Federkleid - Banana Yoshimoto - E-Book

Federkleid E-Book

Banana Yoshimoto

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Beschreibung

Wie verfallen sie ihrem Geliebten war, spürt Hotaru erst, als dieser nach acht Jahren die Beziehung plötzlich beendet. Hotaru steht vor dem Nichts. Erst in ihrer Heimatstadt, umgeben von Vertrauten und neuen Freunden, die alle einen besonderen Draht zur Welt des Übernatürlichen zu haben scheinen, werden ihre Lebensenergien wieder geweckt.

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Seitenzahl: 145

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Banana Yoshimoto

Federkleid

Roman

Aus dem Japanischen von

Thomas Eggenberg

Titel der 2003 bei

Shinchōsha Publishing Co., Ltd., Tokyo,

erschienenen Originalausgabe:

›Hagoromo‹

Copyright ©2003 by Banana Yoshimoto

Die deutsche Erstausgabe

erschien 2007 im Diogenes Verlag

Die deutschen Übersetzungsrechte mit der

Genehmigung von Shinchōsha Publishing Co., Ltd.,

unter Vermittlung des Japan Foreign-Rights Centre

Umschlagfoto von David Sacks

Copyright ©David Sacks/Getty Images

Alle deutschen Rechte vorbehalten

Copyright ©2015

Diogenes Verlag AG Zürich

www.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 23798 6 (2. Auflage)

ISBN E-Book 978 3 257 60647 8

Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.

[5]Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, liegt wie eingezwängt in den Windungen und Biegungen eines großen Flusses. Die Sommer sind angenehm kühl, die Winter aber bitter kalt, mit viel Schnee in den Bergen.

Vom Hauptstrom, der durchs Zentrum fließt, zweigen unzählige Seitenarme ab. Nachts glänzen die feinen Adern klebrig schwarz wie die Fäden eines Spinnennetzes.

Wohin man auch geht, in der Dunkelheit verfolgt einen das Rauschen des Flusses auf Schritt und Tritt. Überall in der Stadt gibt es große und kleine Brücken. Sie erzeugen einen bestimmten Rhythmus, sind wie Satzzeichen in die Flußlandschaft gesetzt, um die Leute immer wieder plötzlich vor dem Wasser innehalten und verweilen zu lassen.

Nachts, wenn die Menschen schlafen, schlängelt sich der Fluß durch ihre Träume. Er hat sich tief in ihre Herzen gegraben und begleitet sie überallhin, egal, welche Wendungen das Leben nimmt.

Nach einer Regennacht, angeschwollen zum [6]reißenden Strom, glitzert der Fluß unbändig und übermütig im grellen Morgenlicht, als wäre er zu neuem Leben erwacht. Am Nachmittag verströmt das verdorrte Ufergras seinen stickig-fauligen Geruch.

Manchmal war ich mir nicht sicher, ob ich all das wirklich mochte. In meiner Vorstellung war »Heimat« stets verbunden mit dem Bild des dahinströmenden Flusses. Doch das endlos vorüberziehende, mal klare, mal trübe Wasser verlieh der Stadt etwas Träges, Verträumtes – als versetze der Fluß die Menschen in eine Art Halbschlaf.

Es beschlich einen das unbestimmte Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.

Diese Landschaft, so vertraut und behaglich sie erschien, zeigte bisweilen auch ihr schroff abweisendes, schauerliches Gesicht. Plötzlich lag da irgendein Hasen- oder Katzen- oder sonstiger Kadaver, oder man trat in Hundekot. Im Gras wimmelte es nur so von Insekten, und es gab Tage, an denen selbst die frische Wäsche, die am Ufer gegenüber zum Trocknen hing, schmuddelig aussah. Es ist wie mit der großen Liebe, von der nichts als ein großer Scherbenhaufen übrigbleibt. Die Dinge haben eben nicht nur ihre guten Seiten.

Natürlich sah man in der klaren Strömung auch Fische in allen Regenbogenfarben glitzern oder das [7]im Wasser sich spiegelnde, herrliche Blau des Himmels. An lauen Sommerabenden, wenn der mit Steinen gepflasterte Damm im Abendlicht leuchtete, konnte man mit einem Gefühl wie aus Kindertagen ewig lange den Fluß entlang spazieren, und wenn es einem nicht so gut ging, brauchte man sich nur auf den Damm zu setzen, und gleich fühlte man sich wieder besser.

Das Wasser floß vor unseren Augen dahin, Tag für Tag, Jahr für Jahr, und wir bedauerten es nicht. Es würde doch nie wiederkommen. Der Wind wehte darüber hinweg, und mit der verfließenden Zeit verwandelte sich die Landschaft, gemächlich, aber gewiß.

Ich betrachtete die Gänseblümchen zu meinen Füßen und berührte die Blütenblätter, so fein wie Fäden. Den kühlen Wind im Gesicht, spürte ich, wie sich auch meine Gedanken auffrischten. Solche Momente verloren nie an Intensität. So oft sie sich wiederholten – sie waren jedesmal neu. Bestimmt wäre es mit allen Dingen dieser Welt so, würde man ihnen nur genug Aufmerksamkeit schenken, sie lange und genau beobachten, dachte ich, wohl wissend, wer mich das gelehrt hatte: der Fluß.

Als ich aufstand und meinen kalt gewordenen Hintern abklopfte, fühlte ich, wie mir der Sinn der Welt ein klein wenig näherrückte. Es war, als [8]atmete der pulsierende Organismus unter meiner verletzlichen Haut die Gewißheit, daß sich dieses große weite Ganze vor meinen Augen kaum je ändern würde. Grandiose Gedanken, kleinliche Sorgen – sie waren wie diese Landschaft einfach da, ohne bestimmte Absicht und doch Ausdruck eines wohlgeordneten Ganzen. So zeigte sich mir die Welt, aber zugleich war ich mir sicher, daß in Wahrheit noch viel, viel mehr in ihr verborgen sein mußte.

Erregt schaute ich auf den Fluß. Es schien mir, als würde allein durch das Strömen des Wassers ein unerschöpflicher Reichtum angehäuft. Mit allen Poren meines Körpers spürte ich, wie sämtliche Dinge um mich herum, die ich fühlen und sehen konnte, Leib und Seele neuen Schwung verliehen, ihnen neue Energie spendeten. Die Erde und die Farbe des Himmels, die flimmernde Stadt mit den dahinflitzenden Autos, das Treiben der Menschen, die Farben der Gräser, die winzigen Lebewesen und mächtig dahinziehenden Wolken, das von fern ans Ohr dringende Summen und Brummen – bestimmt gewann jede Stadt und jeder Mensch seine Lebenskraft aus dem unverwechselbaren Charakter des jeweiligen Ortes, aus all diesen einzigartigen und zugleich alltäglichen Dingen, die die Welt mit Leben füllten.

[9]Ziemlich deprimiert, war ich erst einmal nach Hause zurückgekehrt, um meiner Großmutter im Café zu helfen. Es war Winter. Eigentlich hätte ich bei Vater wohnen können, doch wollte ich sein Witwerleben, das er zu genießen schien, nicht stören. Die Großmutter wohnte nur ein paar Schritte weiter, in einem kleinen Häuschen am Fluß. So nistete ich mich bei ihr ein, im Lagerschuppen hinter dem Café. Ich war froh, allein zu sein. Zwar gelang es mir, meinen Kummer vor anderen Leuten zu verstecken, aber auf die Dauer hielt ich es nicht aus. Allein konnte ich ungeniert losheulen und war nicht gezwungen, auf die Toilette zu rennen, als müßte ich mich gleich übergeben.

Mit achtzehn hatte ich ihn kennengelernt, und ich konnte es noch immer nicht fassen, daß die Beziehung nach acht langen, langen Jahren zu Ende war. Ich brauchte viel Zeit, mich daran zu gewöhnen. Die Dauer selbst bekam ein Eigenleben, wuchs plötzlich zu etwas ungeheuer Mächtigem heran. Saß mir deswegen diese komische Müdigkeit im Nacken? Die steinhart verspannten Schultern wollten nicht locker werden, und im Kopf drehten sich wieder und immer wieder dieselben Gedanken, als wäre ich blöde geworden.

Kinder von Eltern, die sich gut verstehen, lernen oft nicht, der Welt zu mißtrauen. Ich bin mit der [10]Vorstellung aufgewachsen, daß Ehepaare am glücklichsten sind, wenn sie immer zusammen sein können. Ehepaare, bei denen es anders war, waren für mich keine Ehepaare; solche Leute würden sich früher oder später trennen. Davon war ich fest überzeugt. Erst reichlich spät merkte ich, daß die Welt nicht ganz so war, wie ich sie mir vorgestellt hatte, und es allerlei Bedürfnisse gab, je nach Umständen und Verhältnissen. Wie hatte ich nur so naiv sein können.

Als ich zehn war, kam meine Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Sie wollte in die Nachbarpräfektur fahren, um Einkäufe zu erledigen. Unterwegs nickte sie ein, rammte einen Telegrafenmast und war auf der Stelle tot. Bis zu jenem Tag waren Vater und Mutter immer ein Herz und eine Seele gewesen. Vielleicht lag es daran, daß sie an derselben Uni Psychologie studiert und sich zusammen auf das Diplom vorbereitet hatten – jedenfalls waren sie auch später noch wie ein Studentenpärchen. Im nachhinein denke ich jedoch: Sie kamen nicht nur gut zusammen aus, sondern paßten vor allem auch gut zueinander. Ein unzertrennliches, unternehmungslustiges Paar, das sorglos in den Tag hineinlebte und einfach das Leben genießen wollte.

Ganz im Gegensatz zu mir. In der besten Zeit [11]meiner Jugend, in der man sich nach Liebe verzehrt, ließ ich mich auf ein Abenteuer mit einem verheirateten Mann ein. Zu allen möglichen Zeiten und an allen möglichen Orten wartete ich auf ihn, wartete und wartete. Und da ich sonst nichts zu tun hatte, nagte die ewige Ungewißheit an mir, zerfraßen mich Argwohn und Zweifel.

Ich behielt das Apartment in Tokyo, wußte aber nicht, ob ich wieder dahin zurückkehren würde.

Er, ein nicht ganz unbekannter Fotograf, hatte es unter dem Vorwand gekauft, es als Atelier zu benutzen. In Wahrheit hielten wir dort unsere Schäferstündchen. Das Apartment war mein Zuhause, und als es zur Trennung kam, durfte ich es behalten. Offenbar hatte er sich mit seiner Frau abgesprochen, was einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterließ – als hätten zwei vernünftige Erwachsene sich bemüht, nett zu mir zu sein. Seine Frau, schon immer kränklich, litt so sehr unter der Untreue ihres Mannes, daß sie zu den psychischen Problemen auch noch Herzbeschwerden bekam. Trennung sei die einzige Lösung, teilte er mir am Telefon mit.

»Warum fragt man mich nicht, ob ich damit überhaupt einverstanden bin?«

»Das geht nicht.«

[12]»Warum nicht? Ich bin auch jemand. Auch ich habe ein Recht.«

»Wenn es soweit kommt, leider nicht mehr.«

»Du ziehst also einfach den Schwanz ein?!«

»Hör mal, ich kann meine Familie nicht sitzenlassen, sie hat es schwer genug gehabt. Es ist Zeit, Schluß zu machen, auch wegen des Kindes. Wir Eltern und unsere eigenen Eltern – wir alle haben eine gute Beziehung zueinander. Das wollte ich schon immer, Teil eines größeren Ganzen sein, und ich fühle mich dieser Gemeinschaft mehr verbunden, als ich geglaubt hatte. Ich liebe meine Familie und möchte nichts mehr riskieren. Wenn ich jetzt nur an mich denke und wir uns weiterhin treffen, gerät alles aus den Fugen, verstehst du? Erwarte bitte keine weiteren Erklärungen von mir. Ich habe mich entschieden.«

»Letztlich war ich also nur zum Vergnügen da, nicht wahr?«

»In gewissem Sinne, ja.«

»In gewissem Sinne – was soll das heißen?«

»Ach, hör auf damit. Das verdirbt uns auch noch die schönen Erinnerungen.«

»Ist doch egal. Jetzt, wo alles den Bach runtergeht.«

Das sinnlose Hin und Her wollte kein Ende nehmen. Ich fühlte mich in die Enge getrieben. Als [13]wäre nur ich es, die sich trotzig und widerspenstig wehrte, als würde ich mit mir selber reden, allein fragen, allein antworten, allein Vorwürfe machen. Das ist bitter, dachte ich seltsam gelassen. Einfach so ignoriert zu werden… Regungslos starrte ich auf die Tatamimatte. Komm, laß uns doch noch mal in Ruhe darüber reden, hätte ich ihm gerne gesagt, aber da er sich entschieden hatte, war wohl nichts mehr auszurichten.

Wer weiß denn schon, ob Krankheit das schlimmere Übel ist, dachte ich. Warum sollte ein Mensch, obwohl er nicht krank ist, nicht weint, ordentlich ißt, spazierengeht und Freunde trifft, sich nicht ebenso mies fühlen können? Warum nur kommt ihm so etwas nicht in den Sinn? Ohne mir einen zweiten Freund anzulachen oder eine Arbeit zu suchen, hatte ich immer nur auf die Gelegenheit gewartet, ihn zu sehen. Mein ganzes Leben hatte ich nach ihm ausgerichtet. Stets besorgt, ihn nicht zu erreichen oder zu verpassen, war ich an Handy und Computer gefesselt. Konnte ich im Ernst jemandem erzählen, wie neurotisch meine ganze Jugendzeit wohl gewesen war? So lächerlich und sinnlos mir das ewige Wetteifern mit seiner Frau, der Kampf um Sieg oder Niederlage erschien – ich konnte nicht anders. Ich fühlte mich wie in einem zeitlosen Raum, der Welt abhanden gekommen. [14]War trunken vor Glück, als fächelte ein sanfter Frühlingswind um meine Nasenspitze, als betörte mich ein verführerischer, süßer Duft, als säße ich durchgefroren vor dem Ofen und spürte, wie die Glieder langsam warm werden… Ich genoß diese Momente mit ihm, ohne einen einzigen Gedanken an das Morgen oder an die bedrückende Realität zu verschwenden, ich lebte allein im Hier und Jetzt. Meine Gedanken und Erinnerungen waren von Liebe durchtränkt, als räkelte ich mich in einem warmen Bad.

Ich war diesem verrückten Leben restlos verfallen.

Wenn ich’s mir jetzt überlege, war es ein wenig wie im Krankenhaus, wo man sich den ganzen Tag vom Fernseher berieseln läßt. Während drinnen in der friedlichen, gedämpften Stille stets das gleiche Programm läuft und sich höchstens die Frage stellt, was man als nächstes gucken soll, ist draußen alles in lebhafter Bewegung.

In Wirklichkeit wußte ich damals schon, daß ich Stück für Stück etwas Wichtiges aufgab: mein eigenes Leben, mein eigenes Denken. Ich wollte es nur nicht wahrhaben.

Sicher, er war unterhaltend und anregend. Nie langweilte ich mich. Erzählte er zum Beispiel von seinen Erlebnissen beim Fotografieren, allein in [15]wilder, unwegsamer Natur, kam es mir vor, als wäre ich mit dabeigewesen. Und dennoch – hätte er mir die Geschichte nicht selbst erzählt, wäre es fast wie fernsehen gewesen. Auch wenn ich ihn manchmal zur Arbeit begleiten konnte, war ich stets nur seine Assistentin oder Geliebte. Mehr wurde von mir nicht erwartet. Es war ein Leben in vollkommener Hingabe.

Ich hätte viel mehr machen können, wenn ich neugieriger, engagierter gewesen wäre. Warum wollte ich denn nicht selbst hinter der Kamera stehen? Nun, es interessierte mich nicht. Diese teuren Dinger waren mir zu groß und umständlich, und außerdem erschien es mir extrem schwierig, die Natur auf Fotos zu bannen. Eine Lebensaufgabe. Die Welt war so überwältigend reich an Natur, daß ich gar nicht wußte, wo hinschauen. Und Leute zu knipsen, die ich kaum kannte, dazu hatte ich keine Lust. Aber wenn ich mit einem begehrten Fotografen wie ihm zusammenbleiben wollte, war es sowieso nicht möglich, mich ernsthaft einer Arbeit zu widmen. War mir auch egal. Ich wollte einfach nur an seiner Seite sein.

Vielleicht hatte es auch mit den vergangenen Jahren zu tun, daß ich gegen Ende unserer Beziehung soweit war, von Männern nichts mehr zu erwarten. Ich nehme an, er mochte mich, weil ich [16]umgänglich war und immer guter Laune, wenn wir zusammen ausgingen. Ich bin nicht so dumm, man kann mit mir über dieses und jenes sprechen, und allzu übel sehe ich auch nicht aus. Und trotzdem hatte ich nichts Besseres zu tun, als geduldig auf ihn zu warten, Tag und Nacht. Er wußte, daß es immer ein warmes Plätzchen für ihn gab, Sex inklusive. Ein solches Plätzchen, selbst ohne Sex, hätte ich auch nicht verachtet.

Zweifellos war ich für ihn die immer Gutgelaunte, die ihr Leben nach eigenem Gusto führte. Daß ich in ein derartiges Loch fallen würde, hatte er sich wohl nicht im Traum vorgestellt. Ich war ihm nicht böse. Was hilft es, dachte ich mir. Was geschehen ist, ist geschehen. Wie auch immer ich es drehte und wendete, das Ergebnis blieb sich gleich: Er hatte sich nicht für mich, sondern für seine Frau entschieden.

Das Apartment, das er mir als finanzielle Abfindung überließ, hatte eine große Veranda, in der Nähe gab es einen Bahnhof und viele Einkaufsmöglichkeiten, und die Verwaltungsgebühr kostete monatlich gerade mal 20000 Yen. Aber sobald ich in der Wohnung war, überwältigten mich die Erinnerungen. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt, wie ein gespenstischer Schatten meines einstigen Selbst.

[17]Obwohl ich wußte, daß er nicht wiederkommen und wie früher jeden Freitag die Nacht bei mir verbringen würde, sah ich mir die gleichen Fernsehshows an, kaufte im gleichen Supermarkt die gleichen Sachen, ließ wie immer die Waschmaschine laufen, trug wie immer den Schlafanzug, den er am liebsten mochte – und schlief allein ein. Das Büchergestell, das wir für uns beide ausgesucht und bestellt hatten, war erst neulich geliefert worden. Die Erinnerungen an die ausgelassene Stimmung jenes Tages, als wir zusammen auf Einkaufstour gingen, tanzten wie Totengeister vor meinen Augen.

Mein Leben hatte sich in einen Alptraum verwandelt, aus dem es kein Entrinnen gab.

Ich aß im gleichen Restaurant zu Mittag, kaufte den gleichen Kaffee, den wir zusammen getrunken hatten… Doch unser Liebesdramolett, das wir acht unendlich lange Jahre gespielt hatten, nahm mit einem einzigen Telefonat jäh ein Ende. Ich fühlte mich, als wäre ich über Nacht eine alte Frau geworden. Irgendwie weiterleben wie bisher – das war alles, was ich gerade noch schaffte. Für mehr fehlte die Kraft. Wie schwach und hilflos man plötzlich sein kann, stellte ich ernüchtert fest.

[18]Jedenfalls war alles zu Ende. Ein Liegenschaftsverwalter kam, um die Formalitäten der Überschreibung zu erledigen. Was das Finanzielle betraf, machte ich mir zuerst ein wenig Sorgen, doch es ging alles glatt, und auf einmal war ich allein die rechtmäßige Besitzerin unseres gemeinsamen Apartments. Allerdings hatte ich das Gefühl, jetzt überhaupt nicht mehr aus meiner imaginären Welt, in der ich rastlos umherirrte, ausbrechen zu können. Es war, als würde ich gebannt auf das Ende eines zerrissenen Fadens starren, der unerreichbar in der Luft baumelte.

Unsere Beziehung kam ans Licht, als er die Ansage für den Anrufbeantworter aufnahm, um mich vor telefonischen Belästigungen zu schützen. Natürlich dauerte es nicht lange, bis seine Frau die Stimme zu hören bekam und sich in ihrem Verdacht bestätigt sah. Unser Leichtsinn läßt sich nur damit erklären, daß wir uns damals, wenn auch unausgesprochen, bereits als ein festes Paar sahen, das in wilder Ehe zusammenlebte.

Die Erinnerung daran tut weh… Wie glücklich war ich an jenem Abend! Noch einmal und noch einmal mußte er die Aufnahme wiederholen, so nervös war er. Ich tat, als hörte ich nichts, und bereitete das Essen zu. Curryreis. Vom Dampf dicht beschlagene Fensterscheiben, das Schürfen der [19]Löffel, der würzige Duft… Ich erinnere mich, als wär’s gestern gewesen.

Wir hatten keineswegs das Gefühl, etwas Verwerfliches zu tun.

Mit der Katze im Arm kam er zu mir in die Küche und sagte: »Endlich hat’s geklappt!«

»Dann bleibt das jetzt für immer so.«

»Aber sicher!«

»Selbst wenn es schiefgeht mit uns…«

»Für immer« mußte in unserer Vorstellung wirklich sehr lange gewesen sein. Mindestens so lange wie die Ewigkeit.