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Schalotte Schiller, Lotti, ist entsetzt, wie schnell die Zeit verfliegt. Ihre Lebenszeit. Ab da beginnt sie, ein Stück Zeit festzuhalten. Sie beschreibt drei turbulente Monate, in deren Verlauf Schalotte neue Bekanntschaften schließt, Möpse lieben lernt, sich mit Siri von Apple anfreundet und Facebook erklärt bekommt. Sie erwischt Nachbarn bei allerlei komischen Dingen. Sie erkennt, dass zum Leben auch Trauer gehört und jeder nur ein Leben hat. Es gibt keinen Probelauf. Dieses Buch ist ein lebensbejahendes Lesevergnügen für alle. Egal wie alt.
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Seitenzahl: 78
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Andrea Lieder-Hein
Es lebt sich so dahin
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Es lebt sich so dahin
Vorurteile
Immer noch September
Meine Merle
Salat so gesund wie ein Taschentuch?
Gertrude Hallerwein
Wenn Männer sich unterhalten...
SIRI, meine persönliche Sprachassistentin
Fazzebukk
Zählt jedes Leben gleich viel?
Kinderseelen
Hausarzt gesucht?
Eigentlich schon Herbst
Die Rechnung mit der fiktiven Kalkulation
Vor dem Spiegel
SIRI, meine Freundin bei Apple
Nahrungspyramide
Renate Sommer
Ein Selfie bitte
Warum hab ich das gekauft?
Lydia von Gegenüber
Tim, 42
Man strickt wieder
Peter Stumm
Hihihihi
Bloß KEINE Kinder
Daheim bei Gertrude
Ernst sein Müll
Mein neues Auto
Leopold und seine Kekse
Zwei Mädchen
Seebestattung, Rosen und ein Mops
Smileys, Abkürzungen und Autokorrektur
Tim und das Tablet
Unter der Dusche
Jan
Waldfriedhof Middelgaard-Holm
Merle
Weihnachten mit Familie
Neujahr
Impressum neobooks
Vorsichtig öffnete ich meine Augen und schaute verschlafen auf den Wecker. JA! Es war schon Sonntag. Sonntag, der 21. September. Mein Geburtstag.
Mein SECHSUNDSECHZIGSTER Geburtstag.
Ich, Schalotte Schiller, genannt Lotti, ich war ab jetzt 66. Mit 66 fängt das Leben erst an. DAS wüsst ich aber!!!
Sie denken, ich hätte Schalotte falsch geschrieben? Nein, meine Eltern wussten es nicht anders. Sie schrieben, wie man’s spricht. Und jetzt sprechen alle meinen Namen, wie man ihn schreibt. Passt doch!
Schiller? Du bist doch nicht etwa.... ?
Die UrururururEnkelin des alten Friedrich Schiller? Fünf-XS-Enkelin? „Die Räuber“, „Maria Stuart“, „Wilhelm Tell“???
Nein, die bin ich nicht. Ich bin Lotti aus Middelgaard an der Ostsee. Ja fast. Am Middelgaarder See. Die Ostsee ist gefühlt aber gleich um die Ecke. Man riecht sie. Leichter Seetang. Muscheln, Algen. Meer. Knapp neun Kilometer.
Ab heute bin ich 66 Jahre und seit einem Jahr auf Rente.
WO war sie hin? Die Zeit? Waren meine Kinder nicht eben noch klein? Und jetzt?
Jan ist 40, hat drei Kinder und freut sich schon fast auf seinen Ruhestand. Nein, er arbeitet gerne in Flensburg.
Tim ist der älteste von meinen Kindern. Er ist schon 42. Unverheiratet und kinderlos. Mit 42!!! Aber mit jahrelanger Lebensgefährtin. Sarah. Freundin sag ich immer. Nein, er bleibt dabei. Lebensgefährtin.
Tim wohnt gleich bei mir ums Eck, wie ich immer sage. In Middelgaarder Förde. DIREKT an der Ostsee. DAS macht den Unterschied. Aber nächste Woche zieht er um. Mit Sarah. Nach Kiel. Dann muss er nicht mehr pendeln. Der Nebel macht ihm viel zu schaffen.
Und Merle? Kinderlos, geschieden, 34. Wohnt und arbeitet in Kiel. Freund? Wenn, dann im Geheimen. Hihi.
Früher, ja früher, .... da hätten jetzt meine drei Kinder gerufen. „Mama, aufstehen. Frühstück ist fertig!“ Und dann wäre ich, noch im Morgenmantel, in die große Essküche gekommen. Kerzen auf dem geschmückten Tisch. Herbst-Blumen aus dem Garten. Selbst gebackener Kuchen. Selbst gekochte Marmelade. Dampfender Kaffee. Echter Filterkaffee. Keine kleinen Plastik-Näpfe, die sich automatisch in Maschinen öffneten und Kaffee zauberten. Gut, der ist auch lecker. Aber seien Sie jetzt mal ganz ehrlich! Wenn Sie so etwas haben. Riecht Ihre Küche dann lecker nach Kaffee? Läuft einem das Wasser im Mund zusammen? Bei offenen Plastik-Näpfchen? NEIN.
Und dann wären da Geschenke gewesen. Viele Geschenke. Traumhaft eingepackt. Liebevoll. Mit roten Schleifen.
Ja, damals war alles besser. NEIN, so will ich nicht denken. Ich rechne auch nicht mehr in DM. Ich kenn schon den Euro. Horte nicht heimlich DM im Schrank! Benutze den Euro sogar! Und er freut mich.
Über wie viele Grenzen fahre ich immer ohne Zollkontrollen? Ohne Währungsumtausch? CHANGE?... No Change. Ich kann überall meinen € nehmen und bezahlen. Jedenfalls fast.
Und heute? Mein Geburtstag? JÄMMERLICH. Regen von oben. Drinnen fast noch dämmerig. Keine Kerzen. Keine Blumen. Keine Geschenke.
Und dann macht es BIM... und BIM... und BIM
Hi, Mum, herzlichen Glückwunsch. Merle
Hi, MOM, heute 66. Cool. Mach was draus. Tim
Mama, ich drück dich herzlich. Happy Birthday. Jan
Sie kommen an den Bankschalter der Sparkasse Ihres Vertrauens? Wollen eine größere Summe Geld anlegen? Für Ihr Alter? In Aktien, ganz sicher? Keine Hedgefonds??? An Black Pools kommen Sie sowieso nicht ran?
Und dann kommt da so ein junger Schnösel mit einem Spinnennetz –Tattoo am Hals und mehreren Ringen in den Ohren? Na? Drehen Sie jetzt um und gehen wieder? DER kann Ihr Geld doch nicht sicher verwalten??? DOCH, gerade der!
VORURTEILE.
Wenn in einem Beruf, wo Seriosität alles ist, also Anzug und gepflegt, wenn da so jemand auf Sie zukommt, dann kann der nur besser sein als alle anderen. Sonst hätte man ihn da nicht eingestellt. Gibt ja genug. Und wenn nun jemand noch so „anders“ aussieht, dann ... ja dann muss der schon herausragende Fähigkeiten besitzen.
Seien Sie mal ganz ehrlich, so einen Anzug kriegt man doch überall. Für die Bank oder wozu auch immer. Vielleicht passt sogar noch der alte KonfirmationsAnzug. Aber Tattoo und Ringe... Ja, das muss man sich erst einmal trauen. In einer Bank. Ohne sofort zu fliegen.
Ach, Sie meinen, der macht ein Praktikum? Oberstufe? Oder Ehrenamt?
FALSCH.
Die Schüler im Praktikum, die tragen sicher Anzüge. Damit keiner denkt, die haben keine Ahnung. Und das Ehrenamt, das wird in Deutschland GANZ hoch gehalten.
Wenn die ganzen ehrenamtlichen Leute nicht mehr für LAU ehrenamtlich arbeiten würden, dann würde das ganze System zusammen brechen. Auch im Anzug.
Bei der Feuerwehr. Den Tafeln. Der Kirche. Dem DRK. Oder...
Tja, was ich hier möchte, ist „Sie von Vorurteilen befreien“ !!!
Bringt ja nix!!! Macht ja nur Angst.
Aber ich schweife wieder ab. Kommt im Alter. Bei jedem. Früher oder später. Da verliert man mitten drin den roten Faden. Schwupps, ist er weg. Kurzzeitgedächtnis. Aber TIPP. Einfach weiter reden, egal was. Das hilft. Überbrückt. So entstehen keine peinlichen Pausen.
Was soll ich sagen, mein Geburtstag war ein Tag wie jeder andere. Eine Nachbarin kam vorbei und fragte, ob sie meine Tageszeitung haben könnte. Da sei ein Artikel über Bewerbungen drin. Ihr Sohn wolle sich bewerben. Würde auch Zeit. Jetzt so mit 29. Aber in Italien kenne man das ja. Hotel Mama. Wär ja auch bequem, für sie. Sei sie nicht so alleine...
Um das Gespräch zu beenden, gab ich der Frau meine noch ungelesene Zeitung und schaute zum hundertsten Male auf das Handy, ob da nicht doch noch was ...? Oder ob sie vielleicht einen Überraschungsbesuch geplant hatten??? Oder wenigstens ein Geschenk? Hatte mich jahrelang mit Erziehung abgequält. Und nun?
Kiel ist ja nicht aus der Welt. Flensburg schon eher. Hihihi. Fast schon Dänemark. Und Middelgaarder Förde? Gleich um die Ecke. Ums Eck, wie ich immer sag.
Aber nein. Nix passierte! Und dann habe ich abends wie jeden Sonntag Tatort geguckt. War Gort sei Dank eine neue Folge. Die Sommerpause mit den ollen Wiederholungen endlich vorbei.
Tja, nun ist schon wieder Dienstag und ich bin seit drei Tagen 66, und das Leben fängt nicht an, sondern geht einfach nur weiter.
Ich bin dann vorhin mal ins Café „Middelgaard & Meer“ gegangen. In Middelgaard-Holm. Das ist an der Ostsee. Zwölf Kilometer von hier. Wunderbar. Mit kleiner Seebrücke. Und das Café direkt auf dem Steg. Ein Traum, sag ich Ihnen.
Die haben so Riesentorten. Neunstöckig. Alles selbst gebacken. Und immer verschieden. Die passen kaum auf den Teller und füllen für mindestens eine Woche Magen und Darm. Und das Gehirn. Aber lecker.
Während ich da noch so saß, kam dieses Pärchen. Er elegant, mit Anzug. Machte was her. Sie nicht so. Hausmütterchen. Sieht man heute kaum noch.
Ist immer das Gerede von „Frauen haben mindestens 30 Paar Schuhe“, aber diese schien nur ein Paar zu besitzen. Seit längerem. Und sie trug sie jeden Tag. So sahen sie jedenfalls aus, bequem und.... Schwamm drüber.
Beide setzten sich gegenüber hin und redeten erst wieder, als die Bedienung kam und sie was bestellten.
Sie nahm ein Kännchen Kaffee. Dass es das überhaupt noch gibt!!! Kein Becher, keine Tasse, keine Latte, keinen Cappu, nein, ein Kännchen Kaffee. Er wollte nur einen Espresso. Sie überlegte noch und bestellte dann die neunstöckige Schokoladentorte.
Danach schwiegen sie wieder.
Als die Bestellung eintrudelte, staunte ich nicht schlecht. Ich hatte noch nichts bestellt, denn ich blätterte immer noch suchend in der Karte und wusste nicht so recht, wofür ich mich entscheiden sollte.
Plötzlich schrie die Frau „Iiiigiiitttt“. Quer durchs Café.
Sie erklärte ihrem Mann, dass die Torte nach Erdöl schmecke. Vermutete Gift oder Schlimmeres. Man hörte ja so viel. Auch vom Fleisch. Nadeln drin. Antibiotika. Warum nicht mal Erdöl in Torte???
Entsetzlich, alles. Früher war alles noch so einfach. Einfach leben, nicht dauernd Angst haben. Und jetzt? Terroristen, Nahrungsmittel-Mafia, alle waren sie hinter einem her. Geld, Geld, Betrug, wo man hinschaute...
Er, der seriöse Mann, sah etwas indisponiert drein, schaute auf seine hochkarätige Armbanduhr, räusperte sich und sagte dann ganz unromantisch: