Halbzeitküsse - Alexandra Görner - E-Book

Halbzeitküsse E-Book

Alexandra Görner

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Lillian ist Reporterin mit Leib und Seele. Sie lebt für ihren Job und hat kein Problem damit, für die Vip and Style das Privatleben der Promis in London auseinander zu nehmen. Aber als ihre Chefin ihr aufträgt das Fußballteam von London City während der Championsleague Saison zu begleiten, ist sie wenig begeistert. Nicht nur, dass sie sich nicht für Fußball interessiert, sie hat auch keine Lust sich mit den schmutzigen Details aus dem Leben der Fußballer zu beschäftigen. Und auch die Jungs heißen sie nicht gerade herzlich willkommen, schließlich eilt ihr Ruf ihr voraus. Doch dann lernt sie das Team besser kennen und vor allem Jamie O'Conner entpuppt sich als weniger kratzbürstig als zunächst angenommen. Es knistert heftig zwischen den beiden. Plötzlich sieht sich Lillian vor die Wahl zwischen ihrer Karriere und Jamie gestellt... Von Alexandra Görner sind bei Forever erschienen:  In der London-City-Reihe: Verliebt, verlobt, vielleicht Süße Küsse unterm Mistelzweig Sie dürfen die Nanny jetzt küssen Land, Luft und Liebe Halbzeitküsse Verlieb dich, verlieb dich nicht Heißkalte Winterküsse In der Montana-Kisses-Reihe: Verlieben ausdrücklich erlaubt Küssen ausdrücklich erwünscht Verliebt und Zugeschneit Küssen ist die beste Verteidigung Kein Moment zum Verlieben Einmal Liebe, kein Zurück

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die AutorinAlexandra Görner ist 32 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einer kleinen Stadt in Sachsen. Sie arbeitet in einem Zuliefererbetrieb für die Automobilindustrie und nutzt ihre Elternzeit, um zu schreiben. Die restliche freie Zeit verbringt sie am liebsten mit ihrer Familie und natürlich mit tollen Büchern.

Das BuchLillian ist Reporterin mit Leib und Seele. Sie lebt für ihren Job und hat kein Problem damit, für die Vip & Style das Privatleben der Promis in London auseinander zu nehmen. Aber als ihre Chefin ihr aufträgt das Fußballteam von London City während der Championsleague Saison zu begleiten, ist sie wenig begeistert. Nicht nur, dass sie sich nicht für Fußball interessiert, sie hat auch keine Lust sich mit den schmutzigen Details aus dem Leben der Fußballer zu beschäftigen. Und auch die Jungs heißen sie nicht gerade herzlich willkommen, schließlich eilt ihr Ruf ihr voraus. Doch dann lernt sie das Team besser kennen und vor allem Jamie O'Conner entpuppt sich als weniger kratzbürstig als zunächst angenommen. Es knistert heftig zwischen den beiden. Plötzlich sieht sich Lillian vor die Wahl zwischen ihrer Karriere und Jamie gestellt...   Von Alexandra Görner sind bei Forever bereits erschienen:   Verliebt, verlobt, vielleicht Süße Küsse unterm Mistelzweig Sie dürfen die Nanny jetzt küssen Land, Luft und Liebe Halbzeitküsse  Forever: Lesen, lieben, träumen.

Alexandra Görner

Halbzeitküsse

Jamie & Lillian

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.   Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin April 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat ISBN 978-3-95818-056-7  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben

Kapitel 1

Lillian

Für mich gab es nur zwei Sorten Männer. Solche, die nett, liebevoll und zuvorkommend waren und später zu Ehemännern und Familienvätern taugten, und solche, vor denen mich meine Mutter stets gewarnt hatte. Männer, die geheimnisvoll, gefährlich und aufregend waren. Männer, die man nur schwer haben konnte, wie eine gute Havanna in den USA oder Bananen im ehemaligen Ostblock. Eines hatten all diese Dinge gemeinsam, je unerreichbarer sie schienen, desto größer war der Drang, sie zu bekommen. Jamie O‘Conner gehörte definitiv in die zweite Kategorie.

Fasziniert betrachtete ich seine Halsschlagader, die deutlich hervorgetreten war und leicht zuckte, als er sich wutschnaubend über meinen Schreibtisch beugte, um mich anzuschreien. Seine braunen Haare waren etwas zerzaust und hinterließen den Eindruck, er wäre heute Morgen eilig aus dem Bett gesprungen und hätte sie nur mit den Fingern gekämmt. Ein Fünf-Uhr-Bartschatten zierte seine Wangen, obwohl es noch nicht einmal Mittag war. Aus seinen tiefbraunen Augen schienen Funken zu sprühen. Durch seine linke Augenbraue verlief eine dünne weiße Narbe und ließ ihn noch ein bisschen gefährlicher wirken. Sein intensiver Blick brannte auf meiner Haut und sorgte dafür, dass sich meine Knie wie Pudding anfühlten und meine Gedanken in eine gefährliche Richtung drifteten. Meine Augen hatten sich an seinen vollen Lippen festgesaugt.

Wenn ich nur ein bisschen wie meine Mutter wäre, die mich zwar stets vor den falschen Männern warnte, selbst aber zu schwach war, um sich ernsthaft von ihnen fernzuhalten, würde ich jetzt leise aufseufzen. Dreimal war sie bereits verheiratet gewesen und hatte sich genauso oft wieder scheiden lassen. Doch wie gesagt, das hielt sie leider nicht davon ab, immer wieder auf die falsche Sorte Mann hereinzufallen. Die geheimnisvolle, gefährliche und aufregende Sorte Mann. Zum Glück war ich, zumindest was das betraf, ganz und gar nicht wie sie.

»Haben Sie mir überhaupt zugehört?", fragte Jamie und deutete mit seinem Zeigefinger auf einen Artikel aus der neuesten Ausgabe der VIP and Style, die er gerade eben auf meinen Schreibtisch geknallt hatte. Besagter Artikel beschäftigte sich mit der äußerst wichtigen Frage, ob Jamie seine On-Off-Freundin Victoria Cleary mit einer anderen betrogen hatte oder eben doch nicht. Der Artikel war von mir höchstpersönlich verfasst worden. Somit war ich nun leider auch diejenige, die Jamies unbändigen Zorn auf sich zog.

»Sicher habe ich das. Sie schreien schließlich so laut, dass ich Sie unmöglich überhören kann. Aber es ist nun mal nicht mein Problem, dass Sie Ihre Finger nicht bei sich behalten können«, gab ich kühl zurück und baute mich zu meiner vollen Körpergröße – zugegeben von nur mickrigen 1,58 m – vor ihm auf. Meine Worte beschwichtigten ihn nicht im Geringsten. Es hatte eher den Anschein, als würde ich ihn nur noch mehr auf die Palme bringen.

»Ich habe Victoria nicht betrogen«, begann er doch tatsächlich zu erklären und strich sich im gleichen Moment mit fahrigen Fingern durch seinen eh schon total zerwühlten braunen Haarschopf. Angesichts dieser Geste hätte ich doch fast leise aufgeseufzt. Zum Glück nur fast, im letzten Moment konnte ich mich bremsen.

»Die Fotos erzählen aber etwas anderes«, warf ich ein und beäugte ihn aufgrund seiner Aussage neugierig. Auf besagten Bildern hatte Jamie seine Hand auf dem knackigen Po der Unbekannten gehabt, während sich sein Mund an ihrem schlanken Hals festgesaugt zu haben schien. Zugegeben, die Bilder waren verwackelt und unscharf gewesen, aber dennoch: Irrtum ausgeschlossen!

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er mich, ließ seinen Blick abschätzend über meinen Körper gleiten. Dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem fiesen Grinsen.

»Vergessen Sie es einfach. Ich bin Ihnen nicht die geringste Erklärung schuldig. Ihr starkes Interesse an meinem Liebesleben lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass Ihr eigenes so armselig sein muss.«

Klatsch! Das war der erste Schlag unter die Gürtellinie. Er beleidigte mein Privatleben. Angesichts dieser verbalen Ohrfeige zog ich scharf die Luft ein.

»Mein Liebesleben ist ganz und gar nicht armselig!«, presste ich wütend hervor. Was wusste er denn schon?

Lässig lehnte er sich noch ein bisschen weiter über die Tischplatte zu mir herüber, am liebsten hätte ich ihm eine geklebt und ihm damit sein doofes Grinsen aus dem Gesicht gewischt.

»Ich wette, Sie lügen«, sagte er gedehnt und fuhr dann fort: »Ich hätte wirklich große Lust, Sie zu erwürgen, aber mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Ihr Outfit das wahrscheinlich für mich erledigt. Sie sehen so zugeknöpft aus, dass ich denke, Sie werden gleich blau anlaufen und zusammenklappen was mir wiederum eine Menge Arbeit ersparen würde.«

Klatsch! Das war der zweite Schlag unter die Gürtellinie. Er beleidigte meine Klamotten. Außerdem war meine Bluse überhaupt nicht zu zugeknöpft. Ich verzog keine Miene und schluckte seine Drohung hinunter. Aber so ganz konnte ich seine gemeinen Kommentare doch nicht auf mir sitzen lassen, also sagte ich kaltschnäuzig: »Darauf etwas zu erwidern ist wohl sinnlos, denn mit Ihrem Kommentar haben Sie gerade bewiesen, dass Sie nicht mit besonders viel Intelligenz gesegnet sind. Wirklich schade.«

Wütend funkelte er mich an. Doch einen Augenblick später geschah etwas Anderes, völlig Unerwartetes. Seine verkniffenen Gesichtszüge entspannten sich etwas und ein flüchtiges kleines Lächeln huschte über seine Wangen. Mein Herz machte bei seinem Anblick einen kleinen Hüpfer. Doch davon ließ ich mich lieber nicht beirren. Oberste Priorität war es jetzt, Jamie loszuwerden.

»Wenn das dann alles gewesen ist, können Sie gerne wieder gehen! Ich lege keinen großen Wert auf Ihre Gesellschaft. Sie wissen, wo die Tür ist!«, forderte ich ihn auf.

Tatsächlich nahm er seine Hände von meinem Schreibtisch und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Als er sich jedoch nicht von der Stelle rührte, sah ich mich gezwungen, ihn noch einmal darauf hinzuweisen, dass er jetzt lieber verduften sollte.

»Sie wollten gerade gehen! Schon wieder vergessen?«, fragte ich schnippisch.

Sein durchdringender Blick war noch immer auf mich gerichtet und seine Miene verfinsterte sich erneut.

»Eins noch: In Zukunft halten Sie sich mit Ihren bescheuerten Mutmaßungen zurück, sonst klage ich diese dämliche Zeitschrift in Grund und Boden. Verstanden?«, erwiderte er fast schon knurrend.

Seine Drohung ignorierend fuhr ich fort: »Tja, da kann ich Ihnen wohl nichts versprechen. Sie sollten jetzt gehen und zwar sofort. Sonst rufe ich den Sicherheitsdienst und lasse Sie hinausbegleiten.«

Um meine Worte zu unterstreichen, nahm ich den Telefonhörer zur Hand. Seine Augen verengten sich und schienen mich regelrecht zu durchbohren.

»Ich schwöre es Ihnen: Das war meine letzte Warnung!«

»Die Tür!«, sagte ich mit ruhiger Stimme und ausdrucksloser Miene.

Wutschnaubend wandte Jamie sich um, riss die Tür auf und stürmte hinaus. Einen Augenblick später fiel sie krachend hinter ihm ins Schloss.

Jamie

Verärgert ließ ich mich auf den Fahrersitz meines Wagens gleiten, schnallte mich an, startete den Motor und fädelte mich im dichten Londoner Verkehr ein.

Das Gespräch mit Lillian Loman hatte mir Kopfschmerzen beschert. Sie war vorlaut, rechthaberisch, kratzbürstig und viel zu aufmüpfig. Leider musste ich zugeben, dass ihr frecher Spruch mich kurz zum Schmunzeln gebracht hatte. Trotzdem fand ich sie widerspenstig und aufsässig. Eigentlich waren das keine Eigenschaften, die ich besonders an einer Frau schätzte. Dummerweise fiel es mir aber leider verdammt schwer, Lillian aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich ertappte mich dabei, wie ich wieder über ihren Spruch grinsen musste. Doch dann besann ich mich und richtete meine volle Konzentration zurück auf die Straße. Wenn ich zu dieser nervigen Pressekonferenz nicht zu spät kommen wollte, sollte ich mich beeilen.

Auf der Archway und Holloway Road war die Hölle los. Ich brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich am Emirates Stadium ankam. Auf dem Parkplatz war nicht weniger viel Gedränge. Ich parkte meinen Wagen neben Kaytons Jaguar und stieg aus.

Das war doch alles totaler Mist, dachte ich, als ich die Fahrertür hinter mir zuknallte, und ich auf den Eingang zustrebte. Ich hätte niemals von Manchester nach London wechseln dürfen. Wieso um alles in der Welt hatte ich mich überreden lassen? Laut seufzend riss ich die Eingangstür auf und trat in einen lichtdurchfluteten Korridor. Die Erklärung für meinen Wechsel war ganz einfach: Der Deal, den mir Brian Turner unterbreitet hatte, war einfach zu verlockend gewesen.

Bis zu dem Tag war ich der festen Überzeugung, dass ich nicht käuflich war. Tja, Pech, denn genau das Gegenteil hatte sich spätestens zu dem Zeitpunkt, als ich meine Unterschrift schwungvoll unter den neuen Vertrag gesetzt und damit meinen Wechsel zu London City perfekt gemacht hatte, herausgestellt. Jetzt war ich hier und überlegte, wie ich schnellstmöglich wieder wegkommen konnte. Brians Vertrag knebelte mich für ein Jahr fest an den Club. Erst nach dieser Zeit würde sich das Transferfenster erneut für mich öffnen. Der FC Barcelona hatte bereits die Fühler ausgestreckt und Interesse signalisiert. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass dieses Interesse auch in einem Jahr noch bestand.

Eilig lief ich weiter den Korridor entlang und vernahm gleich darauf lauter werdendes Stimmengewirr. Die Türen zum Pressesaal standen zum Glück noch offen, daher ging ich schnell hinein.

An einer langen Tafel hatten Brian Turner, der Big Boss, und seine Tochter Kara bereits Platz genommen. Neben den beiden saßen Bailey Haig, unser Trainer, Henry Beckford, Pressesprecher des Clubs, und als schmückendes Beiwerk Tom, Dean und Kayton. Ein Stuhl war noch leer und einen kurzen Augenblick später ließ ich mich darauf fallen.

Ich warf einen flüchtigen Blick in den Raum. Eine ganze Menge Kameras auf Stativen waren im hinteren Bereich des Saals aufgebaut, um die Pressekonferenz live ins Fernsehen zu übertragen. Auf den unzähligen Stühlen, die ordentlich in Reihen aufgestellt waren, hatten es sich Fernsehreporter und Journalisten mehr oder weniger bequem gemacht.

Ich trank einen Schluck von dem Wasser, das vor mir auf dem Tisch stand. Es gab ungefähr ein dutzend Dinge, die ich jetzt lieber täte, als an dieser Pressekonferenz teilzunehmen. Leider hatte mir die Vereinsleitung unmissverständlich klargemacht, dass mir gar keine andere Wahl blieb. Gedankenversunken betrachtete ich die Journalisten und seltsamerweise kehrten meine Gedanken tatsächlich ganz flüchtig zu Lillian und unser Gespräch zurück. Sogar mit ihr würde ich mich jetzt lieber streiten. Überrascht über diesen albernen Gedanken schüttelte ich etwas unwirsch den Kopf. War ich gerade dabei, verrückt zu werden? Nein, lieber ließ ich mir jeden Fingernagel einzeln ziehen, als mich nochmal mit Lillian zu treffen. Ehrlich!

Schnell kippte ich noch einen Schluck Wasser hinunter und hatte Lillian im nächsten Augenblick wieder vergessen. Neben mir saß Kayton und unterhielt sich im Flüsterton mit Dean. Ich mochte Dean nicht besonders. Er nervte nicht so sehr wie Tom oder Matt. Doch wenn man es genau nahm, war er auch nicht viel sympathischer. Mit den restlichen Spielern ging es mir ganz ähnlich. Richtig warm war ich noch nicht mit ihnen geworden. Die Einzigen, mit denen ich ganz gut quatschen konnte, waren Mika, Luigi und Will, von Kayton natürlich mal abgesehen.

Einen Moment später richtete Beckford die ersten Worte an die Presse und ich verdrängte schnell meine düsteren Gedanken. Die Gespräche im Saal verstummten und nach einer kurzen Begrüßung übergab unser Pressesprecher das Wort an Brian Turner, den Big Boss persönlich.

»Sie alle kennen mich mehr oder weniger gut. Auch diejenigen von Ihnen, die mich nicht näher kennen, werden wissen, dass ich ein Mann spontaner Entscheidungen bin. Mit diesen Entscheidungen habe ich auch in der Vergangenheit meistens richtig gelegen. Aber jetzt ist es an der Zeit umzudenken. Mein Herzinfarkt hat mich gelehrt, dass ich keineswegs unverwundbar bin. Deshalb habe ich beschlossen, beruflich kürzerzutreten. Es ist mir daher eine Freude, Ihnen mitzuteilen, dass meine Tochter Kara von nun an die Geschicke des Clubs in ihre fähigen Hände nehmen wird.«

Brians Worte fühlten sich an wie ein kräftiger Tritt gegen das Schienbein. Jedem vernünftig denkenden Menschen musste einfach klar sein, dass das eine absolut bescheuerte Idee war. Als die ersten Stimmen im Saal laut wurden, huschte mein Blick zu Kara. Sie saß mit durchgestrecktem Rücken auf ihrem Stuhl. Ihr kurzer, brauner Bob war perfekt frisiert. Für meinen Geschmack trug sie die Nase ein bisschen zu hoch. Langsam ließ ich meinen Blick weiter zu Karas Händen schweifen. Sie hielt einen Stift zwischen Daumen und Zeigefinger, trommelte damit leise auf die Tischplatte und machte dabei einen leicht nervösen Eindruck. Angesichts der Aufgabe, die auf sie zukam, war das nicht weiter verwunderlich.

Die nächsten vierundvierzig Minuten und sechsunddreißig Sekunden brachte ich damit zu, den Fragen der Journalisten sowie den Antworten darauf zu lauschen. Ich ließ mich dazu hinreißen und beantwortete ebenfalls einige Fragen und schaffte es sogar, mich positiv über Kara und ihren neuen Aufgabenbereich zu äußern. Danach war ich selbst überrascht, wie sensationell ich lügen konnte. Als Beckford die Pressekonferenz endlich beendete, schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel. Doch als ich aufstehen und mit Kayton schnell verschwinden wollte, wies uns das Vater-Tochter-Gespann an, noch einen Moment zu bleiben. Wir alle warteten ab, bis auch der letzte Journalist den Saal verlassen hatte, und als keine neugierigen Zuhörer verblieben waren, hielt Kara eine knappe Ansprache.

»Ich weiß, dass es für alle eine große Umstellung werden wird. Einigen von euch wird es höchstwahrscheinlich schwer fallen, mich als den neuen Boss zu akzeptieren. Doch ich bin fest dazu entschlossen, den Weg meines Vaters weiterzugehen. Trotzdem werden einige kleine Veränderungen nicht ausbleiben. Ich habe Visionen, die ich gemeinsam mit dem Management umsetzen möchte. Mein Hauptziel wird es sein, den Club und den Fußball noch attraktiver zu machen.«

Noch attraktiver? Wir waren in England! Warum zum Teufel wurden wir wohl als das Mutterland des Fußballs bezeichnet? Beliebter konnte der Sport auf der Insel gar nicht werden. Das allein bewies doch eindeutig, dass die Frau keine Ahnung hatte.

»Vor allem für die weibliche Bevölkerung«, fügte sie hinzu.

Oh je, wenn ich das schon hörte! Das konnte nur in einer total bekloppten Idee enden.

»Das wäre für den Moment alles. Weitere Einzelheiten besprechen wir nach dem nächsten Training, denn dann seid ihr wieder vollzählig. Und ich erkläre Dinge nicht gerne zweimal.« Mit einem knappen Nicken von Karas Seite waren wir entlassen. Ich verabschiedete mich kurz von allen und machte mich dann schleunigst gemeinsam mit Kayton auf den Weg zum Parkplatz.

»Was sagst du denn zu Karas Visionen?«, fragte Kayton, als wir bei unseren Autos angekommen waren, und verzog seine Lippen zu einem leichten Grinsen.

»Egal was sie tun will. Es wird definitiv in die Hose gehen«, gab ich zurück.

Kaytons Grinsen wurde ein bisschen breiter: »Tja, da gehe ich fest von aus.«

Er öffnete die Tür seines Jaguars. Bevor er sich aber auf den Fahrersitz sinken ließ, fragte er noch: »Sehen wir uns gleich bei Luke?«

»Sicher. Bis dann.«

Ich stieg ebenfalls in mein Auto und fuhr schließlich los.

»Hey, kommt rein«, meinte Luke, als er uns die Tür öffnete.

Nach einem kräftigen Handschlag gingen wir gemeinsam ins Haus.

»Ist Pippa nicht da?«, fragte Kayton, zog sich die Jacke aus und ließ sie achtlos über die Lehne eines großen Sessels, der im Wohnzimmer stand, fallen.

Luke schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist mit den Kids einkaufen gegangen und dann wollten sie noch bei ihrer Mutter vorbeischauen.«

Kayton ließ sich wortlos auf die Couch plumpsen.

»Wollt ihr ein Bier?«, fragte Luke.

»Klar«, meinte ich.

Kayton schüttelte den Kopf. »Für mich ein Wasser«, sagte er.

Luke machte sich auf den Weg in die Küche. Als er einen Augenblick später wieder zu uns zurückkehrte, gab er uns die Getränke und ließ sich dann uns gegenüber ebenfalls in einen Sessel fallen. Ich warf den Stöpsel der Flasche auf den Couchtisch und Kayton legte die Füße hoch, um es sich ein bisschen bequemer zu machen.

»Ich habe die Pressekonferenz im Fernsehen verfolgt«, unterbrach Luke unser Schweigen.

Stöhnend verdrehte ich die Augen.

»Lass uns jetzt bitte nicht über Kara Turner reden«, bat ich schon fast verzweifelt.

Kayton grinste neben mir, enthielt sich aber vorerst jeglichen Kommentars.

»Warum nicht? Brian hat sicher eine gute Entscheidung getroffen. Kara ist die Richtige für den Job«, fügte Luke hinzu und ignorierte damit meine Bitte geflissentlich.

»Ernsthaft?«, fragte ich überrascht. »Das ist deine Meinung zu diesem Thema?«

Verständnislos blickte ich meinen Bruder an. Wollte er mich auf den Arm nehmen?

»Kara hat keine Ahnung von Fußball«, platzte ich heraus und stellte mein Bier auf den Couchtisch ab. »Außerdem ist sie zickig und eingebildet.«

Luke zuckte mit den Schultern. »Kara ist nicht so schlimm, wie du denkst.«

»Hattest du mal was mit ihr oder weshalb verteidigst du sie?«, wollte ich wissen.

»Ich kenne Kara schon länger, aber um deine Neugier zu befriedigen: Ich hatte nie etwas mit ihr«, stellte Luke klar. »Ich versuche dir lediglich begreiflich zu machen, dass Karas neue Ideen und Ansichten eine durchaus positive Wirkung auf den Club haben könnten.«

»Oder eben auch nicht«, gab ich mürrisch zurück.

Kayton stellte lachend sein Glas Wasser auf den Tisch. »Ihr beiden müsstet euch mal zuhören. Sehr amüsant. Allerdings muss ich Jamie diesmal recht geben«, sagte er und fuhr dann fort: »Ich halte Kara nicht für eine geeignete Nachfolgerin von Brian.«

»Das sagt ihr beiden doch nur, weil sie eine Frau ist«, gab Luke zurück.

Ich starrte meinen Bruder mit offenem Mund an, und meine Überraschung wurde nicht kleiner, als er fortfuhr: »Eure Meinung ist wirklich sexistisch.«

Kayton brach in lautes Lachen aus. »Hast du das gerade wirklich gesagt?«, fragte er prustend und ich konnte mir ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen.

»Wahrscheinlich hat dir Pippa die Eier abgeschnitten«, witzelte ich.

Lukes Lippen verzogen sich zu einem trägen Lächeln. »Macht euch nur lustig. Allerdings bleibe ich bei meiner Meinung und wenn ihr beiden Sturköpfe irgendwann mal in Ruhe darüber nachdenkt, werdet ihr sicher feststellen, dass ich recht habe.«

»Wohl kaum«, sagte ich und war mir dessen felsenfest sicher.

Luke zuckte erneut mit den Schultern. »Dann lassen wir diese Diskussion und sprechen lieber über etwas anderes«, schlug er vor und schaute mich im nächsten Moment ernst an.

»Hast du schon die neuesten Schlagzeilen über dich gelesen?«, fragte er mich.

Ich seufzte leise und nickte schließlich. »Ja, habe ich. Anna ist mal wieder total abgestürzt«, gab ich zu, während sich mein Herz vor Kummer über den neuesten Drogen- und Alkoholrückfall meiner Schwester zusammenzog.

Kaytons durchdringender Blick richtete sich auf mich. »Soll ich lieber verschwinden? Ich will euch nicht stören, wenn ihr beiden über deine Schwester reden wollt.«

Ich schluckte schwer, schüttelte aber den Kopf. Kayton gehörte zu meinen besten Freunden.

»Du kannst ruhig bleiben. Ich habe keine Geheimnisse vor euch beiden«, sagte ich daher.

Kayton lehnte sich wieder entspannt zurück, dann fragte er: »Von welchen Schlagzeilen redet ihr eigentlich?«

Wortlos stand Luke auf und verließ sein Wohnzimmer. Als er zurückkam, hielt er die mir wohlbekannte neueste Ausgabe der VIP and Style in der Hand, warf sie Kayton zu und ließ sich selbst wieder in den Sessel fallen. Kayton fing die Zeitung problemlos auf, warf einen Blick auf das Cover und schlug dann kopfschüttelnd den Innenteil auf. Er überflog Fotos und Text und warf dann das Heft von sich, als hätte er sich daran verbrannt.

Kayton schnaubte verächtlich: »Es wundert mich nicht, dass Lillian Loman den Artikel verfasst hat. Wegen ihrer Schmierereien ist mir schon des Öfteren fast der Kragen geplatzt. Die Journalisten schreiben irgendwelchen Dreck, ohne an etwaige Folgen zu denken. Seht ihr, deshalb lese ich diesen Mist nicht mehr. Man lebt einfach ruhiger.«

Ich nickte zustimmend. »Normalerweise interessiert mich nicht die Bohne, was die Zeitungen über mich schreiben, weil das meiste sowieso immer erfunden ist. Aber heute konnte ich nicht stillhalten. Ich bin zu ihr ins Büro gefahren und habe ihr ordentlich die Meinung gegeigt.«

»Zu Lillian Loman in die Redaktion?«, fragte Luke und blickte mich nun seinerseits überrascht an.

»Hat es denn was gebracht?«

Ich schüttelte den Kopf. »Die Frau ist eigensinnig und vorlaut. Anstatt mir zu glauben, hat sie mich nur weiter bezichtigt, Victoria betrogen zu haben.«

Luke schaute sich noch einmal die Fotos an. »Die Aufnahmen sind verwackelt und unscharf, allerdings weiß ja niemand, dass Anna deine Schwester ist, und auf den Bildern sieht es tatsächlich so aus, als hättet ihr beiden was miteinander.«

»Sie hat sich an mir festgeklammert, weil sie betrunken und total high war«, gab ich entrüstet zurück.

»Das weiß ich doch! Du brauchst nicht gleich auszuflippen. Ich habe lediglich gesagt, dass es für einen Außenstehenden so hätte wirken können«, erwiderte Luke gelassen.

»Das stimmt leider«, gab Kayton seinen Senf dazu.

»Verteidigt ihr diese vorlaute Zicke jetzt auch noch?«

»Komm mal wieder runter«, meinte Kayton beschwichtigend. »Ich würde mich nie auf die Seite der Presse schlagen. Aber ich teile Lukes Meinung. Für einen Außenstehenden kommt die Situation schon etwas kompromittierend rüber. Zumal Lillian Loman auch nur die Bilder kennt.«

»Ja klar, und zu den Fotos hat sie sich eine abenteuerliche Story ausgedacht. Super, echt!«

Genervt fuhr ich mir durch die Haare und lehnte meinen Kopf zurück. Als ich aufblickte, sagte ich schon versöhnlicher: »Es macht mich so fertig, weil es in ihrem Artikel um Anna geht und ich meiner Schwester helfen möchte, aber einfach nicht mehr weiß, wie ich das noch anstellen soll.«

»Wo ist Anna denn nach ihrem neuesten Zusammenbruch?«, wollte Luke wissen.

Ich seufzte: »Mal wieder in der Entzugsklinik.«

»Vielleicht schafft sie es diesmal«, versuchte Kayton mir Hoffnung zu machen.

Ich schüttelte leicht den Kopf.

»Keine Chance«, wehrte ich ab und fügte dann hinzu: »Sobald Anna wieder bei ihrem Penner von Ehemann ist, wird sie rückfällig werden und erneut zu Alkohol und Drogen greifen. Ich weiß einfach nicht, was ich noch tun soll. Der Artikel hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich bin einfach total durchgedreht.«

Ich stand auf, lief unruhig in Lukes Wohnzimmer umher und spürte die Blicke meiner Freunde auf mir, die mich schweigend beobachteten.

»Ich habe es vermasselt«, gab ich zu, doch weder Luke noch Kayton sagten etwas zu meinem Geständnis, daher fuhr ich einfach fort: »Ich hätte nicht in die Redaktion fahren sollen. Lillian Loman anzuschreien, war wohl ein Fehler. Aber ich musste einfach Dampf ablassen.«

Ich ließ mich wieder auf die Couch fallen.

»Seid ihr beiden jetzt zufrieden?«, fragte ich leicht sarkastisch und erntete ein breites Grinsen von Luke und Kayton.

»Einsicht ist der erste Weg zur Besserung«, sagte Kayton trocken und trank sein Wasser leer.

»Wirst du dich bei Miss Loman für deine verbalen Aussetzer entschuldigen?«

Es war Luke, der diese alberne Frage stellte.

Ich schüttelte sofort den Kopf. »Vergiss es! Ich entschuldige mich bestimmt nicht bei ihr. Schließlich hat sie sich eine Story über mich ausgedacht, die von vorne bis hinten gelogen ist.«

»Ich dachte mir schon, dass du auf eine Entschuldigung pfeifst«, meinte Luke und sammelte unsere leeren Flaschen samt Bierstöpsel und Gläser ein, um sie in die Küche zu bringen.

»Mir wäre es lieber, wenn wir jetzt das Thema wechseln und wieder über dich herziehen«, rief ich Luke nach.

»Untersteht euch«, gab er lachend zurück. Gerade als ich etwas erwidern wollte, schwang die Haustür auf und Pippa platzte mit den Kids im Schlepptau ins Wohnzimmer.

»Jamie!«, rief Finn und rannte auf mich zu. Ich umarmte meinen Neffen und wuschelte ihm durchs Haar. Ich war richtig froh, Pippa, Hope und Finn zu sehen. So konnte ich endlich Anna, die Pressekonferenz, Kara und natürlich Lillian vergessen. Oder es zumindest versuchen.

Kapitel 2

Lillian

Als ich in mein Büro hastete, war es bereits später Vormittag. Ich war tatsächlich zu spät gekommen. Das allein war eine echte Premiere. Denn ich konnte mich wirklich an keinen Tag erinnern, an dem ich einmal unpünktlich gewesen wäre. Pünktlichkeit und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, hatte in meinem Job oberste Priorität. Allein Calvin, mein liebenswerter, aber ziemlich verschrobener Mitbewohner, trug die Schuld an meiner momentanen Misere. Mit seinem Gerede über sein Date vom Wochenende hatte er mich aufgehalten.

Wenn ich ganz viel Glück hatte, würde Sabrena mein Zuspätkommen gar nicht bemerken. Denn am Montagmorgen war meine Chefin hin und wieder selbst etwas später dran.

Eilig hängte ich meine Strickjacke an den Kleiderständer, der hinter meiner Bürotür stand, und stellte meine große Messenger Bag auf meinem Schreibtisch ab. Während ich mit einer Hand in den Tiefen meiner Tasche kramte und einen Augenblick später meinen Terminkalender zu Tage förderte, schaltete ich mit der anderen Hand schnell meinen Computer ein. Anschließend ließ ich meine Tasche auf den Boden neben meinem Tisch fallen, setzte mich und öffnete die zuletzt gespeicherte Datei meines Schreibprogramms. Ich sollte lieber schleunigst zusehen, dass ich meinen Artikel fertig bekam.

Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte und ich zuckte vor Schreck zusammen. Ich warf einen schnellen Blick auf das Display. Es war Sabrenas Durchwahl. Mit einem flauen Bauchgefühl nahm ich den Hörer ab.

»Guten Morgen!«, begrüßte ich meine Chefin. Anstatt einer Antwort zitierte sie mich auf der Stelle in ihr Büro. Seufzend ließ ich alles stehen und liegen, schob meinen Schreibtischstuhl zurück und machte mich auf den Weg.

»Setz dich Lillian«, forderte mich Sabrena auf, als ich kurze Zeit später ihre Tür hinter mir schloss. Ohne Widerspruch ließ ich mich auf dem unbequemen Stuhl vor ihrem riesigen Schreibtisch sinken. Bei ihrem Gesichtsausdruck rutschte mir mein Herz in die Hose. Überraschenderweise erwähnte Sabrena mit keinem Wort mein Zuspätkommen. Stattdessen begann sie damit, mir einen neuen Auftrag zu erteilen.

»Wieso gerade ich?«, stieß ich mürrisch hervor, als sie endlich geendet hatte.

»Hast du meinen verbalen Zusammenstoß mit Jamie O‘Conner etwa nicht mitbekommen?«, fragte ich sicherheitshalber noch schnell nach.

Sabrena verzog die rot geschminkten Lippen zu einem leichten Lächeln.

»Natürlich habe ich das. Die ganze Abteilung hat eure Auseinandersetzung mitgekriegt. Dennoch ändert das nichts an meiner Entscheidung. Es bestärkt mich eher.«

Wie um alles in der Welt konnte sie das bestärken?

»Du zweifelst doch nicht etwa an meinen Entscheidungen?«, fragte Sabrena während sie ihren strengen Blick auf mich richtete.

Doch genau das tat ich, ich zweifelte an ihren Entscheidungen und ihrer geistigen Intelligenz. Ich würde sonst etwas dafür geben, ihr das auch nur einmal ins Gesicht sagen zu können. Aber ich schwieg lieber. Denn ich hing dann doch zu sehr an meinem Job.

»Ich bin der unsportlichste Mensch auf diesem Planeten und außerdem habe ich überhaupt keine Lust, mit dem Team auf Reisen zu gehen«, gab ich mürrisch zurück.

Am liebsten hätte ich vor Wut wie ein Kind auf den Boden gestampft. Vorerst blieb mir allerdings nichts anderes übrig, als meinen Ärger so gut es ging hinunterzuschlucken. Doch so einfach würde ich mich trotzdem nicht zu solch einem Unsinn überreden lassen.

»Henry oder Alyssa wären für den Job viel besser geeignet. Sogar Harper wäre besser als ich.«

Es schien so, als hätte Sabrena nun endgültig das bisschen Verstand verloren dass ihr noch geblieben war.

»Nein, du bist die Beste für den Job. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wie du es anstellst, aber du hast einfach die Fähigkeit, Prominente zum Reden zu bringen. Und diese Fähigkeit wirst du auch diesmal nutzen.«

Sabrena ließ sich einfach nicht umstimmen.

»Die Jungs hassen mich!«

»Nein. Nur Jamie könnte dich im Moment ein klitzekleines bisschen hassen. Allerdings vertraue ich auf deinen einzigartigen Charme und bin mir daher sicher, dass du die Spieler ganz schnell vom Gegenteil überzeugen wirst.«

An dieser Stelle legte Sabrena eine kleine Kunstpause ein.

»So, und jetzt freue ich mich, dass du zugestimmt hast«, sagte sie einen Augenblick später siegessicher.

»Halt! Ich habe nicht zugestimmt!«, entgegnete ich blitzschnell.

»Doch das hast du!« Sabrena lehnte sich lässig in ihrem monströsen Schreibtischsessel zurück. Ihre Hände lagen ruhig in ihrem Schoß, als sie fortfuhr: »Denn wenn dir dein Job etwas bedeutet und du ihn behalten möchtest, wirst du es natürlich tun. Ich kenne dich, Lillian. Du bist ein wirklich kluges Mädchen und bis jetzt habe ich mich noch immer auf dich verlassen können.«

Seufzend rutschte ich auf meinem Stuhl herum. Sabrena drängte mich ziemlich in die Defensive. Oh Mann, wie ich das doch hasste!

»Verrate mir noch eines: Wie um alles in der Welt hast du es geschafft, Kara Turner von dieser Idee zu überzeugen?«

Sabrenas Lächeln nahm einen verschlagenen Zug an. »Es wird dir schwerfallen es zu glauben. Aber die Idee stammt nicht von mir. Ganz im Gegenteil, es war Kara, die sich an mich gewandt hat. Während unseres Telefonats faselte sie irgendetwas davon, den Club und den Fußball für Frauen attraktiver zu machen. Da wir das meistverkaufte Promi- und Frauenmagazin auf dem Markt sind, hat sie uns den Deal angeboten. Also erkläre ich es dir noch einmal: Deine Aufgabe wird es sein, das London City Team während der nächsten Champions League Spiele zu begleiten und ein paar nette Artikel darüber zu schreiben.«

»Aber ich habe doch gar keine Ahnung von Fußball und auch keine große Lust, in den Stadien abzuhängen, um mir die Spiele anzugucken. Also wirklich, gib doch einfach Henry den Job. Er ist viel bewanderter auf diesem Gebiet«, appellierte ich fast schon verzweifelt an Sabrenas gesunden Menschenverstand, der noch irgendwo verborgen sein musste. Zumindest hoffte ich es.

Energisch schüttelte sie den Kopf und meinte knapp: »Vergiss es, Lillian. Du hast die Wahl. Entweder du nimmst an oder du fliegst raus, kapiert?

»Du kannst mich nicht einfach feuern!«, protestierte ich.

Lässig zuckte Sabrena mit den Schultern.

»Sicher kann ich das. Sieh in deinen Vertrag. Verweigerst du die Arbeit, habe ich das Recht, dir zu kündigen und zwar fristlos. So und nun hörst du mir zu!«

Innerlich kochte ich vor Wut. Am liebsten hätte ich tatsächlich alles hingeschmissen. Aber ich hatte keine Wahl. Auf den Job konnte und wollte ich nicht verzichten. Seufzend lauschte ich weiteren Erklärungen und Anweisungen.

Sabrena beugte sich über den Schreibtisch und blätterte in einigen Unterlagen, bevor sie geschäftsmäßig fortfuhr: »Dadurch, dass das Team sowohl das Hin- als auch das Rückspiel des Achtelfinales gewonnen hat, hat es sich für das Viertelfinale qualifiziert. Es findet in Stockholm statt – übrigens eine wunderschöne Stadt. Ich denke, es wird dir dort gefallen«, prophezeite sie mir.

»Mag sein, dass die Stadt toll ist, aber die Aussicht, so viel Zeit mit dem Team zu verbringen, ist es leider nicht«, warf ich säuerlich ein.

Sabrena tat meine Bemerkung kommentarlos ab und redete einfach weiter: »Allerdings ist der Erfolg deines Jobs natürlich davon abhängig, wie lange sich das Team im Turnier halten kann. Denn logischerweise wirst du die Mannschaft nur so lange begleiten können. Deshalb ist es wichtig, dass du so schnell wie möglich an die Informationen kommst, die ich haben will.«

»Informationen? Was sollen das denn für Infos sein? Sagtest du nicht, ich schreibe kleine Berichte über die Spiele?« Nach kurzem Überlegen fügte ich hinzu: »Vielleicht könnte ich zu jedem Artikel einen kurzen Reisebericht hinzufügen. Die Hot Spots der jeweiligen Städte vorstellen, Einkaufs- und Restauranttipps geben«, schlug ich vor und schaute Sabrena abwartend an.

Ihr kurzes Schweigen und ihr Blick beunruhigten mich. Denn mittlerweile hatten ihre Gesichtszüge einen hinterhältigen Ausdruck angenommen. Dann kapierte ich es endlich: Hinter diesem Auftrag steckte noch viel mehr.

»Wo ist der Haken?«, fragte ich daher neugierig. Es hätte mir viel früher klar werden sollen: Bei Sabrena gab es immer einen Haken und bei näherer Überlegung passte ein einfacher Spiel- und Reisebericht nun so gar nicht zu ihrer Zeitschrift.

Sabrena schenkte mir ein echtes Haifischlächeln.

»Das ist zumindest die offizielle Version«, gestand sie mir dann.

Fast hatte ich Angst zu fragen, tat es dann aber trotzdem. »Was ist der inoffizielle Auftrag?«, wollte ich wissen.

»Natürlich wirst du zu Beginn kurze Spielberichte schreiben. Aber nur um die Fassade aufrechtzuerhalten. Deine Idee mit den knappen Reiseberichten gefällt mir übrigens. Du könntest auch noch ein paar Schnappschüsse hinzufügen«, schlug Sabrena vor und fuhr gleich darauf fort: »Aber dein Hauptaugenmerk wird darauf liegen, dich mit den Spielern anzufreunden.«

Ich verstand nicht ganz.

»Keine Chance. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber wie gesagt, die Jungs hassen mich. Außerdem, was sollte mir das bringen?«

»Sei nicht albern! Sie hassen dich nicht! Jamie mag im Moment nicht gut auf dich zu sprechen sein. Doch du musst dich mit ihm, mit ihnen allen arrangieren und dann, wenn sie dir aus der Hand fressen, entlockst du den Jungs ihre brisantesten Geheimnisse.«

Ich riss überrascht die Augen auf, als mir so richtig klar wurde, was Sabrena von mir verlangte.

Sabrena jedoch ignorierte meinen überraschten Gesichtsausdruck und fuhr fort: »In deinem finalen Artikel lässt du die Erlebnisse mit dem Team noch einmal Revue passieren und enthüllst natürlich alles, was du bis dahin hoffentlich über die Spieler in Erfahrung bringen konntest, jedes kleine schmutzige Detail aus ihrem Leben. Der Artikel wird wie eine Bombe einschlagen und unsere Auflage in die Höhe schnellen lassen.«

In Sabrenas Augen glänzten die Pfundzeichen. Ich hingegen sah sie schockiert an. Das konnte sie doch nicht wirklich ernst meinen. Zu so etwas wäre noch nicht einmal ich fähig. Ich hatte schließlich ein Gewissen. Auch wenn das für viele schwer zu glauben war.

»Tut mir wirklich leid. Aber dafür werde ich mich auf gar keinen Fall hergeben. Dabei mache ich nicht mit!«, entgegnete ich.

»Lillian, hast du den Ernst der Lage noch immer nicht verstanden? Das ist keine Bitte, sondern eine Anweisung. Ich gebe dir bis morgen früh Bedenkzeit. Dann sagst du entweder zu oder du räumst deinen Schreibtisch. Schau mich nicht so schockiert an! Dein bittender Blick zieht bei mir nicht. So, und nun zurück an die Arbeit!«

Mit verkniffener Miene erhob ich mich schließlich von meinem Stuhl und steuerte Sabrenas Bürotür an.

»Ach, und Lillian, ich rate dir, morgen früh pünktlich zu sein«, meinte sie noch, bevor ich die Tür hinter mir schließen konnte.

Mein Gesicht war auf die blaue Matte unter mir gepresst. Die Arme hatte ich nach hinten ausgestreckt, die Knie unter den Körper gezogen und den Hintern in die Höhe gereckt. Während ich versuchte, mir in der Stellung des Kindes nicht den Rücken zu verrenken, lauschte ich Mums Worten.

»Dass Sabrena Hamilton so eine fiese Kuh ist, hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Dabei macht sie immer so einen netten Eindruck«, flüsterte sie, während sie in der gleichen Position neben mir auf ihrer Matte verharrte.

Nach der Arbeit hatte sie auf mich gewartet und auf dem Weg zum Yoga erzählte ich ihr alle Einzelheiten. Angefangen mit dem nervenaufreibendem Streit, den ich vor ein paar Tagen mit Jamie führen musste, bis hin zu dem neuen Auftrag, den Sabrena mir aufzwingen wollte.

Vorerst allerdings blieb ich meiner Mum eine Antwort schuldig, denn laut Kursleiterin war es an der Zeit, in den Herabschauenden Hund zu wechseln, und in dieser Position konnte ich weiß Gott nicht sprechen.

Leider wurde es auch danach nicht besser. In der Vorwärtsbeuge bekam ich meine Knie nicht auf den Boden. Während der Schiefen Ebene zitterten meine Arme so sehr, dass ich dachte, ich würde gleich auf den Boden knallen. In der Bauchentspannungslage konnte ich kurz verschnaufen, bevor ich in der Kobra erneut fürchtete, mir eine Zerrung im Rücken zuzuziehen. Den Bogen ließ ich aus, denn ich wollte ohne Lähmung weiterleben.

Während ich auf meiner Matte hockte und den anderen bei der Bogenstellungzusahversuchte ich mich unauffällig zu strecken und meine Gliedmaßen ein wenig zu lockern. Was ich zu Sabrena gesagt hatte, bestätigte sich mal wieder: Ich war tatsächlich die unsportlichste Person dieses Universums.

Meine Verschnaufpause währte nur kurz, denn die Kursleiterin erklärte uns eine weitere Übung. Leise stöhnend erhob ich mich. Während ich die Hände vor der Brust gefaltet und auf einem Bein balancierend dastand und gleichzeitig versuchte, nicht wie ein nasser Sack auf die Seite zu kippen, fragte ich mich, warum um alles in der Welt ich mich immer wieder von Mum überreden ließ, sie zum Yoga zu begleiten?

Vorsichtig warf ich ihr einen verstohlenen Seitenblick zu. In perfekter Haltung stand sie neben mir auf der Matte. Ohne Probleme schaffte sie es, ihre Balance in der Baumstellungaufrechtzuerhalten, während ich gefährlich schwankte.

Ich richtete meinen Blick wieder nach vorn.

»So ist das bei Sabrena, man muss sie erst näher kennenlernen, um dahinter zukommen, dass sie in Wahrheit ein total verlogenes Biest ist«, gab ich in gleichem Flüsterton zurück.

»Wir kehren in die Stellung des Kindes zurück«, sagte die Kursleiterin.

Ich warf einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr. Noch knappe zwanzig Minuten bis zum Ende des Kurses. Leise seufzend ergab ich mich in mein trauriges Schicksal.

Später an diesem Abend spielte ich gedankenversunken mit dem Salzstreuer, der vor uns auf dem Tisch stand, und hörte Mum nur mit halbem Ohr zu.

Zu diesem Mutter-Tochter-Ding, das wir jeden Montag durchzogen, gehörte nicht nur die Teilnahme am Yoga-Kurs, sondern auch ein gemeinsames Abendessen.

»Wollen wir unser Essen lieber auf ein anderes Mal verschieben?«, fragte Mum und ich sah überrascht zu ihr auf. Sie musterte mich mit leicht besorgter Miene.

Sofort schüttelte ich den Kopf.

»Tut mir wirklich leid! Ich bin heute keine besonders gute Gesellschaft. Aber irgendwie bekomme ich Sabrenas blöden Auftrag nicht aus dem Kopf. Ich kann nicht glauben, dass ich ihn tatsächlich annehmen muss«, gab ich zurück.

Meine Mum ergriff liebevoll meine Hand.

»Sabrena hat dich unter Druck gesetzt und dir mit fristloser Kündigung gedroht, falls du morgen früh nicht zusagst. Also sei nicht so streng mit dir. Du bekommst das schon irgendwie hin. Oder du überlegst es dir doch noch anders und lehnst ab.«

Seufzend schüttelte ich den Kopf.

»Dann kann ich mir gleich einen anderen Job suchen!«, meinte ich mit einem kleinen Anflug von Panik in der Stimme.

»Dann such dir einen anderen. Wenn Sabrena so ein fürchterlicher Boss ist, solltest du vielleicht ernsthaft über einen Jobwechsel nachdenken. Du bist eine sehr gute Journalistin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dir Probleme bereiten würde, woanders unterzukommen.«

Ich lächelte milde.

»Das sagst du nur, weil ich deine Tochter bin und du mich wirklich liebst.«

»Nein, das sage ich natürlich nicht nur deshalb. Ich meine es ernst. Du kannst so viel mehr und verschwendest dein Talent an die VIP and Style und diese aufgeblasene Kuh. Wag doch einfach mal den Sprung ins kalte Wasser. Wer weiß denn schon, was für wunderbare Möglichkeiten auf dich warten?«, sagte Mum aufmunternd.

»Ja, vielleicht hast du recht. Aber für so etwas bin ich einfach nicht spontan genug.«

»Das klingt, als hättest du dich entschieden. Dann solltest du jetzt positiv denken und das Beste aus deinem Auftrag machen. Fang doch einfach damit an, dich auf den Aufenthalt in Stockholm zu freuen«, beschwor sie mich.

Ich verzog meine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. »Stimmt, dort ist es vielleicht nicht so aufregend wie bei Chris in Neuseeland, aber immerhin besser als gar nichts«, gab ich grinsend zurück und fügte dann hinzu: »Wie geht es eigentlich meinem rastlosen Bruder?«

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Mums Gesicht aus. Das geschah immer, wenn wir über ihn sprachen. Man konnte ihr vieles nachsagen, zum Beispiel, dass sie flatterhaft war und oft unbedacht handelte, aber ihre Kinder liebte sie einfach abgöttisch. Es hat in meinem und – das weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit – auch im Leben meines Bruders nie auch nur einen einzigen Moment gegeben, in dem wir uns benachteiligt, nicht geliebt, oder zurückgesetzt gefühlt hätten.

»Ich habe dich echt lieb, Mum«, gestand ich ihr ganz spontan.

Daraufhin tätschelte sie meine Hand. »Das weiß ich doch, Süße. Ich liebe dich auch. Weil wir gerade von deinem Bruder gesprochen haben, er hat mich erst gestern angerufen. Er sagte, es ginge ihm sehr gut.«

»Das glaube ich sofort. Am Strand zu relaxen und in einem VW-Bus durch Neuseeland zu fahren, fände ich auch ganz super«, erwiderte ich lächelnd und schenkte mir von dem Wein nach, der in einer Karaffe vor uns auf dem Tisch stand.

»Er tut mehr als nur zu relaxen«, informierte sie mich und fuhr gleich darauf fort: »Du wirst es nicht glauben, aber nachdem er fast sein ganzes Geld ausgegeben hat, war er nun tatsächlich gezwungen, sich endlich einen Job zu suchen und hat eine Anstellung auf einer Kiwi-Plantage gefunden.«

Diese Info ließ mich noch ein bisschen breiter grinsen.

»Ach, der Arme«, meinte ich sarkastisch und fügte dann hinzu: »Es wird Zeit, dass er mal richtig arbeiten muss.«

Ich trank einen Schluck Wein, dann stellte ich mein Glas zurück auf den Tisch.

»Mal im Ernst. Am liebsten würde ich jetzt mit Chris tauschen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre ich auch gerne am anderen Ende der Welt. Ich würde lieber Kiwis pflücken und mich anschließend ein bisschen in der Sonne aalen, anstatt mit dem Fußballteam durch halb Europa zu gondeln.« Leise lächelnd fügte ich hinzu: »Vielleicht sollte ich Chris einen kleinen Besuch abstatten und persönlich nachsehen, was mein kleiner Bruder so treibt.«

»Oh, unterschätz diese Arbeit nicht! Der Job soll höllisch anstrengend sein. Außerdem bin ich wirklich froh, dich hier zu haben. Unsere wöchentlichen Treffen bedeuten mir so viel. Also untersteh dich, einfach zu deinem Bruder nach Neuseeland zu verschwinden.«

Lächelnd führte Mum ihr Glas an die Lippen und trank einen Schluck.

»Keine Sorge. Du weißt doch, dass ich immer alles genau planen muss. Ich könnte niemals spontan nach Neuseeland fliegen. Unsere wöchentlichen Treffen werden wir noch lange aufrechterhalten. Sie bedeuten mir nämlich auch sehr viel. Und jetzt lass uns mal über etwas anderes sprechen«, schlug ich vor.

»Gut, meinetwegen«, antwortete sie und widmete sich ihrem Essen.

Doch anstatt das Thema zu wechseln, verfielen wir in Schweigen. Ich beobachtete Mum, als sie ihr Steak klein schnitt. Ich war mir nicht sicher, ob es okay für sie war, das Thema Ian anzusprechen, und überlegte daher, wie ich am besten vorgehen sollte. Die Tatsache, dass sie ihn heute Abend mit keinem einzigen Wort erwähnt hatte, war kein besonders gutes Zeichen.

»Was brennt dir denn noch auf der Seele?«, fragte Mum schließlich, während sie ihren wissenden Blick auf mich richtete.

Sie merkte immer, wenn irgendetwas nicht stimmte.

»Ist bei dir und Ian alles in Ordnung?«, fragte ich vorsichtig.

Leise seufzend legte sie ihr Besteck beiseite. »Ich habe ihm den Laufpass gegeben!«, erklärte sie knapp.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Ian war mir zwar nie wirklich sympathisch gewesen, aber er war kein so großer Loser wie Mums letzter Freund. Dennoch fand ich natürlich, sie hatte etwas viel besseres verdient.

»Ich hatte es einfach satt, mir sein ewiges Gejammer anzuhören. Die Lust, ihm Tag ein und Tag aus dabei zuzusehen, wie er vor dem Fernseher hing und sich ein sinnloses Spiel nach dem anderen reinzog, ist mir gründlich vergangen. Er war ja kaum aus dem Haus zu bewegen!«, erklärte sie.

»Ehrlich gesagt bin ich wirklich froh, dass du dich von ihm getrennt hast. Ich konnte Ian einfach noch nie leiden. Er war ein Schmarotzer, der dir ständig auf der Tasche lag«, gab ich zurück. »Du hast etwas viel besseres verdient, glaub mir, und eines Tages wirst du auch einen tollen Mann kennenlernen.«

Sie winkte resigniert ab. »Die Hoffnung, in meinem Alter noch den Märchenprinzen kennenzulernen, habe ich nach der neuesten Pleite aufgegeben. Nein, ich muss einfach einsehen, dass ich meine besten Zeiten längst hinter mir habe, so traurig es auch ist. Vermutlich bleibe ich für immer allein. Vielleicht sollte ich mir einen Katze anschaffen.«

»Wie kannst du so etwas sagen? Das stimmt doch gar nicht. Du bist einfach wunderbar!«

»Nein, nein, Lillian versuch nicht, die Situation schönzureden«, schnitt sie mir die Worte ab. »Es ist, wie es ist. Ich will auf keinen Fall als eine von diesen abgetakelten Frauen enden, die sich immer noch für zwanzig halten, obwohl sie längst ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert haben und es nicht lassen können, ihren verlorenen Träumen nachzujagen.«

»Du übertreibst«, sagte ich und schob mir eine Gabel voll Salatblätter in den Mund. »Hast du dich eigentlich in letzter Zeit mal im Spiegel angeschaut? Du siehst wunderschön aus! Dein Körper ist perfekt in Form. Ehrlich gesagt, würde ich für deine durchtrainierte Figur über Leichen gehen. Jeder vernünftig denkende Mann kann froh sein, wenn du dich für ihn interessierst. Vergiss Ian! Er ist ein totaler Vollidiot.«

Mum lächelte. »Ach Lillian, du bist wirklich herzallerliebst. Wenn ich dich nicht hätte!«

Als ich meinen Salat aufgegessen hatte, legte ich meine Gabel beiseite und wechselte das Thema.

»Am Freitag habe ich mich mit Dad getroffen«, begann ich. Mum schob ihren Teller ebenfalls von sich.

»Wie geht es ihm denn so? Was machen Emily und die Kinder?«

Mein Bruder und ich waren noch klein, als meine Eltern beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Anfangs hatte ich ihre Entscheidung nicht nachvollziehen können. Es war mir schwer gefallen, die Gründe, weshalb sie nicht zusammenbleiben konnten, zu verstehen. Als Zehnjährige begriff ich nicht so recht, was es bedeuten sollte, wenn eine Liebe einfach erlosch. Doch in meinen Teenagerjahren wurde ich noch zweimal Zeuge dieses für mich anfänglich seltsamen Phänomens. Nämlich als Mum noch zweimal heiratete und sich genauso oft wieder scheiden ließ. Mein Bruder konnte später mit der Trennung unserer Eltern besser umgehen. Er war schon immer ein Freigeist gewesen. Und mittlerweile hielt er von Institutionen wie der Ehe rein gar nichts. Mum und Dad waren nach der Scheidung immer freundschaftlich miteinander umgegangen. Das hatte mir wirklich geholfen, ihre Trennung zu bewältigen. Und mittlerweile war es völlig normal, dass Mum hin und wieder einen Freund hatte und Dad eine neue Familie. Ich wünschte nur, Mum hätte etwas mehr Glück in der Liebe.

»Es geht ihm super. Emily ist wieder schwanger! Kaum zu glauben, was?«, beantwortete ich ihre Frage.

»Na, das nenne ich aber mal fleißig«, gab sie belustigt zurück und zwinkerte mir vielsagend zu.

»Kann man wohl sagen. Dad sagte, ich solle dich schön grüßen.«

»Ja, danke. Aber nächste Woche sehen wir uns ja sowieso. Da werden mir die beiden die frohe Nachricht sicher selbst erzählen. Und jetzt gibt es andere Dinge, die mich noch brennender interessieren: Erzähl mir doch noch einmal von deiner Begegnung mit Jamie!«, bat sie und lehnte sich interessiert über den Tisch zu mir.

Bei ihrem Anblick musste ich mir ein Lächeln verkneifen.

»Vergiss es, mit diesem Thema bin ich durch. Das werde ich nicht noch einmal mit dir durchackern!« Mürrisch verschränkte ich meine Arme vor der Brust. »Also Themawechsel!«, forderte ich erneut.

»Eins muss ich einfach noch loswerden«, entgegnete Mum und blieb von meiner Forderung reichlich unbeeindruckt.

Tief seufzend fragte ich: »Und das wäre?«

»Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, du hast dem armen Jungen in deinem Artikel wirklich zugesetzt!«, meinte sie milde.

»Armer Junge! Ernsthaft? Jamie O‘Conner ist kein Junge!«, sagte ich erbost. Jungenhaft ist er nun ganz und gar nicht. Also ehrlich. »Und ich habe ihm nicht zu sehr zugesetzt, sondern lediglich die Wahrheit geschrieben«, verteidigte ich mich und meinen Artikel.

Schmunzelnd gab sie zur Antwort: »Natürlich, die Wahrheit! Lillian, verkauf mich bitte nicht für dumm. Aber lassen wir das. Was die Reise mit dem Team betrifft: Vielleicht stellt sich ja sogar heraus, dass Jamie nicht so schlimm ist, wie du im Moment glaubst«, machte sie mir die vage Hoffnung.

Aber ich schüttelte nur den Kopf.

»Glaub mir, ich habe irgendwie das ungute Gefühl, dass er sogar noch schlimmer ist, als ich jetzt denke«, gab ich zurück.

Ein paar Tage später sollte sich doch tatsächlich herausstellen, dass Mum falsch lag und ich dafür goldrichtig.

Kapitel 3

Jamie

»Okay Jungs, alle herhören!«, sagte Kara Turner, als sie nach dem Training unsere Umkleidekabine betrat. Schmunzelnd stellte ich fest, dass die Mehrheit der Spieler nicht einmal kurz den Blick hob, um Kara irgendeine Form von Aufmerksamkeit zu schenken. Ihre Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich, als sie uns eingehend betrachtete. Unsere Unverschämtheit schien ihr ganz und gar nicht zu gefallen. Fast hatte ich ein bisschen Mitleid mit ihr. Aber wirklich nur fast. Stattdessen ließ ich mich auf die Bank fallen und machte mich daran meine Schienbeinschoner auszuziehen. Das Training war hart gewesen und ich hatte wenig Lust, mir ihre Ideen anzuhören.

Ohne Vorwarnung knallte Kara die Tür des nächstbesten Umkleidespinds zu, dass es gewaltig schepperte, und sicherte sich so auf ziemlich unkonventionelle Art und Weise doch noch unsere volle Aufmerksamkeit.

»Sehr nett von euch, dass ihr mir zuhört«, meinte sie sarkastisch, blickte in die Runde und fuhr gleich darauf fort: »Einigen von euch habe ich bereits erklärt, dass es mit meiner Beförderung kleine Veränderungen im Team geben wird.«

»Keine besonders guten«, raunte Tom neben mir.

Karas strafender Blick richtete sich direkt auf ihn.

»Gibt es etwas, das du uns mitteilen möchtest?«

Tom verzog keine Miene, stattdessen starrte er Kara ziemlich abschätzend an. Was er von ihr hielt, zeigte dieser Blick ganz deutlich. Doch dann zuckte er lässig die Schultern.

»Ich habe eine ganze Menge zu sagen«, meinte er dann. »Aber nichts davon gedenke ich mit dir zu erörtern.«

Er lehnte sich lässig mit dem Rücken gegen die Wand und auf Karas Wangen bildeten sich rote Flecken der Verärgerung. Sie versuchte es geschickt zu überspielen. Doch ich war mir sicher, dass jeder im Raum bemerkte, wie wütend Tom sie gemacht hatte. Anstatt eine spitze Bemerkung zu erwidern, ließ sie es bleiben und wandte sich wieder uns allen zu. Das dürfte noch interessant werden, dachte ich amüsiert. Vielleicht hatten Tom und ich doch mehr gemeinsam, als ich bisher angenommen hatte. Zumindest konnten wir Kara beide nicht ausstehen.

»Wie bereits erwähnt, möchte ich den Fußball für den weiblichen Teil unserer Bevölkerung beliebter machen.«

»Wozu?«, meldete sich Tom schon wieder zu Wort und entlockte uns ein gemeinschaftliches Lachen.

Kara warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

»Ich bin mir nicht sicher, wie gut du rechnen kannst, daher werde ich so freundlich sein und es noch einmal ganz langsam erklären.«

Wieder ein Lachen unsererseits. Tom kniff die Augen zusammen und behielt Kara genau im Blick. Sich mit ihr anzulegen, schien ihm aus irgendeinem Grund zu gefallen.

»Es geht um die Steigerung unserer Ticketverkäufe. Wir könnten mehr Frauen in die Stadien locken. Vielleicht schaffen wir es, sie zu animieren, gemeinsam mit ihren Männern oder sogar mit Freundinnen zu den Spielen zu gehen.«

Tom schien ernsthaft über Karas Idee nachzudenken, doch dann schüttelte er den Kopf und erwiderte trocken: »Egal wie man es dreht und wendet, deine Idee ist und bleibt bescheuert.«

Kara schnappte nach Luft und wir beobachteten amüsiert diese äußerst unterhaltsame Auseinandersetzung.

»Also gut, Tom, ich habe weder die Zeit noch die Lust dazu, mich mit dir und deinen dummen Äußerungen auseinanderzusetzen. Also kriech doch am besten zurück in deine Höhle und überlasse das Denken mir«, gab sie knapp zurück.

Ich verkniff mir ein Lachen. Gut gekontert!

Kurz darauf wandte sie sich wieder uns zu und würdigte Tom keines weiteren Blickes.

»Ich will es kurz machen. Miss Lillian Loman, Journalistin der VIP and Style, wird euch während der nächsten Champions League Spiele begleiten«, fuhr Kara fort.

Mir gefror das Lächeln auf dem Gesicht, während sie weitersprach.

»Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber die VIP and Style ist die meistverkaufte Frauenzeitschrift Englands. Daher wird Miss Loman mit euch auf Reisen gehen und ihre Aufgabe wird es sein, kurze Spielberichte zu schreiben. Außerdem haben wir beschlossen, dass sie Einzelinterviews mit euch führen wird, die anschließend in der Zeitschrift abgedruckt werden«, klärte uns Kara abschließend auf.

Das konnte Kara doch nicht wirklich ernst meinen! Jetzt war sie wohl vollkommen durchgeknallt.