Descartes in 60 Minuten - Walther Ziegler - E-Book

Descartes in 60 Minuten E-Book

Walther Ziegler

0,0

Beschreibung

Der französische Denker René Descartes ist einer der bekanntesten Philosophen der Welt. Sein kleiner Satz 'Ich denke, also bin ich' ist zum Kulturgut der gesamten Menschheit geworden. Descartes gilt als Begründer des Rationalismus und als 'Vater der modernen Philosophie'. Dieser Ehrentitel ist durchaus angemessen, denn zu seiner Zeit wagt er etwas Bahnbrechendes. Ähnlich wie Kolumbus einen bis dahin unbekannten Kontinent, die sogenannte 'Neue Welt' entdeckt, gelingt es Descartes, eine neue Dimension des Wissens zu erschließen und unseren Blick auf die Welt zu verändern. Vor Descartes glauben die Menschen im christlichen Abendland weit über tausend Jahre lang an die Worte der Propheten, insbesondere an Jesus Christus und die Bibel als Zeugnis göttlicher Offenbarung. Dann kommt Descartes mit einer radikalen Forderung. Das Wissen dürfe nicht länger Offenbarungswissen von Propheten und Heiligen sein, sondern müsse auf einer sicheren Erkenntnis beruhen: "Ich hatte von jeher das eifrige Verlangen, den Unterschied des Wahren und Falschen zu erkennen." Er stellt die fundamentale Frage: Wie kommt man zu sicherer Erkenntnis? Auf was kann ich mich wirklich verlassen? Auf das, was ich sehe und höre? Auf mein Denken und die Logik? Oder vielleicht auf das, was ich von Kindesbeinen an gelernt habe? Seine radikale Antwort lautet: Auf gar nichts! "Ich habe bemerkt (...)", so Descartes, "daß ich (...) alles von Grund aus umstoßen (...) müsse, wenn ich jemals für etwas Unerschütterliches (...) in den Wissenschaften festen Halt schaffen wollte." In seiner berühmten Schrift 'Meditationen über die erste Philosophie' beschreibt er seine abenteuerliche Suche nach absolut sicherem Wissen. Sein Ergebnis: Ich kann an allem zweifeln, aber in dem Moment, in dem ich zweifle, muss es mich als zweifelndes und denkendes Wesen geben: "Ich denke also bin ich". Ist das Denken wirklich unser alles entscheidendes Wesensmerkmal? Gibt es auf der Welt tatsächlich nur das Denken in uns und die seelenlosen Körper außerhalb von uns? Ist es Aufgabe der Wissenschaft, Materie, Pflanzen und Tiere sowie den menschlichen Körper zu unterwerfen? Descartes ist mehr als nur ein Wegbereiter der modernen Wissenschaft, in gewisser Hinsicht wird sein Denken zu unserem Schicksal, im Positiven wie Negativen. Das Buch ist in der beliebten Reihe 'Große Denker in 60 Minuten' erschienen, die inzwischen weltweit in sechs Sprachen übersetzt wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 64

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dank an Rudolf Aichner für seine unermüdliche und kritische Redigierung, Silke Ruthenberg für die feine Grafik, Angela Schumitz, Lydia Pointvogl, Eva Amberger, Christiane Hüttner, Walburga Allgeier, Dr. Martin Engler für das Lektorat und Dank an Prof. Guntram Knapp, der mich für die Philosophie begeistert hat.

Inhalt

Die große Entdeckung von Descartes

Der Kerngedanke von Descartes

Descartes‘ Zweifel an der Wahrnehmung: Ist, was wir sehen, hören oder riechen wahr?

Descartes‘ Zweifel am Wachbewusstsein: Ist das Erlebte real oder nur ein Traum?

Descartes‘ Zweifel an der Logik: Sind wir Opfer eines ‚Genius malignus‘?

Die einzig sichere Wahrheit: „Ich denke, also bin ich“

Wenn nur Denken Gewissheit verschafft, muss auch Gott logisch gedacht werden

Der Körper-Geist-Dualismus: Die „Res extensa“ und die „Res cogitans“

Was nutzt uns die Entdeckung von Descartes heute?

Eine kurze Geschichte der Erkenntnistheorie von Descartes bis heute

Erfolg und Kehrseite des cartesischen Dualismus: Der Körper als bloße Maschine

Ist die „Res cogitans“ unsterblich?

„Ich zweifle, also bin ich“ – warum der Satz so aktuell ist

Zitatverzeichnis

Die große Entdeckung von Descartes

Der französische Denker René Descartes (1596-1650) ist einer der bekanntesten Philosophen der Welt. Seinen kleinen und weltberühmten Satz ‚Ich denke, also bin ich‘ lernt bis heute jeder junge Franzose verpflichtend im Schulunterricht. Darüber hinaus ist er zum Kulturgut der gesamten Menschheit geworden. Descartes gilt als Begründer des Rationalismus und als Vater der gesamten modernen Philosophie. Diesen Ehrentitel ‚Vater der modernen Philosophie‘ verdient er durchaus, denn zu seiner Zeit wagt er etwas Revolutionäres. Er ist in der Tat der Kolumbus der Philosophie. So wie der große Seefahrer einen bis dahin unbekannten Kontinent, die sogenannte ‚Neue Welt‘ entdeckt, gelingt es Descartes, eine neue Dimension des Wissens zu erschließen und unseren gesamten Blick auf die Welt zu verändern. Vor Descartes glauben die Menschen im christlichen Abendland über tausend Jahre lang an die Worte der Propheten, insbesondere an Jesus Christus und die Bibel als schriftliches Zeugnis göttlicher Offenbarung. Alles Wissen über den Kosmos, die innere und äußere Natur entspringt letztendlich dem Glauben.

Dann kommt Descartes mit einer radikalen Forderung. Das Wissen dürfe nicht länger Offenbarungswissen von Propheten und Heiligen sein, sondern müsse auf einer sicheren und unbestreitbaren Erkenntnis beruhen. Denn die Theologen des Mittelalters hätten, so Descartes, viel zu viele widersprüchliche Meinungen von dem, was wahr oder falsch sei. Obwohl Descartes in einer Jesuitenschule katholisch erzogen wird, beginnt er bereits als junger Mensch am Erlernten zu zweifeln. Rückblickend schreibt er:

Falsches und Widersprüchliches findet Descartes aber nicht nur bei den Theologen, sondern auch in der Philosophie:

Es gibt also in der ganzen Philosophie keine einzige Aussage, die, so Descartes, von der Antike bis heute Bestand hatte. Es fehlt uns an einem sicheren und unbestreitbaren Wissen. Und genau dieser Herausforderung will er sich nun stellen. Er unternimmt den unbescheidenen Versuch, ein für alle Mal ein sicheres Wissen, einen Ausgangspunkt wahrer Erkenntnis zu schaffen, den niemand mehr bestreiten kann. Er sucht, wie er selbst sagt, nach dem vielzitierten ‚archimedischen Punkt‘, von dem aus wir alle anderen Dinge der Welt und des Universums verstehen, beurteilen und beherrschen können:

Und so macht sich Descartes auf die Suche nach dem, was sicher und unerschütterlich ist. Dies sei ohnehin die vornehmste und wichtigste Aufgabe der gesamten Philosophie. Wenn nämlich erst einmal der feste und wahre Boden des Wissens gefunden sei, könnte alles Weitere daraus erwachsen:

Wie viele große Philosophen seiner Zeit war Descartes ein Universalgelehrter, also zugleich Mathematiker und Naturwissenschaftler. Von Descartes stammt auch das entsprechend nach ihm benannte kartesische Koordinatensystem mit der horizontalen x- und der vertikalen y-Achse, welches wir alle aus der Schule kennen. Aber sowohl die Geometrie als auch die Arithmetik, die Physik und alle anderen Einzelwissenschaften, so Descartes, bedürfen zuallererst eines sicheren Wissensgrundes. Er stellt deshalb die fundamentale Frage: Wie kommt man zu sicherer Erkenntnis? Auf was kann ich mich wirklich verlassen? Auf das, was ich sehe, höre und fühle? Auf mein Denken und die Logik? Oder vielleicht auf das, was ich von Kindesbeinen an gelernt habe? Seine radikale Antwort lautet: Auf gar nichts! Ich muss zunächst einmal alles in Frage stellen:

Und dann macht Descartes etwas Ungewöhnliches. Um alles umzustoßen, was er an Falschem oder Fehlerhaftem in seiner Jugend gelernt hat und noch einmal ganz von vorne zu beginnen, zieht er sich für eine Woche an einen abgelegenen Ort zurück und beginnt zu meditieren. Sein Hauptwerk, das ihn berühmt machen sollte, heißt deshalb auch Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. In diesem 1641 erschienenen Buch zeichnet Descartes wie in einer Art Tagebuch Schritt für Schritt seine Überlegungen bei der Wahrheitssuche auf. Es sind insgesamt sechs aufeinanderfolgende Meditationen auf dem Weg zur Gewinnung einer absolut sicheren Erkenntnis. Das Wort „Meditation“ verbinden wir heutzutage meist mit der fernöstlich geprägten Konzentrationstechnik zur Steuerung der Aufmerksamkeit mit dem Ziel einer inneren Befreiung von der Eingebundenheit in die Alltagswelt. So ist etwa Buddha in der freien Natur unter einem Feigenbaum meditierend zu seiner Erfahrung des Nirvana gekommen. Bei Descartes bedeutet Meditation im lateinischen Sinne des Wortes ‚meditatio‘ zunächst einmal nur „Mitte finden, Nachdenken, Nachsinnen“. Die Mitte, die Descartes finden will, ist nicht der Sinn des Lebens, sondern die unhintergehbare und tiefste Erkenntnis, auf der alles weitere Wissen aufbaut:

Anders als Buddha meditiert Descartes nicht im Schneidersitz in der freien Natur, sondern auf dem Ohrenbackensessel vor dem Kamin. Doch ähnlich wie Buddha beginnt er seine Meditation damit, dass er sich an seinem Rückzugsort erst einmal von allen Anhaftungen und Vorurteilen befreit, die er von der Welt mitgebracht hat. Dieses Sichverabschieden und Distanzieren von allen erlernten und vormals für wahr gehaltenen Überzeugungen stürzt ihn allerdings in eine tiefe Verunsicherung:

Die emotionale Wortwahl dieser Passage zeigt bereits, dass sich Descartes eines völlig neuen Stils bedient. Er beschreibt seinen Kerngedanken und den Weg, wie er zu ihm gekommen ist, nicht mehr in der intellektuellen Sprache der Philosophen, sondern im literarischen Stil eines autobiographischen Romans oder Tagebuchs. Das ist ebenso neuartig wie die Veröffentlichung seines Werkes 1647 in französischer Sprache, denn zu seiner Zeit werden philosophische Werke ausschließlich auf Latein verfasst. Die Zielgruppe solcher Bücher waren ja bislang nur die lateinisch sprechenden Bildungseliten. Doch Descartes will mehr:

Er hat Erfolg. Seine Meditationen über die Grundlagen der Philosophie machen ihn bereits zu Lebzeiten berühmt und werden zu einem epochemachenden Werk, das uns bis heute beschäftigt. Er entführt uns in die Welt seiner Suche nach Wahrheit und zieht uns mitten hinein in einen Strudel des Nachdenkens über das, was in unserem Alltag vielleicht nur Täuschung und Einbildung ist. Um zu einer letzten Gewissheit vorzudringen, brauchen wir, so Descartes, eine ganz neue und radikale Methode – die Methode des Zweifelns:

Und so bezweifelt Descartes selbst das, was wir mit eigenen Augen sehen. Denn es könnte eine Fata Morgana oder ein Trugbild sein. Aber auch wenn wir uns sicher sind, etwas fehlerfrei und korrekt erkannt zu haben, könnte es irreal sein. Denn wer sagt uns denn, dass wir nicht gerade träumen? Was, so fragt Descartes, ist absolut unbezweifelbar? Die Antwort, die er schließlich findet, ist sein berühmter philosophischer Satz:

Ich kann nämlich, so Descartes, ausnahmslos alles um mich herum bezweifeln bis auf die Tatsache, dass ich in dem Augenblick, in dem ich zweifle, lebendig bin. Wenn ich nämlich zweifle, dann bedeutet das, dass ich existiere und zwar ganz unabhängig davon, ob ich mich gerade täusche, ob ich träume oder wach bin. Und weil zweifeln nichts anderes ist als eine Form des Denkens, kommt Descartes zu seinem berühmten gewordenen Ergebnis:

Diese letzte – oder man müsste eigentlich sagen – erste Gewissheit wird nun zum Ausgangspunkt seiner Philosophie. Denn Descartes stellt fest, dass das „Denken“ zugleich die Bestimmung des Menschen ist: