Epikur in 60 Minuten - Walther Ziegler - E-Book

Epikur in 60 Minuten E-Book

Walther Ziegler

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Beschreibung

Der Philosoph Epikur (341-270 v.Chr.) ist seit der Antike umstritten. Sein provokativer Kerngedanke hat eine bestechende Klarheit. Jeder Mensch verfügt von Natur aus über eine Art inneren Wegweiser. Um glücklich zu werden, muss er das tun, was ihm Lust und Freude bereitet und umgekehrt alles vermeiden, was ihm Unlust oder Schaden zufügt. So sagt Epikur wörtlich: "Die Lust ist (...) Ursprung und Ziel des glückseligen Lebens. Denn sie haben wir als erstes und angeborenes Gut erkannt, und von ihr aus beginnen wir mit jedem Wählen und Meiden." Bereits Neugeborene folgen dem Lustprinzip. Doch diese - auf den ersten Blick so selbstverständlich klingende - Entdeckung wird von Epikurs Zeitgenossen als ungeheure Provokation empfunden. Die Lusterfüllung als oberstes Ziel des Lebens steht nämlich in krassem Gegensatz zu den damals etablierten Lehren von Platon, Aristoteles und den Stoikern. Diese sehen die Vernunft und das vernunftgemäße Leben als oberstes Ziel des Menschen an. Weil Epikur zudem auch Frauen in seine Schule aufnimmt und mit einer von ihnen, der gebildeten Hetäre Leontion, genannt das 'Löwchen', ein Liebesverhältnis hat, wird er von seinen Zeitgenossen als 'Vielfraß' und 'Sittenstrolch' verleumdet. Der griechische Dichter Timon charakterisiert ihn als 'hündisch und säuisch', der Stoiker Epiktet als 'Wüstling'. Im Christentum wird er sogar zum 'Antichristen' erhoben. Doch diese Kritik ist im Kern falsch, denn jenseits eines nur oberflächlichen Genussstrebens geht es Epikur um die lebenslange und sorgsame Pflege des Selbst. Vor gut 2300 Jahren entwickelte er ein erstes ganzheitliches Konzept für eine gesunde Lebensführung. Seine Fragestellungen sind brandaktuell. Welches sind die fundamentalen Bedürfnisse, deren Erfüllung zu einem glücklichen Leben führen? Welche Bedürfnisse sind lebensnotwendig und welche nicht? Wie sollen wir mit ihnen konkret umgehen, etwa mit Essen, Trinken, Sexualität und Freundschaft? Und - warum sind für Epikur von den fünf fundamentalen Bedürfnissen, die er hervorhebt, nicht Essen, Trinken oder Sexualität am wichtigsten, sondern ausgerechnet Freundschaft und Philosophie? Epikurs Antworten münden in einer praktischen und überaus konkreten Orientierungshilfe, einer Art "Lebenskunst". Das Buch enthält annähernd hundert Zitate dieses charismatischen Philosophen der Antike. Es ist in der beliebten Reihe "Große Denker in 60 Minuten" erschienen, die inzwischen weltweit in sechs Sprachen übersetzt wird.

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Dank an Rudolf Aichner für seine unermüdliche und kritische Redigierung, Silke Ruthenberg für die feine Grafik, Angela Schumitz, Lydia Pointvogl, Eva Amberger, Christiane Hüttner, Walburga Allgeier, Dr. Martin Engler für das Lektorat und Dank an Prof. Guntram Knapp, der mich für die Philosophie begeistert hat.

Inhalt

Epikurs große Entdeckung

Epikurs Kerngedanke

Die fünf Quellen der Lust – Essen, Trinken, Sexualität, Freundschaft und Philosophie

Richtig genießen heißt klug genießen – der philosophische Umgang mit der Lust

Die Vermeidung von Unlust, Schmerz und Angst

Die Bedeutungslosigkeit der Götter für das Glück im Hier und Jetzt

Hedonismus als Lebenskunst – Genuss, Freundschaft und Ataraxie

Was nutzt uns Epikurs Entdeckung heute?

Lust aufs Leben! – Epikurs Plädoyer für die Sinnesfreude

Genuss statt Entsagung – Freiheit statt Schicksal! Epikur gegen die Stoiker

„Der Tod betrifft uns nicht“ – den Fokus auf das Leben richten

Epikurs zeitlose Botschaft: Aus dem einen Leben das Beste machen!

Zitatverzeichnis

Epikurs große Entdeckung

Epikur (341-270 v.Chr.) ist neben Platon und Aristoteles einer der großen, charismatischen Philosophen der Antike. Er gehört zu jenen Denkern, deren Kerngedanke über Jahrtausende lebendig geblieben ist. Ähnlich wie das Wort „stoisch“ seit über zweitausend Jahren Menschen charakterisiert, die in bewegenden Momenten gleichmütig und gelassen bleiben, spricht man heute noch von „Epikureern“ oder „Hedonisten“, wenn sich jemand offen zu einem genussorientierten Lebensstil bekennt. Lust heißt auf Griechisch „Hedoné“. Und Epikur ist der Begründer des sogenannten Hedonismus. Nicht wenige Menschen bezeichnen sich heutzutage selbst als „Hedonisten“.

Tatsächlich war Epikur der Vordenker des Lustprinzips. Es lautet schlicht und einfach: ‚Lustgewinn suchen – Unlust vermeiden!‘ Epikurs Kerngedanke ist zunächst von bestechender Klarheit. Die Natur selbst würde den Menschen bei ihrer Geburt einen inneren Kompass an die Hand geben, mit dem sie ein glückliches Leben führen könnten – eine Art intuitiven Wegweiser, der uns bei großen und kleinen Entscheidungen zur Seite steht. Um glücklich zu werden, so Epikur, müsse der Mensch einfach nur das tun, was ihm Lust und Freude bereitet und umgekehrt Unlust sowie Schmerz vermeiden:

Doch diese – auf den ersten Blick so selbstverständlich klingende – Entdeckung von Epikur wird bereits von seinen Zeitgenossen als ungeheure Provokation empfunden. Die Lusterfüllung als oberstes Ziel des Lebens steht nämlich in krassem Gegensatz zu den damals etablierten Lehren von Platon, Aristoteles und den Stoikern. Diese preisen nämlich seit jeher die Vernunft und das vernunftgemäße Leben als oberstes Ziel an. Jetzt kommt dieser Epikur und behauptet, das höchste Gut der Menschen sei gar nicht ihre Vernunft, sondern ihr Leib, ihre Sinnlichkeit und Lust. Nicht das moralisch hochstehende Denken, sondern umgekehrt niedrige Triebe und Bedürfnisse wie Essen, Trinken und Sexualität weisen uns im Leben den richtigen Weg. Glücklich, so Epikurs radikale These, werden die Menschen nur dann, wenn sie sich nicht länger als tugendhafte Geistwesen stilisieren, sondern sich ehrlich zu ihrer Lust und ihren Bedürfnissen bekennen. Die Lust, so Epikur, sei letztlich ein so hohes und unverzichtbares Gut, dass es sich ohne sie nicht zu leben lohne:

Im direkten Gegensatz zu Platon und den Stoikern stellt Epikur also an Stelle des Geistes den Leib in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Ausgehend von den leiblichen Genüssen entwickelt er ein philosophisches Gesamtkonzept des ‚guten Lebens‘. Sogar die Moral und die Sittlichkeit ordnet er dem Lustprinzip unter. Platon, Aristoteles und die Stoiker seien verblendete ‚Vernunftanbeter‘. Sie würden das Ziel des Lebens völlig verkennen und sich nur noch der Bewunderung des sittlich Schönen hingeben. Das, so Epikur, sei völlig falsch:

Epikur positioniert sich also leidenschaftlich gegen die im klassischen Griechenland vorherrschende Ethik, wonach das gute Leben nur darin besteht, Kardinaltugenden wie Mut, Tapferkeit und Klugheit zu verwirklichen:

Auch weist Epikur darauf hin, dass die Athener Bürger mitsamt ihrem Moralkodex unehrlich wären. Sie würden nämlich immer nur das zu einer hohen moralischen Tugend erheben, was ihnen gerade den größtmöglichen Vorteil verschaffe. Wenn beispielsweise ein athletisch muskulöser Faustkämpfer den Mut und die Tapferkeit als höchste Tugend anpreise, verberge sich dahinter am Ende doch auch wieder nur eine Lust – und zwar in diesem Fall – die Lust am Triumph:

Mit dieser Polemik gegen die klassische Tugendlehre macht sich Epikur in Athen viele Feinde. Weil er zudem auch Frauen in seine Schule aufnimmt und mit einer von ihnen, der gebildeten Hetäre Leontion, genannt das ‚Löwchen‘, ein Liebesverhältnis hat, wird er bereits von seinen Zeitgenossen als ‚Vielfraß‘ und ‚Sittenstrolch‘ verleumdet. Der griechische Dichter Timon charakterisiert ihn als ‚hündisch und säuisch‘, der Stoiker Epiktet als ‚Wüstling‘. Im Christentum wird er später sogar zum Feind der Menschheit erklärt. Epikur, so die Scholastiker, sei der ‚Antichrist‘. Er glaube nicht an Gott und ergötze sich an animalischen Trieben.

Die Provokation, die damals von Epikurs Empfehlung des Lustprinzips ausgeht, findet ihren äußeren Ausdruck bereits in der Namensgebung seiner Schule. Sie heißt schlicht und einfach ‚Kepos‘, also aus dem Griechischen übersetzt, ‚Garten‘. Und tatsächlich unterrichtet Epikur seine Schülerinnen und Schüler in einem Garten. Im Unterschied zu Platons ‚Akademie‘, Aristoteles‘ ‚Lykeion‘ (Gymnasium) und Zenons ‚Stoa‘ (Säulenhalle), treffen sich die Schützlinge von Epikur nicht in einem massiven Steingebäude, sondern unter freiem Himmel. Sie lernen und diskutieren im Schatten der Bäume. In Epikurs ‚Klassenzimmer‘ sollte alles sprießen und sich frei entfalten können, ganz so, wie es der Natur gefällt. Epikur hatte das Gartengrundstück zusammen mit einem kleinen Wohnhaus erworben und kurzerhand zur Schule erklärt. Nach den Akademien von Platon, Aristoteles und den Stoikern war es die vierte und letzte große Philosophenschule in Athen. Sie überdauerte die Jahrhunderte und wirkte weit über Griechenland hinaus im gesamten Römischen Reich.

Die eigentliche Bedeutung Epikurs besteht aber darin, dass er als Erster eine umfassende materialistische und universale Lebensphilosophie entwickelt hat, die alle Bereiche des menschschlichen Daseins abdeckt.7 So übernimmt er beispielsweise die Atomlehre von Demokrit, wonach letztlich auch der Mensch nur aus Atomen besteht, die bei seinem Tod wieder auseinanderfallen. Mit Hilfe der Lehre von den Atomen will er den Menschen von Aberglauben, Heilsversprechen und Ängsten vor göttlicher Strafe befreien – eine seinerzeit regelrecht provokative Sichtweise. Statt sich auf die Zeit nach dem Tod vorzubereiten, sollte jeder im Hier und Jetzt seinen Weg zu einem glücklichen Leben suchen. Dazu muss sich der Mensch, so Epikur, im Grunde genommen nur von einer ihm angeborenen Regung führen lassen – der Lust: