieder ganz gut gefangen.

»Danke fürs Tragen«, erwiderte er knapp und schaute auf unsere Hände hinunter, die einen Augenblick gemeinsam die Henkel der Tasche umfassten. Ich ließ schnell los und überließ ihm sein Gepäck. Mein Herz schlug schneller, als ich in seine tief braunen Augen schaute und einen kleinen Schritt zurückwich. Und dann sah ich ihn genauer an. Überraschenderweise kam er mir irgendwie bekannt vor. Was seltsam war, weil ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, ihm jemals zuvor begegnet zu sein.

»Das war das Mindeste, was ich tun konnte«, stammelte ich und zerbrach mir den Kopf darüber, wo ich ihn schon einmal gesehen haben könnte.

Er nahm die Tasche und schickte sich an, ins Zimmer zu gehen.

»Sie bluten immer noch«, sagte ich und deutete mit einem schlechten Gewissen auf seine Stirn.

Abermals tastete er nach seiner Verletzung.

Als er dann das Blut an seinen Fingern betrachtete, erwiderte er: »Ja, ich sehe schon. Ich gebe zu, mir brummt mittlerweile ganz schön der Schädel.«

Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und ging in sein Zimmer. Mich ließ er kurzerhand einfach stehen. Seine Tasche ließ er achtlos auf den Boden fallen und einen Moment später bückte er sich und öffnete die Minibar.

Ich beobachtete ihn stumm und war hin- und hergerissen. Sollte ich lieber gehen, oder ihm ins Zimmer folgen? Immerhin hatte er mich nicht gebeten hereinzukommen. Allerdings hatte ich ihn gerade um ein Haar überfahren, und gebot es dann nicht der gute Anstand, ihm Hilfe anzubieten? Andererseits kannte ich ihn nicht, ich wusste noch nicht einmal seinen Namen. Wie war das noch? Geh niemals mit Fremden mit. Das hatten mir meine Eltern schließlich von klein auf eingebläut.

»Machen Sie einfach die Tür hinter sich zu, wenn Sie gehen«, bat er, während er sich dem Inhalt seiner Minibar widmete und mich dann schlicht und einfach ignorierte.

Wortlos starrte ich ihn an und wusste nicht recht, was ich tun sollte. Wohl einfach gehen. Immerhin hatte ich mich entschuldigt und ihm sogar mehrfach versichert, für seinen durch den Unfall entstandenen Schaden aufzukommen. Genau genommen konnte ich also nicht mehr tun. Und er hatte mir gerade mehr als deutlich signalisiert, dass er lieber allein sein wollte.

Aus selbst für mich gerade unerklärlichen Gründen blieb ich trotzdem hier. Anstatt durch den schummrigen Flur zu gehen und diese Absteige zu verlassen, betrat ich sein Zimmer und schloss die Tür hinter mir.

Über seine Schulter hinweg schaute er mich fragend an.

Im Halbdunkel des Zimmers, mit der Verletzung auf der Stirn, den wirren Haaren und in dem schwarzen Sweatshirt sah er gefährlich aus. »Ist noch irgendetwas?«, fragte er.

Mit klopfendem Herzen trat ich näher zu ihm.

Während er mich fragend musterte.

»Also ich habe kapiert, dass Sie gerade nicht besonders viel Wert auf Gesellschaft legen. Aber ich kann Sie nicht einfach allein lassen.« Mit einem leichten Nicken deutete ich auf seine Wunde am Kopf. »Sie sollten sich wirklich um Ihre Verletzung kümmern. Das, was sie da an der Stirn haben, ist vielleicht mehr als nur ein Kratzer.«

Ich hatte Einwände erwartet, aber überraschenderweise nickte er.

»Deshalb suche ich ja gerade etwas zum Kühlen«, klärte er mich auf und wandte dann den Blick wieder von mir ab. »Hier muss doch irgendwas Brauchbares drin sein«, murmelte er und förderte gleich darauf eine Dose Coca-Cola zutage.

Mit der Dose an der Stirn ließ er sich auf sein Bett sinken. Er schloss die Augen und stöhnte leise auf.

Das konnte ich einfach nicht mit ansehen. Ich schlug meine letzten Bedenken in den Wind, trat noch weiter auf ihn zu und nahm ihm kurzerhand die Dose ab.

»Was soll das?« Er bedachte mich mit einem intensiven Blick und plötzlich fühlte ich mich, als wäre ich ihm schutzlos ausgeliefert.

Ich riss mich zusammen, versuchte meinen flatternden Puls unter Kontrolle zu bekommen, während ich ihm antwortete: »Wenn Sie sich immer so nachlässig um Ihre Gesundheit kümmern, dann ist es ein Wunder, dass Sie überhaupt noch leben. Die Wunde muss wenigstens gereinigt und desinfiziert werden, und dann wäre zumindest ein Pflaster angebracht. Danach können Sie die Dose wiederkriegen. Also, haben Sie Desinfektionsmittel und Pflaster?«

Seine vollen sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem flüchtigen Lächeln und mein Herz klopfte um ein paar Takte schneller. »Desinfektionsmittel nicht, aber Pflaster. Die sind irgendwo in meiner Tasche.«

Als er aufstehen wollte, hinderte ich ihn daran. »Bleiben Sie sitzen. Ich hole sie Ihnen.«

Ich drückte ihm schließlich die ramponierte Tasche in die Hand. »Ich werde den Schaden wirklich ersetzen.«

Der Fremde rang sich ein weiteres knappes Lächeln ab. »Ja, das sagten Sie schon.«

Schließlich stellte er die Tasche neben sich aufs Bett und zog den Reißverschluss auf. »Also, was haben wir denn da?«, sagte er mehr zu sich selbst als zu mir und betrachtete einen Augenblick schweigend den Inhalt seines Reisegepäcks.

Als Erstes zog er sein Tablet heraus, das durch den Unfall so demoliert war, dass es kaum noch als solches auszumachen war. Mit hochgezogenen Brauen betrachtete er es und drehte das gute Stück hin und her.

»Das ist schon mal hinüber«, meinte er lapidar und mein schlechtes Gewissen meldete sich sofort zurück. Deshalb sagte ich sicherheitshalber: »Ich bin wirklich heilfroh, dass ich zum größten Teil Ihre Tasche erwischt habe und weniger Sie.«

Sein Lächeln wurde jetzt breiter, als er erwiderte: »Geht mir auch so.«

Nach und nach offenbarte er den Inhalt seiner Tasche. Jeans, T-Shirts, Socken, Unterhosen. Durch die Bekanntschaft mit meinem Auto war das alles ziemlich in Mitleidenschaft gezogen.

»Na endlich«, kommentierte er, als er auf seinen Kulturbeutel stieß und kippte den Inhalt kurzerhand auf dem Bett aus. Neben dem Rasierer, seiner Creme, der Zahnbürste, der Zahnpasta, dem Duschgel und dem Shampoo kamen auch die erwarteten Pflaster herausgefallen, gefolgt von mehreren Kondomtütchen.

»Was für ein Glück. Alles noch heil«, sagte er und grinste verschmitzt. Angesichts der Kondome fühlte ich, wie mir die Röte in die Wangen schoss. Er dagegen schien sich über meine plötzliche Verlegenheit zu amüsieren.

»Ja, was für ein Glück«, stammelte ich mit hochroten Wangen und bot im gleichen Atemzug an, hinunter ins Foyer zu laufen und das fehlende Desinfektionsspray zu besorgen.

»Das erledige ich schon selbst«, erwiderte er nun ziemlich gelassen und grinste mich dabei unaufhörlich an. Schien fast so, als amüsierte er sich gerade so prächtig über meine Unsicherheit, dass er seinen Kopfschmerz dabei vergessen hat.

»Nein, nein«, stammelte ich noch immer verlegen. Hastig wandte ich mich um, ließ ihn auf dem Bett sitzen und eilte gefolgt von seinem Lächeln Richtung Tür und verschwand dann schnell aus seinem Zimmer. Und zum zweiten Mal an diesem Tag fühlte ich mich, als würde ich keine Luft bekommen, so heftig klopfte mir gerade das Herz in der Brust. Doch anders als vorhin im Hotel fühlte es sich nun seltsam gut an. Das wohlige Ziehen in meinem Bauch, das sein Lächeln in mir ausgelöst hatte, machte mich nervös und gleichzeitig gefiel es mir und das, obwohl ich natürlich wusste, dass es besser wäre, wenn es das nicht täte.

Schließlich lief ich den Flur entlang, bis ich wieder zurück im Foyer war. Als ich eintrat, legte die junge Frau gerade ihre Zeitschrift beiseite und blickte dann zu mir herüber.

»Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte ich, als ich vor dem Tresen stehen blieb. Die Frau schaute mich neugierig an.

Zögernd starrte ich auf das Fläschchen Desinfektionsspray in meiner Hand und dann auf den Türknauf. Mein Puls raste.

Geh sofort nach Hause. Der Typ wird dir nur Ärger bringen. Das kann kein gutes Ende nehmen, schrie mir mein Verstand fast schon hysterisch zu.

Nein, geh wieder hinein zu ihm. Du willst es doch. Dann tue es, sprach mir hingegen mein Herz Mut zu.

Mit widersprüchlichen Gefühlen betrachtete ich die geschlossene Tür.

Ich atmete tief durch, schließlich befolgte ich den Rat meines Herzens und betrat sein Zimmer. Erstaunt stellte ich fest, dass es leer war. Leise schloss ich die Tür hinter mir und stellte das Fläschchen auf ein kleines Tischchen, das neben der Minibar an der Wand stand.

»Da sind Sie ja wieder.«

Die Stimme des Fremden ließ mich herumfahren. Gleichzeitig trieb sein Anblick meinen Puls in schwindelerregende Höhen. Sein dunkles Haar war noch feucht, seine Augen leuchteten auf und seine Lippen waren zu einem hinreißenden Lächeln verzogen. Um die Hüften hatte er ein weißes Handtuch geschlungen, das einen hervorragenden Kontrast zu seinem gebräunten und wirklich beeindruckenden Körper abgab. Ansonsten war er nackt. Hastig schaute ich weg.

Sein Anblick brachte mich durcheinander. Während mich die Verlegenheit wieder voll im Griff hatte, schien es ihm schon um einiges besser zu gehen.

»Ich dachte, ich nutze die Zeit und springe schnell unter die Dusche. Ich wollte unbedingt die nassen Klamotten loswerden. Ach, kommen Sie schon, jetzt tun Sie nicht so, als hätten Sie noch nie einen nackten Kerl gesehen«, zog er mich auf.

Noch nie einen wie Sie, schoss es mir durch den Kopf. Einen kurzen Augenblick dachte ich an Liam. Was den Körper betraf, konnte er nicht mal annähernd mit dem Fremden mithalten.

»Sie dürfen mich gerne weiter anstarren«, meinte er jetzt grinsend.

Ich ignorierte seine Bemerkung, stattdessen verbesserte ich ihn: »Halb nackt. Sie sind nur halb nackt«. Standhaft versuchte ich ihm ins Gesicht zu schauen und meinen Blick nicht abwärts schweifen zu lassen.

Sein Lächeln wurde breiter. Oh Mann, ich wette ich war gerade sehr durchschaubar.

»Das lässt sich ändern«, meinte er lässig und aus dem Augenwinkel sah ich, wie seine Finger nach dem Handtuch griffen.

»Nein, nein«, sagte ich schnell und gebot ihm mit diesen Worten Einhalt. »So kleinlich müssen wir nicht sein«, fügte ich schnell hinzu.

Er lächelte abermals.

»Klein ist das falsche Adjektiv«, meinte er augenzwinkernd und mir wurde noch ein bisschen heißer.

Aber anstatt das Handtuch fallen zu lassen, wie ich gerade ernsthaft befürchtet hatte, steckte er es einfach ein bisschen fester.

»Das war gerade nur ein Witz. Wirklich«, beteuerte er und ich entspannte mich ein klitzekleines bisschen.

Erklärend fügte er hinzu: »Ihre Verlegenheit, als Sie die Kondome vorhin gesehen haben, war einfach zu lustig. Aber bitte, machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe wirklich nicht vor, Ihnen zu nahezutreten. Ehrlich gesagt, will ich mich im Moment einfach nur hinlegen und endlich schlafen. Ich bin ziemlich fertig.«

Ich nickte. »Würde mir auch so gehen«, gab ich zu und räusperte mich dann leise. Schließlich war es meine Schuld, dass er sich gerade so schlecht fühlte und ich wünschte, ich hätte die Zeit zurückdrehen können.

Ich deutete auf das Spray, das auf dem Tisch hinter mir stand.

»Ich habe das Spray«, erklärte ich überflüssigerweise, während er langsam näherkam. Schließlich blieb er stehen, beugte sich nach vorne und langte um mich herum. Seine Nähe hätte mir unangenehm sein sollen, aber das Gegenteil war der Fall. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen. Was vollkommen und absolut verrückt war, angesichts der Tatsache, dass wir uns gerade erst kennengelernt hatten. Auch wenn mich das Gefühl nicht losließ, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

Als er einen Schritt zurücktrat, hielt er das Spray in der Hand. »Danke«, raunte er und mein Herzschlag beruhigte sich ein bisschen. Was wirklich gut war. Denn ehrlich gesagt, befand ich mich kurz vor einem Kammerflimmern. Zumindest fühlte es sich so an.

»Könnten Sie?«, fragte er schließlich und reichte mir das Desinfektionsmittel.

Ich zögerte einen kurzen Moment. Irgendwie fühlte es sich so an, als wäre das der letzte Augenblick, um das Weite zu suchen. Und den ließ ich verstreichen, indem ich es wortlos entgegennahm.

Ich streckte die Hand aus und strich ihm die noch feuchten Haare aus der Stirn. Mein Herz schlug mir heftig in der Brust und nur mit Mühe und Not konnte ich ein Zittern meiner Hände unterdrücken.

»Halten Sie still. Es wird sicher nicht wehtun«, sagte ich, während ich mich auf die Zehenspitzen stellen musste, um die Wunde richtig in Augenschein nehmen zu können und versuchte dabei selbst ganz ruhig zu bleiben, aber mein Puls flatterte verräterisch.

»Das ist nicht gerade einfach.«

»Warum nicht?«, fragte ich, während ich das Spray auf seine Wunde auftrug. Die Tatsache, dass er immer noch halb nackt sehr nah vor mir stand, versuchte ich vehement zu ignorieren.

»Weil es mir gefällt, in Ihrer Nähe zu sein«, sagte er plötzlich.

Mit heftig klopfendem Herzen hielt ich inne, während sich mein Brustkorb in schnellen Atemzügen hob und senkte.

»Gefällt es Ihnen auch?«, fragte er weiter und mir wurden augenblicklich die Knie weich.

»Sagten Sie nicht gerade, Sie wollten mir nicht zu nahekommen?«, erinnerte ich ihn.

Leise räusperte er sich. »Richtig. Das sagte ich.«

Ich zögerte meine Antwort auf seine ursprüngliche Frage absichtlich hinaus. Zuerst einmal musste ich versuchen meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Und das war wieder etwas, was momentan schier unmöglich schien.

Abwartend blickte er mich an. Aber ich brachte lieber erst zu Ende, was ich gerade tat.

»Jetzt noch das Pflaster«, erklärte ich und versuchte meine Stimme fest klingen zu lassen, während ich es behutsam auf seine Verletzung klebte.

»So, das hätten wir«, sagte ich schließlich und ließ die Hände sinken.

»Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, erinnerte er mich.

Mein Herz schlug schneller, mein Puls raste und meine Wangen glühten.

»Wir kennen uns nicht«, hielt ich dagegen.

Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem süßen Lächeln. »Ich bin Jay.«

»Grace«, sagte ich, während er raunte: »Und schon kennen wir uns. Also sind wir keine Fremden mehr.«

Ich schaffte es schließlich, ihm wieder in die Augen zu schauen.

»So einfach, ja?«

Schulterzuckend lächelte er und nickte. Er griff nach dem kurzen Ärmel meines Kleides und zupfte behutsam daran. »Ja, so einfach.«

Seine Müdigkeit schien verflogen zu sein.

»Vielleicht solltest du dein Kleid ausziehen. In den nassen Klamotten holst du dir sonst noch einen Schnupfen.«

Und schon wieder brach er sein Versprechen von gerade eben. Unwohl fühlte ich mich in seiner Gegenwart trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil. Er hatte etwas an sich, das mich anzog.

Der Stoff meines Kleides fühlte sich tatsächlich noch ziemlich klamm auf meiner Haut an.

»Bietest du mir gerade eine heiße Dusche an?«, stieg ich auf seinen kleinen Flirt ein.

Sein Lächeln verstärkte sich.

»Ja, das tue ich. Hast du Interesse?«

Eine Frage, hinter der sich so viel mehr zu verbergen schien.

Wenn ich jetzt nickte und ja sagte, würde es vielleicht keinen Weg zurückgeben.

Ich hielt den Blickkontakt zu Jay aufrecht. Sein Angebot war verlockend. Aber ich lehnte trotzdem ab.

»Ich gehe jetzt besser«, sagte ich, obwohl ich gerne geblieben wäre. Jay schien wirklich nett zu sein. Aber tief in meinem Herzen war ich noch nicht bereit für einen anderen Mann.

Jay nickte, und trat einen Schritt zurück.

Schließlich sagte er: »Danke für das Pflaster und das Spray.«

»Das du ohne mich nicht gebraucht hättest«, erinnerte ich ihn und er nickte lächelnd.

»Stimmt.«

Für einen Moment hielt er meinem Blick stand, dann wandte er sich ab und ging zu seinem Bett zurück, auf dem noch immer seine Habseligkeiten verstreut lagen. Er wühlte in seinen Sachen.

Einen Augenblick später hielt er eine Hose und ein Shirt in der Hand.

»Wenn du dieses Hotelzimmer jetzt nicht sofort verlässt, hast du doch noch die Chance mich nackt zu sehen. Ich will mich nämlich endlich wieder anziehen«, ließ er mich wissen.

Abwehrend hob ich die Hände. »Ich bin schon weg«, gab ich lächelnd zurück und wollte mich abwenden. Als mir einfiel, dass wir unsere Nummern noch gar nicht ausgetauscht hatten.

»Wir müssen unbedingt die Telefonnummern austauschen. Du kontaktierst mich dann am besten wegen der Kosten, die ich dir schuldig bin.«

Ich durchwühlte meine Tasche auf der Suche nach einem Zettel. Den ich kurze Zeit später auch fand. Einen Stift suchte ich allerdings vergeblich.

»Hast du etwas zum Schreiben?«, fragte ich, als Jay mir schon einen Stift und auch ein Stück Papier reichte, auf das er, während ich noch mit Suchen beschäftigt war, seine Nummer gekritzelt hatte.

»Danke«, erwiderte ich, als ich beides entgegennahm. Ich schrieb ihm meine Nummer auf und gab ihm dann beides.

»Du meldest dich bei mir, ja?«

Jay nickte. »Klar, mach ich.«

Ich schenkte ihm ein Lächeln und wandte mich schließlich ab, um nach Hause zu fahren.

Kapitel 2

Jay

Während sich Grace beeilte so schnell wie möglich aus meinem Zimmer zu kommen, zog ich mir mein T-Shirt über den Kopf und stieg dann in meine Boxershorts.

Als die Tür ins Schloss gefallen war, haute ich mich endlich aufs Ohr. Ich war dermaßen fix und fertig, dass ich angenommen hatte einzuschlafen, sobald mein Kopf das Kissen berührte. Aber Fehlanzeige. Denn es war Grace, die mir gerade nicht aus dem Kopf gehen wollte. Leise seufzend zog ich mir die Decke bis zum Bauch nach oben und machte die Augen zu. Der hämmernde Kopfschmerz war schwächer geworden. Dennoch brummte mir noch immer ziemlich der Schädel. Verdammt, was für ein verrückter Tag.

Am nächsten Morgen wurde ich von einem Klopfen an meine Zimmertür geweckt.

Während ich die Augen aufschlug und dann meine Haare zurückstrich, musste ich mich erst mal orientieren. Ich brauchte einen kurzen Moment, um zu begreifen, wo ich war und dass das Klopfen keine Einbildung war.

»Einen Augenblick«, rief ich, während ich die Decke zurückschlug und aus dem Bett aufstand.

Als ich einen Augenblick später die Tür aufriss, staunte ich nicht schlecht.

Ich hätte mit allem gerechnet, aber bestimmt nicht damit, Grace zu sehen. Und doch stand sie jetzt vor mir.

Sie maß mich mit Blicken und schaute mir dann ins Gesicht.

»Sieht so aus, als würde ich gerade ungelegen kommen«, sagte sie und trat scheinbar nervös von einem Fuß auf den anderen.

Ich räusperte mich und schüttelte dann den Kopf. »Nein, gar nicht«, behauptete ich.

Grace grinste mich an. »An deiner Glaubhaftigkeit solltest du noch arbeiten. Gib ruhig zu, dass es gerade schlecht passt.«

Ich deutete auf meinen Aufzug. »Du hast mich gerade aus dem Bett geholt«, gab ich zu und erwiderte dann ihr Lächeln, das einfach ansteckend war.

»Warum bist du überhaupt hier?«, wollte ich wissen. Denn eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, sie so schnell wiederzusehen, wenn überhaupt. Wartend lehnte ich im Türrahmen.

»Um zu sehen, ob es dir gut geht«, gab Grace zu und räusperte sich dann verlegen. »Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen, weil ich andauernd darüber nachdenken musste, ob du okay bist. Mit einer Kopfwunde ist nun wirklich nicht zu spaßen.“

»Es geht mir gut, ehrlich. Keine Kopfschmerzen mehr«, schwor ich und Grace atmete sichtlich erleichtert auf.

»Das ist toll. Du kannst dir nicht vorstellen wie froh ich darüber bin. Übrigens habe ich dir noch das hier mitgebracht.«

Grace zog ein Tablet aus ihrer Umhängetasche und streckte es mir entgegen.

Verwundert musterte ich sie und Grace erwiderte hastig: »Es ist nicht neu, aber noch zu gebrauchen. Du musst nur noch deine Programme und Apps installieren. Ich dachte, es würde dir helfen, zumindest so lange, bis du dir ein neues Gerät besorgen kannst.«

Abwartend schaute sie mich an, während sie nervös auf ihrer Unterlippe kaute.

Überrascht nahm ich das Tablet entgegen.

»Danke«, gab ich dann zurück. »Das hättest du aber wirklich nicht tun müssen.

»Doch schon, denke ich. Immerhin hättest du deins noch, wenn ich dein Gepäck nicht ruiniert hätte.«

»Das war wirklich nicht mein bester Tag gestern«, erwiderte ich und Grace nickte zustimmend. »Und schon haben wir etwas gemeinsam.«

Schweigend stand sie vor mir und ich fragte mich, ob ich sie hereinbitten sollte. Zögerte aber, weil ich keinen Schimmer hatte, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Irgendwie machte mich ihre Anwesenheit total nervös.

»Wollen wir zusammen frühstücken? Ich kenne ein nettes Café ganz in der Nähe. Ich lade dich ein«, platzte sie plötzlich heraus, während ich sie perplex anstarrte.

Grace deutete mein kurzes Schweigen wohl als Absage, denn sie fügte schnell hinzu: »Also, wenn du keine Lust hast, dann musst du natürlich nicht mitkommen. Das ist schon okay für mich.«

Grace machte plötzlich Anstalten sich umzudrehen und zu gehen. Bevor sie aber tatsächlich schon wieder verschwinden konnte, griff ich ihren Arm und hielt sie auf.

»Warte, klar komme ich mit. Gib mir ein bisschen Zeit, okay? Ich ziehe mir nur schnell etwas anders an und mache einen Abstecher ins Bad. Du kannst reinkommen, wenn du magst.«

Gleich darauf hielt ich ihr die Tür auf. Nun war Grace diejenige, die zögerte. Aber schließlich betrat sie mein Zimmer und ich ließ die Tür hinter ihr zufallen.

Auf dem Weg ins Bad sagte ich: »Wenn du etwas trinken magst, bediene dich gerne. Du weißt ja, wo die Minibar ist. Ich bin gleich wieder da.«

Nachdem ich die Badezimmertür hinter mir geschlossen hatte, machte ich mich dran meine Zähne zu putzen. Mit der Zahnbürste im Mund starrte ich mein Spiegelbild an und fragte mich gleichzeitig, was zum Teufel ich da eigentlich gerade tat.

Ich hatte nicht vor, lange genug in der Gegend zu bleiben, um Grace richtig kennenzulernen, dachte ich und fragte mich gleichzeitig, warum ich dann überhaupt zugesagt hatte.

Ich spuckte den letzten Rest Zahnpasta ins Waschbecken, wusch mir das Gesicht und trocknete mich ab. Weil ich es einfach nicht über mich gebracht hatte, nein zu ihr zu sagen und weil ich einfach gerne mit ihr zusammen sein wollte. Denn sie schien wirklich nett zu sein und dass sie toll aussah, war mir natürlich auch nicht entgangen. Es ist nur ein Frühstück, sagte ich mir. Einfach ihr Versuch, den Unfall von gestern Abend wiedergutzumachen. Nur dass es da nichts gutzumachen gab, dachte ich, während ich mich auszog und unter die Dusche sprang. Schließlich war ja nichts weiter passiert. Und meinen Kram würde ich schon ersetzen. Thema erledigt.

Ich beeilte mich, weil ich Grace nicht zu lange warten lassen wollte. Als ich wenige Augenblicke später mit einem Handtuch um die Hüften ins Zimmer kam, stand Grace am Fenster und sah nach draußen.

»Wenn ich mich jetzt umdrehe, werde ich feststellen, dass du nur ein Handtuch um deine Hüften geschlungen hast, richtig?«, fragte sie plötzlich, hielt den Blick aber weiter nach draußen gerichtet.

»Ähm, ja«, erwiderte ich. »Aber keine Sorge, ich bin schon dabei mich anzuziehen. Mein halb nackter Anblick bleibt dir also heute erspart«, fügte ich hinzu und begann damit, meine Klamotten zusammenzusuchen. Es war nicht einfach, etwas Brauchbares zu finden. Ich entschied mich für eine Jeans und ein T-Shirt, die bei dem Unfall gestern am wenigsten zerknittert worden waren.

Die Worte hatten meinen Mund gerade verlassen, als Grace mir einen verstohlenen Blick über die Schulter zuwarf. Ich tat, als hätte ich es nicht bemerkt, doch ihre Neugier amüsierte mich natürlich schon. Dann war sie also nicht so abgeneigt, wie sie gestern Abend vorgegeben hatte. Gut zu wissen, dachte ich und verkniff mir ein wissendes Grinsen. Ich stand im Profil zu ihr, als ich mein Handtuch fallen ließ und hatte Grace zumindest aus den Augenwinkeln halbwegs gut im Blick. Dass sie mich noch immer anschaute und ihre Wangen jetzt eine gesunde rote Farbe angenommen hatten, blieb mir daher auch nicht verborgen. Ich zog mir meine Boxer Briefs an und streifte mir dann mein T-Shirt über den Kopf. Ich hatte nichts dagegen, von ihr beobachtet zu werden, dachte ich grinsend, während ich in meine Jeans schlüpfte und mir dann Socken und Schuhe anzog. »Fertig«, sagte ich knapp und während ich mich nun ganz Grace zuwandte, gab sie hastig vor, noch immer aus dem Fenster zu schauen. Aber ich wusste es besser. Sie räusperte sich leise und schließlich drehte sie sich zu mir herum. Ihre Wangen glühten noch immer nach. Sie war richtig süß, wenn sie verlegen war. Genau wie gestern Abend, dachte ich. Der Anblick meiner Kondome hatte sie gestern ganz schön aus der Bahn geworfen. Dabei war es eher Zufall, dass sie die Folientütchen zu Gesicht bekommen hatte. Trotzdem war ihre Verlegenheit nach wie vor amüsant.

»Dann können wir ja los«, sagte sie, und ging auf die Tür zu. Ich ließ Grace vorangehen und folgte ihr dann. Gemeinsam liefen wir den Korridor, der ins Foyer führte, entlang.

»Also, wo wollen wir zum Frühstücken hingehen?«, fragte ich, während wir das Foyer verließen und durch die Hoteltür nach draußen in den hellen Sonnenschein traten.

Grace blieb stehen und blickte mir ins Gesicht. Mittlerweile hatten ihre Wangen wieder eine normale Farbe angenommen.

»Ich kenne ein nettes kleines Café in Castle Rock. Es liegt direkt am Hafen. Das Frühstück dort ist echt spitze. Wollen wir dort hinfahren?«

Abwartend schaute sie mich an.

Es tat mir leid, sie zu enttäuschen, aber nach Castle Rock wollte ich wirklich nicht fahren. Ich hatte keine Lust darauf mich heute schon meiner Vergangenheit zu stellen. Morgen würde ich es tun müssen. Aber jetzt noch nicht. Es musste noch ein anderes Café geben, in dem wir frühstücken konnten.

»Oder wir fahren einfach die Küstenstraße hoch. In Port Heaven gibt es bestimmt auch ein Café, in das wir gehen könnten. Einverstanden?«

Zu meiner Erleichterung nickte sie. »Meinetwegen. Ich habe nichts dagegen. Wollen wir mein Auto nehmen oder deins?«