Gold & Höhlenstaub - Erin J. Steen - E-Book

Gold & Höhlenstaub E-Book

Erin J. Steen

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Beschreibung

»Sie wissen, wer du bist.« Studentin Rachel findet einen Brief mit unbekanntem Absender in ihrer Handtasche. Wer dahinter steckt und was er von ihr will, ist ihr ein Rätsel, aber ihr mysteriöser Brieffreund verspricht ihr Geld, das sie dringender braucht, als sie je zugeben würde. Als für Schmuckdesignerin Quinn bereits alles verloren scheint, verbessern sich schlagartig ihre Chancen, den Design-Wettbewerb zu gewinnen. Liegt das allein an ihrer Leistung oder viel mehr an ihrer jüngsten Entdeckung?

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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DAS BUCH

»Sie wissen, wer du bist.«

Studentin Rachel findet einen Brief mit unbekanntem Absender in ihrer Handtasche. Wer dahinter steckt und was er von ihr will, ist ihr ein Rätsel, aber ihr mysteriöser Brieffreund verspricht ihr Geld, das sie dringender braucht, als sie je zugeben würde.

Als für Schmuckdesignerin Quinn bereits alles verloren scheint, verbessern sich schlagartig ihre Chancen, den Design-Wettbewerb zu gewinnen. Doch liegt das wirklich allein an ihrer Leistung oder viel mehr an ihrer jüngsten Entdeckung?

DIE AUTORIN

Erin J. Steen wurde im Herbst 1983 in Niedersachsen geboren. Dort lebt und arbeitet sie auch heute wieder, nachdem sie einige Jahre in verschiedenen Orten im In- und Ausland verbracht hat. Sie liebt große Städte, möchte aber nicht mehr längere Zeit in einer Großstadt leben. Das Haus teilt sie mit einem Mann, einer Tochter und zwei tierischen Gefährten.

Ihre Freizeit verbringt sie nicht nur mit dem Schreiben, sondern auch mit Spaziergängen im Wald, der Familie und stetig wechselnden kreativen Hobbys. Sie fotografiert, näht und denkt hin und wieder daran, das Töpfern zu erlernen.

Ankündigungen neuer Projekte, exklusive Infos und aktuelle Termine gibt es im Newsletter. (Anmeldung über www.erinjsteen.com)

GOLD & HÖHLENSTAUB

BAD HABITS 4

ERIN J. STEEN

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

2. Auflage, 2023

© Erin J. Steen – alle Rechte vorbehalten.

Erin J. Steen

Zum Fuhrenkamp 12

38448 Wolfsburg

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, unterliegen der Zustimmung des Rechteinhabers.

Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

[email protected]

www.erinjsteen.com

KAPITELEINS

RACHEL

Abgehetzt erreichte sie den Coffeeshop am anderen Ende des Campus. Trotz ihrer Bemühungen brachte sie immer noch eine stattliche Verspätung von rund fünfzehn Minuten mit. Dennoch winkte ihr Jonah fröhlich aus der Ecke zu, in der er mit Ethan und Ben hockte. Die beiden anderen Teammitglieder sahen leider weniger erfreut über ihre Ankunft aus.

Jonah hob seine Tasche von dem letzten Stuhl am Tisch, um ihn für sie frei zu räumen. Ihr Blick glitt über die Tafel, auf der die Getränke angeschlagen waren. Doch dann fiel ihr wieder ein, wie hart das letzte Monatsende gewesen war, bis endlich wieder Geld auf ihrem Konto eingegangen war. Diesen Monat musste sie mit ihrem knappen Budget besser haushalten. Seit sie den Job bei der Telefonhotline zugunsten des Studiums hatte aufgeben müssen, war jeder Monat ein Kampf. Aber sie brauchte die Zeit zum Lernen, sonst würde sie ihren Abschluss nie schaffen. Ihren Kaffee konnte sie deshalb nur noch zuhause trinken.

Das Studium war fordernder als alles, was sie je zuvor gemacht hatte. Der Luxus, nebenher Zeit zum Arbeiten zur Verfügung zu haben, gehörte der Vergangenheit an. Damit leider aber auch jeglicher anderer Luxus. Doch ein abgeschlossenes Studium war den Preis wert, sprach sie sich fortwährend Mut zu - so wie in jenem Augenblick, in dem sie ein Latte Macchiato und ein Blaubeermuffin anlachten. Am Tisch der Jungs standen bereits mehrere leere Gläser und Tassen, aber sie widerstand dem Drang, sie fortzuräumen. Sie war schließlich nicht die Putzfrau der Drei.

»Hey, sorry, dass ich zu spät bin. Ich saß noch in Eriksons Seminar fest.« Sie hängte ihre Umhängetasche an den Stuhl und warf den Jungs ein entschuldigendes Lächeln zu. Dass sie eigentlich vielmehr versucht hatte, mit ihrem attraktiven Professor ins Gespräch zu kommen, verschwieg sie ihnen lieber. Dafür hätte sicher keiner von ihnen Verständnis.

Thore Erikson war ein schwedischer Gastprofessor an der Uni, den sie einfach zum niederknien fand. Sein Akzent war der Hammer und sein nordisches Aussehen erinnerte sie immer wieder an einen stattlichen Wikinger. Zudem hatte er echt etwas auf dem Kasten, was ihn noch viel anziehender machte. Er forschte an einem neuen IT-Security-Konzept, was genau in Rachels Spezialisierungsgebiet fiel. Nicht nur seinetwegen hätte sie gern in diesem Programm eine Chance ihre Abschlussarbeit zu schreiben. Aber Erikson schien weder ihr Interesse an sich noch an seinem Fachgebiet nennenswert zu honorieren. Dabei stellte sie in jeder Unterrichtseinheit Fragen, von denen sie hoffte, dass sie klug genug waren, um seine Aufmerksamkeit zu erreichen. Damit kam sie nach dem Unterricht zu ihm und versuchte, ihm nahe zu sein. Vergebens. Er schenkte ihr nicht mehr Aufmerksamkeit als allen anderen Studentinnen. Doch heute hatte sie geglaubt, in seinen kühlen Augen einen Funken von Interesse zu erspähen.

»Kein Problem. Wir haben mit den Neuigkeiten auf dich gewartet«, leitete Jonah ein.

»Was er eigentlich meint ist, du bist schuld, dass wir auf heißen Kohlen sitzen«, grummelte Ben. »Ich habe echt noch viel vor und es wäre cool, wenn wir langsam mal zur Sache kommen könnten.«

»Ben, reiß dich zusammen. Rachel lässt uns doch nicht absichtlich warten«, verteidigte Jonah sie heldenhaft doch leider zu unrecht. Sie zog den Kopf ein und ließ den Disput der Beiden vorbeiziehen. Ethan saß wie so oft unbeteiligt neben ihnen und verschwand in seinen eigenen Gedanken. Hätte sie ihn nicht gekannt, wäre er ihr in der Ecke wohl nicht einmal aufgefallen, weil er eigentlich gar nicht da war.

»Ist alles klar mit dir?«, sprach sie ihn an, nachdem sie ihn eine Weile beobachtet hatte.

Er tauchte aus seinen Gedanken auf wie von einem langen Tauchgang, holte kurz Luft, um »Klar« zu sagen und verschwand wieder unter der mentalen Wasseroberfläche.

»Okay, ich habe hier den Umschlag mit unseren Ergebnissen, aber ich wollte mit dem Öffnen warten, bis wir alle zusammen sind. Seid ihr bereit?«, fragte Jonah noch einmal unnötigerweise. Ethan würde nie bereit sein und Ben war bereit genug für sie alle zusammen.

Rachel erwartete von der Note einen herben Rückschlag auf ihrem Weg zum Abschluss, weil sie die Arbeit mit heißer Nadel in einer Nacht hatten stricken müssen, nachdem die erste Version auf mysteriöse Weise verschwunden war. Jonah gab wahlweise Ethan oder seiner Mitbewohnerin daran die Schuld, aber Rachel konnte sich nicht vorstellen, dass einer von Beiden absichtlich ihre Arbeit sabotierte. Ethan brauchte den Abschluss doch sicher genauso wie sie alle und Quinn selbst hatte überhaupt nichts mit der Sache zu tun.

Ben nickte und hob ungeduldig die Hände, um den Brief an sich zu reißen, wenn Jonah ihn nicht von selbst öffnete. Doch Jonah kam ihm zuvor und zog den Zettel heraus. Seine Augen huschten über die Zeilen.

»Eine Drei«, verkündete er. Streber Ben ließ den Kopf hängen, als hätte er nach all den Pannen wirklich noch auf mehr gehofft. Sie war froh, dass es nicht schlechter für sie ausgegangen war. So hatten sie immerhin noch eine Chance auf eine Zwei im Durchschnitt für das Projekt. Sie mussten nur in den nächsten Teilaufgaben richtig punkten.

»Tut mir echt leid, Leute. Das ist alles meine Schuld. Ich kann mir noch immer nicht erklären, wie das passiert ist«, gab Ethan kleinlaut zu.

»Hier steht auch, was als Nächstes kommt«, überging Jonah die Entschuldigung seines Kollegen. »Wir brauchen einen funktionstüchtigen Prototypen. Das wird eine ganz schön heftige Herausforderung.«

»Oh ja«, stimmte Rachel zu. »Wir brauchen ein festgelegtes Design, alle Maße, die optischen Sensoren und auch sonst ziemlich viel Zeug, das ich nicht unbedingt zuhause habe. Wie viel Zeit haben wir?«

»Bis zum 7. November«, las Jonah erneut ab.

»Sollte zu machen sein, aber ich muss gestehen, ich bin echt knapp bei Kasse«, gab sie zu. »Ich kann es mir diesen Monat nicht leisten, viel Geld für diese Sachen auszugeben.« Eigentlich konnte sie es sich in keinem Monat leisten und einen Antrag bei der Unterstützungskasse würde sie so schnell nicht bewilligt bekommen.

»Bei mir ist auch gerade Ebbe«, stimmte Jonah ein, der sonst immer genug Geld besaß.

»Ist kein Problem, das geht auf mich«, bot sich Ethan großzügig an. »Vielleicht kann ich so ein bisschen von dem angerichteten Schaden wieder gut machen.«

»Das ist ja auch das Mindeste«, grummelte Jonah halblaut.

Ben saß noch immer schmollend mit vor der Brust verschränkten Armen auf seinem Stuhl und schwieg eisern.

»Okay, verteilen wir die Aufgaben. Ben hat es schließlich eilig«, forderte Rachel sie auf, ehe erneut Streit unter den Jungs ausbrach. Irgendwie waren sie an diesem Tag alle ziemlich angespannt. »Wir brauchen eine Einkaufsliste für Ethan. Das sollte der erste Schritt sein.«

»Die Konstruktion selbst ist dann wohl meine Aufgabe.« Jonah zuckte die Achseln, als wäre das immer klar gewesen. »Ben, willst du das Lastenheft machen, damit wir alle am gleichen Produkt arbeiten?«

»Ähm, ja, okay. Kann ich machen. Das muss ich ja nur aus dem Konzept ableiten.«

»Und wir brauchen ein paar User Stories für die Programmierung. Die Software übernehme ich, wenn wir uns über die Stories verständigt haben«, sprang Rachel dazwischen. »Ethan du machst doch bestimmt das Design, oder?«

Ethan nickte wie selbstverständlich. Endlich konnten sie ihre unterschiedlichen Studiengänge mal für etwas nutzen, das sich ergänzte, statt immer nur mit den unsichtbaren Geweihen gegeneinander zu hauen wie vier Widder. Sie hatte zwar das Gefühl, sich meistens aus den Streitereien herauszuhalten, merkte aber immer wieder, dass sogar sie sich in einzelnen Aspekten durchsetzte. Das überraschte sie angesichts des ständigen Kompetenzgerangels der drei Jungs an diesem Tag sehr. Oft kam sie sich neben ihnen vor wie das unnütze fünfte Rad am Wagen. Sie konnte weder etwas konstruieren noch hatte sie besonders kreative Ideen. Alles, was sie konnte war es, Funktionen in Software abzubilden. Mit Hilfe von einem geschickt geschriebenen Code konnte sie fast alles umsetzen, was andere sich vorstellten.

»Okay, dann hätten wir es für heute?«, wollte Ben ungeduldig wissen und sprang bereits von seinem Stuhl auf.

»Ja, kannst du mir die Stories bis Mitte nächster Woche geben?«

Ben nickte Rachels Bitte ab und eilte aus dem Coffeeshop. Ethan wandte sich an Jonah.

»Sagst du mir, was du brauchst und welche Maße ich annehmen kann?«

Wie immer, wenn Ethan ihn direkt ansprach, grummelte er irgendwas Unverständliches. Dann verschwand auch Ethan und ließ Jonah und Rachel allein zurück.

»Sag mal, kannst du demnächst mal bei mir vorbei kommen? Es gibt da etwas, das ich mal mit dir allein besprechen will«, wandte er sich leise an sie. Die Geheimniskrämerei ließ sie aufhorchen, aber sie kannten sich seit Jahren und wenn es etwas gab, dass er nur mit ihr alleine besprechen wollte, sollte es ihr recht sein.

»Klar, kein Problem. Wann passt es dir?« Sie verabredeten einen Tag und schließlich machte sich auch Jonah auf den Weg in seinen nächsten Kurs. Wenn sie nicht gleich notierte, was sie besprochen hatten, würde sie wieder die Hälfte vergessen.

Sie zog ihre Tasche auf den Schoß und kramte nach Zettel und Stift, als ihr ein Umschlag auffiel, den sie bestimmt nicht dort hinein gesteckt hatte. Das dicke weiße Papier war viel teurer als das, was sie gelegentlich im Studiensekretariat mitgehen ließ, wenn sie mal wieder um einen Aufschub ihrer Gebühren bettelte. Wie er in ihre Tasche kam, war ihr ein Rätsel.

Ein einzelnes Blatt steckte in dem verklebten Umschlag, den sie vorsichtig öffnete, um das Papier möglichst wenig zu beschädigen. Vielleicht konnte sie es noch einmal verwenden.

HEY RACHEL,

WENN DU INTERESSE AN EINEM JOB HAST, DER DEINEN FÄHIGKEITEN ENTSPRICHT, MELDE DICH UNTER [email protected]

WIR KENNEN DEINEN WERT UND DER LIEGT WEIT JENSEITS VON 20 DOLLAR PRO STUNDE.

X

Sie stutzte und sah sich in dem Coffeeshop um. Hatte diesen Umschlag jemand in ihre Tasche geschmuggelt, während sie mit den Jungs hier gesessen hatte? Oder war es schon im Seminar bei Erikson passiert? Zweifellos würde sie keine dubiosen Angebote dieser Art annehmen. Zumindest nicht, wenn sie nicht wusste, wer ihr dieses Angebot machte. Neugierig war sie trotzdem. Und wenn sie ehrlich war, konnte sie das Geld wirklich gut gebrauchen, aber 20 Dollar mehr oder weniger würden vermutlich an ihrem Schicksal nur wenig ändern.

KAPITELZWEI

TYLER

Zwar hatten sie dutzende merkwürdige Hinweise im Zusammenhang mit Delias Verschwinden bekommen, doch das einzig brauchbare Motiv hatte der Designer, den sie in ihrem Artikel beschuldigt hatte, seine Models schlecht zu behandeln. Das reichte zwar aus Tylers Sicht immer noch nicht aus, um der Journalistin etwas anzutun, aber irgendjemand hatte sie angegriffen oder angreifen lassen, um sie einzuschüchtern. Zumindest so lange sie der Aussage der Mädchen glaubten, denn einen Beleg dafür gab es nirgends.

Vielleicht war es der gleiche Mensch, der ihr die Drohbriefe geschickt hatte, von denen sich ebenfalls kein einziger auffinden ließ. Beides waren - wie Will nicht müde wurde zu betonen - bloße Berichte aus zweiter Hand. Trotzdem hatte er sich für diesen Nachmittag bei dem Designer Fred Loyd angekündigt und war mit seinem Partner auf dem Weg in dessen Studio.

Ein verglastes Treppenhaus führte in dem am Rande der Innenstadt gelegenen Bürogebäude zu einem weitläufigen Atelier. Lange bevor sie ihn sahen, hörten sie Fred Loyd wüten.

»So nicht. Das sieht aus wie Taubendreck«, schimpfte die raue Männerstimme. »Mach es noch mal und geb dir verdammt noch mal endlich Mühe, sonst schmeiße ich dich raus.«

Eine verheulte junge Frau eilte die Treppe herunter an ihnen vorbei, ohne Notiz von den beiden Polizisten zu nehmen.

»Guten Tag. Mr. Loyd nehme ich an«, kündigte Tyler sich an.

»Nehmen Sie doch an, was Sie wollen.« Das zerknitterte Gesicht unter den zusammengezogenen Augenbrauen zeigte nichts als Verachtung. Seine blassblauen Augen musterten zuerst ihn und dann seinen Kollegen. »Was wollen Sie?«

»Wir sind von der Polizei. Detectives Ducharme und Evans«, erklärte er mit der Geduld, die er sich in den ersten Jahren seiner Dienstzeit bei der Polizei in Detroit antrainiert hatte. Es brachte nichts, wenn er den Leuten mit der gleichen Aggression begegnete wie sie ihm.

»Sie sind Polizisten?« Ungläubig musterte er sie noch einmal und stieß ein freudloses Lachen aus. »Der Schokoriegel und der Milchbubi. Ist ja zum Schießen.«

»Wir würden es begrüßen, wenn Sie Ihre Wortwahl noch einmal überdenken würden. Schließlich sind wir alle kultivierte Menschen«, erwiderte Tyler, dessen Gesichtszüge sich als Reaktion auf die rassistische Beleidigung verhärteten. Dass dieser Typ genau das Arschloch war, das in dem Artikel von Delia gezeichnet wurde, glaubte er inzwischen ohne jeden Zweifel.

»Sonst was?«, wollte der verkniffen dreinblickende Künstler wissen. »Wollt ihr mir den Arsch versohlen?«

Tyler setzte zu einer weniger höflichen Erwiderung an, doch Will hielt ihn sachte am Arm zurück. »Lass es, der Idiot ist es nicht wert«, flüsterte er.

Er hatte ja so verdammt recht, doch manchmal ging es mit ihm durch. In manche Gesichter wollte er am liebsten mit der Faust hineinschlagen, bis kein Müll mehr zwischen den Lippen hervorquoll. Dass er ihn Milchbubi nannte, konnte Tyler verkraften, aber Rassismus und das, was er mit den Mädchen gemacht hatte, war einfach zu viel, um es stillschweigend hinzunehmen.

»Wir haben Hinweise darauf, dass Sie in Zusammenhang mit der Bedrohung und eines tätlichen Angriffs zu Lasten von Delia Gupta stehen. Was können Sie uns darüber sagen?«, fragte er, während er mit der bloßen Kraft seiner Gedanken die Gewaltfantasien gegen den Mann unterdrückte.

»Was?«, fragte der Alte dümmlich. »Wer soll das sein?«

Sein Mund stand offen. Eine echte Einladung für einen schmerzvollen Haken.

»Eine Journalistin, die vor einigen Monaten einen Artikel über Sie geschrieben hat«, sprang Will ihm unerwartet bei.

»Es schreiben ständig irgendwelche Miezen über mich«, kommentierte Loyd selbstgerecht.

»In diesem Artikel sind Sie nicht so gut weggekommen, wie sie es vielleicht gewohnt sind«, setzte Will nach und half Loyds Erinnerung auf die Sprünge.

»Ach, die Schnepfe. Ja, die war hier. Aber bedroht habe ich sie nicht. Ich habe ihr nur gesagt, dass ich ihrer Karriere ein zügiges Ende bereiten könnte, wenn sie ihre spitze Zunge nicht im Zaum hält.« Achselzuckend wandte Fred Loyd sich von ihnen ab und marschierte auf einen Tisch zu, der von Papieren übersäht war. »Ist sonst noch was?«

»Vielen Dank für Ihre Kooperationsbereitschaft. Wenn Ihnen noch etwas Sachdienliches einfällt, melden Sie sich bitte bei uns«, beendete Tyler das Gespräch ohne die gewünschten Einsichten. Er hatte die Schnauze gestrichen voll von diesem Egomanen. Wie gern hätte er ihn dafür verhaftet, dass er ein Arschloch war, nur war das leider nicht strafbar. Bis er etwas Belastendes gegen ihn in der Hand hatte, konnte er sich weiter so asozial benehmen, wie er wollte. Aber er würde ihn nicht vom Haken lassen und alles daran setzen, ihm etwas nachzuweisen.

»So ein unglaubliches Stück Dreck«, schimpfte er lauthals, als er mit Will zurück in das gemeinsame Büro im vierten Stock des Präsidiums marschierte. Irma zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern. Selbst Mason blickte von seinen Akten auf.

»Was ist denn los?«, wollte der Chef der Truppe wissen.

Tyler war rasend vor Wut und hatte Mühe, die richtigen Worte zu finden.

»Nichts, Boss. Wir hatten nur eine Begegnung der dritten Art«, erklärte Will an seiner Stelle. »Der Kerl hat sogar unserem sanftmütigen Wolf zugesetzt.«

Etwas zu kräftig heftete er das Foto von Loyd mit einem Magneten an die Ermittlungswand, die sie im Büro aufgebaut hatten, und umkreiste es mit einem roten Marker. Fotos aller Freundinnen von Delia sowie das Bild von ihr selbst zierten bereits die Tafel.

»Ich bin weder sanftmütig noch ein Wolf«, grummelte Tyler vor sich hin.

»Super, dass ihr schon wieder hier seid. Ich wollte euch heute zum Mittagessen einladen«, kündigte Mason an und unterbrach sein Gemurmel. »Will, kannst du mir helfen, die Sachen abzuholen?«

»An wie viel hast du gedacht?«, fragte er skeptisch, folgte seinem Chef aber dennoch in den Flur. Tyler blieb allein mit Irma zurück und nahm sich ein Wasser aus dem Kühlschrank.

»Möchtest du auch etwas?«, fragte er in Richtung seiner hübschen Kollegin. Irma sah aus ihrer geduckten Haltung auf und begann ihre Schultern wieder zu entspannen. Er erkannte, dass er sie erschreckt hatte, auch wenn sich sein Zorn nicht gegen sie richtete. »Tut mir leid, dass ich gerade so ausgerastet bin. Ich bin sonst nicht so.«

»Wie bist du denn dann?«, wollte sie leise wissen.

Vielleicht, so grübelte er weiter, war er doch ein kleines bisschen sauer auf sie. Warum hatte sie nicht auf seine Frage geantwortet wie jeder normale Mensch? Warum hatte sie nicht einfach gesagt, dass sie nicht mit ihm ausgehen wollte? Sollte er sich für sie noch mehr zum Affen machen, als er es ohnehin jeden Tag tat? Jeden Tag, den er mit ihr arbeitete und sie anschmachtete wie einen frischen Donut, während selbst seine Kollegen mitbekommen mussten, dass er auf sie stand. Jeden Abend, wenn er nach Hause kam, berichtete er Simon von seinem Liebeskummer und ließ sich gute Ratschläge geben, die bei ihr einfach nichts ausrichteten.

»Finde es raus«, forderte er sie auf und nahm seinen Mut noch einmal zusammen. Ein letztes Mal, schwor er sich. »Geh mit mir aus und bilde dir deine eigene Meinung.«

»Ich kann nicht«, gab sie zurück und senkte den Blick auf ihren Bildschirm.

»Warum kannst du nicht?«, hakte er nach.

Er hatte schließlich nichts mehr zu verlieren. Sie wusste es, er wusste es und sonst war niemand hier, der ihn für einen Waschlappen halten könnte, weil er einen Korb kassierte.

»Ich hatte den Eindruck, du wärst sehr wohl interessiert. Doch seit wir in einem Team arbeiten, bist du abweisend und tust, als hätten wir uns nie zuvor gesehen.«

»Genau deshalb«, erklärte sie, ohne dass Tyler auch nur ein Stückchen schlauer aus ihren Worten wurde. »Du bist mein Kollege und ich gehe grundsätzlich nicht mit Kollegen aus.«

»Was ist das denn für eine blöde Regel? Erst willst du, dass uns das Schicksal dreimal zusammenführt, und wenn es das dann tut, ist es der Dame auch nicht recht.«

Ja, okay, er war sauer auf sie.

KAPITELDREI

SIMON

Diese Nachtschicht hatte ihm alles abverlangt. Er hatte sich nur für einen Augenblick auf die kleine Treppe am Seiteneinstieg des Wagens gesetzt und wollte nun am liebsten nie wieder aufstehen. Die nächste Crew stand jedoch schon bereit und sobald es einen Einsatzbefehl gab, musste er aufspringen, wenn er nicht noch eine weitere Schicht dranhängen wollte.

All das Grauen auf den Straßen kroch ihm unter die Haut.

---ENDE DER LESEPROBE---