Popper in 60 Minuten - Walther Ziegler - E-Book

Popper in 60 Minuten E-Book

Walther Ziegler

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Beschreibung

Karl Popper (1902-1994) ist unbestritten einer der ganz großen Denker der Moderne. Seinen Kerngedanken der "offenen Gesellschaft", der ihn später weltberühmt machen sollte, entwickelt er bereits mit 17 Jahren. Popper ist zu dieser Zeit glühender Anhänger von Newtons Gravitationstheorie, mit deren Hilfe die Wissenschaft alle Bewegungen von Körpern auf der Erde und im Weltall erklärt. Doch bei der großen Sonnenfinsternis von 1919 macht die Menschheit erstmals Beobachtungen, die Einsteins Relativitätstheorie bestätigten. Die Londoner Times schreibt: "Wissenschaftliche Revolution. Neue Theorie des Universums. Newtons Vorstellung gestürzt." Wenn dies so ist, wenn sich also ein Genie wie Newton geirrt hat und sein Wissen nach gut zweihundert Jahren durch ein noch besseres Wissen ersetzt werden muss, dann, so schlussfolgert Popper, gibt es vielleicht generell keine endgültigen Wahrheiten. Genau an diesem Punkt entwickelt er seinen brillanten Kerngedanken: "Das wissenschaftliche Wissen ist kein Wissen: Es ist nur Vermutungswissen". Jede naturwissenschaftliche Theorie gilt nur so lange als wahr, bis sie durch ein Gegenbeispiel widerlegt oder durch eine bessere Theorie ersetzt werden kann. Genau deshalb muss auch jede moderne Gesellschaft für Kritik und neue Theorien offen sein. Das gilt auch und gerade für die Politik. Statt wie Platon einen Idealstaat zu fordern, oder wie Marx und Hegel "totalitäre", geschichtsphilosophische Ziele anzustreben, fordert Popper eine Politik der kleinen Schritte, eine "soziale Stückwerktechnologie". Die naturwissenschaftliche Methode von Versuch und Irrtum, von Hypothese und Falsifikation müsse endlich auch auf die Politik übertragen werden. Das Buch "Popper in 60 Minuten" gibt Antworten auf die entscheidenden Fragen: Hat Popper recht? Ist all unser Wissen nur Vermutungswissen, beruhend auf Versuch und Irrtum? Und haben Platon, Hegel und Marx tatsächlich den Totalitarismus vorbereitet? Muss für die Verbesserung der Gesellschaft anstelle visionärer Konzepte künftig die naturwissenschaftliche Methode von Versuch und Irrtum gelten? Können wir mit Hilfe der "sozialen Stückwerktechnologie" unsere Probleme lösen? Popper gibt klare und unmissverständliche Antworten. Das Buch ist in der beliebten Reihe "Große Denker in 60 Minuten" erschienen.

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Dank an Rudolf Aichner für seine unermüdliche und kritische Redigierung, Silke Ruthenberg für die feine Grafik, Angela Schumitz, Lydia Pointvogl, Eva Amberger, Christiane Hüttner, Walburga Allgeier, Dr. Martin Engler für das Lektorat und Dank an Prof. Guntram Knapp, der mich für die Philosophie begeistert hat.

Inhalt

Poppers große Entdeckung

Poppers Kerngedanke

Poppers revolutionäre Erkenntnistheorie:Wissenschaft als vorläufige Wahrheit

Deduktion statt Induktion:„Der Mensch ist kein Kübel“

Offene und geschlossene Gesellschaften

Die „offene Gesellschaft“ anstellePlatons Herrschaft der Besten

Die falschen Propheten Hegel und Marx

Kritischer Rationalismus als ständigeErneuerung von Wissen und Gesellschaft

Was nutzt uns Poppers Entdeckung heute?

Poppers Konzept der „schrittweisenVerbesserung“ des Lebens

Hat Popper recht? Sind Platon, Hegel undMarx Wegbereiter des Totalitarismus?

Der Positivismusstreit: KritischerRationalismus statt Kritischer Theorie?

Poppers Vermächtnis:Alles Leben ist Problemlösen

Zitatverzeichnis

Poppers große Entdeckung

Karl Popper (1902-1994) ist unbestritten einer der ganz großen Denker der Moderne. Als Naturwissenschaftler und Sozialphilosoph hat er sowohl unsere Wissenschaftstheorie als auch unser politisch-gesellschaftliches Selbstverständnis entscheidend geprägt.

In Österreich geboren, arbeitet er die meiste Zeit seines Lebens als Philosophieprofessor in London, wo er 1949 die britische Staatsbürgerschaft annimmt. 1965 schlägt ihn die Queen zum Ritter. Nachdem Sir Karl Popper mit 92 Jahren stirbt, wird er als „Jahrhundertphilosoph“ und als letzter großer Aufklärer gefeiert. Seinen Kerngedanken, der ihn später weltberühmt machen sollte, entwickelt er bereits mit 17 Jahren in seiner Geburtsstadt Wien. Popper gehört nämlich zusammen mit Rousseau und einigen anderen zu den wenigen Philosophen, die schon als Jugendliche ihren philosophischen Kerngedanken in einer Art „Epiphanie“, einem Augenblick höchster Erkenntnis, völlig klar vor sich sahen. Pikanterweise ist dieser Moment der Offenbarung in Poppers Fall ausgerechnet eine Sonnenfinsternis:

Die Sonnenfinsternis von 1919 und die dabei entstehenden Fotografien des britischen Astronomen Eddington werden für Popper zu einem Wendepunkt in seinem Leben. Ist er bis zu diesem Zeitpunkt noch ein glühender Anhänger von Newton, dessen Gravitationstheorie er für unumstößlich hält, muss er nun komplett umdenken. Denn mit Hilfe von Eddingtons Fotos von der Position zweier Sterne konnte Einstein erstmals seine revolutionär neue Relativitätstheorie in der Wirklichkeit nachweisen.

In Newtons Himmelsmechanik bildet der „Raum“ nur den Behälter, den die Himmelskörper im Laufe der Zeit in kerzengerader Bahn durchqueren. Dass sich ein Planet wie die Erde dennoch auf eine Kreisbahn um die Sonne begibt, ist laut Newton einzig und allein der anziehenden „Gravitationskraft“ zwischen Sonne und Erde geschuldet. Für Einstein dagegen sind „Raum“ und „Zeit“ keine voneinander unabhängigen Größen. Sie sind in einem geometrischen, vierdimensionalen „Raum-Zeit- Gebilde“ verschmolzen und als solches die eigentlichen Verursacher der krummen Bahnen aller Himmelskörper. Die Raum-Zeit-Krümmung verbiege sogar das Licht. Deshalb, so Einstein, können wir an bestimmten Tagen, wie zum Beispiel bei der Sonnenfinsternis am 29. Mai, am Abendhimmel sogar Sterne sehen, die sich in Wirklichkeit weit hinter der Sonne befinden und somit gar nicht sichtbar sein dürften. Während der Mond einige Minuten lang direkt vor der Sonne vorbeiwandert und ihr grelles Licht verdunkelt, könne man sogar Fotos von ihnen machen und damit, so Einstein, doch bitte seine Relativitätstheorie bestätigen oder widerlegen.

Obwohl gerade der Erste Weltkrieg beendet war, entsandte ausgerechnet Großbritannien zwei Expeditionen, um dem Wunsch des deutschen Physikers zu entsprechen. Eine der beiden Expeditionen leitete Eddington. Und siehe da: Die Fotos der Positionen der Sterne bestätigten die von Einstein vorhergesagte Krümmung der „Raum-Zeit“ und nicht die nach Newtons Gravitationstheorie erwarteten Positionen. Nach Newtons Gravitationsberechnung wäre das Licht der beiden Sterne zwar auch an der Sonne vorbeigekommen, jedoch an anderen Stellen mit einer weitaus geringeren Abweichung sichtbar geworden.

Einstein hatte abweichend von der Newtonschen Physik, aufgrund der Raum-Zeit-Krümmung seiner Relativitätstheorie prognostiziert, dass die Lichtstrahlen der beiden Sterne um 0,83 Bogensekunden abgelenkt werden. Und tatsächlich stimmten Einsteins Vorabberechnungen erstaunlich genau. Und so wurde er über Nacht zum Superstar der Wissenschaft. Die Londoner Times schrieb: „Wissenschaftliche Revolution. Neue Theorie des Universums. Newtons Vorstellung gestürzt.“ Die Schlagzeile war nicht übertrieben, denn seit Isaac Newton im Jahre 1687 mit seinem bahnbrechenden Werk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica die klassische Mechanik und moderne Physik begründete, glaubte die ganze Welt, dass die Bewegung von Körpern auf der Erde und die Bahn der Planeten ein für alle Mal entschlüsselt seien. Doch die Welt und Popper mussten umdenken:

Wenn dies so ist, wenn sich also ein Genie wie Newton geirrt hat und sein Wissen nach gut zweihundert Jahren durch ein noch besseres Wissen ersetzt werden musste, dann, so dachte Popper, gibt es vielleicht generell keine endgültigen Wahrheiten. Genau an diesem Punkt fasst er seinen brillanten Kerngedanken:

Und er formuliert es noch radikaler:

Das liegt nicht daran, dass Newton und andere Wissenschaftler schlampig oder methodisch unpräzise arbeiten, sondern an der prinzipiellen Beschaffenheit der Wahrheitsfindung in der Naturwissenschaft. Wissenschaftliches Wissen besteht nämlich, so Poppers Entdeckung, prinzipiell nur aus immer neuen Hypothesen und Erklärungsmodellen, die nur so lange als wahr gelten, bis ein Gegenbeispiel oder ein noch besseres Erklärungsmodell gefunden wird. Damit stellt Popper die Auffassung seiner Zeitgenossen von der empirischen Beweisbarkeit wissenschaftlicher Theorien durch Versuchsreihen grundlegend in Frage. Denn, so Popper, selbst wenn ein Wissenschaftler für seine Theorie tausende Beispiele und Belege in der Wirklichkeit findet, kann irgendwann ein Gegenbeispiel auftauchen und alles in Frage stellen. In seinem wissenschaftstheoretischen Hauptwerk Die Logik der Forschung von 1932 zeigt er diesen Sachverhalt an seinem berühmt gewordenen Schwanen-Beispiel:

Popper spielt in diesem Beispiel auf ein Jahrhunderte altes Wissen an. Denn seit der Antike kennt man in Europa weiße Schwäne, und zwar ausschließlich weiße Schwäne. Jahrhundertelang gilt deshalb der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ als wahr. Doch bei der Entdeckung Australiens finden Forscher erstmals den sogenannten „Trauerschwan“, der ein schwarzes Federkleid besitzt. Der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ wird mit einem Schlag als falsch erwiesen oder, wie Popper sagt, „falsifiziert“.

„Falsifikation“ ist überhaupt der Schlüsselbegriff zum Verständnis von Poppers Wissenschaftstheorie. Wissenschaftlicher Fortschritt, so seine provokative These, beruhe nämlich nicht, wie seine Zeitgenossen glauben, auf Induktion, also auf der logischen Ableitung von Gesetzmäßigkeiten aus Erfahrungswissen, sondern umgekehrt auf theoretischen Hypothesen und deren nachträglicher „Falsifikation“. Sobald eine Hypothese durch ein Gegenbeispiel als falsch erwiesen wird, muss sie durch eine neue und bessere ersetzt werden, was langfristig zu einer Annäherung an die Wahrheit führt. Dieser Annäherungsprozess ist der Kern und das Wesen des wissenschaftlichen Fortschritts.