Eiskalte Nähe - J.D. Robb - E-Book

Eiskalte Nähe E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

In ihrem 43. Fall begegnet Eve Dallas ihrem bisher perfidesten Widersacher: ein Scharfschütze, der in Manhattan Jagd auf Menschen macht und die Ausgeburt des Bösen zu sein scheint …

Die Schüsse kommen schnell, leise und mit tödlicher Präzision. Innerhalb von Sekunden sind drei Menschen auf der Eislaufbahn im Central Park tot. Die Opfer scheinen willkürlich: eine talentierte junge Eisläuferin, ein Arzt und ein Lehrer.

Eve Dallas nimmt die Ermittlungen auf und bald wird ihr eine schockierende Tatsache klar: Der Killer wird von einem Experten in der Wissenschaft des Tötens ausgebildet, und er hat einen perfiden Plan. Der Central Park war nur ein Aufwärmtraining. Und als ein weiterer Scharfschützenangriff die Stadt in ihren Grundfesten erschüttert, erkennt Eve, dass es Menschen gibt, die schlichtweg böse geboren werden ...

J. D. Robb übertrifft sich mit jedem Band ihrer SPIEGEL-Bestsellerserie erneut: Verpassen Sie nicht die anderen Fälle von Eve Dallas! Alle Roman sind unabhängig voneinander lesbar.

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Seitenzahl: 620

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Buch

Die Schüsse kommen schnell, leise und mit tödlicher Präzision. Innerhalb von Sekunden sind drei Menschen auf der Eislaufbahn im Central Park tot. Die Opfer scheinen willkürlich: eine talentierte junge Eisläuferin, ein Arzt und ein Lehrer.

Eve Dallas nimmt die Ermittlungen auf, und bald wird ihr eine schockierende Tatsache klar: Der Killer wird von einem Experten in der Wissenschaft des Tötens ausgebildet, und er hat einen perfiden Plan. Der Central Park war nur ein Aufwärmtraining. Und als ein weiterer Scharfschützenangriff die Stadt in ihren Grundfesten erschüttert, erkennt Eve, dass es Menschen gibt, die schlichtweg böse geboren werden …

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren erfolgreich Kriminalromane.

Liste lieferbarer Titel

Rendezvous mit einem Mörder · Tödliche Küsse · Eine mörderische Hochzeit · Bis in den Tod · Der Kuss des Killers · Mord ist ihre Leidenschaft · Liebesnacht mit einem Mörder · Der Tod ist mein · Ein feuriger Verehrer · Spiel mit dem Mörder · Sündige Rache · Symphonie des Todes · Das Lächeln des Killers · Einladung zum Mord · Tödliche Unschuld · Der Hauch des Bösen · Das Herz des Mörders · Im Tod vereint · Tanz mit dem Tod · In den Armen der Nacht · Stich ins Herz · Stirb, Schätzchen, stirb · In Liebe und Tod · Sanft kommt der Tod · Mörderische Sehnsucht · Ein sündiges Alibi · Im Namen des Todes · Tödliche Verehrung · Süßer Ruf des Todes · Sündiges Spiel · Mörderische Hingabe · Verrat aus Leidenschaft · In Rache entflammt · Tödlicher Ruhm · Verführerische Täuschung · Aus süßer Berechnung · Zum Tod verführt · Das Böse im Herzen · So tödlich wie die Liebe · Geliebt von einem Feind · Der liebevolle Mörder · Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas · Mörderstunde. Drei Fälle für Eve Dallas · Mörderlied. Vier Fälle für Eve Dallas

Nora Roberts ist J. D. Robb.

J. D. Robb

Eiskalte Nähe

Roman

Deutsch von Uta Hege

Die Originalausgabe erschien 2017 

unter dem Titel »Apprentice in Death« bei Berkley Books,

an imprint of Penguin Random House LLC, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Dieser Roman ist im Dezember 2021 bei Weltbild erschienen.

Copyright © der Originalausgabe 2017 by Nora Roberts

Published by arrangement with Eleanor Wilder

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabe

by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Regine Kirtschig

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotive: plainpicture/Stephen Shepherd, www.buerosued.de

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

LH ∙ Herstellung: sam

ISBN: 978-3-641-28825-9V002

www.blanvalet.de

Mag sein, was an Impulsen wir empfangen

in einem frühlingshaften Wald,

uns aufschließt auch den ethischen Belangen,

wo Theorie das Herz lässt kalt.

WILLIAM WORDSWORTH

Sind Gott und die Natur also im Streit,

wenn die Natur so böse Träume hält bereit?

ALFRED, LORD TENNYSON

Prolog

Die Zeit war reif für einen ersten Mord.

Dem Lehrling war bewusst, das jahrelange Training mit den Zielscheiben, die antrainierte Disziplin und stundenlanges Observieren hatten ihn hierhergeführt.

An diesem kalten, sonnenhellen Nachmittag im Januar 2061 fing wahrhaftig alles an.

Ein klarer Geist und ruhiges Blut.

Die beiden Elemente waren genauso wichtig wie die Windrichtung, Luftfeuchtigkeit und Schnelligkeit.

Ein klarer Geist und ruhiges Blut, auch wenn man noch so ungeduldig war.

Der Mentor hatte alles arrangiert. Mit der ihm eigenen Effizienz und einem Blick für jedes noch so winzige Detail. Das Zimmer ging nach Westen und verfügte über ein mit einer Sichtblende versehenes Fenster, das sich öffnen ließ. Es lag in einem ruhigen Mittelklassehotel an der Ecke Sutton Place und Second Avenue und bot trotz der Entfernung von fast einer Meile eine ganz hervorragende Aussicht auf den Central Park.

Der Mentor hatte alles sorgfältig geplant und einen Raum in einem Stockwerk oberhalb der Baumwipfel gebucht. Mit bloßem Auge war die Eisbahn Wollman Rink natürlich nur als kleiner weißer Fleck, der in der Sonne glitzerte, zu sehen.

Natürlich hatten sie die Eisbahn häufig besucht und zugesehen, wie ihre Zielperson sorglos über das Eis geglitten war.

Sie hatten selbstverständlich auch den Arbeitsplatz, das Heim, die Lieblingsrestaurants und -läden der Person erforscht, um ein Gefühl für deren Routine zu entwickeln, und beschlossen, dass die Eisbahn in dem großen Park der beste Ort für die Umsetzung ihrer Pläne war.

Sie waren ein eingespieltes Team, und während der Mentor noch das Stativ vors Fenster rückte, kam der Lehrling schon mit dem Gewehr.

Ohne auf die kalte Winterluft zu achten, die durchs offene Fenster wehte, legte er die Waffe aufs Stativ, drehte es ein bisschen höher, blickte durch den Sucher, und die Eisbahn war mit einem Mal so nah, dass er sogar die Spuren, die die Schlittschuhkufen auf der weißen Fläche hinterließen, erkannte.

All diese Menschen mit den bunten Mützen, Handschuhen und Schals. Ein junges Paar, das lachend Händchen hielt und stolpernd seine Kreise zog. Ein Mädchen mit goldblondem Haar, in einer Weste und einem roten Skinsuit drehte eine derart schnelle Pirouette, dass ihr Bild verschwamm. Ein weiteres Paar, das einen kleinen Jungen an den Händen hielt, der strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Die Alten und die Jungen. Die Schleicher und die Raser, die Novizen und die Angeber.

Sie alle hatten keine Ahnung, dass sie jetzt im Fadenkreuz des Lehrlings waren, nur einen Augenblick vom Tod entfernt. Dass er in wenigen Sekunden die Entscheidung fällen würde, wer am Leben blieb und wer starb.

Für einen flüchtigen Moment berauschte er sich am Gefühl der grenzenlosen Macht, die er besaß.

»Hast du die Zielperson im Blick?«

Es dauerte mehrere Sekunden, bevor er sie unter all den Leibern und Gesichtern fand.

Dann aber nickte er. Da vorn. Der Körper. Das Gesicht. Die Zielperson. Er hatte sie schon unzählige Male im Visier gehabt. Doch heute sähe er sie dort zum allerletzten Mal.

»Hast du auch schon die beiden anderen ausgesucht?«

Der Lehrling nickte wieder knapp.

»Die Reihenfolge ist egal. Jetzt fang an.«

Der Lehrling überprüfte abermals die Windgeschwindigkeit und -richtung, korrigierte unmerklich die Position seines Gewehrs und machte sich mit klarem Kopf und ruhigem Blut ans Werk.

Das Mädchen in dem roten Skinsuit lief inzwischen rückwärts und baute Geschwindigkeit für einen Axel auf. Dann begann sie mit der Vorwärtsdrehung, wechselte von ihrem rechten auf den linken Fuß und hob die Arme über den Kopf.

Der todbringende Laserstrahl erwischte sie im Rücken, und aufgrund des Tempos, das sie hatte, flog sie ein paar Meter durch die Luft, prallte im Sterben gegen die Familie mit dem kleinen Jungen und warf sie um.

Dann fingen die Schreie an.

In dem darauffolgenden Chaos hielt ein Mann, der auf der anderen Eisbahnseite lief, kurz an und blickte auf die Gruppe Menschen, die am Boden lag.

Der Laserstrahl traf ihn im Bauch. Während er zusammenbrach, wichen zwei andere Eisläufer ihm aus und setzten ihre Runde fort.

Das junge Pärchen, das sich an den Händen hielt, glitt unbeholfen an den Rand, umklammerte dort das Geländer, und der Mann wies auf die tote junge Frau.

»He, ich glaube, sie …«

Der Strahl bohrte ein Loch in seine Stirn.

Der Lehrling schaute weiter durch den Sucher, stellte sich die Schreie und den Lärm dort unten auf der Eisbahn vor und sagte sich, dass er problemlos noch auf einen vierten, fünften oder gleich ein ganzes Dutzend Menschen zielen könnte.

Dass das Leben all dieser Leute jetzt in seinen Händen lag.

Sein Mentor ließ das Fernglas sinken, legte anerkennend eine Hand auf seine Schulter und zeigte auf diese Art das Ende dieser ganz besonderen Übungsstunde an. »Drei saubere Treffer, und du hast auch deine Zielperson erwischt. Das hast du sauber hingekriegt.«

Schnell und effizient baute der Lehrling seine Waffe auseinander und verstaute sie im Kasten, während gleichzeitig sein Mentor das Stativ zusammenschob.

Dabei verzog er das Gesicht zu einem unmerklichen Lächeln, denn die Freude und der Stolz im Blick des Lehrlings waren nicht zu übersehen.

»Erst sichern wir die Ausrüstung, danach wird gefeiert, denn das hast du dir verdient. Außerdem besprechen wir noch kurz den Einsatz, aber anschließend ist für heute Schluss. Wenn wir morgen weitermachen, ist das früh genug.«

Sie hatten vor und nach dem Einsatz alle Spuren im Hotelzimmer verwischt. Als sie jetzt den Raum verließen, freute sich der Lehrling schon darauf, am nächsten Tag mit dieser ganz besonderen Arbeit fortzufahren.

1

Nach einem wieder einmal nervtötenden Auftritt vor Gericht kehrte Eve Dallas, Lieutenant der New Yorker Polizei, auf ihr Revier zurück. Sie brauchte dringend einen Kaffee, aber wie es aussah, lauerte Detective Jenkinson ihr schon auf, denn als sie das Dezernat erreichte, sprang er eilig auf und kam mit schnellen Schritten auf sie zu.

»Frösche?«, fragte sie mit einem Blick auf seinen neuesten grauenvollen Schlips. »Warum in aller Welt trägt jemand in der Weihnachtszeit etwas um den Hals, auf dem pissgelbe Frösche auf kotzgrünen Blättern abgebildet sind?«

»Sie haben einfach keine Ahnung von Feng-Shui. Vor allem sind die Seerosen echt hübsch, und Frösche bringen Glück. Aber wie dem auch sei, so ein blöder Junkie hat der Neuen in der Avenue B eine verpasst. Sie und Carmichael von der Trachtengruppe haben den Typ und auch seinen Dealer aufs Revier geschleift. Die beiden hocken unten in der Zelle, und die Neue sitzt mit einem Eisbeutel auf ihrem Veilchen im Pausenraum. Ich dachte mir, dass Sie das vielleicht interessiert.«

Die Neue war Officer Shelby, die erst heute früh in Eves Dezernat gewechselt war. »Wie kommt sie damit klar?«

»So gut wie jeder andere echte Cop. Sie ist in Ordnung, Boss.«

»Gut zu wissen.«

Obwohl sie jetzt wirklich dringend einen anständigen Kaffee bräuchte, hatte sie die junge Frau an Bord geholt, und dass sich Shelby gleich an ihrem ersten Tag ein Veilchen eingefangen hatte, tat ihr leid.

Also stapfte sie in ihrem schwarzen Ledermantel erst mal in den Pausenraum.

Mit einem Becher widerlicher Automatenplörre in der Hand und einem Eisbeutel auf dem rechten Auge hockte Shelby dort an einem Tisch und las blinzelnd irgendwas auf ihrem Handcomputer durch. Sie wollte höflich aufstehen, als Eve den Raum betrat, die aber gab ihr zu verstehen, dass das nicht nötig war, und sah sie fragend an.

»Wie geht es Ihrem Auge, Officer?«

»Er hatte nicht mal so viel Wumms wie meine kleine Schwester, wenn sie wütend auf mich ist.«

Auf Eves Zeichen ließ die junge Frau ihr stark geschwollenes, schwärzlich violett verfärbtes Auge sehen, nickend meinte der Lieutenant: »Das war ein echter Volltreffer. Am besten lassen Sie den Eisbeutel noch eine Weile drauf.«

»Ja, Ma’am.«

»Gute Arbeit.«

»Danke, Ma’am.«

Auf dem Weg in ihr Büro blieb Eve noch kurz am Schreibtisch von Carmichael von der Trachtengruppe stehen. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«

»Die Detectives Carmichael und Santiago hatten einen Fall in der Avenue B hereingekriegt. Wir sind zur Unterstützung mitgefahren, um alles abzusperren, dann lief plötzlich ganz in unserer Nähe dieser Drogendeal. Den konnten wir nicht einfach ignorieren, aber da sie gerade im Begriff waren, die Leiche aus dem Haus zu schaffen, blieb uns nicht viel Zeit. Der Dealer hat auch brav die Hände hochgenommen, aber dieser blöde Junkie war anscheinend auf Entzug und ist direkt auf Shelby losgegangen. Ein ziemlich jämmerlicher Schlag, den er ihr da verpasst hat, es dauerte danach nur drei Sekunden, bis er selber auf dem Boden lag. Das hat sie wirklich sauber hingekriegt. Vielleicht war sie ein bisschen übereifrig, aber sie war richtig sauer, weil der Kerl ihr eine reingehauen hat. Dann haben wir die beiden Typen aufs Revier geschleift, und jetzt ist dieser Blödmann nicht nur wegen des fehlgeschlagenen Deals, sondern vor allem wegen Shelbys Veilchen dran. Aber sie scheint echt taff zu sein, denn sie hat den Schlag problemlos weggesteckt«, stellte Carmichael anerkennend fest.

»Dann wollen wir doch mal sehen, wie sie sich weiter macht. Aber nehmen Sie sie in den nächsten Tagen erst mal an die kurze Leine, ja?«

Bevor noch jemand anderes etwas von ihr wollte, zog sie sich in ihr Büro zurück, trat immer noch im Mantel vor den AutoChef und holte sich dort einen Becher ihres exklusiven, dampfend heißen, pechschwarzen Kaffees.

Dann trat sie mit dem Becher an das winzig kleine Fenster, von wo aus sie ihren Blick aus bernsteinbraunen Augen über den Verkehr, der auf der Straße und am Himmel herrschte, wandern ließ.

Gleich würde sie sich an den dämlichen Papierkram machen, den sie schon seit Tagen vor sich herschob, aber nach dem Abschluss eines schlimmen Falles und nach einem Morgen vor Gericht mit ihrer Aussage zu einem anderen schlimmen Fall brauchte sie erst mal einen Augenblick mit Kaffee und dem Bild der Stadt, zu deren Dienst und Schutz sie angetreten war.

Vielleicht hätte sie ja Glück und einen ruhigen Abend ganz allein mit Roarke. Mit einem feinen Abendessen, etwas Wein, vielleicht noch einem Film und jeder Menge Sex. Wenn eine Mordermittlerin mit einem viel beschäftigten Geschäftsmann und gleichzeitig Multimilliardär zusammen war, blieb leider allzu selten Zeit für traute Zweisamkeit.

Auch wenn gemeinsame Zeit ihm zum Glück genauso wichtig war wie ihr.

Natürlich hatten sie gelegentlich auch elegante Auftritte, denn die waren eben Teil des Deals, den sie mit ihrer Hochzeit eingegangen war. Noch öfter aber half er ihr in dem heimischen Büro bei ihrem Job. Dann aßen sie zusammen Pizza und gingen gemeinsam der Arbeit nach. Er hatte eine kriminelle Ader, konnte aber denken wie ein Cop und war deshalb das beste Werkzeug, das ihr zur Verfügung stand.

Und weil er ihr auch bei der Lösung des letzten Falls geholfen hatte, hätten sie sich einen Abend ganz allein zuhause rechtschaffen verdient.

Sie stellte den Becher auf den Schreibtisch und warf ihren Mantel über den absichtlich alles andere als bequemen Besucherstuhl. Papierarbeit, erinnerte sie sich, und als sie sich die Haare raufen wollte, fasste sie in die Mütze mit der aufgestickten Glitzerflocke, die ihr immer etwas peinlich war. Sie zerrte sie von ihrem Kopf, warf sie auf den Mantel, fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen, wirren braunen Haare und nahm seufzend hinter dem Schreibtisch Platz.

»Computer«, fing sie an, bevor das Klingeln des Schreibtischlinks sie unterbrach.

»Dallas.«

»Hier Zentrale, Lieutenant Dallas.«

Dieser Anruf hieß, dass sie den ruhigen Abend knicken könnte, mit einem neuerlichen leisen Seufzer schaltete sie den Computer wieder aus.

Sie stellte den Wagen in der zweiten Reihe ab und ging mit ihrer Partnerin den Rest des Wegs von der Sixth Avenue zu Fuß.

Eingehüllt in einen Schal mit Zickzackmuster in Purpur und Grün, stapfte Peabody mit unglücklicher Miene durch den dicken Schnee.

»Ich dachte, wenn wir heute bei Gericht sind, könnte ich problemlos meine Cowgirlstiefel tragen, aber für den Schnee hier draußen sind sie einfach nicht gemacht.«

»Wir haben Januar, und welcher Cop tritt während einer Mordverhandlung schon in pinkfarbenen Cowboystiefeln auf?«

»Reo hatte rote Schuhe an«, erinnerte die Partnerin sie an die Staatsanwältin, die in dem Verfahren aufgetreten war. »Rot ist auch nichts anderes als ein dunkles Pink.«

Eve fragte sich, warum in aller Welt sie über Schuhe sprachen, während sie auf dem Weg zum Schauplatz eines Dreifachmordes waren. »Vergessen Sie’s.«

Inzwischen hatten sie die Absperrung erreicht. Sie wies sich aus und lief entschlossen weiter, ohne auf die Fragen der Reporter, die sich vor dem Gitter drängten, einzugehen.

Jemand hatte schnell genug gehandelt, um die Mitarbeiter der Medien so auf Distanz zu halten, dass die Eisbahn nicht zu sehen war. Es würde sicherlich nicht lange dauern, bis sie Wege fänden, sich den Tatort anzuschauen, aber es war gut, dass ihr und ihren Leuten wenigstens fürs Erste niemand bei der Arbeit in die Quere käme.

Abgesehen von dem guten Dutzend Leute von der Trachtengruppe und den circa fünfzig Zivilisten, die sie durch die Gegend laufen sah und deren laute, teilweise hysterisch schrille Stimmen nicht zu überhören waren.

»Ich hätte angenommen, dass wir noch mehr Zeugen hätten«, stellte Peabody verwundert fest.

Eve sah sich weiter in der Menge um. »Wahrscheinlich sind die meisten Leute, als es plötzlich Tote auf der Eisbahn gab, so schnell wie möglich abgehauen. Bestimmt war mindestens die Hälfte der Besucher weg, bevor auch nur der erste Streifenwagen kam.« Sie schüttelte den Kopf. »Die Journalisten brauchen gar nichts selbst zu filmen, denn sicher haben ihnen schon Dutzende von Leuten irgendwelche Handyaufnahmen geschickt.«

Das war nicht mehr zu ändern, wusste Eve und bahnte sich den Weg an der nächsten Absperrung vorbei.

Sobald sie auf die Eisbahn kam, löste ein Beamter sich von den Kollegen und kam auf sie zu. Er war seit über dreißig Jahren bei der Truppe, und sie wusste, dass die relative Ordnung, die am Tatort herrschte, seiner langen Erfahrung und der ruhigen Nüchternheit, mit der er seinen Dienst tat, zu verdanken war.

»Fericke«, grüßte sie.

Er hatte das Gesicht und die Statur von einer schwarzen Bulldogge, und seine Augen in der Farbe von Zartbitterschokolade hatten bereits alles, was ein Polizist mit so vielen Dienstjahren auf dem Buckel sehen konnte, gesehen.

Mit einem knappen Nicken meinte er: »Was für ein Durcheinander.«

»Sagen Sie mir, was passiert ist.«

»Der Anruf der Zentrale kam kurz vor halb vier. Ich bilde gerade einen Frischling aus. Wir waren auf Streife in der Sechsten, und als wir die Meldung hörten, sind wir zu Fuß hierhergegangen. Ich habe ihm gesagt, er soll die Gegend abriegeln und niemanden durchlassen. Aber, meine Güte, schließlich konnte er wohl kaum den ganzen gottverdammten Park absperren.«

»Dann waren Sie also als Erster hier vor Ort.«

Er nickte abermals. »Dann kamen die ersten Krankenwagen und Kollegen, aber als ich ankam, waren schon jede Menge Leute abgehauen. Die Security des Parks hat mir geholfen, die zurückzuhalten, die noch auf der Eisbahn waren. Es gab ein paar Leichtverletzte und ein vielleicht sechsjähriges Kind mit einem gebrochenen Bein. Die Zeugen haben natürlich jede Menge Mist erzählt, aber wie’s aussieht, ist das erste Opfer durch die Luft geflogen und mit der Familie zusammengeprallt, wobei der Junge sich bei seinem Sturz das Bein gebrochen hat. Ich habe die Adresse der Familie und das Krankenhaus, in dem er jetzt behandelt wird.«

»Peabody.«

»Geben Sie mir die Daten, Officer.«

Er ratterte die Anschrift herunter, ohne dass er auch nur einen Blick in sein Notizbuch warf.

»Die Spurensicherung wird alles andere als glücklich sein, wenn sie den Tatort sieht. Die Leute rennen überall herum, selbst die Leichen haben sie bewegt. Der Tierarzt und der Arzt, die heute Nachmittag hier ihre Runden drehen wollten, haben versucht, die Opfer wiederzubeleben, und die Erstversorgung der Verletzten übernommen, bis die Krankenwagen kamen.« Er seufzte und fuhr fort: »Das erste Opfer kam durch einen Schuss in den Rücken um. Die junge Frau da vorn in Rot.« Er drehte seinen Kopf und wies mit seinem Doggenschädel in die Richtung, wo die Tote lag. »Bisher ist nicht ganz klar, welches das zweite Opfer war – der mit dem Bauchschuss oder der, dem direkt in die Stirn geschossen worden ist. Für mich sieht es nach einer Laserwaffe aus, aber von einigen der Zeugen werden Sie auf jeden Fall auch etwas von Männern und verdächtigen Gestalten auf dem Eis und jede Menge anderen Unsinn hören, und ich will Ihnen bestimmt nicht sagen, wie Sie Ihre Arbeit machen sollen.«

Tatsächlich war sie Lieutenant, weil sie wusste, wie sie ihre Arbeit machen sollte, und sie hatte im Verlauf der Zeit gelernt, sich auch den allergrößten Unsinn anzuhören und ihn dann erst als solchen abzutun.

»Okay. Sind dieser Arzt und Tierarzt noch da?«

»Na klar. Wir haben gesagt, dass sie in der Garderobe warten sollen, zusammen mit einem Paar, das angeblich zuerst bei einem der beiden toten Männer war. Und mit der Frau des anderen Toten, die behauptet, dass ihr Mann zuletzt getroffen worden ist. Was durchaus glaubhaft klingt.«

»Dann sprechen Sie mit diesen Leuten, Peabody, ich sehe mir währenddessen die Leichen an. Außerdem will ich die Aufnahmen der Überwachungskameras, und zwar so schnell es geht.«

»Die haben wir schon für Sie gesichert«, klärte Fericke sie auf. »Fragen Sie nach Spicher. Er macht die Security hier auf der Eisbahn und scheint kein Idiot zu sein.«

»In Ordnung.« Peabody lief los und wich dabei dem Schnee so gut wie möglich aus.

»Am besten holen Sie sich erst mal Spikes für Ihre Schuhe«, wandte sich der Officer an Eve. »Da drüben liegt ein Haufen von den Dingern rum. Es würde das Vertrauen in die Polizei nicht unbedingt vergrößern, wenn sich die Ermittlungsleiterin vor allen Leuten aufs Eis legt, meinen Sie nicht auch?«

»Halten Sie hier weiterhin die Stellung, Fericke.«

»Auf jeden Fall.«

Sie lief zum Rand der Eisbahn, schnallte ein paar Spikes unter die Sohlen ihrer Boots, zog das Versiegelungsspray hervor und sprühte sich damit die Stiefel und die Hände ein.

»Hallo! Haben Sie hier das Sagen? Oder wissen Sie, verdammt noch mal, wer sonst hier was zu sagen hat?«

Der Mann war um die vierzig, hatte ein gerötetes Gesicht und trug einen dicken weißen Strickpullover über einer engen schwarzen Jeans.

»Ich leite die Ermittlungen«, beschied sie ihm.

»Sie haben nicht das Recht, mich einfach festzuhalten, ich habe einen dringenden Termin.«

»Mister …«

»Granger«, gab er schlecht gelaunt zurück. »Wayne Granger, und ich kenne meine Rechte.«

»Mr. Granger, sehen Sie die drei Leute, die da auf der Eisbahn liegen?«

»Ja, natürlich.«

»Die haben im Augenblick mehr Rechte als Sie.«

Er rief ihr irgendetwas von Polizeistaat und von einer Klage hinterher, doch achtlos bahnte sie sich einen Weg über das Eis bis zu der toten Frau in Rot. Im Grunde war sie beinah noch ein Mädchen, denn sie konnte höchstens zwanzig sein.

Sie lag in einer roten Lache auf der Seite, und Eve sah die Blutflecke, die die anderen Schlittschuhläufer und die Sanitäter rund um ihre Leiche hinterlassen hatten.

Ihre blauen Augen wurden bereits glasig, und der Rücken ihrer linken Hand war in ihr eigenes Blut getaucht.

Als Eve sie sah, verschwendete sie keinen weiteren Gedanken an den aufgeblasenen Granger und an dessen ach so wichtigen Termin.

Sie hockte sich mit ihrem Untersuchungsbeutel vor die Tote, machte ihren Job und blickte auch nicht auf, als Peabody erschien.

»Das Opfer heißt Ellissa Wyman. Neunzehn Jahre alt, wohnhaft bei den Eltern und der jüngeren Schwester in der Upper West. Todeszeitpunkt 15.15 Uhr. Die Todesursache steht noch nicht fest, aber wie Fericke denke ich auch, dass es ein Schuss aus einer Laserwaffe war.«

»Das haben die beiden Ärzte auch gesagt. Der Tierarzt war bei der Armee, da hatte er es häufiger mit Laserschussverletzungen zu tun. Sie haben sie sich nur angesehen und wussten gleich, dass ihr nicht mehr zu helfen war. Einer hat danach versucht, den Bauchschuss zu versorgen, während sich der andere den Kopfschuss angesehen hat. Da sie den beiden Männern aber auch nicht helfen konnten, haben sie sich dann auf die Verletzten konzentriert.«

Mit einem Nicken stand Eve auf. »Haben Sie die Aufnahmen der Überwachungskameras?«

»Na klar.«

Eilig schob Eve eine der Disketten in den Schlitz ihres Handcomputers, rief den Augenblick des ersten Schusses auf und konzentrierte sich ganz auf die junge Frau in Rot.

»Sie ist echt gut«, bemerkte Peabody. »Ich meine, ihre Form. Sie baut anscheinend gerade Tempo auf und …«

Bevor sie den Satz beenden konnte, flog Ellissa plötzlich durch die Luft und prallte unsanft gegen die Familie mit dem sechsjährigen Kind.

Eve spulte noch einmal kurz zurück, bevor sie den Blick über die Zuschauer und anderen Läufer gleiten ließ.

»Die Leute machen ihr freiwillig Platz, manche sehen ihr beim Laufen zu. Doch eine Waffe kann ich nirgends entdecken.«

Sie ließ die Aufnahmen weiterlaufen, bis das zweite Opfer mit weit aufgerissenen Augen auf der Eisfläche zusammenbrach.

Spulte erneut zurück, notierte sich die Zeit und spulte weiter vor.

»Weniger als sechs Sekunden zwischen beiden Schüssen.«

Die Leute fuhren dorthin, wo das erste Opfer neben der Familie lag. Auch die Security kam angestürzt.

Das Pärchen, das am Rand der Eisbahn stolpernd seine Kreise zog, blieb stehen, der Mann drehte sich um, dann traf ihn der Schuss.

»Etwas über sechs Sekunden bis zum dritten Schuss. Drei Schüsse innerhalb von zwölf Sekunden und drei Treffer – einmal in den Rücken, einmal in den Bauch und einmal in die Stirn. Das ist kein bloßes Glück. Keiner dieser Schüsse kam vom Rand der Eisbahn oder irgendwo dort aus der Nähe. Also gehen Sie zu Fericke und sagen ihm, dass abgesehen von den beiden Ärzten und der Ehefrau des dritten Opfers jeder, dessen Name, Kontaktdaten und Aussage er hat, jetzt gehen kann.«

Nach einer kleinen Pause ergänzte sie: »Nehmen Sie noch einmal persönlich die Aussagen der drei entgegen, dann fragen Sie die Frau, ob Sie jemanden bitten sollen, herzukommen und sie abzuholen. Die erste Leiche können sie jetzt mitnehmen, und wir brauchen noch die Aufnahmen der Kameras im Park.«

»Aus welchem Sektor?«

»Allen.«

Noch während Peabody die Kinnlade herunterklappte, überquerte Eve das Eis zu ihrer zweiten Leiche.

Als sie mit den drei Toten fertig war, ging sie in die Garderobe, wo die beiden Ärzte mit Kaffeebechern in den Händen auf einer der Bänke saßen, und gab der Beamtin, die sie dort im Auge behalten hatte, durch ein Nicken zu verstehen, dass sie entlassen war.

Sie nahm den beiden Männern gegenüber Platz und stellte sich kurz vor. »Ich bin Lieutenant Dallas. Sie haben Ihre Aussagen bei meiner Partnerin, Detective Peabody, gemacht.«

Die beiden nickten, und der Linke – Mitte dreißig, schlank und ordentlich rasiert – ergriff das Wort. »Wir konnten nichts mehr für die junge Frau und für die beiden Männer tun. Als wir sie erreichten, waren sie schon tot.«

»Doktor?«

»Lansing. Tut mir leid, ich hätte mich erst einmal vorstellen sollen. Am Anfang dachte ich, das Mädchen im roten Skinsuit wäre einfach unglücklich gestürzt. Aber der kleine Junge schrie so gellend, dass ich sofort wusste, dass mit ihm was nicht in Ordnung war. Als es passierte, war ich direkt hinter der Familie und dem Mädchen, deshalb wollte ich zuerst das Kind erreichen. Aber als ich an der jungen Frau vorbeikam, wurde mir bewusst, dass sie nicht nur bewusstlos ist. Dann schrie Matt auch schon, dass alle von der Eisfläche verschwinden sollen.«

»Matt.«

»Matt Brolin«, stellte sich der andere vor. »Ich habe den Zusammenprall gesehen. Habe gesehen, wie sie Schwung für ihren Sprung geholt hat und dann einfach durch die Luft geflogen ist. Ich wollte helfen, als ich den Mann umfallen sah. Ich hatte noch immer nicht begriffen, was geschah. Dann aber fiel der Dritte um, und plötzlich wusste ich Bescheid. Ich war beim Sanitätskorps der Armee. Das ist jetzt zwar schon sechsundzwanzig Jahre her, aber bestimmte Dinge, die man dort erlebt hat, haben sich einem unauslöschlich eingeprägt. Mir war plötzlich klar, wir wurden angegriffen, und ich wollte, dass die Leute, die noch auf dem Eis waren, in Deckung gehen.«

»Sie beide kennen sich.«

»Seit heute Nachmittag«, stimmte Brolin ihr zu. »Ich wusste, dass dem dritten Mann nicht mehr zu helfen war, versuchte aber, für den zweiten noch zu tun, was möglich war. Er war nicht sofort tot, Lieutenant. Er hat mich angesehen, auch den Blick kannte ich von der Zeit bei der Armee. Ich wusste, dass er es nicht schaffen würde, trotzdem musste ich versuchen, alles, was in meiner Macht stand, für den armen Kerl zu tun.«

»Er hat den Mann mit seinem eigenen Körper abgeschirmt«, fiel Lansing ihm ins Wort. »Die Leute sind in Panik ausgebrochen, und ich schwöre Ihnen, einige von ihnen wären einfach über diesen Mann hinweggefahren, aber Matt hat ihn mit seinem eigenen Körper abgeschirmt.«

»Jack hatte bereits mit dem kleinen Jungen und den Eltern alle Hände voll zu tun. Sie haben auch was abbekommen, stimmt’s?«

»Sie hatten keine Zeit, um ihren Sturz zu dämpfen, deshalb hat der Vater des Kindes eine Gehirnerschütterung und seine Mutter ein verstauchtes Handgelenk. Aber sie werden wieder ganz in Ordnung kommen. Wie auch der Junge, obwohl sich der arme kleine Kerl das Bein gebrochen hat. Glücklicherweise hatte die Security ein Erste-Hilfe-Set dabei, ich konnte dem Kleinen etwas gegen seine Schmerzen geben, bis die Sanitäter zwei Minuten später kamen. Sie waren wirklich schnell. Dann bin ich losgerannt, um Matt zur Hand zu gehen. Wir mussten es auf jeden Fall versuchen, aber wie Matt schon gesagt hat, war dem Mann nicht mehr zu helfen.«

»Wir konnten nur noch Erste Hilfe bei den Leuten leisten, die vor Schreck gestürzt waren oder sich die Hände an den Schlittschuhkufen aufgeschnitten hatten«, fügte Matt hinzu und fuhr sich mit der Hand über den wirren grauen Bart. »Erst als sie uns hierher in die Garderobe schickten, bekam ich es mit der Angst zu tun. Bis dahin hatte ich mich ausschließlich auf meine Arbeit konzentriert.«

»Sie hatten also plötzlich Angst?«

»Natürlich. Davor, selber einen Treffer abzukriegen, denn bei Heckenschützen weiß man schließlich nie. Wer auch immer hier geschossen hat, ist wirklich gut. Die Schüsse kamen übrigens aus Osten.«

»Ach. Woher wissen Sie das so genau?«

»Aufgrund der Richtung, in die unser letztes Opfer lief, als es den Treffer abbekommen hat. Er lief nach Osten«, wiederholte Matt und sah Eve aus zusammengekniffenen Augen an. »Das wussten Sie bereits.«

»Ich habe mir die Aufnahmen der Überwachungskamera hier angesehen. Natürlich müssen wir die Schüsse noch genau rekonstruieren, aber ich denke auch, dass sie aus Osten kamen.«

»Seine Frau sitzt im Büro da vorn, zusammen mit Ihrer Partnerin. Ihre Eltern sind gekommen, um sie abzuholen.« Der Mann stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Genau das war der Grund, warum ich nach der Zeit bei der Armee Veterinär geworden bin. Weil es mit Hunden und mit Katzen einfach leichter als mit Menschen ist.«

»Aber auch bei den Menschen haben Sie Ihre Sache wirklich gut gemacht. Sie beide. Vielen Dank für das, was Sie hier heute Nachmittag geleistet haben. Für den Fall, dass wir Sie noch einmal sprechen müssen, haben wir uns Ihre Kontaktdaten notiert. Falls Sie mich noch einmal sprechen wollen, fragen Sie nach Lieutenant Dallas auf dem Hauptrevier.«

»Dann können wir jetzt gehen?«, vergewisserte sich Lansing.

»Ja.«

»Wie wäre es dann jetzt mit einem Bier?«

Mit einem schwachen Lächeln stellte Brolin fest: »Ich glaube nicht, dass es mit einem Bier getan sein wird.«

»Die erste Runde geht auf mich«, bot Lansing an. »Die Leute kommen einfach zum Vergnügen in den Park. Sie wollen ihren Kindern eine Freude machen oder haben so wie dieses Mädchen selber ihren Spaß. Es war mir ein Vergnügen, ihr beim Schlittschuhlaufen zuzusehen. Und jetzt …«

Kopfschüttelnd brach er ab. »Oh ja, die erste Runde geht auf jeden Fall auf mich.«

Die beiden Männer gingen, und ein Mann und eine Frau mit um den Hals gehängten Ausweisen der parkeigenen Security kamen herein.

»Lieutenant Dallas, ich bin Carly Deen von der Security der Eisbahn, und das hier ist mein Kollege Spicher. Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?«

»Wer ist der Chef Ihrer Security?«

»Das bin ich selbst«, erklärte Carly, die nicht einmal 1,60 Meter groß war und wahrscheinlich keine 45 Kilo wog. »Die Leute denken immer, Paul wäre der Boss, weil er die Muskeln hat.« Dem unterdrückten Lächeln nach, das sie bei den Worten auf den Lippen hatte, war das ein alter Scherz.

»Okay, die Eisbahn muss erst einmal bis auf Weiteres geschlossen bleiben.«

»Schon erledigt. Um all die Anrufe der Journalisten abzuwehren, läuft im Moment einfach der AB. Laut Ansage ist unsere Eisbahn einfach gerade zu. Einer von den Kerlen hat es irgendwie geschafft, meine private Nummer herauszufinden, aber ich hab’s einfach klingeln lassen, ohne dranzugehen.«

»Machen Sie das bitte weiter so. Vor allem darf zunächst niemand mehr aufs Eis, bevor die SpuSi es nicht freigibt. Kannten Sie die Opfer?«

»Nur die junge Frau, Ellissa Wyman, weil sie während der Saison fast täglich kommt. Sie hat für irgendeinen Wettbewerb trainiert.« Carly hob die Hände in die Luft und ließ sie wieder fallen. »Sie war echt nett und immer freundlich, mitunter hat sie ihre kleine Schwester mitgebracht.«

»Ich kannte Mr. Michaelson«, erklärte Paul und fügte einschränkend hinzu: »Wenn auch nicht gut.«

Das zweite Opfer, dachte Eve. Brent Michaelson. Geschieden, eine Tochter, Arzt und dreiundsechzig Jahre alt.

»Von hier?«

»Er kam immer dienstagnachmittags. Er war kein guter Läufer wie Ellissa, aber trotzdem hat er jede Woche seine Runden auf dem Eis gedreht. Nachmittags kam er immer alleine, aber abends oder samstags hat er manchmal seine Enkelkinder mitgebracht. Den anderen Mann habe ich noch nie gesehen.«

Paul sah in Richtung des Büros.

»Den Ehemann der Frau, die noch da drüben sitzt«, erklärte Carly Eve. »Ihre Partnerin ist bei ihr und geht wirklich super mit ihr um. Können wir sonst noch etwas für Sie tun, Lieutenant?«

»Überlassen Sie uns bitte noch eine Weile Ihr Büro.«

»Natürlich. Kein Problem.«

»Bestimmt hat meine Partnerin Sie schon gefragt, aber ich werde diese Frage trotzdem noch einmal stellen. Ist einem von Ihnen beiden irgendjemand aufgefallen – entweder auf dem Eis oder vielleicht am Rand –, der sich besonders für Ellissa oder Brent zu interessieren schien?«

»Auf keinen Fall auf diese Art. Natürlich haben immer wieder einmal irgendwelche Leute zugesehen, wenn Ellissa auf dem Eis war, mitunter haben irgendwelche Jungs versucht, sie anzubaggern, aber nie auf eine aggressive oder übertriebene Art. Wir halten unsere Augen offen, aber echten Ärger gibt’s hier kaum. Manchmal rempeln ein paar Rüpel andere beim Fahren an, oder es kommt versehentlich zu Zusammenstößen, aber mehr auch nicht.«

»Den meisten Ärger gibt es abends, obwohl sich auch der in Grenzen hält«, pflichtete Paul der Chefin achselzuckend bei. »Das eine oder andere Arschloch, das auf Streit aus ist, doch damit kommen wir zurecht. Verzeihen Sie das Arschloch«, fügte er hinzu.

»Wie soll man jemanden sonst nennen, der ein Arschloch ist?«, erkundigte sich Eve. »Wir melden uns bei Ihnen, wenn die Eisbahn wieder freigegeben wird. Und bevor Sie eine Meldung an die Presse geben, sprechen Sie sich vielleicht noch mit unserem Pressesprecher ab.«

»Das werden unsere Bosse machen, sicher halten sie sich, weil sie Angst vor irgendwelchen Klagen haben, sowieso zurück.«

»Wahrscheinlich«, stimmte Eve ihr zu und ging dann weiter ins Büro, in dem, flankiert von ihren Eltern, eine Frau von Anfang dreißig mit gesenktem Kopf auf einem Klappstuhl saß. Die beiden hatten jeder einen Arm um sie gelegt, Peabody saß in der Hocke vor ihr auf dem Boden und sprach leise auf sie ein.

Sie nahm die Hand der Frau, als Eve den Raum betrat, und meinte: »Jenny, dies ist Lieutenant Dallas.«

Unglücklich sah Jenny auf. »Wir haben den Film gesehen, und Alan fand ihn wirklich toll. Sie sehen genauso aus wie im Kino, das heißt wie die Frau, die Sie gespielt hat«, bemerkte sie und fügte dumpf hinzu: »Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.«

»Mein Beileid, Mrs. Markum. Ich weiß, Detective Peabody hat schon mit Ihnen gesprochen, aber vielleicht haben Sie ja noch ein paar Minuten Zeit für mich.«

»Im Grunde sind wir jämmerliche Schlittschuhläufer, aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Wir haben viel gelacht. Wir waren den ganzen Tag zusammen, und wir wollten heute Abend ausgehen. Wir hatten heute unseren fünften Jahrestag.«

Mit Tränen in den Augen lehnte sie sich an die Schulter ihres Vaters.

»Die beiden hatten hier ihr erstes Date.« Der leichte irische Akzent, mit dem er sprach, klang haargenau wie der von Roarke und nahm Eve automatisch für ihn ein. »Ich bin Jennys Vater, Liam O’Dell. Und das ist ihre Mum, Kate Hollis«, stellte er sich selbst und Jennys Mutter vor.

»Es war meine Idee hierherzukommen«, ergriff die junge Frau jetzt wieder selbst das Wort. »Ich wollte alles ganz genauso machen wie bei unserem ersten Date. Ich hatte die Idee hierherzukommen, so wie vor fünf Jahren. Wir haben uns beide heute frei genommen und wollten so wie damals nach dem Schlittschuhlaufen Pizza essen. Dabei wollte ich ihm sagen, dass ich anders als bei unserem ersten Date bei Wasser bleiben würde, weil ich schwanger bin.«

»Oh. Oh, Baby.« Ihre Mutter zog sie an die Brust, und zitternd klammerte sich Jenny an ihr fest. »Mein Schatz.«

»Ich hätte es erst ihm verraten, und dann wollte ich es dir, Dad, Alans Mom und seinem Vater sagen. Aber heute hätten wir erst noch den ganzen Tag für uns gehabt.«

Wie Peabody ging jetzt auch Eve vor Jenny in die Hocke, damit sie mit ihr auf Augenhöhe war. »Wer wusste sonst noch, dass Sie heute Schlittschuh laufen wollten, Jenny?«

»Meine Freundin Sherry, vielleicht deren Partner Charlie, auch meiner Mutter habe ich davon erzählt. Im Grunde haben wir selbst erst vor zwei Tagen überlegt, dass wir das machen wollen. Ich habe Alan dazu überredet, weil ich ihm hier sagen wollte, dass ich schwanger bin.«

»Hatte Alan irgendwelche Feinde oder irgendwelchen Ärger?«

»Nein. Oh nein. Das hat mich auch Detective Peabody gefragt, aber da fällt mir wirklich niemand ein. Die Leute hatten Alan gern. Er ist Lehrer. Wir sind beide Lehrer, nebenher trainiert er noch eine Fußballmannschaft und hilft ehrenamtlich in einem Obdachlosenheim. Alle mögen Alan, warum auch hätte jemand ihm so etwas antun sollen? Warum?«

»Wir werden alles tun, um das herauszufinden«, sagte Eve ihr zu. »Wenn Sie etwas wissen wollen oder Ihnen noch was einfällt, können Sie uns immer anrufen.«

»Ich weiß nicht, was ich machen soll.«

»Du solltest jetzt mit deiner Mom nach Hause fahren.« Liam neigte seinen Kopf und küsste sie aufs Haar. »Am besten fährst du jetzt mit deiner Mutter heim.«

»Daddy …«

»Keine Angst. Ich komme sofort nach.« Er blickte über ihren Kopf hinweg auf Kate, die unter Tränen nickte, und bat seine Tochter abermals: »Fahr du mit deiner Mutter heim, mein Schatz. Ich komme sofort nach.«

»Peabody.«

»Kommen Sie mit. Wir lassen Sie nach Hause bringen.«

Liam sah den Frauen hinterher und schüttelte den Kopf. »Wir sind geschieden, wissen Sie, Kate ist neu verheiratet. Ob acht oder neun Jahre, weiß ich gerade nicht genau, aber das ist im Grunde auch total egal, nicht wahr? Alan war ein anständiger Mann. Ein anständiger, grundsolider junger Mann, und er hat meine Jenny abgöttisch geliebt. Sie werden rausfinden, wer meinem Mädchen den Mann und dem Baby seinen Dad genommen hat, nicht wahr?«

»Wir werden alles tun, was möglich ist.«

»Ich habe Ihren Film gesehen und auch das Buch gelesen, über diesen Icove-Fall. Sie werden herausfinden, wer diesen anständigen jungen Mann getötet hat.«

Mit tränenfeuchten Augen lief er eilig aus dem Raum, und Eve blieb noch kurz stehen. Sie schüttelte die Trauer ab, die man in dem Raum mit Händen greifen konnte, und rief den besten Sondereinsatzgruppenleiter an, den sie kannte.

»Lowenbaum.«

»Was höre ich da für Gerüchte aus dem Central Park?«

»Es sind keine Gerüchte, und ich brauche jemanden des SEKs, der mich beraten kann.«

»Ich wollte gerade Feierabend machen, aber ich kann in einer halben Stunde da sein, wenn Ihnen das reicht.«

»Ich brauche Sie nicht bei der Eisbahn, wenigstens nicht jetzt sofort. Ich habe Aufnahmen der Überwachungskameras, die Sie sich einmal ansehen sollen. Von hier aus ist es nicht mehr weit zu mir nach Hause, also treffen wir uns besser dort.«

»In Ihrem Palast?«

»Sie können mich mal gernehaben.«

»Habe ich.« Er lachte unbekümmert auf, doch sofort wurde seine Miene wieder ernst. »Mit wie vielen Opfern haben wir’s zu tun?«

»Mit drei. Und mir kommt es so vor, als hätten wir damit noch Glück gehabt.«

»Wenn etwas schlimmer kommen kann, tut’s das normalerweise auch.«

»Deswegen brauche ich ja Ihren Rat. Ich denke nämlich auch, dass es schlimmer kommen kann. Ich muss jetzt noch die Hinterbliebenen informieren. Können Sie in einer Stunde bei mir sein?«

»Ja.«

»Ich danke Ihnen.« Sie legte auf und wandte sich an Peabody, als die von draußen hereinkam.

»Sie fahren bitte noch ins Krankenhaus und sprechen mit den Eltern des Kindes mit dem gebrochenen Bein. Falls man sie schon entlassen hat, fahren Sie dorthin, wo sie jetzt sind, und nehmen ihre Aussage auf. Währenddessen werde ich die Angehörigen der Opfer informieren.«

»Ich bin noch längst nicht mit den Aufnahmen durch. Der Park ist schließlich alles andere als klein.«

»Lassen Sie die Aufnahmen auf meinen Computer im Büro und auf den bei mir zuhause schicken, dann fangen wir mit den Sektoren östlich der Eisbahn an. Lassen Sie die Bilder auch auf Ihren Computer im Büro sowie bei sich zuhause schicken und sehen Sie sie sich zusammen mit Ian an. Wenn Ihnen irgendetwas auffällt, geben Sie sofort Bescheid. Falls dieser Anschlag aus dem Park heraus erfolgt ist, suchen wir nach einem Individuum, das mit einer großen Tasche oder einem Koffer durch die Gegend läuft.«

»Falls?«

Eve trat vor das Büro und sah sich in der leeren Garderobe um. »Ich wette, dass der Täter außerhalb des Parks gewesen ist. In einem Gebäude, dessen Fenster Richtung Westen gehen, angefangen in der Sechsten Richtung Osten, so weit, wie es Lowenbaum zufolge möglich ist.«

»Was hat denn Lowenbaum damit zu tun?«

»Er kommt zu mir nach Hause, um sich dort mit mir zusammen die Bilder der Eisbahn anzusehen. Ich will sie mir auf einem Gerät anschauen, das mir anders als die Kiste im Büro nicht ständig irgendwelchen Ärger macht.«

»Lowenbaum ist wirklich süß.«

Als Eve die Partnerin mit einem kalten Blick bedachte, hob die unschuldig die Schultern an. »Ich liebe nur McNab, aber ich bin nicht blind und sehe trotzdem noch, wenn andere Männer gut aussehen. Sie müssen ja wohl zugeben, dass er echt niedlich ist.«

»Niedlich ist ein Wort für Kinder und für kleine Hunde – wenn man Kinder oder kleine Hunde mag. Aber okay, er sieht nicht übel aus.«

»Da haben Sie recht. Dann mache ich ein bisschen Druck wegen der Aufnahmen und höre nach, ob die Familie mir irgendwas erzählen kann.« Mit einem Seufzer wickelte sich Peabody in ihren meterlangen Schal. »Ich frage mich, wie wir jemals mit all den Aussagen von all den Leuten durchkommen sollen.«

»Am besten übernehmen Sie die ersten zehn und ich den Rest. Lassen Sie uns hoffen, dass es neben dem Besuch der Eisbahn auch noch eine andere Verbindung zwischen unseren Opfern gibt, denn wenn der Täter sie rein willkürlich gewählt hat, macht es das noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«

Mit diesen Worten trat sie vor die Tür. Während sie den Blick über die Köpfe der Kollegen der Spurensicherung nach Osten lenkte, dachte sie erneut, dass es noch viel schlimmer kommen könnte, als es bisher war.

Schwer zu sagen, dachte Eve auf dem Weg nach Hause, ob es schlimmer war, wenn man persönlich oder telefonisch mit den Hinterbliebenen eines Opfers sprach. Sie hatte gerade die Familie von Ellissa Wyman aufgesucht und dann am Telefon die Tochter von Brent Michaelson gesprochen, die für ihre Firma erst am Vormittag nach Philadelphia geflogen war, mit beiden Gesprächen hatte sie das Leben dieser Menschen ein für alle Mal aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Tod veränderte das Leben von Familien, und ein Mord versetzte ihnen immer einen ganz besonderen Schlag.

Trotzdem musste sie es schaffen, durch die Trauer zu den Menschen durchzudringen, denn sonst konnten sie sich nicht auf ihre Fragen konzentrieren.

Keine Feinde, Drohungen, Probleme. Kein verbitterter Expartner und kein großer Haufen Geld, der vielleicht den Besitzer hätte wechseln sollen. Bisher stellten die drei Opfer sich ihr wie gesetzestreue Durchschnittsmenschen dar, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren.

Aber warum gerade diese drei, von denen eine täglich und ein anderer regelmäßig jeden Dienstag auf der Eisbahn unterwegs gewesen war? Warum hatte der Täter unter so vielen Menschen gerade diese drei gewählt?

Es gab für alles einen Grund, rief sie sich in Erinnerung. Auch wenn der vielleicht völlig irre war.

Sie dachte über mögliche Motive nach, während sie in die Einfahrt ihres Grundstücks bog und den gewundenen Weg in Richtung ihres Hauses nahm. Plötzlich fiel ihr wieder Lowenbaums Bemerkung ein.

Er wollte wissen, ob er sie in ihrem Palast besuchen sollte. Das war doch wohl nicht sein Ernst. Oder sahen das auch andere Kollegen so?

Vielleicht sah ihr Zuhause mit den hohen Steinmauern im Licht der ersten hellen Wintersterne, seinen Türmen und Zinnen, der schneebedeckten Rasenfläche und den eisverzierten Bäumen ein bisschen aus wie eine Burg aus einer anderen Zeit oder womöglich gar aus einer anderen Welt.

Das war aber nicht ihre Schuld, denn schließlich hatte Roarke sich mit dem Haus den Traum von einer ganz privaten Festung mitten in New York erfüllt. Genau wie die Kollegen hatte dieses Anwesen auch sie zu Anfang sehr beeindruckt und zugleich verschreckt, inzwischen war es aber einfach ihr Zuhause.

In dem heimelige Feuer in den zahlreichen Kaminen brannten, in dem ihr der Mann, den sie von ganzem Herzen liebte, nur mit Blicken zu verstehen gab, wie wichtig sie ihm war, und in dem ihr ein fetter Kater schnurrend um die Beine strich, sobald sie durch die Haustür trat.

Und wo ihr vom Butler ihres Mannes wie von einem leichenfressenden Dämon aufgelauert wurde, wenn sie von der Arbeit kam.

Als würde er erwarten, dass sie eine Spur aus Schlamm und Blut auf den bis dahin jungfräulichen Marmorfliesen in der Eingangshalle hinterließ. Okay, das hatte sie bereits des Öfteren getan, doch heute nicht.

Sie kontrollierte trotzdem vorsichtshalber ihre Stiefel, als sie aus dem Wagen stieg, denn schließlich fehlte ihr die Zeit für einen lächerlichen Streit.

Dann trat sie durch die Tür, und wie nicht anders zu erwarten, traf sie auf die knochige Gestalt von Summerset, die wie gewohnt im schwarzen Anzug und mit ausdrucksloser Miene, ihren dicken Kater neben sich, am Fuß der Treppe stand.

Bevor er jedoch die Gelegenheit bekam, ihr die Beleidigung des Tages an den Kopf zu werfen, meinte sie: »Ersparen Sie mir einen Kommentar. Gleich kommt noch ein Kollege. Lowenbaum. Sobald er da ist, schicken Sie ihn zu mir rauf.«

»Wird Ihr Gast zum Abendessen bleiben?«, fragte er mit seidig weicher Stimme, die für sie noch schlimmer als die übliche Beschimpfung war, und brachte sie auf diese Weise aus dem Gleichgewicht.

Verdammt, sie wusste nicht, wie spät es war, doch die Befriedigung, auf ihre Uhr zu sehen, gönnte sie ihm nicht.

»Er ist kein Gast, sondern ein Cop, und er kommt zum Arbeiten.«

Um selber auch noch einen Punkt zu machen, trat sie an den Treppenpfosten, zog den Mantel aus und ließ ihn achtlos über das Geländer fallen.

»Natürlich.«

Ohne weiter auf ihn zu achten, stapfte sie gefolgt von ihrem Kater in den ersten Stock, ging auf direktem Weg in ihr Büro und blieb verwundert stehen, als sie Roarke am Schreibtisch lehnen sah.

Bei seinem Anblick stockte ihr wie jedes Mal der Atem, und ihr Herz schlug einen wilden Purzelbaum. Sollte das nicht langsam aufhören? Schließlich hätten sie im Sommer bereits ihren dritten Hochzeitstag. War das in allen Ehen so?

Wahrscheinlich nicht, doch schließlich hatten auch nicht alle Frauen einen Ehemann wie Roarke.

Mit einem geradezu absurd schönen Gesicht, den wilden blauen Augen eines alten Keltengottes und den Lippen eines Dichters, schulterlangem schwarzem, jetzt zum Arbeiten zurückgebundenem Haar, das tatsächlich noch weicher als die Stimme seines Butlers war, und einem schlanken, hochgewachsenen Körper, dem ein Anzug und ein Schlips genauso standen wie das schwarze Hemd mit hochgerollten Ärmeln und die schwarzen Jeans, in denen er jetzt vor ihr stand.

Dann war er also schon seit einer ganzen Weile hier und bei der Arbeit, dachte sie.

Oh ja, bei seinem Anblick setzte ihr Herzschlag kurzfristig aus. Doch als sich ihre Blicke trafen, schlug ihr Herz vor Freude einen Salto, weil die Liebe, die er ihr entgegenbrachte, nicht zu übersehen war.

»Du kommst gerade rechtzeitig«, erklärte er mit seinem melodiösen irischen Akzent.

»Wofür?«

Er streckte wortlos eine seiner Hände nach ihr aus, und als sie vor ihn trat, zog er sie erst einmal an seine Brust und glitt mit den Händen über ihren Rücken und mit den Lippen über ihren Mund.

Zuhause, dachte sie noch einmal, und die letzten Stunden fielen einfach von ihr ab. Mit einem leisen Seufzer schlang sie ihm die Arme um den Hals und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, weil sie wusste, dass sie bei ihm Halt fand, ohne dass sie dadurch ihre Eigenständigkeit verlor.

»Du hast einen neuen Fall hereinbekommen, stimmt’s? Die Morde auf der Schlittschuhbahn, nicht wahr? Sobald ich davon hörte, habe ich an dich gedacht.«

Sie nickte knapp. »Ich habe gerade erst die Eltern und die kleine Schwester unseres ersten Opfers informiert und dadurch auch das Leben dieser Menschen ein für alle Mal aus dem Gleichgewicht gebracht.«

»Das ist mit Abstand der brutalste Teil eines auch sonst brutalen Jobs. Es tut mir leid.«

»Mir auch.«

Behutsam schob er ihren Kopf zurück und strich mit den Lippen über ihre Stirn. »Erzähl mir von dem Fall. Vielleicht bei einem Gläschen Wein. Ich weiß, dass du nachher noch literweise Kaffee trinken wirst, aber jetzt brauchst du erst mal einen kurzen Augenblick, damit du wieder runterkommst.«

»Dafür fehlt mir die Zeit, denn Lowenbaum ist auf dem Weg hierher. Er soll sich ein paar Bilder mit mir ansehen, ich brauche seinen Rat. Er ist beim SEK.«

»Ich weiß. Ich kenne ihn vom letzten Jahr, vom Fall des roten Pferds. Warum brauchst du jetzt gerade Lowenbaum?«

»Der Täter hat mit einem Lasergewehr auf die Leute auf dem Eis gezielt. Drei Schuss, drei Treffer, alle tödlich. Ich glaube, dass der Kerl von außerhalb des Central Parks geschossen hat.«

»Von außerhalb? Verstehe.«

Das tat er tatsächlich, deshalb konnte sie sich die ausführliche Erklärung ihrer Theorie ersparen.

»Vielleicht ging es ja nur um einen von den dreien, und die beiden anderen hat er erschossen, um uns zu verwirren. Vielleicht gibt’s irgendetwas, was alle drei verbindet, doch …« Sie schüttelte den Kopf. »Am besten fange ich sofort mit meinen Notizen und mit meiner Tafel an.«

»Dabei kann ich dir helfen.«

»Danke, ja. Vielleicht kannst du …« Sie drehte ihren Kopf, und wieder stockte ihr der Atem. Diesmal allerdings auf eine alles andere als gute Art.

Das ganz in Pink und Violett gehaltene Zimmer auf dem Wandbildschirm hätte sie sich wahrscheinlich nicht einmal in ihren schlimmsten Träumen ausgemalt.

Pinkfarbene Wände, dazu noch mit violetten Schnörkeln, rahmten einen Raum mit einem S-förmigen Sofa, diesmal Violett mit pinkfarbenen Schnörkeln, voller Rüschenkissen in verschiedenen grellen Farben und mit Mustern, deren Anblick einen schwindlig werden ließ.

Dem Sofa gegenüber stand ein wieder pinkfarbener, grün getupfter Sessel, dessen Rückenlehne wie die eines Throns mit bunt schillernden Pfauenfedern verunziert worden war.

Unterhalb des abermals von Federn eingerahmten Fensters flankierten zwei pinkfarbene, violett getupfte Stühle ein giftgrün lackiertes Tischchen, auf dem eine riesengroße violette Vase voll fremdartiger Blumen stand.

Sie rang nach Luft, als sie den U-förmigen, bonbonrosanen, violett gerahmten Schreibtisch sah.

»Das kann ja wohl nicht sein.«

»Charmaine hat sich mit diesem Vorschlag einen kleinen Scherz erlaubt«, erklärte Roarke und legte Eve die Hände ans Gesicht. »Wir hätten uns darüber sicher ziemlich amüsiert, wenn du nicht in Gedanken bei den Morden wärst.«

»Ein Scherz.«

»Sie dachte, das ist das genaue Gegenteil dessen, wie du dein Arbeitszimmer haben willst.«

»Das Gegenteil.«

»Das Gegenteil. Sie hat mir dieses Bild zusammen mit den drei anderen geschickt, weil sie die Hoffnung hatte, dass du nach dem Schock womöglich eher mit einem von den anderen Entwürfen einverstanden wärst.« Lächelnd legte er den Finger auf die winzige Vertiefung in der Mitte ihres Kinns. »Lass uns noch kurz die anderen Entwürfe durchgehen, um zu sehen, ob sie recht hat. Es geht auch ganz schnell. Dann brauchst du keine Angst zu haben, dass ich dich zu etwas überreden möchte, was du hassen wirst.«

»Zu einem solchen Arbeitszimmer könntest du mich nicht mal überreden, wenn du mit gezückter Waffe vor mir stehen würdest«, antwortete Eve. »Aber ich weiß nicht, ob …«

»Computer, Entwurf eins auf Bildschirm eins. Wie ich schon bei unserem Gespräch über die Renovierung deines Arbeitszimmers sagte, wird hier nichts passieren, was du nicht willst.«

Sie wollte etwas einwenden, aber dann sah sie das Bild. Die ruhigen Farben, schlichten Linien und das hochmoderne, riesige Kommandozentrum in der Mitte sprachen sie tatsächlich an.

»Nicht eine Spur von Pink und keine Rüschen oder Federn irgendwo«, bemerkte Roarke. »Computer, Entwurf zwei auf Bildschirm eins.«

Die Farben waren kräftiger, statt leuchtend aber einfach satt, und es gab ein paar Rundungen und eine ziemlich elegante Couch, die aber alles andere als peinlich waren.

»Computer, Entwurf drei.«

Das Bild war eine gute Mischung aus den anderen beiden, weil die Farben zwar gedämpft, die Möbel dafür aber etwas schicker waren.

»Besser?«

»Alles wäre besser als das grauenhafte erste Bild.«

»Am besten siehst du dir die Bilder noch einmal in Ruhe an, wenn du nicht ganz so viel im Kopf hast.«

»Meinetwegen. Und jetzt schalt den Bildschirm bitte aus. Ich höre jemanden im Flur. Das ist wahrscheinlich Lowenbaum.«

Es wäre seiner Polizistin furchtbar peinlich, das wusste Roarke, wenn ein Kollege etwas davon mitbekäme, dass sie über Inneneinrichtung sprach. Sie ging bereits zur Tür, und lächelnd schloss er die Datei, in der die Bilder seiner Innenarchitektin abgespeichert waren.

»Lieutenant Lowenbaum«, meldete Summerset und wandte sich zum Gehen.

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen trat der SEKler durch die Tür. Er sah tatsächlich gut aus, wenn auch nicht so gut wie Roarke.

»Aber hallo«, meinte er, und seine ruhigen grauen Augen nahmen alle Einzelheiten ihres Arbeitszimmers in sich auf. »Verlaufen Sie sich nicht manchmal in Ihrem Haus?«

»Das kommt durchaus vor.«

»Das glaube ich. Hi, Roarke.«

»Lowenbaum.«

»Ich bin selber gerade erst zuhause angekommen«, meinte Eve. »Das heißt, dass noch nichts vorbereitet ist.«

»Ich habe es nicht eilig. Na, wer bist du denn?« Noch immer lächelnd, ging er in die Hocke und kraulte den Kater, der an seinen Beinen schnupperte, zwischen den Ohren.

»Das ist Galahad.«

»Oh, ja, genau. Die Geschichte habe ich gehört. Der Kater hat dem Arsch ein Bein gestellt und Sie gerettet, nachdem Sie bereits getroffen worden waren.«

»Sie kennen die Geschichte?«

»Wenn Sie einen amtierenden Senator festnehmen, spricht sich das eben herum. Er hat ein blaues und ein braunes Auge. Cool.«

»Er ist ein wirklich guter Kater«, meinte Eve, während das Tier sich schnurrend weiterkraulen ließ.

»Ich selbst bin eher ein Hundemensch, aber Sie haben recht, für einen Kater ist er wirklich cool.« Noch immer lächelnd richtete sich der Kollege wieder auf. »Also.«

»Wie wäre es mit einem Bier oder einem Glas Wein?«

Eve runzelte die Stirn angesichts des Angebots von ihrem Ehemann. »Wir müssen arbeiten.«

»Würde ein Bier Sie daran hindern, Lowenbaum?«

Der andere grinste, und in seinen Wangen tauchten zwei verführerische Grübchen auf. »Im Gegenteil. Ein Bier wäre nicht schlecht.«

»Wir haben gerade ein besonderes Craft-Bier reinbekommen. Deputy Banner hat erzählt, seine Familie würde selber brauen, und versprochen, dass er mir etwas davon zum Probieren schickt«, wandte sich Roarke an Eve.

»Der Cop aus Arkansas«, erklärte diese Lowenbaum. »Er hat uns geholfen, dieses mörderische Pärchen zu erwischen.«

»Auch davon habe ich bereits gehört. Also werde ich das Bier probieren und sehen, ob ich Ihnen helfen kann.«

»Einen Augenblick.« Eve trat an den Schreibtisch, während Roarke hinüber in die kleine Küche lief. »Das sind die Aufnahmen der Überwachungskameras der Schlittschuhbahn. Peabody besorgt auch noch die der anderen Kameras im Park, aber auf diesen Bildern kann man alle Treffer sehen.«

Sie rief die Bilder auf und zeigte auf den Wandbildschirm. »Sehen Sie die junge Frau in Rot?«

»Na klar, denn sie kann wirklich Schlittschuh laufen, und dazu sieht sie auch noch fantastisch aus.«

»Konnte und sah«, verbesserte Eve ihn.

Er nickte, als das Mädchen plötzlich durch die Gegend flog, verfolgte dann mit ausdruckslosem Blick den zweiten und den dritten Treffer und bat Eve: »Lassen Sie die Sequenz noch einmal verlangsamt laufen.«

Roarke kam mit drei Bierflaschen zurück, blieb stehen und sah sich die Bilder ebenfalls an.

»Okay, jetzt vergrößern Sie den dritten Treffer, gehen ein Stück zurück und lassen dann die Aufnahmen langsam weiterlaufen.«

Eve kam der Bitte nach und runzelte die Stirn, als sie ein unmerkliches Blitzen sah.

»Der Schütze hat von Osten auf die Leute auf der Schlittschuhbahn gezielt. Da er jedes Mal getroffen hat, bedeutet das, dass er ein Profi ist. Mit Glück haben diese Treffer nichts zu tun. Die Schüsse kamen von Osten und von oben.«

»Oben?«

»Wenn Sie mir nicht glauben, warten Sie auf den Bericht des Pathologen, denn der wird dasselbe sagen. Danke«, sagte er zu Roarke und nahm ihm eine der drei Flaschen ab. »Es würde mich sehr überraschen, wenn die Bilder aus dem Park etwas zeigen würden, was uns weiterhilft. Selbst in New York dürfte es schwierig sein, vollkommen unbemerkt mit einer Waffe in der Hand auf einen Baum zu klettern, außerdem saß der Schütze sicher höher als auf einem Baum. Spulen Sie noch einmal zurück und lassen Sie mich noch einmal alles sehen.«

»Ich hatte das Gefühl, als hätte ich beim letzten Treffer einen kleinen roten Blitz gesehen.«

»Das war bestimmt der Laserstrahl. Entschuldigung«, mischte sich Roarke in die Unterhaltung ein.

»Oh nein, Sie haben recht.« Mit einem zustimmenden Nicken wandte Lowenbaum sich abermals dem Bildschirm zu. »Bei einem Schuss mit einem Laser gibt es einen Strahl, auch wenn man den nur für den Bruchteil eines Augenblickes sieht. Bringen Sie die Bilder ins Labor und lassen Sie sie aufbereiten, damit Sie es besser sehen, aber da …«

Eve hielt die Aufnahme noch einmal an. »Oh ja, ich sehe es. Und ja, Sie haben recht. Die Schüsse kommen aus Osten und von oben.«

»Vielleicht ist das Arschloch ja tatsächlich auf den höchsten Baum im Central Park geklettert und hat dann mit einem Lasergewehr auf die Leute auf der Eisfläche gezielt.«

»Was hat so ein Gewehr für eine Reichweite?«

»Das kommt natürlich auf die Waffe und vor allem auf den Schützen an, aber wenn er wirklich gut ist und das passende Gewehr benutzt? Anderthalb, zwei Meilen, vielleicht mehr.«

»So eine Waffe gibt es nur beim Militär oder der Polizei. Die kriegt man nicht im Supermarkt. Vielleicht bei einem Waffenhändler oder auf dem Schwarzmarkt, aber dafür legt man dann auf alle Fälle ein Vermögen hin.«

»Locker zwanzig Riesen«, stimmte Lowenbaum ihr zu. »Selbst ein lizenzierter Sammler dürfte Schwierigkeiten haben, auf legalem Weg an so ein Ding heranzukommen.«

»Schwierig, aber machbar.«

»Also hast du eine solche Waffe«, stellte Eve an Roarke gewandt fest.

»Tatsächlich nicht nur eine, sondern drei«, räumte er unumwunden ein. »Eine Stealth-LZR …«

»Sie haben eine LZR?«, hakte der SEKler enthusiastisch nach. »Das erste tragbare Lasermaschinengewehr. Wurde zwischen 2021 und ’23 hergestellt. Schwer und unhandlich, aber ein guter Schütze träfe mit dem Ding auf eine Meile Abstand ohne Mühe eine Centmünze.«

»Sie sind inzwischen deutlich leichter und viel besser zu bedienen«, meinte Roarke. »Außerdem habe ich noch eine Tactical-XT, wie Sie und Ihre Leute sie benutzen, und eine Peregrine-XLR.«

»Ach, hören Sie doch auf. Sie haben eine Peregrine?«

Roarke nickte knapp.

»Mit diesen Dingern trifft man auf fünf Meilen, als wirklich guter Schütze sogar noch auf sechs. Sie wurden letztes Jahr erst für die militärische Verwendung freigegeben. Woher haben Sie …« Lowenbaum brach ab und trank den ersten Schluck von seinem Bier. »Am besten frage ich nicht weiter nach.«

»Der Kauf war vollkommen legal. Es war nicht einfach, aber ich verfüge über sämtliche Papiere, die belegen, dass es bei dem Kauf mit rechten Dingen zugegangen ist«, versicherte ihm Roarke.

»Oh, Mann, ich würde diese Waffe wirklich gerne einmal sehen.«

»Kein Problem.«

»Ist das Ihr Ernst?«

»Wie groß ist eurer Meinung nach die Wahrscheinlichkeit, dass unser Schütze eine solche Waffe hat?«, versuchte Eve zum eigentlichen Thema des Gesprächs zurückzukehren.

»Wenn er so eine Waffe hätte, hätte er von Queens aus schießen können und die Leute immer noch erwischt. Ich würde mir das Ding echt gern mal ansehen.«

»Sie wollen doch nur spielen, aber meinetwegen.«

»Warum nehmen wir nicht den Fahrstuhl?«, schlug Roarke vor.

»Sie sollten sich die Waffe auch ansehen, damit Sie ein Gefühl dafür bekommen«, sagte Lowenbaum zu Eve.

»Ich kenne Ihre Waffe, Lowenbaum, und habe selbst schon ein-, zweimal ein solches Ding benutzt.«

»Ich gehe eher davon aus, dass Ihr Schütze so ein Ding wie das, was wir gleich sehen werden, benutzt. Zumindest eins mit einer solchen Reichweite.« Der SEKler stieg zusammen mit den beiden anderen in den Lift. »Drei solche Schüsse innerhalb von einer solchen Zeitspanne? Sie haben es auf jeden Fall mit jemandem zu tun, der im Besitz von einer solchen Laserwaffe und vor allem daran ausgebildet worden ist.«

»Dann ist er also entweder beim Militär oder bei unserer Truppe oder war es irgendwann einmal. Zusätzlich gehe ich auch noch die Sammler solcher Waffen durch.«

Eve schob die Hände in die Hosentaschen, als sie vor die dicke Tür der Waffenkammer ihres Mannes trat.

Roarke legte seine Rechte auf das Handlesegerät, und als die Türen aufschwangen, entfuhr dem Besucher ein Geräusch, als sähe er dahinter eine nackte Frau.